Spruch:
Der Beschluß des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Beschwerdegericht vom 5.September 1986, AZ 13 d Bl 903/86, verletzt das Gesetz in der Bestimmung des § 451 Abs. 2 StPO. Dieser Beschluß wird aufgehoben und es wird dem Landesgericht für Strafsachen Wien aufgetragen, über die Beschwerde der Staatsanwaltschaft neuerlich zu entscheiden.
Text
Gründe:
Auf Grund des von der Staatsanwaltschaft Wien beim Strafbezirksgericht Wien zum AZ 3 U 1868/85 gestellten Bestrafungsantrages (ON 1) wurden Florian N*** und Jacek P*** mit Strafverfügungen jeweils vom 6.August 1985 des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB schuldig erkannt, weil sie einander am 23.April 1985 in Wien-Hietzing durch gegenseitiges Versetzen von Schlägen in das Gesicht am Körper (leicht) verletzten (ON 2 und 3). Während die Strafverfügung gegen Florian N*** in Rechtskraft erwuchs, erhob Jacek P*** Einspruch (ON 6), worauf gegen ihn am 7.April 1986 eine Hauptverhandlung durchgeführt und zur Aufnahme von (weiteren) Beweisen vertagt wurde (ON 10). Nach Vornahme ergänzender polizeilicher Erhebungen durch Vernehmung zweier vom Beschuldigten namhaft gemachter Zeugen (ON 13) stellte das Strafbezirksgericht Wien mit Beschluß vom 24.Juni 1986 (ON 14) das Verfahren gegen Jacek P*** mangels Strafwürdigkeit der Tat (§ 42 StGB) gemäß § 451 Abs. 2 StPO ein.
Gegen diesen Beschluß erhob die Staatsanwaltschaft Beschwerde und machte geltend, daß - abgesehen von der (ihrer Ansicht nach) mangelhaften Begründung des Beschlusses und dem Fehlen der Voraussetzungen des § 42 StGB - eine Verfahrenseinstellung mit Beschluß "im Stadium der Hauptverhandlung" nicht mehr möglich sei, sondern nur eine Erledigung mit Urteil.
Das Landesgericht für Strafsachen Wien als Beschwerdegericht gab mit Beschluß vom 5.September 1986, AZ 13 d Bl 903/86 (ON 18 der Akten 3 U 1868/85 des Strafbezirksgerichtes Wien), der Beschwerde der Staatsanwaltschaft Folge und trug unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses dem Strafbezirksgericht Wien "die Durchführung des ordentlichen Verfahrens" auf. In der Begründung folgt das Landesgericht für Strafsachen Wien - ohne auf die nach § 42 StGB relevanten Umstände des konkreten Falles einzugehen - der Ansicht der Staatsanwaltschaft über die Unzulässigkeit einer Beschlußfassung nach § 451 Abs. 2 StPO beim gegebenen Verfahrensstand, in welchem der Annahme mangelnder Strafwürdigkeit der Tat nur mehr durch ein freisprechendes Urteil nach § 259 Z 4 StPO gegebenenfalls Rechnung getragen werden könne. Die Beschwerdeentscheidung steht mit dem Gesetz nicht im Einklang:
Rechtliche Beurteilung
Gemäß § 451 Abs. 2 StPO hat der Richter (des Bezirksgerichts), wenn er sich überzeugt, daß die Voraussetzungen des § 42 StGB vorliegen, das Verfahren mit Beschluß einzustellen. Aus der systematischen Einordnung dieser Vorschrift folgt keineswegs - wie das Beschwerdegericht meint - deren ausschließliche Anwendbarkeit im bezirksgerichtlichen Vorverfahren, solange noch keine Hauptverhandlung stattgefunden hat. § 42 Abs. 2 zweiter Halbsatz StGB gebietet bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 42 Abs. 1 StGB die Beendigung des Verfahrens in jeder Lage (vgl. Dokumentation zum StGB, S 96); dem wird durch die für die einzelnen Verfahrensstadien entsprechend vorgesehenen Bestimmungen der Strafprozeßordnung Rechnung getragen (EBRV Strafprozeßanpassungsgesetz, 934 Blg NR XIII.GP, S 25 zu § 90 Abs. 2). So gesehen ermöglicht § 451 Abs. 2 StPO die Einstellung des Verfahrens mit Beschluß, wenn sich das Bezirksgericht vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 42 StGB außerhalb der Hauptverhandlung überzeugt, mag auch eine solche bereits stattgefunden haben. Es würde auch dem bei der Regelung des § 42 StGB eine maßgebende Rolle spielenden Grundsatz der Prozeßökonomie (Dokumentation zum StGB, S 95) zuwiderlaufen, wollte man in letzterem Fall - entgegen der in § 451 Abs. 2 StPO speziell für das bezirksgerichtliche Verfahren zum Ausdruck kommenden Intention des Gesetzgebers, es bei Zutreffen der Voraussetzungen des § 42 StGB tunlichst zu keiner Hauptverhandlung kommen zu lassen (EBRV Strafprozeßanpassungsgesetz aaO, S 38 zu § 451) - zunächst die Fortsetzung oder sogar Wiederholung (§ 276 a StPO) der Hauptverhandlung verlangen, um das Verfahren sodann durch ein freisprechendes Urteil gemäß § 259 Z 4 StPO beenden zu können. In Stattgebung der von der Generalprokuratur deshalb gemäß § 33 Abs. 2 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes war daher die unterlaufene Gesetzesverletzung festzustellen und spruchgemäß zu erkennen.
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