OGH 6Ob638/85

OGH6Ob638/8511.6.1987

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel, Dr.Melber, Dr.Schlosser und Dr.Bauer als Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Anita K***, Hausfrau, Wien 19.,Nedergasse 17, und 2.) Kitty G***, Regisseurin, Wien 1.,Weihburggasse 18-20/2/22, beide vertreten durch Dr.Herbert Gschöpf, Rechtsanwalt in Velden, wider die beklagte Partei Dipl.Ing.Otto M***, Stadtbaumeister, Klagenfurt, Kardinalplatz 8, vertreten durch Dr.Wilhelm Watzke, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen S 250.000,-- s.A. (Revisionsinteresse S 155.000,--) infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 2.Mai 1985, GZ. 3 R 68/85-22, womit infolge der Berufungen beider Parteien das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 28.Dezember 1984, GZ. 19 Cg 492/83-15, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahingehend abgeändert, daß es einschließlich des unangefochten gebliebenen Teiles insgesamt zu lauten hat:

"Das Begehren des Inhaltes, die beklagte Partei sei schuldig, den klagenden Parteien einen Betrag von S 250.000,-- samt 12 % Zinsen seit 25.10.1983 zu bezahlen, wird abgewiesen. Die klagenden Parteien sind schuldig der beklagten Partei die mit S 49.236,95 bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz (darin enthalten S 3.102,45 Umsatzsteuer und S 15.110,-- Barauslagen) sowie die mit S 18.281,57 bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin enthalten S 1.458,32 Umsatzsteuer und S 2.240,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen."

Die klagenden Parteien sind weiter schuldig, der beklagten Partei die mit S 9.727,99 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 622,54 Umsatzsteuer und S 2.880,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte ist Baumeister und gerichtlich beeideter Sachverständiger für das Bauwesen. In letzterer Eigenschaft hatte er in dem von der betreibenden Partei B*** DER F***

W*** reg.Genossenschaft mbH gegen die verpflichteten Parteien Franz und Waltraud P*** betriebenen Exekutionsverfahren zu 10 E 36/78 des Bezirksgerichtes Klagenfurt betreffend die Zwangsversteigerung der Liegenschaft EZ 277 KG Großponfeld (Grundbuch Bezirksgericht Klagenfurt) am 4.1.1979 ein Schätzungsgutachten erstattet, worin er den Verkehrswert der zu versteigernden Liegenschaft mit S 870.000,-- beziffert hatte. Die Klägerinnen waren an diesem Exekutionsverfahren nicht beteiligt. Sie haben in der Folge, nachdem ein Beauftragter in das Schätzungsgutachten Einsicht genommen hatte, den Liegenschaftseigentümern Franz und Waltraud P*** mit vollstreckbarem Notariatsakt ein Darlehen von S 200.000,-- gewährt, welches auf der Liegenschaft der Darlehensnehmer bücherlich sichergestellt wurde. Mangels Darlehensrückzahlung leiteten die beiden Klägerinnen als betreibende Parteien wider die Darlehensnehmer Franz und Waltraud P*** zu 10 E 45/81 des Bezirksgerichtes Klagenfurt das Zwangsversteigerungsverfahren ein. Auch in diesem Verfahren fungierte der Beklagte als vom Exekutionsgericht bestellter Sachverständiger. In seinem Schätzungsgutachten vom 13.Oktober 1981 ermittelte er den Verkehrswert der Liegenschaft mit S 1,010.000,--. Dementsprechend setzte das Exekutionsgericht das geringste Gebot mit S 505.000,-- fest. Die Klägerinnen traten mangels anderer Kauflustiger im Versteigerungsverfahren als Bieter auf. Die versteigerte Liegenschaft wurde ihnen um das geringste Gebot zugeschlagen. Im September 1983 verkauften die Klägerinnen die Liegenschaft an Michael Szabo um einen Preis von S 400.000,--.

