OGH 2Ob557/87

OGH2Ob557/8712.5.1987

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Melber, Dr. Kropfitsch und Dr. Huber als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der klagenden und widerbeklagten Partei Roswitha B***, geboren am 21. August 1941 in Zwickenberg, Hausfrau, 9991 Dölsach 82, vertreten durch Dr. Peter Riedmann, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte und widerklagende Partei Stefan B***, geboren am 29. Mai 1929 in Dölsach, Bauarbeiter, 9991 Dölsach 82, vertreten durch Dr. Paul Ladurner, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Ehescheidung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 30. September 1986, GZ 1 R 217, 218/86-134, womit infolge Berufung der klagenden und widerbeklagten Partei das Endurteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 28. Oktober 1985, GZ 14 Cg 302/84-111, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende und widerbeklagte Partei hat der beklagten und widerklagenden Partei die mit S 5.657,85 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 514,35 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Streitteile, die beide österreichische Staatsangehörige sind, haben am 27. Oktober 1962 die Ehe geschlossen, aus der vier in den Jahren 1963 bis 1970 geborene Kinder stammen. Jeder Ehegatte begehrte die Scheidung der Ehe aus dem Verschulden des anderen Teiles.

Mit Urteil vom 9. November 1983, 14 Cg 525/81-52, schied das Erstgericht die Ehe aus dem überwiegenden Verschulden der klagenden und widerbeklagten Partei (in der Folge: Klägerin). Das Berufungsgericht hob dieses Urteil, welches im Ausspruch über die Ehescheidung unbekämpft geblieben war, hinsichtlich des Verschuldens auf und verwies die Sache an das Erstgericht zurück. Im zweiten Rechtsgang sprach das Erstgericht neuerlich aus, daß beide Parteien ein Verschulden treffe, wobei jenes der Klägerin überwiege. Das Erstgericht traf die auf den Seiten 14 bis 36 seiner Entscheidung (AS 733 ff) angeführten Feststellungen, aus welchen folgendes herzuheben ist:

