Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 3.397,35 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 308,85 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Streitteile haben am 27. August 1960 vor dem Standesamt Salzburg die Ehe, der zwei bereits volljährige Töchter entstammen, geschlossen.
Der Kläger begehrt die Scheidung der Ehe aus dem Verschulden der Beklagten. Schon 1968 sei es erstmals zu Zerwürfnissen gekommen, weil die Beklagte ihren ehelichen Pflichten nicht nachgekommen sei und sich ihm gegenüber lieblos verhalten habe. Deshalb sei die eheliche Gemeinschaft zwei Jahre hindurch aufgehoben gewesen. Aber auch nach deren Wiederaufnahme habe die Beklagte ihr Verhalten fortgesetzt, den Kläger beschimpft, tätlich angegriffen und sich Bekannten gegenüber dahin geäußert, daß es sie vor ihm ekle und er sie geschlechtlich nicht zufriedenstellen könne. Auch die beiden Kinder habe sie vor anderen Leuten beschimpft. Deshalb sei die Ehe vollkommen zerrüttet worden, so daß sich der Kläger im Sommer 1982 einer anderen Frau zugewendet habe. Erst in der zweiten Junihälfte 1983 habe er in Erfahrung gebracht, daß die Beklagte schon 1980 ein ehebrecherisches Verhältnis unterhalten habe. Seit Sommer 1983 unterhalte sie wiederum ehebrecherische Beziehungen zu einem anderen Mann.
Die Beklagte beantragte Abweisung des Klagebegehrens, hilfsweise den Ausspruch des überwiegenden Verschuldens des Klägers. Anlaß für ihr ehebrecherisches Verhältnis sei das ihres Mannes gewesen, weshalb dieser auch die häusliche Gemeinschaft aufgehoben habe. 1982, jedenfalls aber im August 1984 sei es überdies zu einer Aussöhnung gekommen. Ihre Eheverfehlungen seien nur im Zusammenhang mit jenen des Klägers gestanden; überdies habe dieser sie gebilligt und längst verziehen. Die ehelichen Schwierigkeiten hätten ihre Ursache in der finanziellen Sorglosigkeit des Klägers. Im Jänner 1983 sei es zu Auseinandersetzungen gekommen, weil sie von seinem ehebrecherischen Verhältnis erfahren habe; in deren Verlauf habe sie der Kläger verletzt.
Das Erstgericht schied die Ehe aus dem überwiegenden Verschulden der Beklagten. Es stellte fest, die Ehe sei schon 1972 zerrüttet gewesen, weil die Beklagte ehewidrige Beziehungen unterhalten und der Kläger deshalb die Ehewohnung verlassen habe. Aber auch nach Wiederaufnahme der ehelichen Gemeinschaft sei es immer wieder zu Streitigkeiten gekommen, zumal die Beklagte wildfremden Leuten erzählt habe, daß der Kläger im Bett versage. Überdies habe sie ihn, aber auch die ältere Tochter mit ordinären Ausdrücken wie "Schwein", "Sau" u.dgl. beschimpft. Im Jahre 1980 habe die Beklagte mit Ing. Gerhard von G*** einmal die Ehe gebrochen, doch habe dies der Kläger erst im Sommer 1983 erfahren. Bis Ende 1980 sei es zwischen den Eheleuten zu Geschlechtsverkehr gekommen; damals habe die Beklagte dem Kläger erklärt, es ekle sie vor ihm, er möge ihr nicht mehr nähertreten. Seit Anfang 1981 hätten die Streitteile kaum mehr miteinander gesprochen; der Kläger habe seither im Wohnzimmer geschlafen. Im Oktober 1981 habe der Kläger geschlechtliche Beziehungen zu Gertraud P*** aufgenommen und im Jänner 1983 mit ihr eine Wohnung bezogen. Diese Lebensgemeinschaft bestehe nach wie vor. Von diesen Beziehungen habe der Kläger der Beklagten Ende 1982 Mitteilung gemacht; die Beklagte habe darauf geantwortet, sie werde ihn vernichten und "ausnehmen wie eine Mastgans"; eine Scheidung komme für sie jedoch nicht in Frage. Das Weihnachtsfest 1982 habe der Kläger zwar mit der Beklagten und den beiden Töchtern in der damaligen Ehewohnung in Matzing 49 verbracht, doch sei es dabei zu keiner Aussöhnung gekommen. Bei einem Kuraufenthalt im Mai oder Juni 1983 in Groß Pertholz habe die Beklagte Franz M*** kennengelernt und ihn im Juli 1983 zu einem Urlaub im Haus in Seeham eingeladen. Dabei hätten die beiden über Betreiben der Beklagten geschlechtliche Beziehungen aufgenommen und im Zuge wechselseitiger Besuche in etwa dreiwöchentlichen Abständen bis Februar 1984 fortgesetzt. Anläßlich eines dieser Besuche des Franz M*** in Seeham sei es auch zu einer Begegnung mit dem Kläger gekommen; dieser habe ihn des Hauses verwiesen, doch habe die Beklagte Franz M*** zum Bleiben bewegt. Seither habe der Kläger die Beklagte nur mehr getroffen, wenn er eine der Töchter abgeholt habe. Bei solchen Gelegenheiten habe sich die Beklagte unter anderem wie folgt geäußert: "Du lustiger Gockel, ich schneid' dir das Zipfel ab, scheiden laß' ich mich trotzdem nie!" Jedenfalls im Zeitraum ab 1981 habe zwischen den Streitteilen keine Aussöhnung stattgefunden. Rechtlich beurteilte das Erstgericht den Sachverhalt dahin, daß beiden Teilen Eheverfehlungen nach den §§ 47 und 49 EheG zur Last fielen, so daß angesichts des Mitschuldantrags der Beklagten die Scheidung aus beiderseitigem Verschulden gerechtfertigt sei. Wenngleich das Verhalten der Beklagten weder die ehewidrigen noch die ehebrecherischen Beziehungen des Klägers entschuldigen könne, sei doch sein Beitrag zur Zerrüttung der Ehe als wesentlich weniger schwerwiegend anzusehen, weshalb das überwiegende Verschulden der Beklagten auszusprechen sei.
Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Der Kläger habe die ehebrecherischen Beziehungen der Beklagten zu Ing. Gerhard von G*** und Hans M*** geltend machen können, weil diese Eheverfehlungen der Beklagten bei Klagseinbringung noch nicht verfristet gewesen seien. Für die Einleitung der Zerrüttung sei das Verhalten der Beklagten in der Zeit von der Wiederaufnahme der häuslichen Gemeinschaft an bis etwa zum Jahresende 1980 ursächlich gewesen, vor allem die fortlaufenden Beschimpfungen und insbesondere die Bloßstellungen des Klägers vor fremden Leuten. Eine wesentliche Vertiefung der Zerrüttung habe die Äußerung der Beklagten um die Jahreswende 1980/81, es ekle sie vor ihm und er möge ihr nicht mehr nähertreten, herbeigeführt. Damit stehe auch der Auszug des Klägers aus dem ehelichen Schlafzimmer im Zusammenhang. Es entspreche der Billigkeit, diese Eheverfehlungen der Beklagten zu berücksichtigen, obwohl sie gemäß § 57 Abs. 1 EheG verfristet seien. Der Ehebruch sei nur unter unwiderstehlichem psychischen Zwang kein Scheidungsgrund; einen solchen Zwang hat die Beklagte nicht einmal behauptet. Für die erfolgreiche Geltendmachung von Scheidungsgründen sei es zwar Voraussetzung, daß die schweren Eheverfehlungen auch subjektiv als ehezerstörend empfunden wurden, doch könnten auch nicht als ehezerstörend empfundene Eheverfehlungen bei der Verschuldensabwägung berücksichtigt werden. Für den Verschuldensausspruch seien daher auch Eheverfehlungen zwischen der bereits eingetretenen Zerrüttung und der Scheidung bedeutsam, sofern eine weitere Vertiefung der Zerrüttung nicht auszuschließen sei. Deshalb seien die ehebrecherischen Beziehungen des Klägers zu Gertraud P*** und der Beklagten zu Franz M*** in Anschlag zu bringen. Die Zerrüttung sei mit Jahreswechsel 1980/81 unheilbar geworden. Die ehewidrigen bzw. ehebrecherischen Beziehungen der Streitteile seit diesem Zeitpunkt träten bei der Verschuldensabwägung in ihrer Bedeutung hinter die Eheverfehlungen vor dem Eintritt der Zerrüttung zurück; letzteren komme somit für den Ausspruch über das Verschulden das Hauptgewicht zu. Überwiegendes Verschulden im Sinne von § 60 Abs. 2 und 3 EheG sei erheblich schwereres Verschulden; der Gesetzgeber verlange jedoch keine subtilen Abwägungen. Da das Verhalten der Beklagten vor der Zerrüttung der Ehe derart schwer wiege, habe das Erstgericht zutreffend ihr überwiegendes Verschulden ausgesprochen. Die von der Beklagten gegen dieses Urteil erhobene Revision ist nicht berechtigt.
Die geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nach Prüfung durch den Obersten Gerichtshof nicht vor (§ 510 Abs. 3 ZPO).
Rechtliche Beurteilung
Die Beklagte bestreitet das Scheidungsrecht des Klägers, weil die für die Zerrüttung der Ehe ursächlichen Scheidungsgründe verfristet seien, erst nach Eintritt der unheilbaren Zerrüttung begangene Eheverfehlungen der Beklagten keinen Scheidungsanspruch begründeten und die häusliche Gemeinschaft bei Einbringung der Klage (9. Dezember 1983) noch nicht drei Jahre hindurch aufgehoben gewesen sei. Dieser Auffassung kann nicht beigepflichtet werden. Zunächst ist festzuhalten, daß es im vorliegenden Fall nicht darauf ankommt, wann die eheliche Gemeinschaft aufgehoben wurde. Da der Kläger sein Scheidungsbegehren nicht (auch) auf § 55 Abs. 1 EheG gestützt hat, ist nicht zu prüfen, ob die dort genannte dreijährige Frist - die im übrigen nicht bis zur Klagseinbringung, sondern bis zum Schluß der Verhandlung erster Instanz zu berechnen ist (Pichler in Rummel, ABGB, Rz 3 zu § 55 EheG) - bereits abgelaufen ist.
Zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, daß die Zerrüttung der Ehe um die Jahreswende 1980/81 unheilbar geworden ist. Durch die Äußerung, sie ekle es vor ihm, er möge ihr nicht mehr nähertreten, hat die Beklagte dem Kläger auf kaum mehr überbietbar demütigende Art und unmißverständlich zu verstehen gegeben, daß sie mit ihm als Mann nichts mehr zu tun haben wolle. Diese Äußerung war aber auch nur noch der Abschluß eines langwährenden Zerrüttungsprozesses, den die Beklagte durch ihre laufenden herabsetzenden Bemerkungen und Beschimpfungen (auch der gemeinsamen Kinder) eingeleitet und zu verantworten hat. Folge war, daß der Kläger aus dem gemeinsamen Schlafzimmer ausgezogen ist und die Streitteile seither kaum mehr miteinander gesprochen haben. Es ist deshalb zwar richtig, daß der Ehebruch der Beklagten mit Ing. Gerhard von G*** zum Eintritt der Zerrüttung der Ehe nichts mehr beitragen konnte, weil der Kläger erst im Sommer 1983 davon erfahren hat, doch übersieht die Beklagte, daß der Ehebruch nach ständiger Rechtsprechung (EFSlg. 48.721, 38.792, 36.280, 33.881 uva.). ohne Rücksicht auf seine Auswirkungen auf die Ehe die Scheidung aus dem Verschulden des Ehebrechers rechtfertigt. Gegen die absolute Wirkung dieses Scheidungsgrundes hat sich zwar unter Berufung auf § 56 EheG ein Teil der Lehre (vgl. die Nachweise bei Pichler aaO Rz 1 zu § 47 EheG) gewendet; es ist jedoch der von Koziol-Welser, Grundriß7 II 198, unter Berufung auf Gernhuber, Familienrecht2, 251 f, vertretenen Rechtsansicht beizupflichten, der Sinn der Bestimmung des § 56 EheG sei darin gelegen, Ehen zu erhalten, die trotz der Verfehlung nicht zerrüttet sind, nicht aber solche, bei denen das eheliche Empfinden schon vor dem Ehebruch fehlte (EFSlg. 46.145). Da die im § 57 Abs. 1 EheG vorgesehene Ausschlußfrist erst ab Kenntnis des Scheidungsgrundes zu laufen beginnt und deshalb bei Klagseinbringung (am 9. Dezember 1983) noch nicht abgelaufen war, kann der Kläger seinen Scheidungsanspruch mit Erfolg auf den Ehebruch der Beklagten mit Ing. Gerhard von G*** ebenso wie auf ihre fortgesetzten ehebrecherischen Beziehungen zu Franz M*** stützen. Die wirksame Geltendmachung dieser Eheverfehlungen hat darüber hinaus auch noch zur Folge, daß gemäß § 59 Abs. 2 EheG auf verziehene und verfristete Eheverfehlungen Bedacht genommen werden kann (EFSlg. 46.145 uva.). Soweit sich die Beklagte in bezug auf den Ehebruch mit Ing. Gerhard von G*** nun auf unwiderstehlichen psychischen Zwang beruft, liegt eine im Rechtsmittelverfahren nicht beachtliche Neuerung vor. Mit der Behauptung, ihr für die Zerrüttung ursächliches Verhalten sei auf die ehebrecherischen Beziehungen des Klägers zurückzuführen, entfernt sich die Beklagte von den erstinstanzlichen Feststellungen. Gegen die Verschuldensabwägung des Berufungsgerichtes führt die Beklagte in ihrer Revision keine Argumente mehr ins Treffen. Da der Kläger Eheverfehlungen erst nach Eintritt der unheilbaren Zerrüttung begangen bzw. seine Verfehlungen der Beklagten erst nach diesem Zeitpunkt bekanntgeworden sind, kann sie sich durch den Verschuldensausspruch der Vorinstanzen auch nicht als beschwert erachten. Eheverfehlungen nach Abschluß des Zerrüttungsprozesses kommt für die Beurteilung der Frage, welchem Ehegatten das überwiegende Verschulden zufällt, auch dann keine entscheidende Bedeutung zu, wenn es sich dabei um Ehebruch handelt (EFSlg. 48.830 ua.). Da die Zerrüttung der Ehe auf das herabsetzende, ja geradezu demütigende Verhalten der Beklagten zurückzuführen ist und die ehebrecherischen Beziehungen des Klägers zu Gertraud P*** auf dieses Verhalten zurückzuführen sind, ist diesen bei der Verschuldensabwägung nur geringes Gewicht beizumessen (EFSlg. 48.838 uva.).
Der Revision der Beklagten ist deshalb ein Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.
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