Die Klägerinnen begehrten vom Beklagten aus dem Titel des Schadenersatzes die Bezahlung eines Betrages von S 250.000,-- s.A. Sie brachten vor, der Beklagte habe in beiden Schätzungsgutachten erhebliche Mängel der auf der Liegenschaft vorhandenen Bauwerke nicht angeführt und bewertet. Er sei dadurch in beiden Fällen zu einem unrichtigen, nämlich zu hohen Schätzwert der Liegenschaft gelangt. Er habe insbesondere die Tatsache übergangen, daß der Hausrohbau zu geringe Raumhöhen aufgewiesen habe und schon wegen dieses Verstosses gegen die Kärntner Bauordnung eine Benützungsbewilligung für das Gebäude nicht erteilt werden könne. Durch die schuldhafte Vorgangsweise des Beklagten seien die Klägerinnen zur Belehnung der Liegenschaft und zu deren späterem exekutiven Erwerb bewogen worden. Sie hätten erst in der Folge von den in den Gutachten des Beklagten übergangenen Mängeln der Liegenschaft Kenntnis erlangt und sich daraufhin bemüht, die Liegenschaft weiterzuveräußern, was ihnen nach langen, unter Einschaltung von Realitätenbüros unternommenen Bemühungen schließlich nur gegen einen Verkaufserlös von S 400.000,-- gelungen sei. Ein höherer Preis sei wegen der vorhandenen Mängel nicht erzielbar gewesen. Der Schaden der Klägerinnen lasse sich auf verschiedene Weise ermitteln, so etwa als Differenz zwischen dem vom Beklagten in seinem zweiten Gutachten ermittelten Schätzwert von S 1,010.000,-- und dem Verkaufserlös von S 400.000,-- oder als Unterschiedsbetrag zwischen dem von einem Interessenten abgegebenen Anbot von S 650.000,--, das wegen der Mängel widerrufen worden sei, und dem tatsächlichen Verkaufserlös. Letztlich lasse sich der Schaden auch derart berechnen, daß der Summe aus den von den Klägerinnen zur Berichtigung des Meistbotes geleisteten Zahlungen und ihrer im Verteilungsverfahren festgestellten Gesamtforderung (zusammen S 584.364,45) der Verkaufserlös von S 400.000,-- gegenübergestellt werde. Daraus ergebe sich ein Differenzbetrag von S 184.364,45 zuzüglich 15 % Zinsen und Wertsicherung seit 24. Juni 1982. Nach jeder dieser Berechnungsmethoden betrage der den Klägerinnen durch die schuldhafte Vorgangsweise des Beklagten zugefügte Schaden mindestens S 250.000,--.

Der Beklagte beantragte Abweisung des Klagebegehrens und bestritt, daß er das Gutachten unrichtig erstattet habe. Er wendete ein, es sei sein Auftrag gewesen, die Liegenschaft samt Rohbau zu schätzen. Wegen des erst im Rohbauzustand befindlichen Hauses habe zur Zeit seiner Schätzungen noch keine Benützungsbewilligung vorliegen können. Durch Einsichtnahme in den Akt der Baubehörde habe er die Vornahme laufender baupolizeilicher Kontrollen festgestellt, während andererseits aus diesem Akt keinerlei Hinweis auf Abweichungen von der Baubewilligung ersichtlich gewesen sei. Es habe daher für den Beklagten kein Grund für eine Überprüfung in der Richtung bestanden, ob die tatsächliche Bauführung mit der Baubewilligung übereinstimme. Es gehe daher nicht zu seinen Lasten, wenn nachträglich Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Raumhöhe entstanden seien. Ein Schade sei nach den Ergebnissen des Verteilungsverfahrens nicht entstanden, weil nach Befriedigung der vorrangigen Forderungen das restliche Meistbot ohnehin zur Gänze den Klägerinnen zugewiesen worden und eine Hyperocha nicht verblieben sei. Daher sei es gleichgültig, ob das geringste Gebot S 505.000,-- oder weniger betragen habe. Auf den tatsächlichen Verkaufserlös könnten sich die Klägerinnen nicht berufen, weil sie die Liegenschaft weit unter dem wirklichen Wert verschleudert hätten. Das Erstgericht gab dem Begehren der Klägerinnen mit einem Betrag von S 155.000 samt Anhang statt und wies das Mehrbegehren ab, wobei es seiner Entscheidung im wesentlichen nachstehende Feststellungen zugrundelegte:

