OGH 7Ob596/87

OGH7Ob596/874.6.1987

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta, Dr. Egermann und Dr. Niederreiter als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei I*** Produktion und Vertrieb von technischen Anlagen Gesellschaft mbH, Wien 22, Wagramerstraße 56, vertreten durch Dr. Rudolf Bazil, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Dipl.Ing. Anton V***, Statiker, Wien 19, Döblinger Hauptstraße 9, vertreten durch Dr. Otto Philp und Dr. Gottfried Zandl, Rechtsanwälte in Wien, unter Nebenintervention des Franz W***, Baumeister, Groß Enzerdorf, Hauptstraße 153, vertreten durch Dr. Ludwig Hölzl und Dr. Manfred Michalek, Rechtsanwälte in Wien auf Seiten der klagenden Partei, wegen S 908.266,60 s.A. und Feststellung (Streitwert S 50.000,--) infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 19. Jänner 1987, GZ 14 R 301/86-46, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 31. Juli 1986, GZ 51 Cg 284/84-41, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Rechtssache zur neuen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen, das auf die Kosten des Revisionsverfahrens gleich weiteren Kosten des Berufungsverfahrens Bedacht zu nehmen haben wird.

Text

Begründung

Mit der am 17. März 1982 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrt die klagende Partei die Zahlung von S 372.765,10 s.A. und die Feststellung, der Beklagte hafte ihr für alle auf Grund der eingetretenen und künftig noch eintretenden Absenkung des Mauerwerkes der Produktionshalle auf der Liegenschaft EZ 1422 KG Kagran in Wien 22, Wagramerstraße 56, bereits entstandenen oder in Zukunft entstehenden Schäden. Die klagende Partei habe den Beklagten beauftragt, zu überprüfen, ob eine Aufstockung der im Feststellungsbegehren genannten Produktionshalle in statischer Hinsicht möglich sei. Der Beklagte habe der klagenden Partei am 3. Juli 1981 bekanntgegeben, daß von statischer Seite kein Einwand gegen die geplante Aufstockung bestehe. Die Aufstockung sei daher durchgeführt worden. Am 17. November 1981 habe der Geschäftsführer der klagenden Partei starke Risse in den Wänden der Erdgeschoßhalle, das Platzen eines Fensterrahmens sowie die Absenkung des Betonfußbodens an beiden Längsseiten jeweils entlang der Seitenmauern festgestellt. Der sofort herbeigerufene Beklagte habe erklärt, er habe die Tragfähigkeit des Bodens unrichtig eingeschätzt. Es sei notwendig gewesen, eine Fundamentunterfangung vorzunehmen, die Kosten in der Höhe des Klagebetrages verursacht habe. Weitere Schäden am Bauwerk seien nicht auszuschließen. Der Beklagte beantragt die Abweisung der Klage. Er habe nur zu überprüfen gehabt, ob das bestehende Mauerwerk für eine Aufstockung genügend tragfähig sei.

Die klagende Partei erweiterte ihr Begehren in der Tagsatzung vom 14. Juni 1982 um S 58.648,--, in der Tagsatzung vom 30. August 1982 um S 100.000,--, in der Tagsatzung vom 12. April 1985 um S 391.765,-- und in der Tagsatzung vom 16. Jänner 1986 um weitere S 84.088,50 auf zuletzt S 908.266,60 s.A. Am 29. Juni 1983 vereinbarten die Streitteile Ruhen des Verfahrens zur Führung von Vergleichsgesprächen. Mit einem mit 17. November 1984 datierten, am 19. November 1984 beim Erstgericht eingelangten Schriftsatz beantragte die klagende Partei die Fortsetzung des Verfahrens, da die Vergleichsverhandlungen gescheitert seien.

Der Beklagte machte geltend, die Vergleichsverhandlungen seien bereits am 26. Jänner 1984 beendet gewesen. Die klagende Partei habe mit dem Fortsetzungsantrag 8 Monate zugewartet. Der Fortsetzungsantrag sei erst 3 Jahre und 2 Tage nach Ablauf der Verjährungsfrist bei Gericht eingelangt. Die eingeklagte Forderung sei daher verjährt.

Das Erstgericht wies die Klage ab. Es traf Feststellungen zum Grund, nicht auch zur Höhe des Anspruches und vertrat in seiner rechtlichen Beurteilung die Ansicht, der Anspruch der klagenden Partei sei verjährt. Die klagende Partei habe vom Schaden nach ihrem eigenen Vorbringen am 17. November 1981 Kenntnis erlangt. Sie habe in der Person des Beklagten den Schadenersatzpflichtigen erkannt. Obwohl das Scheitern der Vergleichsverhandlungen am 26. Jänner 1984 festgestanden sei, habe die klagende Partei das ruhende Verfahren erst mit dem am 19. November 1984 eingelangten Schriftsatz fortgesetzt. Darin liege eine ungewöhnliche Untätigkeit. Die klagende Partei habe das Verfahren daher nicht gehörig fortgesetzt. Die Fortsetzung sei darüber hinaus erst nach Ablauf der Verjährungsfrist (17. November 1984) beantragt worden. Der Umstand, daß die klagende Partei den Antrag bereits am 17. November 1984 zur Post gegeben habe, reiche zur Wahrung der Verjährungsfrist nicht aus, da die Tage des Postenlaufes in eine materiell rechtliche Frist nicht einzurechnen seien. Fehle es an der gehörigen Fortsetzung, nütze das Belangen während der Verjährungsfrist nichts. Die Verjährung sei gar nicht unterbrochen worden.

Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes in der Hauptsache. Es teilte die Ansicht des Erstgerichtes, daß die Klageforderung verjährt sei, und ging deshalb auf die Beweis- und Mängelrüge der klagenden Partei nicht ein. Die klagende Partei vertrete zu Unrecht den Standpunkt, es komme auf die Frage der gehörigen Fortsetzung des Verfahrens nicht an, weil sie den Fortsetzungsantrag innerhalb der dreijährigen Verjährungsfrist eingebracht habe. Die Verjährungsfrist habe mit Ablauf des 17. November 1984 geendet. An diesem Tag habe die klagende Partei ihren Antrag erst zur Post gegeben. Zum Zeitpunkt des Einlangens des Schriftsatzes am 19. November 1984 sei bereits Verjährung eingetreten gewesen. Bei der Verjährungsfrist handle es sich um eine Frist des materiellen Rechts.

Die klagende Partei bekämpft die Entscheidung des Berufungsgerichtes mit Revision aus dem Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, sie im klagestattgebenden Sinn abzuändern, in eventu sie aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Urteilsfällung an das Berufungsgericht oder das Erstgericht zurückzuverweisen.

Der Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Da es sich bei der Verjährungsfrist um eine materiell rechtliche Frist handelt, mußte auch der Fortsetzungsantrag der klagenden Partei innerhalb dieser Frist eingebracht werden, um eine Verjährung des geltend gemachten Anspruches zu verhindern. Den Vorinstanzen ist darin beizupflichten, daß das Verstreichenlassen von fast 10 Monaten ab dem Scheitern der Vergleichverhandlungen als ungewöhnliche Untätigkeit anzusehen ist, so daß von einer gehörigen Fortsetzung der Klage im Sinne des § 1497 ABGB, erfolgte diese nach dem Ablauf der Verjährungsfrist, keine Rede sein könnte.

Es ist richtig, daß § 89 GOG, wonach bei gesetzlichen und richterlichen Fristen, die in bürgerlichen Rechtssachen einer Partei zur Abgabe von Erklärungen, Anbringung von Anträgen, Überreichung von Schriftsätzen oder zur Vornahme anderer, ein gerichtliches Verfahren betreffender Handlungen offen stehen, die Tage des Postenlaufes in die Frist nicht eingerechnet werden, auf materiell rechtliche Fristen, die unabhängig und unbeeinflußt von einem allfälligen gerichtlichen Verfahren laufen, wie etwa die Verjährungsfristen, keine Anwendung findet (Fasching II 671). Es genügt bei materiell rechtlichen Fristen daher nicht, daß das Schriftstück so rechtzeitig bei der Post aufgegeben wird, daß es noch den Postaufgabevermerk mit dem Datum des letzten Tages der Frist erhält.

Nach § 903, letzter Satz, ABGB tritt allerdings, wenn der für die Abgabe einer Erklärung oder für eine Leistung bestimmte letzte Tag auf einen Sonntag oder anerkannten Feiertag fällt, an dessen Stelle (vorbehaltlich gegenteiliger Vereinbarung) der nächstfolgende Werktag. Nach dem Bundesgesetz vom 1. Februar 1961, BGBl. Nr. 37, tritt, soweit auf Grund bundesgesetzlicher Vorschriften der Ablauf einer Frist durch einen Sonntag oder einen gesetzlichen Feiertag gehemmt wird, diese Hemmung auch dann ein, wenn das Ende der Frist auf einen Samstag oder den Karfreitag fällt.

Die Bestimmung des § 903, letzter Satz, ABGB ist analog auch auf Verjährungsfristen anzuwenden (SZ 38/54, EvBl. 1967/263, ZVR 1974/14).

Es besteht zwischen den Parteien kein Streit darüber, daß der letzte Tag der Verjährungsfrist der 17. November 1984 war. Dieser Tag war, worauf die klagende Partei bereits in ihrer Berufung, wenn auch mit anderen rechtlichen Schlußfolgerungen, hingewiesen hat, ein Samstag. An seine Stelle tritt daher entsprechend der oben dargestellten Rechtslage Montag, der 19. November 1984. Da der Fortsetzungsantrag an diesem Tag beim Erstgericht eingelangt ist, war die Verjährungsfrist für den Klageanspruch noch nicht abgelaufen und es ist deshalb unerheblich, daß die klagende Partei nach dem Scheitern der Vergleichsgespräche ungewöhnlich lange untätig war. Die Unterlassung der gehörigen Fortsetzung der Klage ist kein eigener, selbständiger Verjährungsgrund. Die gehörige Fortsetzung der Klage ist vielmehr eine Voraussetzung für die durch die Einbringung der Klage grundsätzlich bewirkte Unterbrechung der Verjährung (MietSlg. 35.281).

Da der Klageanspruch demnach nicht verjährt ist, wird das Berufungsgericht auf die weiteren, von der klagenden Partei geltend gemachten Berufungsgründe einzugehen haben.

Die Kostenentscheidung erfolgte nach § 52 ZPO.

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