Spruch:
Dem Rekus wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluß wird als nichtig aufgehoben; dem Rekursgericht wird die neuerliche Entscheidung in der durch § 8 Abs 1 JN vorgeschriebenen Besetzung aufgetragen. Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind als weitere Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu behandeln.
Text
Begründung
Der Erstrichter erließ zur Sicherung des von der Klägerin geltend gemachten, auf das UWG gestützten Unterlassungsanspruches als Einzelrichter des Landesgerichtes für ZRS Graz eine einstweilige Verfügung, ohne dabei auszusprechen, daß er in Ausübung der besonderen Gerichtsbarkeit in Handelssachen tätig gewesen sei. Das Gericht zweiter Instanz, das dem von der Beklagten gegen die einstweilige Verfügung erhobenen Rekurs Folge gab und den Sicherungsauftrag abwies, entschied "in Ausübung der besonderen Gerichtsbarkeit in Handelssachen" durch einen aus zwei Berufsrichtern und einem fachmännischen Laienrichter aus dem Handelsstand zusammengesetzten Senat.
Gegen diesen Beschluß wendet sich der Revisionsrekurs der Klägerin, die unter anderem Nichtigkeit nach § 477 Abs 1 Z 2 und 3 ZPO geltend macht und die Wiederherstellung der einstweiligen Verfügung des Erstgerichtes, hilfsweise die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses beauftragt.
Die Beklagte beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist berechtigt.
Mit Recht rügt die Klägerin die Besetzung des Rekursgerichtes:
§ 388 Abs 2 EO idF der ZVN 1983 ordnet an, daß bei den in § 387 Abs 3 EO erwähnten einstweiligen Verfügungen - zu denen auch jene wegen unlauteren Wettbewerbes zählen - der Senat in der für die Hauptsache vorgesehenen Zusammensetzung entscheidet; (nur) in dringenden Fällen kann auch in solchen Angelegenheiten der Vorsitzende des Senats allein entscheiden. Diese Besetzungsvorschrift gilt nach § 388 Abs 3 EO auch für das Rekursverfahren. Der Gesetzgeber wollte damit für diejenigen Angelegenheiten, für die die Übereinstimmung des Spruchkörpers, der über die einstweilige Verfügung entscheidet, mit dem in der Sache selbst entscheidenden besonders wichtig ist, grundsätzlich die Senatsbesetzung beibehalten, und zwar - abweichend von § 50 EO - in der Zusammensetzung, die auch für die Hauptsache vorgesehen ist. Dies sollte durch den neuen Absatz 3 unzweifelhaft auch für das Rekursverfahren ausgedrückt werden (669 BlgNR 15.GP 73). Die Zusammensetzung des in der Hauptsache zur Entscheidung berufenen Senates wird durch die JN geregelt (§§ 7, 7 a). Handelt es sich um eine der im § 51 Abs 1 und 2 JN aufgezählten Rechtsstreitigkeiten, also etwa, wie im vorliegenden Fall, um eine Streitigkeit wegen unlauteren Wettbewerbes (§ 51 Abs 2 Z 10 JN), dann wird die Stelle eine Senatsmitgliedes durch einen fachmännischen Laienrichter aus dem Handelsstand versehen (§ 7 Abs 2 JN). Besteht kein selbstständiges Handelsgericht, dann wird die Gerichtsbarkeit in diesen Rechtsstreitigkeiten durch die Handelssenate der Kreis- und Landesgerichte ausgeübt (§ 51 Abs 3 JN). Hat ein nach der Vorschrift des § 7 Abs 2 JN zusammengesetzer Senat (Kausalsenat) ein Urteil gefällt, dann muß das Gericht zweiter Instanz, soweit es über Berufungen dagegen nach den Vorschriften der §§ 480 bis 500 ZPO entscheidet, in gleicher Weise besetzt sein (§ 8 Abs 2 JN).
Über einstweilige Verfügungen wegen unlauteren Wettbewerbs hat somit in erster Instanz, sofern die Entscheidung durch den Senat begehrt wird (§ 7 a Abs 2 JN), der Kausalsenat im Sinne des § 7 Abs 2 JN einzuschreiten (§ 388 Abs 2 EO). Über Rekurs gegen dessen Beschlüsse entscheidet auch die zweite Instanz durch einen Kausalsenat (§ 388 Abs 3 EO; § 8 Abs 2 JN), während sonst über Rekurse immer der Berufsrichtersenat zu entscheiden hat (§ 7 Abs 1, § 8 Abs 1 JN).