Der Beklagte hat in seinem im Verfahren zu 10 E 45/81 erstatteten Gutachten vom 13.Oktober 1981 bei Ermittlung der Rauminhalte des Kellergeschoßes und des Erdgeschoßes in der Natur nicht vorhandene Geschoßhöhen eingesetzt. Im Befund zu diesem Gutachten gab er im WC die fertige Raumhöhe mit 2,15 m, im Gang die lichte Rohbauhöhe mit 2,30 m und in der Garage die lichte Raumhöhe mit 2,10 m an. Die Höhe der Aufmauerung im Dachgeschoß ist mit 70 cm angeführt. Der Beklagte hat nicht wahrgenommen, daß hinsichtlich der Raumhöhen wesentliche Bestimmungen der Kärntner Bauordnung, nämlich die vorgesehene Mindestraumhöhe für Wohnräume (2,5 m) nicht annähernd erreicht wird. Er gelangte durch Nichtberücksichtigung der zu geringen Raumhöhen zu einem Schätzwert von S 1,010.000,--. Unter Berücksichtigung der zu geringen Raumhöhen und eines vom Beklagten nicht wahrgenommenen Schadens an einer Stützmauer betrug der tatsächliche Wert der Liegenschaft im Zeitpunkt der Schätzung S 700.000,--. Weder die Klägerinnen noch ihr Vertreter Dr.Herbert Gschöpf besichtigten die Liegenschaft vor dem Versteigerungstermin. Dr.Herbert Gschöpf nahm vor dem Termin in das im Exekutionsakt erliegende Gutachten des Beklagten Einsicht.

Dr.Herbert Gschöpf, der die Liegenschaft nach der Zuschlagserteilung vom 23.Juni 1982 erstmalig am 15.September 1982 besichtigte, wurde dabei auf die zu geringen Raumhöhen aufmerksam. Er beauftragte namens der Klägerinnen den Immobilienmakler Harald R*** (Realitätenbüro Ing.Gottfried D***) mit dem Verkauf, wobei er einen Richtpreis von S 650.000,-- nannte. Harald R*** erfuhr bei einer Rückfrage beim Baureferenten, daß die Benützungsbewilligung unter den gegenwärtigen Verhältnissen nicht erteilt werde. Die Liegenschaft wurde mehrfach inseriert. Keiner der Interessenten, die sich meldeten, konnte sich zum Kauf entschließen. Auch die K*** Realitäten-Verkehrs- und Verwertungsgesellschaft mbH inserierte die Liegenschaft und bot sie insgesamt 24 Personen zum Kauf an. Es gelang, von Anton Lindermuth am 11.Oktober 1982 ein Kaufanbot mit einem Kaufpreis von S 650.000,-- zu erreichen. Anton Lindermuth trat aber in der Folge von seinem Kaufanbot zurück und berief sich darauf, daß die Geschoßhöhen des Hauses nicht den Vorschriften entsprächen und eine Benützungsbewilligung nicht zu erreichen sei. Die Aufwendungen zur Herstellung des bescheidmäßigen Zustandes hätten zum Zeitpunkt 13.Oktober 1981 S 350.000,-- und die Sanierungskosten der Stützmauer S 50.000,-- betragen. Am 11.August 1983 nahm die Baubehörde an Ort und Stelle eine Überprüfung des Bauzustandes vor. Zufolge der schwerwiegenden baulichen Abweichungen bzw. Mängel, insbesondere der zu geringen Raumhöhen lehnte der Amtssachverständige eine Kollaudierung strikt ab. Bezüglich von ohne Baubewilligung errichteten Einfriedungsmauern drohte die Baubehörde am 4.Oktober 1983 die Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes an. Mit Bescheid vom selben Tage wurde die Einstellung der Bauarbeiten an dem Wohnhaus Römerweg Nr. 62 verfügt. Mit Kaufvertrag vom 19.September 1983 verkauften die Klägerinnen die Liegenschaft EZ 277 KG Großponfeld (Haus Römerweg 62) um einen Kaufpreis von S 400.000,-- an Michael S***, der das Haus auch heute noch ohne Benützungsbewilligung bewohnt. Zuvor war ein Anbot Michael S***, die Liegenschaft um S 350.000,-- zu erwerben, dem Beklagten bekanntgegeben und im Hinblick auf allfällige Schadenersatzansprüche seine Zustimmung begehrt worden. Der Beklagte äußerte hierauf, daß der Betrag von S 350.000,-- ein Schleuderpreis sei, und ersuchte den Klagevertreter, Geduld aufzubringen. Die Liegenschaft hatte im Zeitpunkt des Verkaufes ohne Berücksichtigung der bestehenden Mängel einen Verkehrswert von zumindest einer Million Schilling. Die Sanierung der Raumhöhen mit allen Nebenkosten einschließlich der Sanierung der Stützmauer hätte einen Betrag von S 400.000,-- erfordert. Das Gebäude war von den Ehegatten Franz und Waltraud P*** bis Ende 1982 bewohnt und dann nur ungenügend geräumt worden. Bis zum Ankauf durch Michael S*** war es nur mangelhaft versperrt. Dadurch ergab sich eine beträchtliche Verwahrlosung des Bauwerkes, die geeignet war, Kaufinteressenten vom Kauf der Liegenschaft abzuhalten.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht den festgestellten Sachverhalt dahin, daraus, daß dem Beklagten bei der Schätzung im Exekutionsverfahren zu 10 E 36/78 ein Fehler unterlaufen sei, könne eine Haftung gegenüber den Klägerinnen nicht abgeleitet werden. Die Klägerinnen seien an diesem Exekutionsverfahren nicht beteiligt gewesen. Es liege keine Rechtswidrigkeit des Beklagten gegenüber den Klägerinnen vor, weil keine Pflicht gegenüber der Allgemeinheit bestehe, sie vor Vermögensschäden zu schützen.

