OGH 4Ob301/87

OGH4Ob301/8716.6.1987

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith, Dr. Petrag, Dr. Kodek und Dr. Niederreiter als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K*** Ö*** registrierte Genossenschaft m.b.H., Wolfganggasse 58-60, 1120 Wien, vertreten durch Dr. Hannes Pflaum und Dr. Herwig Hauser, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagten Parteien 1. Gaetano A***, 2. Rocco A***, beide Textilerzeuger, Landwehrstraße 52, D-8000 München, beide vertreten durch Dr. Walter Prunbauer, Rechtsanwalt in Wien, und 3. Ewald H***, Textilhändler, Watzmannstraße 39, D-8228 Freilassing, vertreten durch Dr. Erich Nikolaus Vogler, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Unterlassung, Rechnungslegung, Zahlung und Urteilsveröffentlichung (Gesamtstreitwert S 500.000,--), infolge Revisionsrekurses der erst- und zweitbeklagten Parteien gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 27. Oktober 1986, GZ 1 R 186/86-28, womit der Beschluß des Kreis- als Handelsgerichtes Wiener Neustadt vom 18. August 1986, GZ 3 Cg 789/85-24, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Erst- und der Zweitbeklagte sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen bei Exekution die mit S 17.462,12 bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung (darin S 1.587,47 Umsatzsteuer) zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Klägerin ist Inhaberin der österreichischen Wortbildmarke Nr. 89996 "Monza-Made in Austria" mit Priorität vom 11. Oktober 1978 sowie der österreichischen Wortbildmarke Nr. 94579 "Die Formel 1 unter den Hosen-Monza" mit Priorität vom 22. Juli 1980. Für den Erst- und den Zweitbeklagten ist die internationale Wortbildmarke Nr. 485156 "Monza" mit Priorität vom 14. Oktober 1983 registriert. Sämtliche Marken sind für die Warenklasse 25 (Textiloberbekleidung) eingetragen. Der Erst- und der Zweitbeklagte lassen mit der Marke "Monza" gekennzeichnete Waren in Italien anfertigen und liefern sie unter anderem an den Drittbeklagten, von dem sie wissen, daß er die Waren seit Mai 1984 auch in Österreich vertreibt. Sie selbst vertreiben die Waren nicht unmittelbar in Österreich. Am 13. September 1985 erwarb der Mitarbeiter der Klägerin Rudolf W*** in der Boutique "C***'S C***" in Wiener Neustadt eine dorthin vom Drittbeklagten gelieferte Jeanshose mit der Markenbezeichnung "Monza". Auch am 11. Dezember 1985 lagerten in dieser Boutique weitere vom Drittbeklagten gelieferte Jeanshosen mit dieser Bezeichnung.

Die Klägerin nimmt die Beklagten wegen der zur Verwechslung geeigneten Verwendung ihrer der Klägerin, Marken auf Unterlassung, Rechnungslegung, Zahlung eines Verletzerentgeltes und Urteilsveröffentlichung beim Erstgericht in Anspruch, dessen Zuständigkeit sie unter Hinweis auf die Bestimmung des § 83 c JN damit begründete, daß die Beklagten im Gebiet der Republik Österreich weder ein Unternehmen noch eine Niederlassung, einen allgemeinen Gerichtsstand oder einen gewöhnlichen Aufenthalt hätten und "hinsichtlich der Belieferung der genannten Boutique in Wiener Neustadt als Mittäter im Sinne des § 14 UWG zu qualifizieren" seien (ON 1 S. 7). Allein schon aus der Tatsache, daß im Sprengel des angerufenen Gerichtes eine mit der Marke des Erst- und des Zweitbeklagten versehene "Jean" - ohne Zustimmung der Klägerin - verkauft wurden, folge, daß dort die wettbewerbswidrige Handlung begangen worden sei (ON 14 S. 46).

Sämtliche Beklagte erhoben in den nach § 243 Abs 4 ZPO erstatteten Klagebeantwortungen - unter anderem - die Einrede der örtlichen Unzuständigkeit, weil sie im Sprengel des angerufenen Gerichtes keine wettbewerbswidrige Handlung begangen hätten. Außerdem beantragten sie die Abweisung der Klage und traten insbesondere dem geltend gemachten Unterlassungsanspruch entgegen. Während im Verfahren mit dem Drittbeklagten Ruhen eingetreten ist (ON 15 S. 55), beschloß der Erstrichter im Rechtsstreit zwischen der Klägerin und den anderen Beklagten, über die Einrede der Unzuständigkeit in Verbindung mit der Hauptsache (zu verhandeln und) zu entscheiden (ON 15 S 58). Nach Durchführung des Verfahrens wies er die Klage wegen Unzuständigkeit zurück. Er stellte den eingangs - zusammengefaßt - wiedergegebenen Sachverhalt fest und folgerte daraus rechtlich, daß das angerufene Gericht örtlich unzuständig sei. Nach § 83 c JN sei letztlich das Gericht zuständig, in dessen Sprengel die Handlung begangen wurde. Da jedoch der Erst- und der Zweitbeklagte die in Wiener Neustadt vertriebenen Waren nicht unmittelbar dorthin ausgeliefert hätten, könne keine Rede davon sein, daß sie im Sprengel des Erstgerichtes eine wettbewerbswidrige Handlung begangen hätten.

