OGH 13Os176/86

OGH13Os176/8614.5.1987

Der Oberste Gerichtshof hat am 14.Mai 1987 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Felzmann, Dr. Brustbauer (Berichterstatter) und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Cortella als Schriftführerin in der Strafsache gegen Reinhard P*** und Herbert P*** wegen des Verbrechens der Notzucht nach § 201 StGB. und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Staatsanwaltschaft sowie über die Berufung des Angeklagten Herbert P*** gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengerichts vom 10. Oktober 1986, GZ. 24 Vr 2590/86-18, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalts Dr. Gehart, sowie der Verteidiger Dr. Kazda und Dr. Hesz, jedoch in Abwesenheit der Angeklagten, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, welches im übrigen unberührt bleibt, im Freispruch sowie im Strafausspruch aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung in diesem Umfang an das Erstgericht verwiesen. Die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte Herbert P*** werden mit ihren Berufungen auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Reinhard P*** und Herbert P*** (der auch noch einen versuchten Einbruchsdiebstahl zu verantworten hat) wurden des Verbrechens des Zwangs zur Unzucht nach § 203 Abs. 1 StGB. schuldig erkannt. Darnach liegt ihnen zur Last, am 21.Juni 1986 in Kitzbühel im bewußten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter Ottilie M***, indem sie die Frau an den Armen packten, sie etwa 500 Meter weit bis zu einer Parkbank zogen und dort niederdrückten, ihr ein Messer ansetzten und ihr an verschiedenen Körperteilen Schnittwunden zufügten, mit Gewalt gegen ihre Person widerstandsunfähig gemacht und sie in diesem Zustand zur Unzucht mißbraucht zu haben, wobei sie ihr einen Holzstock in die Scheide steckten, sie dazu zwangen, die Geschlechtsteile der Angeklagten in den Mund zu nehmen und sich selbst am Geschlechtsteil zu streicheln. Vom Anklagevorwurf, Ottilie M*** im Zug desselben geschlechtlichen Angriffs auch zum außerehelichen Beischlaf mißbraucht zu haben (Verbrechen der Notzucht nach § 201 Abs. 1 StGB.), wurden P*** und P*** gemäß § 259 Z. 3 StPO. freigesprochen. Das Erstgericht nahm hiezu an, daß es nicht einmal zu einer äußerlichen Berührung des Geschlechtsteils eines der Angeklagten mit dem der Frau, geschweige denn zur Vollziehung des Beischlafs gekommen war, weil P*** keine Erektion hatte und weitere Versuche, zu einer solchen zu gelangen und den Beischlaf zu vollziehen, deshalb unterlassen hatte, "weil es ihn schließlich gegraust hat". Diesen Sachverhalt beurteilte das Gericht dahin, daß den Angeklagten strafbefreiender Rücktritt (§ 16 StGB.) von einem (allenfalls gegebenen) Notzuchtsversuch zustatten komme. Gegen den Freispruch von der Notzuchtsanklage wendet sich die Staatsanwaltschaft mit einer auf § 281 Abs. 1 Z. 9 lit. a und b StPO. (der Sache nach nur lit. b) gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Darin wird die Annahme eines Rücktritts der Angeklagten vom Notzuchtsversuch als rechtsirrig bekämpft.

Rechtliche Beurteilung

Der Staatsanwaltschaft ist beizupflichten, daß von einem freiwilligen Aufgeben des Notzuchtsvorhabens keine Rede sein kann, wenn der Mangel sexueller Erregung (eine bloß vorübergehende Beischlafsunfähigkeit: SSt. 43/31) dem Täter den Beischlaf unmöglich macht (Pallin WK. § 201 StGB. Rz. 24). Ekel, sei er auch durch äußere Umstände hervorgerufen, ist als Motiv für einen freiwilligen Rücktritt zwar denkbar, jedoch nur, sofern beim Täter gleichwohl die Vorstellung erhalten bleibt, daß ihm die Vollendung der Tat noch möglich wäre. Das ist aber dann nicht der Fall, wenn der Täter durch den empfundenen Ekel physisch außerstande gesetzt wird, den Beischlaf auszuüben oder wenn die aufgetretenen inneren Hemmungen den Grad eines psychischen Unvermögens erreichen (so schon Nowakowski, Grundzüge S. 93). In die soeben bezeichnete Richtung weist die Verantwortung des Angeklagten P*** (S. 121-122), während Erwägungen im Rahmen der Beweiswürdigung eher in die Gegenrichtung deuten (S. 131). Klare Feststellungen, ob P*** zufolge des von ihm bekundeten Ekels physisch oder psychisch noch zur Vollziehung des Beischlafs fähig gewesen wäre, läßt das Ersturteil indes vermissen.

Zutreffend verweist die Beschwerde auch darauf, daß der allgemeine Strafaufhebungsgrund des Rücktritts vom Versuch nur demjenigen zugute kommt, der die Voraussetzungen hiefür unmittelbar erfüllt (Leukauf-Steininger 2 § 16 StGB. RN. 12). Der Angeklagte P*** haftet für die Brechung des Widerstands der Ottilie M***, damit P*** (und allenfalls auch er selbst) an ihr den Geschlechtsverkehr vollziehen könne, als Mittäter und hätte das vollendete Verbrechen der Notzucht schon dann zu verantworten gehabt, wenn nur P*** allein den Beischlaf vollzogen hätte (JBl. 1986 S. 59). P*** hätte auf einen die Tatvollendung verhindernden Rücktritt P*** wenigstens hinwirken müssen, weil nur dann gesagt werden könnte, er habe (als einer von mehreren an der Tat Beteiligten) freiwillig die Ausführung verhindert (§ 16 Abs. 1 StGB.). Andernfalls wäre es dem P*** dadurch, daß P*** den Tatentschluß aufgab, unmöglich geworden, die in Mittäterschaft mit P*** geplante Notzucht zu vollenden, und P*** hätte nur noch unter den hier nicht in Betracht kommenden Voraussetzungen des § 16 Abs. 2 StGB. zurücktreten können (EBRV. S. 86 rechts).

Die Urteilsfeststellungen reichen daher nicht aus, um entscheiden zu können, ob die Angeklagten auch das Verbrechen der Notzucht, mit dessen Ausführung sie ja schon durch die Anwendung von Gewalt gegen die Frauensperson (erster Akt des vollendet zweiaktigen Delikts nach § 201 StGB.) begonnen hatten, wenigstens in der Entwicklungsstufe des Versuchs (§ 15 StGB.) zu verantworten haben. Aus diesem Grund erweisen sich die Kassierung des Urteils im spruchgemäßen Umfang und die korrespondierende Anordnung eines zweiten Rechtsgangs als unvermeidbar.

Davon unberührt (§ 289 StPO.) bleibt der übrige Urteilsinhalt, insbesondere der Schuldspruch wegen des Verbrechens des Zwangs zur Unzucht (§ 203 StGB.). Die hiermit erfaßten Unzuchtshandlungen können nämlich ungeachtet der Einheitlichkeit des gewaltsamen Angriffs auf Grund ihrer Art und Intensität (vgl. Mayerhofer-Rieder 2 ENr. 33 zu § 201 StGB.) keineswegs als bloße Begleittaten einer (allenfalls versuchten) Notzucht angesehen werden. Als auch vorsatzmäßig getrennte, auf gesonderten Willensentschlüssen beruhende Tathandlungen sind die Unzuchtsakte (§ 203 StGB.) realkonkurrierend selbständig zu werten (13 Os 72/80, 13 Os 65/82, 13 Os 12/86 u.a.).

Mit ihren Berufungen waren die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte P*** auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.

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