Anders verhalte es sich hinsichtlich des vom Beklagten im Verfahren zu 10 E 45/81 des Bezirksgerichtes Klagenfurt erstatteten Gutachtens. Hier seien die Klägerinnen als betreibende Parteien und schließlich als Ersteher der Liegenschaft verfahrensbeteiligt gewesen. Der Beklagte sei daher im Falle einer schuldhaften Sorgfaltsverletzung, die eine Schädigung der Klägerinnen zur Folge gehabt habe, zum Ersatz des Schadens verpflichtet. Bei Ermittlung des Schadens komme jedoch der Frage, um welchen Betrag die Klägerinnen die Liegenschaft letztlich weiterveräußert hätten bzw. welcher Betrag bei einer Weiterveräußerung erzielbar gewesen wäre, keine Bedeutung zu, weil hier subjektive Momente eine Rolle spielten. Es sei vielmehr ein objektiver Maßstab heranzuziehen. Die Einholung eines Gutachtens zur Feststellung des Schätzwertes diene im Exekutionsverfahren in erster Linie dem Zweck, aufgrund objektiver Unterlagen das für die Versteigerungstagsatzung wichtige geringste Gebot, also den Ausrufungspreis zu ermitteln. Werde dieser Ausrufungspreis unrichtig - im vorliegenden Fall zu hoch - festgelegt, komme es im Vermögen des Erstehers um den Ausrufungspreis gleichgültig, ob es sich um einen Betreibenden, einen Pfandgläubiger oder einen Dritten handle zum Eintritt eines Schadens im Ausmaß der Differenz zwischen dem unrichtigen geringsten Gebot und dem fiktiven geringsten Gebot unter Zugrundelegung des wahren Schätzwertes. Der Schätzwert zum 13.Oktober 1981 habe nicht, wie der Beklagte in seinem Gutachten ausgeführt habe, S 1,010.000,--, sondern lediglich S 700.000,-- und das geringste Gebot daher S 350.000,-- betragen. Die Klägerinnen hätten, da ein weiterer Kauflustiger nicht erschienen sei, um diesen Betrag die Liegenschaft erstehen können. Damit sei in ihrem Vermögen ein Schade im Betrag von S 155.000,-- am Tage der Zwangsversteigerung eingetreten. Ob die Liegenschaft in der Folge mit Gewinn oder Verlust verkauft worden sei, spiele keine Rolle.

Die von beiden Teilen gegen diese Entscheidung erhobenen Berufungen blieben erfolglos.