Das Rekursgericht gab dem dagegen von der Klägerin erhobenen Rekurs Folge und änderte die Entscheidung des Erstrichters dahin ab, daß die vom Erst- und vom Zweitbeklagten erhobene Einrede der örtlichen Unzuständigkeit verworfen werde; zugleich sprach es aus, daß der Wert des Beschwerdegegenstandes hinsichtlich jedes erhobenen Anspruches S 15.000,-- und jener des gesamten Beschwerdegegenstandes S 300.000,--übersteige. Von der herrschenden Lehre und Rechtsprechung werde bei der Geltendmachung von Markeneingriffen für die Begründung eines Begehungsortes gefordert, daß der Wettbewerbsverstoß im Inland begangen worden, daß heißt, die beanstandete Markenverletzung nicht rein zufällig, sondern bestimmungsgemäß (mit Wissen und Willen des Beklagten) in dem für die Zuständigkeit maßgeblichen Gebiet erfolgt sei. Die Rechtsmittelwerber hafteten für die Wettbewerbs- und Markenverstöße des Drittbeklagten im Sinne des § 18 UWG mit, weil dieser nicht nur mit ihrem Wissen die Eingriffsgegenstände nach Österreich (in den Bereich des Sprengels des Erstgerichtes) verbracht habe, sondern weil ihnen auch auf Grund der markenrechtlichen Gegebenheiten die Möglichkeit zustehe, die Markeneingriffe und Wettbewerbsverstöße des Drittbeklagten gegenüber der Klägerin zu verhindern bzw. zu untersagen. Daher sei der Zuständigkeitstatbestand des § 83 c JN gegeben.

Gegen diesen Beschluß wendet sich der Revisionsrekurs des Erst- und des Zweitbeklagten mit dem Antrag, "die Klage wegen mangelnder inländischer Gerichtsbarkeit und mangelnder örtlicher Zuständigkeit zurückzuweisen".

Die Klägerin beantragt, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.

Nach Meinung der Rechtsmittelwerber sei Begehungsort im Sinne des § 83 c Abs 1, letzter Satz, JN nur jener Ort, an dem der Täter gehandelt habe; das treffe auf sie nach den Feststellungen nicht zu. Soweit das Rekursgericht darauf verweise, daß die umstrittenen Jeans "mit Wissen und Willen der Beklagten" nach Wiener Neustadt gekommen seien, gehe es von einem aktenwidrigen Sachverhalt aus. Der Drittbeklagte sei in seiner Entscheidung, die von ihnen erworbenen Waren weiterzuveräußern, völlig frei gewesen. Der Umstand, daß sie gewußt hätten, er werde Waren auch nach Österreich verkaufen, reiche für die Begründung der Zuständigkeit des Erstgerichtes nicht hin.

Diesen Ausführungen ist folgendes entgegenzuhalten:

Da sich das Unternehmen des Erst- und des Zweitbeklagten nicht im Inland befindet und sie hier weder ihren allgemeinen Gerichtsstand haben noch sich hier aufhalten, ist für die auf das Markenschutzgesetz und das UWG gestützte Klage (§ 51 Abs 2 Z 9 und 10 JN) örtlich das Gericht zuständig, in dessen Sprengel die Handlung begangen worden ist, in der die Klägerin den Gesetzesverstoß erblickt. Die Frage, was im allgemeinen unter dem "Ort der Begehung" im Sinne des § 83 c Abs 1, letzter Satz, JN zu verstehen ist, bedarf hier keiner näheren Untersuchung:

Nach § 83 c Abs 3 JN gilt nämlich dann, wenn die gesetzwidrige Handlung durch den Inhalt von Schriften oder Druckwerken oder durch andere Gegenstände bewirkt wird, die vom Ausland abgesendet worden sind, für die Zuständigkeit jeder Ort des Inlandes als Begehungsort, wo der Gegenstand eingelangt oder zur Abgabe oder Verbreitung gelangt ist. Diese durch die ZVN 1983 eingeführte Bestimmung weicht von dem bis dahin in Geltung gestandenen § 23 Abs 3 UWG ab. Aus der Erwägung, daß Gesetzesverstöße, die ein unter diese Zuständigkeitsvorschrift fallender Rechtsstreit behandelt, nicht nur durch den Inhalt von Schriften oder Druckwerken, sondern auch durch andere Gegenstände, und auch nicht nur durch ihren Inhalt, sondern auch durch ihre äußere Gestaltung begangen werden können, zumal diese aus dem UWG übernommene Zuständigkeitsnorm nun auch für Marken- und Musterschutzsachen maßgebend sein sollte, wurde die subsidiäre Zuständigkeitsregelung des § 83 c Abs 3 JN über den "Inhalt von Schriften oder Druckwerken" hinaus auch auf "andere Gegenstände" erweitert und außerdem die Satzaussage "begangen" durch "bewirkt" ersetzt, weil jenes Zeitwort nur für menschliches Verhalten passe, während es sich hier um die Rechtsfolgen von Eigenschaften eines Gegenstandes handle (JAB 1337 BlgNr. 15.GP 5 f). Der Sprengel des Erstgerichtes gilt auf Grund dieser Bestimmung für die Zuständigkeit als Begehungsort der gesetzwidrigen Handlung, auf die sich die Klägerin stützt, besteht doch der geltend gemachte Verstoß gegen das Markenrecht der Klägerin (§ 56 MSchG, § 9 Abs 3 UWG) darin, daß in einem Wiener Neustädter Geschäft zum Verkauf bereitgehaltene Jeanshosen mit der Marke "Monza" vorhanden waren. Es handelt sich dabei um Gegenstände, welche die gesetzwidrige Handlung im Sinne des § 83 c Abs 3 JN "bewirkt" haben. Hier liegt gerade der im zitierten Bericht des Justizausschusses erwähnte Fall vor, daß durch die äußere Gestaltung, also die Eigenschaft eines Gegenstandes, die Rechtsfolge eines Gesetzesverstoßes herbeigeführt wird. Die Jeanshosen sind im Sprengel des Gerichtes erster Instanz eingelangt und auch abgegeben worden, nachdem sie vom Ausland - aus der Bundesrepublik Deutschland - abgesendet worden waren. Für die von den Rechtsmittelwerbern vertretene Auslegung, die Zuständigkeit nach § 83 c Abs 3 JN gelte nur für den Absender von Schriften und Druckwerken (ON 29 S. 191 f), bietet der Gesetzeswortlaut keine Grundlage; auch die Absicht des Gesetzgebers steht einer solchen einschränkenden Auslegung entgegen.

Ist somit die örtliche Zuständigkeit des Erstgerichtes nach § 83 c Abs 3 JN gegeben, dann bedarf es keiner weiteren Auseinandersetzung mit den Rechtsmittelausführungen, die sich mit der Frage befassen, ob der Zuständigkeitstatbestand des § 83 c Abs 1 JN vorliegt, ob der Erst- und der Zweitbeklagte nach § 18 UWG für die Handlung des Drittbeklagten haften und ob die Beklagten Streitgenossen im Sinne des § 11 ZPO sind und das Erstgericht daher nach § 83 c Abs 2 JN zuständig wäre.

Den Rechtsmittelwerbern kann auch nicht darin gefolgt werden, daß es selbst bei Bejahung der örtlichen Zuständigkeit des Erstgerichtes hier an der inländischen Gerichtsbarkeit mangelte. Sie selbst sind sich dessen bewußt, daß nach nunmehr herrschender Lehre und Rechtsprechung die österreichische inländische Gerichtsbarkeit in Zivilsachen für alle Rechtssachen besteht, die durch positive gesetzliche Anordnung, durch völkerrechtliche Regeln oder zufolge eines durch die inländischen Verfahrensordnungen anerkannten Anknüpfungspunktes an das Inland vor die österreichischen Gerichte verwiesen sind. Solche Anknüpfungspunkte ergeben sich aus den Zuständigkeitsregeln, die demnach zur Abgrenzung des Bereiches der inländischen Gerichtsbarkeit mittelbar herangezogen werden müssen (Fasching LB Rdz 76). Ist ein inländischer Gerichtsstand gegeben, so ist (unter Beachtung der sich aus dem Völkerrecht ergebenden Einschränkungen) auch die inländische Gerichtsbarkeit grundsätzlich zu bejahen (SZ 55/95 mwN). Es trifft allerdings zu, daß dann, wenn zwar ein inländischer Gerichtsstand vorliegt, es aber an einer hinreichenden Nahebeziehung zum Inland fehlt, trotzdem die inländische Gerichtsbarkeit zu verneinen ist (SZ 55/95); diese Einschränkung kommt indes hier nicht zum Tragen, weil sich der geltend gemachte Wettbewerbsverstoß auf den österreichischen Markt auswirkt. Darauf gegründete Rechtsstreitigkeiten können in jedem Fall vor einem österreichischen Gericht geführt werden (Schönherr, Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, Allgemeiner Teil 111 f RN 911, Seber, Der Umfang der österreichischen inländischen Gerichtsbarkeit für Klagen im gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht, ZfRV 1983, 270 ff, 278 f, 283; MuR 1986, 29). Der Revisionsrekurs mußte daher erfolglos bleiben.

Der Ausspruch über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50, 52 ZPO.

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