Die - hier zu entscheidende - Frage der Besetzung des Gerichtes zweiter Instanz bei der Entscheidung über Rekurse gegen Beschlüsse eines Einzelrichters, mit denen er über Sicherungsanträge in Angelegenheiten des § 387 Abs 3 EO entschieden hat, ist in der EO, insbesondere in ihrem § 388, nicht ausdrücklich geregelt. Die erklärte Absicht des Gesetzgebers über Anträge auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung in Angelegenheiten des § 387 Abs 3 EO durch das Gericht in derselben Besetzung entscheiden zu lassen, die für die Hauptsache gilt, zwingt dazu, in diesem Fall die Bestimmungen der JN und der ZPO über das Berufungsverfahren in Einzelrichtersachen sinngemäß anzuwenden.
Wird in der Hauptsache die Gerichtsbarkeit vom Einzelrichter ausgeübt (§ 7 a Abs 1 JN), dann besteht in der Besetzung erster Instanz kein Unterschied zwischen der allgemeinen Gerichtsbarkeit und der besonderen Gerichtsbarkeit in Handelssachen. Der Einzelrichter eines Landes- oder Kreisgerichtes kann jedoch sowohl im Urteil (§ 417 Abs 1 Z 1 ZPO) als auch in Beschlüssen (§ 429 Abs 2 ZPO) anführen, daß er in Ausübung der besonderen Gerichtsbarkeit in Handelssachen entschieden hat; umgekehrt kann der Richter eines selbständigen Handelsgerichtes, wie es derzeit nur in Wien besteht, aussprechen, daß er ein Urteil (einen Beschluß) der allgemeinen Gerichtsbarkeit fällt (faßt). Den Parteien steht das Recht zu, die Aufnahme eines entsprechenden Beisatzes zu beantragen (§ 259 Abs 3 ZPO; § 446 ZPO für das bezirksgerichtliche Verfahren); dieser Beisatz bestimmt dann die Zusammensetzung des Berufungssenates (Fasching III 204). Ist eine Partei mit der Aufnahme oder Nichtaufnahme eines solchen Beisatzes nicht einverstanden, dann kann sie nach § 479 a ZPO unter den dort angeführten Voraussetzungen den Antrag stellen, daß das Berufungsgericht in einer anderen Zusammensetzung einschreitet, als es dem Beisatz entspräche.
Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz ist kein selbständiges Handelsgericht; Einzelrichter dieses Gerichtshofes können demnach gegebenenfalls aussprechen, daß sie in Ausübung der besonderen Gerichtsbarkeit in Handelsrechtssachen tätig geworden sind, nicht aber, daß sie in Ausübung der allgemeinen Gerichtsbarkeit entschieden hätten.Dies gilt auch dann, wenn diese Einzelrichter nach der Geschäftsverteilung etwa nur für Handelssachen im Sinne des § 51 JN zuständig sind; auch in einem solchen Fall muß der Einzelrichter in seinen Urteilen oder Beschlüssen zum Ausdruck bringen, daß er in Ausübung der Kausalgerichtsbarkeit entschieden habe, soll in der zweiten Instanz ein Handelssenat im Sinne der § 7 Abs 2, § 8 Abs 2 JN tätig werden. Ohne solchen Beisatz könnte im Berufungsverfahren nur dann der Fachsenat einschreiten, wenn eine Partei erfolgreich einen Antrag nach § 479 a ZPO gestellt hat.
Ist zur Entscheidung über Berufungen gegen Urteile des Richters eines Landesoder Kreisgerichtes, denen der genannte Beisatz fehlt, ausschließlich der Berufsrichtersenat des Gerichtes zweiter Instanz (§ 8 Abs 1 JN) zuständig, so muß aus den oben dargelegten Gründen dasselbe gelten, wenn ein solcher Richter über einen Sicherungsantrag in einer Angelegenheit des § 387 Abs 3 EO entschieden hat.
Da der vom Erstrichter erlassenen einstweiligen Verfügung der Beisatz fehlt, daß er in Ausübung der Handelsgerichtsbarkeit entschieden habe, hätten das Rekursgericht keinen fachmännischen Laienrichter aus dem Handelsstand beiziehen dürfen. Da es nicht vorschriftsmäßig besetzt war, ist sein Beschluß nach § 477 Abs 1 Z 2 ZPO nichtig (Fasching I, 183 und IV 121; SZ 48/12 und 106; 1 Ob 693/82 ua).
Aus diesem Grund war dem Revisionsrekurs der Klägerin Folge zu geben, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und dem Rekursgericht die neuerliche Entscheidung durch den Berufsrichtersenat (§ 8 Abs 1 JN) aufzutragen.
Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO (Fasching II, 356, EvBl 1967/290, 3 Ob 32/75 ua).
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