Das Berufungsgericht stellte ergänzend fest, daß die Zuweisung des Meistbotsrestes von S 213.541,52 an die Klägerinnen als dortige betreibende Parteien und Hypothekargläubiger im rechtskräftigen Meistbotsverteilungsbeschluß des Bezirksgerichtes Klagenfurt vom 20. Juni 1983, 10 E 45/81-67, zur teilweisen Berichtigung ihrer mit insgesamt S 300.739,45 festgestellten Forderung gegen die verpflichteten Parteien Waltraud und Franz P*** durch Übernahme seitens der Ersteher in Anrechnung auf das Meistbot erfolgt ist. In rechtlicher Hinsicht billigte das Berufungsgericht die Rechtsansicht des Erstgerichtes, daß ein Schadenersatzanspruch der Klägerinnen aus einer fehlerhaften Schätzung des Beklagten im Verfahren zu 10 E 36/78 nicht abgeleitet werden könne, und führte aus:

Eine relevante Fahrlässigkeit sei dem Beklagten jedoch im Verfahren zu 10 E 45/81 unterlaufen, weil er die eigenen befundmäßig getroffenen Feststellungen nicht beachtet und eklatante Abweichungen von den Planunterlagen und damit verbundene Verstöße gegen die Bestimmungen der Kärntner Bauordnung unberücksichtigt gelassen habe, die im Gutachten festzustellen und in die Bewertung einzubeziehen gewesen wären. Dadurch sei er zu einem unrichtigen Schätzwert gelangt. Die Sorgfaltspflicht des Sachverständigen gegenüber dem Ersteher sei von der Sorgfaltspflicht gegenüber sonstigen Beteiligten verschieden. Dementsprechend sei zwischen einer bloßen, auf Fahrlässigkeit beruhenden, Abweichung des im Gutachten genannten Schätzwertes von dem nach dem zu erwartenden Sachwissen des Sachverständigen tatsächlich in Betracht kommenden Näherungswert der Liegenschaft, aus welchem Versagen der Ersteher mangels einer ihm gegenüber insoweit bestehenden Sorgfaltspflicht des Sachverständigen keinen Schadenersatzanspruch abzuleiten vermöge, und dem Verstoß des Sachverständigen gegen die Pflicht zur Anführung aller für die vollständige Beschreibung der Liegenschaft wesentlichen Umstände zu unterscheiden. Ein Versagen des Sachverständigen in diesem Belang könne wegen der in erster Linie zur Information der Kauflustigen dienenden Angaben über die wesentlichen Eigenschaften des Veräußerungsgegenstandes eine Haftung des Sachverständigen gegenüber dem Ersteher begründen. Gerade insoweit habe der Beklagte versagt, weil es bei pflichtgemäßer Aufmerksamkeit seine Sache gewesen wäre, ausgehend von der Einsichtnahme in den Bauakt und den eigenen Befundgrundlagen im Schätzungsgutachten auf die gravierenden Bauordnungswidrigkeiten des u.a. zu schätzenden Bauwerkes ausdrücklich hinzuweisen und sie zu bewerten, womit jeder Kauflustige schon durch den Inhalt des Gutachtens mit hinlänglicher Deutlichkeit insbesondere auch auf die zu erwartenden Schwierigkeiten baurechtlicher Art und die zu ihrer Beseitigung erforderlichen Aufwendungen hingewiesen worden wäre. Die in der Unterlassung solcher Vorgangsweise gelegene Pflichtwidrigkeit des Beklagten habe zu einem Gutachten geführt, an Hand dessen allfällige Kauflustige, im vorliegenden Fall die Klägerinnen bzw. deren Rechtsvertreter, unbedenklich von dem im Gutachten des Sachverständigen angeführten Verkehrswert der Liegenschaft hätten ausgehen können, ohne daß sie das Vorhandensein der im Gutachten übergangenen schwerwiegenden Baumängel und deren Folgen hätten unterstellen müssen. Die pflichtgemäße Hervorhebung dieser Mängel durch den Beklagten würde es in das eigene Ermessen jedes Kauflustigen gestellt haben, ob er unter solchen Umständen dennoch die Liegenschaft erstehen wolle. Mit einem solchen Hinweis wäre das Risiko des Erwerbes zur Gänze auf den Kauflustigen überwälzt worden. Der Beklagte habe jedoch die wesentlichen Informationen möglicher Kauflustiger unterlassen, was ihn gegenüber den Klägerinnen als Ersteherinnen haftbar mache.