Die beklagte und widerklagende Partei (in der Folge: Beklagter) ist Bauhilfsarbeiter, seit 1979 war der Beklagte immer außerhalb Osttirols tätig, es wäre ihm seit damals kaum möglich gewesen, einen entsprechenden Arbeitsplatz im Nahbereich seines Wohnortes zu finden. Die Klägerin führte den Haushalt und betreute die Kinder, sie bezog aber durch verschiedene Nebenbeschäftigungen auch ein geringes Einkommen in wechselnder Höhe. Zwischen den Ehegatten kam es zu Unstimmigkeiten, weil sie ihr Verlangen nach geschlechtlicher Vereinigung wiederholt nicht der Stimmungslage und dem Zustand des anderen Teiles anpaßten. So vollzog der Beklagte gegen den erklärten Willen der Klägerin im Jahre 1970 während einer Zwillingsschwangerschaft der Klägerin den ehelichen Verkehr, ebenso im Sommer 1979, als ein Sohn der Streitteile nach einem Unfall im Krankenhaus lag. Die Ehe wurde hiedurch aber nicht zerrüttet. Die Klägerin trug zur Beeinträchtigung des ehelichen Verhältnisses dadurch bei, daß sie bestrebt war, zu dominieren, sie beschimpfte den Beklagten und bezeichnete ihn zu Unrecht, auch den Kindern gegenüber, als faul. Das eheliche Verhältnis wurde aber auch dadurch beeinträchtigt, daß der Beklagte seine Freizeit zum Teil allein verbrachte und sich auch in der Ehewohnung absonderte. Bis etwa September 1979 verlief die Ehe aber einigermaßen harmonisch. Ab damals begannen ernste Unstimmigkeiten, die Klägerin war darauf bedacht, die Kinder dem Beklagten zu entfremden, was ihr auch gelang. Im September 1979 lernte die Klägerin bei einem Kuraufenthalt in Bad Schallerbach Johann B*** kennen, ging mit diesem ehewidrige Beziehungen ein und beging Ehebruch. Diese Beziehungen dauerten bis Sommer 1981. Nach der Rückkehr der Klägerin vom Kuraufenthalt in Bad Schallerbach verhielt sie sich gegen den Beklagten abweisend, verwies ihn aus dem gemeinsamen Schlafzimmer und gab ihm zu verstehen, daß sie an einer Fortsetzung der Geschlechtsgemeinschaft nicht interessiert sei. Seit September 1979 kam es zu Streitigkeiten und wechselseitigen Beschimpfungen. Der Beklagte verbrachte seine Freizeit vermehrt in Gasthäusern. Im April 1981 brachte die Klägerin an dem in der Ehewohnung befindlichen Telefon eine Sperre an, zu welcher sie zwar den Kindern, nicht aber dem Beklagten einen Schlüssel gab. Im Mai 1982 meldete sie den Telefonanschluß vom Namen der Beklagten auf ihren Namen um, wobei sie mit dem Namen des Beklagten unterfertigte. Im Jahre 1982 kam es zu Streitigkeiten wegen des gemeinsamen PKWs. Der Beklagte nahm gerichtliche Hilfe in Anspruch, die Benützung des PKWs wurde mit Vergleich geregelt, die Klägerin hielt sich aber nicht an diesen Vergleich und nahm den PKW über das ihr zustehende Ausmaß hinaus in Anspruch. Im Verlauf eines Streites wegen des PKWs verletzte die Klägerin den Beklagten am 19. Februar 1983 durch einen Schlag mit einer Stielbürste. Zu Ostern 1983 schlug sie dem Beklagten mit einem Geschirrtuch eine Zigarette aus dem Mund und veranlaßte den gemeinsamen Sohn, den Beklagten handgreiflich aus der Küche zu schaffen. Das Bestreben der Klägerin, die Kinder dem Beklagten zu entfremden, hatte Erfolg. Es kam wiederholt vor, daß die Kinder den Beklagten, zu dem sie früher ein gutes Verhältnis hatten, beschimpften und mit Bosheitsakten verfolgten. Jeder der Ehegatten setzte den anderen vor familienfremden Personen herab. Im Jahre 1985 erstattete der Beklagte gegen die Klägerin eine Anzeige beim Finanzamt wegen Verdachts der "Schwarzarbeit". Die Ehe ist durch das Verhalten beider Teile zerrüttet und zwar weit überwiegend durch das Verhältnis der Klägerin zu Johann B*** und ihre Abwendung vom Beklagten.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, beiden Teilen seien schwere Eheverfehlungen vorzuwerfen, am schwersten wiege aber der Ehebruch der Klägerin, der Hauptursache der Zerrütttung gewesen sei. Das Verschulden der Klägerin überwiege daher.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Es übernahm den vom Erstgericht festgestellten Sachverhalt und führte in rechtlicher Hinsicht im wesentlichen aus, die Ehe sei spätestens Ende 1981 unheilbar zerrüttet gewesen. Die für die Verschuldensteilung maßgebenden Ursachen für diese völlige Zerrüttung der Ehe seien einerseits in der ehewidrigen Beziehung der Klägerin zu Johann B*** und ihrem dominierenden Verhalten und andererseits in den vom Beklagten schon seit Beginn der Ehe an den Tag gelegten Verhaltensweisen - Besuch von Gasthäusern in seiner Freizeit, Vernachlässigung der Familie, mangelndes Einfühlungsvermögen für die geschlechtliche Bereitschaft der Klägerin - zu sehen. Die weiteren festgestellten und ebenfalls als Eheverfehlungen zu qualifizierenden Vorfälle bis zum Jahre 1981 stellten im wesentlichen einmalige geringer gewichtige Verfehlungen dar, weshalb deren Beitrag für die Zerrüttung der Ehe in bezug auf die Verschuldensabwägung vernachlässigt werden könne. Im Rahmen der Verschuldensabwägung sei der ehewidrigen Beziehung der Klägerin und dem Ehebruch ein besonderes Gewicht zuzuordnen, zumal diese als schwerste Verfehlung gegen die eheliche Treuepflicht zu wertende Eheverfehlung gerade als Hauptursache für die völlige Zerrüttung der Ehe angesehen werden müßte, da sich die Klägerin in Lauf dieser Beziehung immer mehr vom Beklagten entfernt habe. Insofern sei also in Abwägung der beiderseitigen Eheverfehlungen der Klägerin durch ihre ehewidrige Beziehung zu Johann B*** die Hauptschuld am Zustandekommen der unheilbaren Zerrüttung der Ehe anzulasten, sodaß infolge dieses - graduell gesehen - erheblichen Unterschiedes gemäß § 60 Abs 2 zweiter Satz EheG das überwiegende Verschulden der Klägerin auszusprechen gewesen sei. Die zwischen der unheilbaren Zerrüttung der Ehe und der ausgesprochenen Scheidung (bzw. auch nach dieser Zeit) festgestellten Eheverfehlungen hätten für die vorliegende Verschuldensabwägung unberücksichtigt zu bleiben. Die Klägerin bekämpft das Urteil des Berufungsgerichtes mit Revision, macht als Revisionsgründe Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens sowie unrichtige rechtliche Beurteilung geltend und beantragt die Entscheidung dahin abzuändern, daß die Ehe aus gleichteiligem Verschulden geschieden werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Der geltend gemachte Verfahrensmangel liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

