OGH 8Ob590/87

OGH8Ob590/874.6.1987

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Paula H***, geborene B***, Hausfrau, geboren am 10. März 1926 in Linz, 4020 Linz, In der Neuen Welt Nr. 3, vertreten durch Dr. Alfred Haslinger, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei Alois H***, Pensionist, geboren am 14. Juni 1920 in Meinetschlag, Bezirk Kaplitz (CSSR), 4020 Linz, Oidenerstraße Nr. 111 b, vertreten durch Dr. Michael Metzler, Rechtsanwalt in Linz, wegen Ehescheidung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 10. März 1987, GZ 4 R 274/86-32, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 26. Juni 1986, GZ 10 Cg 282/84-25, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit S 3.877,35 (darin S 480,-- Barauslagen und S 308,85 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Streitteile sind seit 27. März 1948 verheiratet. Aus ihrer Ehe entstammen sieben Kinder, und zwar die am 15. Jänner 1949 geborene Brigitte, verehelichte S***, die am 17. Dezember 1950 geborene Veronika, verehelichte P***, der am 26. März 1952 geborene Wolfgang, die am 26. Jänner 1956 geborene Christine, verehelichte S***, der am 19. Juli 1958 geborene Klaus, die am 30. April 1961 geborene Lucia und die am 7. Juli 1962 geborene Michaela. Die Streitteile sind österreichische Staatsbürger; ihr letzter gemeinsamer Aufenthalt war Linz, Oidenerstraße 111 b. Ehepakte wurden nicht abgeschlossen. Die Klägerin begehrte die Scheidung der Ehe mit der Begründung, daß sie von Anfang an unter der egozentrischen und selbstherrlichen Vorgangsweise des Beklagten gelitten habe. Er habe ihr auch immer wieder die Leistung des notwendigen Unterhalts verweigert. Sie habe sich schließlich gezwungen gesehen, im April 1984 eine Unterhaltsklage gegen ihren Mann einzubringen. Der Beklagte sei vom Bezirksgericht Linz am 17. September 1984 zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von S 4.000,--, ab 1. Juli 1984 zu S 3.000,-- verurteilt worden. Trotzdem habe der Beklagte keinerlei Unterhalt geleistet. Darüber hinaus habe ihr der Beklagte anläßlich des Unterhaltsprozesses gedroht, er werde sie fertigmachen. Völlig unbegründet mache ihr der Beklagte zum Vorwurf, arbeitsscheu zu sein. Immer wieder habe er behauptet, daß sie ihm etwas weggenommen habe. Schließlich habe ihr der Beklagte grundlos vorgeworfen, sie hätte sich einen Freund zugelegt.

Der Beklagte trat dem Scheidungsbegehren entgegen, bestritt die ihm zur Last gelegten Eheverfehlungen und beantragte deshalb die kostenpflichtige Abweisung des Klagebegehrens. Für den Fall der Scheidung stellte er jedoch den Antrag, das überwiegende Verschulden der Klägerin an der Zerrüttung der Ehe festzustellen. Er begründete dies damit, daß das eheliche Zusammenleben nicht unter seiner Selbstherrlichkeit, sondern unter der Egozentrik der Klägerin gelitten habe. Sie habe bei der Erziehung der Kinder allein ihren Willen durchgesetzt und z.B. zu verhindern versucht, daß Wolfgang im väterlichen Betrieb das Malerhandwerk lerne. Immer wieder habe ihm die Klägerin Szenen gemacht, etwa dann, wenn er nach dem Verbleib verschwundener Geldbeträge geforscht habe. Einmal habe sie einen Selbstmord vorgetäuscht, ein anderes Mal - um ihn zu beunruhigen - einen Abschiedsbrief geschrieben. Am 17. Oktober 1984 sei sie völlig grundlos aus der gemeinsamen Wohnung ausgezogen und habe es ihm dadurch unmöglich gemacht, die gerichtlich festgelegten Unterhaltszahlungen zu leisten. Es stimme auch nicht, daß sich die Klägerin erst im August 1984 zur Ehescheidung entschlossen habe; sie habe diesen Schritt vielmehr von langer Hand vorbereitet. Das Erstgericht sprach die Scheidung der Ehe aus dem Alleinverschulden des Beklagten aus, wobei es im wesentlichen von folgenden Feststellungen ausging:

Die zwischen den Streitteilen geschlossene Ehe ist dadurch gekennzeichnet, daß sie von Anbeginn disharmonisch verlaufen ist. Während die Klägerin, die auf Wunsch des Beklagten 14 Tage nach der Eheschließung ihren Beruf aufgab, ausschließlich mit der Haushaltsführung und der Erziehung der sieben Kinder beschäftigt war, war der Beklagte, der selbständiger Malermeister war, Alleinerhalter der Familie. Die Haushaltsführung und die Befriedigung der persönlichen Bedürfnisse der Klägerin und jener der Kinder war daher nur insofern möglich, als die Klägerin vom Beklagten Haushaltsgeld erhielt. Da die Klägerin immer wieder mit dem Haushaltsgeld nicht auskam, kam es insbesondere deswegen ständig zu Streitigkeiten zwischen den Ehepartnern. Das Haushaltsgeld war - aus welchen Gründen, kann nicht mehr festgestellt werden - derart knapp, daß die Klägerin kaum die täglichen für die Haushaltsführung notwendigen Einkäufe finanzieren konnte, geschweige denn, daß sie andere persönliche Bedürfnisse hätte befriedigen können. Dies zeigte sich insbesondere auch darin, daß die Klägerin und die Kinder, die für die Klägerin einkaufen gingen, häufig nicht bar bezahlen konnten, sondern beim Lebensmittelhändler immer wieder Schulden machen mußten. Besonders in Zeiten, in denen das Geld in der Familie knapper war, kürzte der Beklagte das Haushaltsgeld für die Klägerin, was zu Auseinandersetzungen führte, in deren Verlauf der Beklagte sich auch dazu hinreißen ließ, seiner Ehegattin vorzuwerfen, daß sie arbeitsscheu sei und nicht wirtschaften könne, was schließlich zu einer gänzlichen Vergiftung der Atmosphäre zwischen den Ehegatten führte. Dies belastete besonders die Klägerin psychisch überaus schwer. Im Interesse der sieben Kinder nahm die Klägerin jedoch die Belastung auf sich. Wenn dem Beklagten irgendwelche Dinge abhanden kamen, machte er die Klägerin häufig in unberechtigter Weise dafür verantwortlich. Ob die Klägerin im Jahre 1967 einen Selbstmord vorgetäuscht bzw. einige Zeit später einen Abschiedsbrief geschrieben hat, kann nicht mehr festgestellt werden. Anfang der 70er Jahre beschlossen die Streitteile die Anschaffung einer neuen Küche, wobei der Beklagte die Auswahl der Klägerin überließ. Nachdem die neue Küche bereits aufgestellt worden war, war der Beklagte plötzlich mit ihr nicht mehr zufrieden, montierte die neue Küche ab und stellte die alte Küche wieder auf, obwohl die neue für die Klägerin wesentlich praktischer gewesen wäre. Die Klägerin fühlte sich dadurch beleidigt und gedemütigt. In den 70er Jahren erfolgte auf Betreiben des Beklagten ein Anbau an das Wohnhaus, obwohl alle Familienmitglieder sich dagegen ausgesprochen hatten. Im Zuge dieses Anbaues wurde das Geld in der Familie wieder knapper, was zur Folge hatte, daß der Beklagte der Klägerin immer wieder zu wenig Haushaltsgeld gab. Die Kinder, die zu dieser Zeit schon teilweise das Elternhaus verlassen hatten, halfen der Mutter, weil sie über ihre