Es komme nicht darauf an, ob die Klägerinnen mit dem geringsten Gebot die Liegenschaft immer noch unter ihrem tatsächlichen Wert erstanden hätten und es könnten auch Varianten, wie es sich verhalten habe, wenn mehrere Bieter aufgetreten wären, nich in Betracht gezogen werden. Die gesamte auf der zu versteigernden Liegenschaft haftende Forderung der Klägerinnen sei im Meistbotsverteilungsverfahren mit S 300.739,45 festgestellt worden. Die Klägerinnen hätten wegen dieser Forderung nur den auf die vorrangigen Forderungen anderer Gläubiger entfallenden Teil des Meistbotes zu erlegen gehabt, während ihnen auf ihre eigene Forderung zu deren teilweiser Berichtigung "durch Übernahme" ein Betrag von S 213.541,52 zugewiesen worden sei. In diesem Umfang sei ihre Forderung gegenüber den verpflichteten Parteien erloschen mit dem Ergebnis, daß ihnen gegen die Verpflichteten nur noch ein Forderungsrest von S 87.197,93 zustehe. Hätte "das geringste Gebot und damit zugleich Meistbot" richtigerweise nur S 350.000,-- betragen, so wäre bloß ein Meistbotsrest von S 58.541,52 für die Zuweisung an die Klägerinnen verblieben. Ihr Anspruch gegenüber den Verpflichteten wäre mit einer solchen Zuweisung nur in diesem Ausmaß erloschen und demnach die persönliche Verbindlichkeit der verpflichteten Parteien gegenüber den Klägerinnen hinsichtlich eines Betrages von S 242.197,93 aufrecht geblieben. Da den Klägerinnen nach den auf dem unrichtigen Gutachten des Beklagten beruhenden Ergebnissen der Meistbotsverteilung nur noch ein Forderungsrest von S 87.197,93 verblieben sei, den sie weiterhin gegen die verpflichteten Parteien Franz und Waltraud P*** geltend machen könnten, hätten die Klägerinnen einen Schaden im Umfang des durch die schuldhafte Vorgangsweise des Beklagten bewirkten Forderungsverlustes von S 155.000,-- erlitten. Diesen Schaden habe der Beklagte im vollen Umfang zu ersetzen, zumal er ein den Klägerinnen am Eintritt dieses Schadens unterlaufenes Mitverschulden nicht eingewendet habe. Eine Erörterung der Überlegungen des Beklagten zum Thema des Weiterverkaufes der Liegenschaft durch die Klägerinnen erübrige sich aus dem Grund, weil der den Klägerinnen infolge des unrichtigen Gutachtens des Beklagten entstandene Schade der dargestellten Art jedenfalls eingetreten sei und von der Frage, zu welchem Preis die Liegenschaft später weiterverkauft worden sei, bzw. hätte verkauft werden können, nicht berührt werde. Der vom Beklagten gegen diese Entscheidung des Berufungsgerichtes erhobenen Revision kommt Berechtigung zu.

Rechtliche Beurteilung

Die Stellung des Bieters und späteren Erstehers ist, worauf das Berufungsgericht bereits zutreffend verwiesen hat, nach seiner rechtlich geschützten Lage von der des Verpflichteten, der des betreibenden Gläubigers und der der Buchberechtigten gegenüber dem im Zwangsversteigerungsverfahren in deren Interesse bestellten Schätzungsgutachter zu unterscheiden (SZ 57/105). Die Klägerinnen waren an dem Zwangsversteigerungsverfahren als betreibende Gläubiger beteiligt und waren auch Ersteher der Liegenschaft. Bei Prüfung des geltend gemachten Schadenersatzbegehrens ist auseinanderzuhalten, ob ein allfälliger Schade, der ihnen entstanden ist, aus einem Fehlverhalten des Beklagten herrührt, durch das ihre Interessen als Verfahrensbeteiligte berührt wurden, oder ob sie ihre Ansprüche auf Umstände stützen, die eine Haftung des Beklagten gegenüber dem Ersteher begründen. Aus einem rechtswidrigen Verhalten, das bloß im Zusammenhang mit der Interessenlage des Erstehers steht, kann ein Anspruch, der auf einer Vermögenseinbuße in der Rechtsstellung als betreibender Gläubiger beruht, nicht abgeleitet werden. Die Klägerinnen gründeten ihr Begehren darauf, daß der Beklagte bei Beschreibung der Liegenschaft wesentliche Punkte unberücksichtigt gelassen und bedingt dadurch den Schätzwert zu hoch angesetzt habe. Hiedurch konnten jedoch ihre Interessen als betreibende Gläubiger nicht berührt werden. Daß bei der Beschreibung der Liegenschaft die Anführung von Baumängeln unterblieben ist, ist für den betreibenden Gläubiger ohne Bedeutung. Auch durch die Ansetzung eines überhöhten Schätzwertes kann sich der betreibende Gläubiger jedenfalls nicht beschwert erachten, wenn es, wie im vorligenden Fall zur Veräußerung der Liegenschaft kommt. Ein zu hoch gegriffener Schätzwert ist in diesem Fall kein Nachteil für den betreibenden Gläubiger. Daß die Klägerinnen als betreibende Gläubiger die Liegenschaft erstanden, ist bei dieser Betrachtung auszuschalten. Ihre Ansprüche können sich nur aus ihrer Eigenschaft als Ersteher herleiten. Damit können sie jedoch nicht darauf gegründet werden, daß die Klägerinnen bezüglich der Deckung ihrer Forderungen aus dem Meistbot und der dadurch bedingt übermäßigen Ausschöpfung ihres Exekutionstitels gegenüber einem Zuschlag zu dem angemessenen geringsten Gebot schlechter gestellt sind, weil dabei eine Vermengung der Anspruchsgründe erfolgen würde. Zu untersuchen bleibt daher die Frage des Ersatzanspruches der Klägerinnen aus ihrer Rechtsstellung als Ersteher.