Im Rahmen der Rechtsrüge führt die Klägerin aus, der Beklagte habe dadurch, daß er die Freizeit allein verbracht und sich im geschlechtlichen Bereich rücksichtslos verhalten habe, die Ehe zerrüttet. Die Klägerin habe lediglich im Interesse der Kinder einen offenen Ausbruch des Konfliktes verhindert und an einer oberflächlichen Gemeinschaft mit dem Beklagten festgehalten. Der Beklagte habe den entscheidenden Beitrag zur Ehezerrüttung geleistet, sein Verhalten sei Ausgangspunkt für die nachfolgende Entwicklung gewesen. Der später erfolgten Trennung der Schlafzimmer und selbst dem Ehebruch komme daher untergeordnete Bedeutung zu. Diese Ausführungen entsprechen überwiegend nicht dem festgestellten Sachverhalt. Nach diesem ist davon auszugehen, daß sich nicht nur der Beklagte, sondern auch die Klägerin schon vor dem Jahre 1979 ehewidrig verhalten hat, die Ehe aber trotzdem bis September 1979 einigermaßen harmonisch verlief. Die Klägerin leistete dann dadurch, daß sie mit einem anderen Mann ein ehewidriges Verhältnis einging, Ehebruch beging, sich vom Beklagten abwandte und diesen aus dem gemeinsamen Schlafzimmer verwies, den entscheidenden Beitrag zur Ehezerrüttung. Das nachher von beiden Ehegatten gesetzte ehewidrige Verhalten muß als Folge der von der Klägerin herbeigeführten Ehezerrüttung angesehen werden und ist nicht mehr von entscheidender Bedeutung.

Da nach ständiger Rechtsprechung insbesondere darauf Bedacht zu nehmen ist, wer den entscheidenden Beitrag zur Zerrüttung der Ehe geleistet hat (EFSlg 48.821 uva), und es sich bei dem der Klägerin vorzuwerfenden Verhalten, insbesondere beim Ehebruch, um besonders schwere Eheverfehlungen handelt, ist das Verschulden der Klägerin erheblich schwerer als das des Beklagten (EFSlg 48.832 uva). Der Unterschied im Verschulden tritt offenkundig hervor (EFSlg 48.833 uva) und rechtfertigt daher den Anspruch, daß das Verschulden der Klägerin überwiegt.

Aus diesen Gründen mußte der Revision ein Erfolg versagt bleiben. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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