finanzielle Not Bescheid wußten, hin und wieder mit kleineren Beträgen aus und nahmen bei Besuchen die Nahrungsmittel für die gemeinsame Mahlzeit manchmal selber mit. Aus diesen Gründen kam es in dieser Zeit häufig zu größeren Auseinandersetzungen, worauf die Klägerin öfters zur Beruhigung außer Haus ging, um sich bei einem Spaziergang zu erholen. Nachdem die Kinder der Streitteile erwachsen und selbständig geworden waren, kam es zu einer weiteren Verschlechterung und in den letzten Jahren zu einer nicht wiedergutzumachenden Zerstörung der Beziehung der Streitteile. Der Beklagte legte im Jänner 1983 seinen Betrieb still und ging in Pension. Anläßlich der Betriebsauflösung nahm der Beklagte vom Jänner 1983 bis 31. März 1984, also über den Zeitraum von 15 Monaten, die Dienste des Steuerberaters Ludwig G*** in Anspruch, wofür er insgesamt einen Honorarbetrag von S 13.969,-- zu leisten hatte. Daraus resultierte ein monatlicher Aufwand von S 931,--. Nach der Pensionierung wurde er zur Nachzahlung von Steuerschulden in der Höhe von ca. S 64.000,-- verpflichtet, wobei ihm jedoch eine Zahlungserleichterung in der Form gewährt wurde, daß er ab Juli 1984 monatliche Raten zu S 4.500,-- zu bezahlen hatte. Um diese Schulden möglichst schnell zurückzahlen zu können, kürzte der Beklagte abermals die monatlichen Zahlungen an seine Ehefrau. Im Frühjahr 1984 machte der Beklagte seiner Frau den Vorschlag, beide Ehegatten sollten für einige Zeit das gemeinsame Wohnhaus verlassen, er wolle zu seinen Verwandten nach Deutschland gehen und sie solle zur Tochter Brigitte ziehen. Mit dieser Maßnahme könne man Ausgaben vermeiden und daher die Steuerschulden schneller los werden. Der Klägerin erschien dieser Vorschlag völlig unverständlich und unzumutbar. Der Beklagte hatte im ersten Halbjahr des Jahres 1984 ein monatliches Nettoeinkommen in der Höhe von S 13.932,--, ab 1. Juli 1984 S 14.035,--. Die Klägerin nahm im Jahre 1983 eine Tätigkeit als Altenbetreuerin auf, wofür sie monatlich durchschnittlich S 1.200,-- erhielt. Feststeht, daß der Beklagte zu Beginn des Jahres 1984 bis zum 2. Februar 1984 wöchentlich S 800,-- Wirtschaftsgeld an die Klägerin bezahlte. In den folgenden Monaten verringerte sich das Wirtschaftsgeld, es kam zu unregelmäßigen Zahlungen, die in Summe ein monatliches Wirtschaftsgeld in der Höhe von S 2.000,-- ergaben. Im April 1984 erhöhte der Beklagte das Wirtschaftsgeld wieder, indem er der Klägerin statt monatlich S 2.000,-- nunmehr S 2.800,-- bezahlte. Da die Klägerin mit der Kürzung ihres Wirtschaftsgeldes von wöchentlich S 800,-- auf S 500,-- keineswegs einverstanden war, brachte sie am 26. April 1984 beim Bezirksgericht Linz eine Unterhaltsklage gegen den Beklagten ein. In der Folge wollte der Beklagte seine Ehefrau mit Drohungen einschüchtern und zur Zurückziehung der Unterhaltsklage bewegen, indem er unter anderem sagte, er werde sie noch "fertig machen". Das unleidliche Verhalten des Beklagten und die ständigen Auseinandersetzungen wegen des Haushaltsgeldes hatten der Klägerin ohnehin psychisch schon sehr zugesetzt. Diese Drohungen waren dann der letzte Anlaß für den Entschluß der Klägerin, das gemeinsame Haus zu verlassen. Am 17. Oktober 1984 vollzog die Klägerin schließlich diesen Entschluß. In seiner Parteienvernehmung bezichtigte der Beklagte, ohne irgendwelche konkreten Anhaltspunkte zu haben, die Klägerin indirekt des Ehebruchs, indem er behauptete, daß im Jahre 1951 seine Frau gegen seinen Willen einen früheren Arbeitskollegen in einem Hotel besucht hätte. 