Schadenersatzansprüche können stets nur dann entstehen, wenn ein Schade eingetreten ist. Gemäß § 1293 ABGB ist Schade jeder Nachteil, welcher jemandem an Vermögen, Rechten oder seiner Person zugefügt worden ist. Davon unterscheidet sich der Entgang des Gewinnes, den jemand nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwarten hat. Der rechnerische Schaden ist die in Geld meßbare Verminderung des Vermögens oder eines Vermögensgutes des Geschädigten (Koziol, Haftpflichtrecht2 I, 13). Im § 1293 ABGB wird für den rechnerischen Vermögensschaden die Unterscheidung zwischen positivem Schaden und entgangenem Gewinn getroffen. Bei leichter Fahrlässigkeit ist gemäß § 1324 ABGB bloß der positive Schaden und nur bei grober Fahrlässigkeit oder Vorsatz auch der entgangene Gewinn zu ersetzen. Da im vorliegenden Fall Anhaltspunkte für die Annahme von grober Fahrlässigkeit oder Vorsatz des Beklagten fehlen, käme nur der Ersatz eines positiven Schadens in Frage. Die Prüfung, ob ein solcher Schade eingetreten ist, hat unter Anwendung der Differenzmethode zu erfolgen (Koziol a.a.O., 13). Es ist der Vermögensstand vor Eintritt des Ereignisses zu ermitteln, das die Grundlage des erhobenen Ersatzanspruches bildet, und diesem der Vermögensstand nach diesem Ereignis gegenüberzustellen. Eine bei diesem Vergleich zu Tage tretende Verminderung der Vermögens bildet den rechnerischen Schaden.

Im vorliegenden Fall betrug das Meistbot der Klägerinnen S 505.000,--. Als Gegenwert wurde ihnen durch den Zuschlag eine Liegenschaft im Wert von S 700.000,-- ins Eigentum übertragen. Einzubeziehen in diesen Vergleich ist lediglich die Veränderung des Vermögens durch das den Anspruchsgrund bildende Ereignis, hier Erwerb der Liegenschaft durch Zuschlag, und nur ausgehend hievon ist zu beurteilen, ob und in welchem Umfang ein Schade eingetreten ist. Die Frage, welchen Betrag die Klägerinnen bei einer Veräußerung erzielten bzw. ob ein höherer Betrag erzielbar gewesen wäre, ist unerheblich (vgl. EvBl.1964/445). Bei Vergleich des Vermögensstandes vor und nach dem Zuschlag ergibt sich keine Verminderung des Vermögens der Klägerinnen durch den Erwerb der Liegenschaft, weil deren Wert den Betrag des Meistbotes überstieg. Da sohin ein Schade nicht eingetreten ist, fehlt es an der wesentlichen Grundlage für den erhobenen Schadenersatzanspruch.

In Stattgebung der Revision war daher das angefochtene Urteil im Sinne einer Klageabweisung zu ändern.

Die Kostenentscheidung gründet sich hinsichtlich der Kosten des Verfahrens vor dem Erstgericht auf § 41 ZPO, hinsichtlich der Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens überdies auf § 50 ZPO.

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