9 Monate später sei der Sohn Wolfgang zur Welt gekommen. Im Verfahren wegen Unterhalt vor dem Bezirksgericht Linz wurde der Klägerin mit Urteil vom 17. September 1984, rechtskräftig am 13. Dezember 1984, als monatlicher Unterhaltsbetrag vom 1. Mai 1984 bis 30. Juni 1984 in der Höhe von S 4.000,--, ab 1. Juli 1984 in der Höhe von S 3.000,-- zugesprochen. Ab November 1984 leistete der Beklagte keinerlei Unterhalt mehr an die Klägerin. Als sich dies auch nach Rechtskraft des Unterhaltsurteiles des Bezirksgerichtes Linz nicht änderte, erwirkte die Klägerin zur Durchsetzung ihres Unterhaltsanspruches Exekutionsbewilligungen zu 12 E 1755/85 und 12 E 2165/85 des Bezirksgerichtes Linz. Es kann nicht festgestellt werden, daß sich die Klägerin nicht erst im August zur Ehescheidung entschloß, sondern vielmehr die Klage schon von langer Hand vorbereitete. Zur Rechtsfrage führte das Erstgericht aus, der Beklagte habe in der ersten Hälfte des Jahres 1984 ein Nettoeinkommen von S 13.932,10 gehabt, die Klägerin habe monatlich S 1.200,-- netto verdient. Selbst unter Abzug eines monatlichen Aufwandbetrages für den Steuerberater in der Höhe von S 931,-- ergebe sich somit eine Bemessungsgrundlage von ca. S 14.200,--. Nach Berücksichtigung ihres eigenen Einkommens ergebe sich ein angemessener Unterhaltsanspruch der Klägerin für das erste Halbjahr des Jahres 1984 in der Höhe von ca. S 4.500,--. Der Beklagte habe von Februar 1984 bis April 1984 monatlich lediglich S 2.000,--, ab diesem Zeitpunkt nur S 700,-- wöchentlich an Unterhaltsleistung an die Klägerin erbracht. Aus der Differenz des ihr zustehenden Unterhaltes und des tatsächlich erbrachten ergebe sich, daß der Beklagte im ersten Halbjahr des Jahres 1984 seine Unterhaltspflicht gegenüber der Klägerin grob verletzt habe. Ab Juli 1984 hatte der Beklagte zur Tilgung von Steuerschulden monatliche Zahlungsraten von S 4.500,-- zu erbringen. Diese Steuerrückstände könnten aber nicht als einkommensmindernd berücksichtigt werden, sodaß die Bemessungsgrundlage ab Juli 1984 keine Änderung erfahre.

Für die Klärung der Verschuldensfrage sei überdies bedeutsam, daß der Beklagte die Ehe durch zum Teil weit zurückreichende Verfehlungen zerstörte, die insgesamt Ausdruck seines selbstherrlichen und uneinsichtigen Verhaltens seien. Er habe sich der Klägerin gegenüber lieblos verhalten, sie grundlos der Arbeitsscheu und Unfähigkeit zur Haushaltsführung geziehen, ihr immer wieder das Verschwinden von Gegenständen zum Vorwurf gemacht und im Zusammenhang mit der Durchsetzung ihres Unterhaltsanspruchs sogar gedroht, daß er sie "fertigmachen" werde. Demgegenüber liege der Klägerin keine Eheverfehlung zur Last. Eigenmächtigkeiten bei der Erziehung der Kinder seien ebensowenig erwiesen wie vorgetäuschte Selbstmordversuche zur Beunruhigung des Beklagten. Ihr Auszug aus der ehelichen Wohnung am 17. Oktober 1984 sei angesichts der nervenaufreibenden Auseinandersetzungen um den Unterhalt und der dabei zutage getretenen Aggressivität des Beklagten durchaus gerechtfertigt gewesen. An der Zerrüttung der Ehe könne kein Zweifel bestehen. Ebenso sei klar, daß dies auf schwere, schuldhafte Eheverfehlungen des Beklagten zurückzuführen sei.

Die Berufung des Beklagten blieb erfolglos. Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als unbedenklich und billigte auch die rechtliche Beurteilung der ersten Instanz. Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes wendet sich die Revision des Beklagten aus dem Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne der Klagsabweisung, allenfalls im Sinne der Scheidung aus dem überwiegenden Verschulden der Klägerin; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Der Beklagte führte in seinem Rechtsmittel aus, er habe keine schweren Eheverfehlungen begangen. Das ihm von der Klägerin vorgeworfene Verhalten sei keinesfalls kausal für die Verschlechterung der ehelichen Situation gewesen, da die Ehe schon vorher zerrüttet gewesen sei. Der Beklagte habe nicht übermäßig Geldmittel für sich verwendet, sondern seine gesamten Einkünfte der Familie zur Verfügung gestellt. Aufgrund der ihm nach der Pensionierung vorgeschriebenen Steuernachzahlung sei ein finanzieller Engpaß entstanden, der der Anlaß für die Unterhaltsklage der Klägerin gegen ihn gewesen sei. Daraus könne ihm aber kein Vorwurf gemacht werden. Die übrigen vom Erstgericht festgestellten Eheverfehlungen des Beklagten seien verjährt und könnten nicht mehr zur Stützung des Scheidungsbegehrens der Klägerin herangezogen werden. Das ihm vorgeworfene lieblose Verhalten gegenüber der Klägerin, seine ihr gegenüber erhobenen Vorwürfe der Arbeitsscheu und der Unfähigkeit zur ordentlichen Wirtschaftsführung seien ebenso wie die Unmutsäußerungen im Zusammenhang mit dem Unterhaltsstreit keine schweren Eheverfehlungen und nicht geeignet, eine weitere Zerrüttung der Ehe zu bewirken; hingegen stelle die eigenmächtig und grundlose Auflösung der häuslichen Gemeinschaft durch die Klägerin eine schwere Eheverfehlung dar. Eine körperliche Bedrohung der Klägerin durch ihn sei nicht festgestellt worden, eine Zermürbung der Klägerin durch jahrelange Unterdrückung könne aus den Feststellungen nicht abgeleitet werden. Es seien also keine so schweren Eheverfehlungen des Beklagten festgestellt worden, die eine eigenmächtige Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft durch die Klägerin gerechtfertigt hätten. Mit ihrem Auszug aus der Ehewohnung habe die Klägerin den entscheidenden Grund zum Scheitern der Ehe gesetzt.

Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden.

Eheverfehlungen sind Handlungen und Unterlassungen, die sich gegen das Wesen der Ehe und die damit verbundenen Pflichten richten (EFSlg. 33.398, 46.148 ua). Eine schwere Eheverfehlung im Sinne des § 49 EheG hat ein Verhalten zur Voraussetzung, das mit dem Wesen der Ehe als einer alle Lebensbereiche der Ehegatten umfassenden Lebensgemeinschaft unvereinbar ist (EFSlg. 29.494, 38.683, 46.149 u.a.). Der Oberste Gerichtshof hat wiederholt ausgesprochen, daß es bei der Beurteilung, ob ein Ehepartner schwere Eheverfehlungen im Sinne des § 49 EheG setzte, immer auf das Gesamtverhalten unter Berücksichtigung der konkreten Lebensumstände ankommt. Mögen auch einzelne Handlungen und Unterlassungen für sich allein betrachtet nicht das Gewicht einer schweren Eheverfehlung haben, ist immer zu beurteilen, ob nicht Dauer, Wiederholung und dadurch gegebene Belastung das Gesamtverhalten zu einer schweren Eheverfehlung machen (EFSlg. 31.636, 36.299, 46.152 ua). Es trifft zwar zu, daß im Sinn des § 56 EheG verfristete verziehene Eheverfehlungen nicht unmittelbar zur Begründung eines auf § 49 EheG gestützten Scheidungsbegehrens herangezogen werden können; sie können aber im Sinne des § 59 Abs. 2 EheG zur Unterstützung einer auf andere Eheverfehlungen gegründeten Scheidungsklage geltend gemacht werden. Liegen also nicht verfristete oder verziehene und nicht bloß als belanglos anzusehende Eheverfehlungen eines Ehegatten vor, so ist der andere berechtigt, zur Stützung seines Scheidungsbegehrens auch auf solche Vorfälle zurückzugreifen, die allein bereits verfristet wären oder verziehen wurden (EFSlg. 36.381, 38.773, 43.674 ua).

Werden diese Grundsätze auf den vorliegend festgestellten Sachverhalt angewendet, ist zunächst dem Berufungsgericht beizupflichten, daß die festgestellte Unterhaltsverletzung des Beklagten gegenüber der Klägerin, insbesondere im Jahre 1984, die zur Erhebung einer erfolgreichen Unterhaltsklage durch die Klägerin führte, als schwere Eheverfehlung des Beklagten im Sinne des § 49 EheG zu beurteilen ist (EFSlg. 33.952 ua); da diese Eheverfehlung bis zur Erhebung der Scheidungsklage fortgesetzt wurde, war sie jedenfalls nicht im Sinne des § 57 EheG verfristet und die Klägerin war, wie oben dargelegt, berechtigt, zur Stützung ihres Scheidungsbegehrens auch auf solche Vorfälle zurückzugreifen, die für sich allein bereits verfristet gewesen wären. Dies gilt insbesondere für den vom Beklagten gegen den Wunsch der Klägerin und der Kinder in den 70er Jahren durchgeführten Hauszubau, der neuerlich eine unzureichende Versorgung der Klägerin mit Haushaltsgeld zur Folge hatte ebenso, wie für die daraus entstandenen Auseinandersetzungen zwischen den Streitteilen, in deren Verlauf der Beklagte sich dazu hinreißen ließ, der Klägerin vorzuwerfen, daß sie arbeitsscheu sei und nicht wirtschaften könne, was zu einer Vergiftung der Atmosphäre zwischen den Ehegatten führte und die Klägerin psychisch schwer belastete. Dasselbe muß für die vom Beklagten gegenüber der Klägerin im Zusammenhang mit dem Abhandenkommen von ihm gehöriger Gegenständen häufig erhobenen ungerechtfertigten Vorwürfe gelten. Zutreffend haben die Vorinstanzen auch die nach Einbringung der Unterhaltsklage vom Beklagten gegenüber der Klägerin geäußerten Drohungen, "er werde sie schon noch fertigmachen", wodurch er sie einzuschüchtern und zur Zurückziehung der Unterhaltsklage zu veranlassen versuchte, als schwere Eheverfehlung beurteilt, zumal das unleidliche Verhalten des Beklagten und die ständigen Auseinandersetzungen wegen des unzureichenden Haushaltsgeldes die Klägerin ohnehin schon psychisch schwer belastet hatten. Soweit die Revision alle diese Vorfälle zu bagatellisieren versucht und ihre Beurteilung als im Zusammenhang letztlich schwere Eheverfehlungen bekämpft, kann ihr daher nicht gefolgt werden. Dasselbe muß aber auch für den Versuch des Beklagten gelten, die Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft durch die Klägerin am 17. Oktober 1984, sohin im Zuge des Scheidungsverfahrens, als schwere Eheverfehlung der Klägerin zu werten.

§ 92 Abs. 2 ABGB gestattet einem (grundsätzlich zum Zusammenwohnen verpflichteten) Ehegatten, vorübergehend gesondert Wohnung zu nehmen, solange ihm ein Zusammenleben mit dem anderen Ehegatten, besonders wegen körperlicher Bedrohung, unzumutbar ist. Der Gesetzestext stellt durch den Gebrauch des Wortes "besonders" klar, daß nicht nur körperliche Bedrohung, sondern auch anderes Verhalten des anderen Ehegatten das Zusammenleben unzumutbar machen kann; er hebt nur den Fall der körperlichen Bedrohung hervor. Das Gesetz weist nur durch das gewählte Beispiel und den Gebrauch des Wortes "unzumutbar" darauf hin, daß nicht jede schwere Eheverfehlung des anderen Ehegatten schon eine gesonderte Wohnungsnahme rechtfertigen kann; es muß sich um ein Verhalten des anderen Ehegatten handeln, das das weitere Zusammenleben unzumutbar macht (EFSlg. 28.539 ua). Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall ist zu berücksichtigen, daß die Klägerin, ohnehin schon durch die häufigen Auseinandersetzungen wegen der unzureichenden Versorgung mit Haushaltsgeld psychisch belastet, sich im Frühjahr 1984 überdies noch gezwungen sah, gegen den vollkommen uneinsichtigen Beklagten ihre berechtigten Unterhaltsforderungen im Rechtsweg durchsetzen zu müssen, was wiederum zu einem noch abweisenderen und bis zu Drohungen gesteigerten Verhalten des Beklagten ihr gegenüber führte. Da die Ehe der Streitteile zum Zeitpunkt des Auszuges der Klägerin aus der ehelichen Wohnung nach den Feststellungen bereits unheilbar zerrüttet war, konnte dieses Verhalten, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannte, für das Scheitern der Ehe nicht mehr von Bedeutung sein. Abgesehen davon kann aufgrund der festgestellten schweren Eheverfehlungen des Beklagten bei Berücksichtigung aller Umstände des vorliegenden Falles in der Auffassung, daß der Klägerin hinreichende Gründe für die Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft zugebilligt werden müssen, weil ihr das Verhalten des Beklagten ein weiteres Zusammenleben unzumutbar erscheinen lassen mußte und ihr die Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft daher nicht als Eheverfehlung im Sinne des § 49 EheG angelastet werden kann, keine unrichtige rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes erblickt werden. Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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