OGH 4Ob349/87

OGH4Ob349/875.5.1987

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith als Vorsitzenden und durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr. Friedl sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag, Dr. Kodek und Dr. Niederreiter als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*** G*** U*** W***, Wien 4., Schwarzenbergplatz 14, vertreten durch Dr. Walter Prunbauer und Dr. Friedrich Prunbauer, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Norbert L*** Gesellschaft m.b.H., Einzelhandel mit Textilien und Bekleidung, Waidhofen an der Thaya, Heidenreichsteiner Straße 21, vertreten durch Dr. Wolfgang Grohmann und Dr. Helmut Paul, Rechtsanwälte in Krems, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert S 220.000,--) infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 16. Jänner 1986, GZ. 1 R 269, 270/85-12, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Kreis- als Handelsgerichtes Krems/Donau vom 7. Oktober 1985, GZ. 14 Cg 251/85-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß die Entscheidung zu lauten hat:

"Die Beklagte ist schuldig, im geschäftlichen Verkehr beim Einzelhandel mit Textilien es zu unterlassen, den Verkauf von Waren gegen 'S 1,-- für jedes zweite Stück (im selben Wert wie das erste)' anzukündigen und das zweite Stück Ware um diesen Preis abzugeben. Der Kläger wird ermächtigt, den Spruch dieses Urteils binnen drei Monaten nach Rechtskraft auf Kosten der Beklagten in der "Neuen Kronen-Zeitung" sowie in der "Kremser Zeitung" und in der "Waidhofener Zeitung" im Textteil, in Normallettern mit Fettdruckumrandung, Fettdrucküberschrift und gesperrt geschriebenen Prozeßparteien, veröffentlichen zu lassen.

Die Beklagte ist schuldig, dem Kläger die mit S 17.531,55 (darin S 5.200,-- Barauslagen und S 1.121,05 Umsatzsteuer) bestimmten Verfahrenskosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen."

Die Beklagte ist ferner schuldig, dem Kläger die mit S 14.608,25 (darin S 8.000,-- Barauslagen und S 600,75 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens sowie die mit S 17.928,25 (darin S 10.000,-- Barauslagen und S 720,75 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die beklagte GmbH betreibt den Einzelhandel mit Textilien. Sie verteilte im Juli 1985 im Bezirk Waidhofen an der Thaya einen Prospekt (Beilage C), in welchem sie für die Zeit vom 20.7.-10.8.1985 einen "Schluß-Ausverkauf" ankündigte und dabei mit Wendungen wie "Massenweise Minipreise" und "Ihre große Chance" auf die besondere Preisgünstigkeit ihres Angebotes hinwies. Der Prospekt enthielt insbesondere folgendes Angebot:

"Sie bezahlen generell

nur S 1,-- für jedes zweite Stück

(im selben Wert wie das erste)

ca. 3.500 Stück Textilwaren."

Die Rückseite des Prospektes enthielt dazu den ergänzenden

Hinweis:

"Sie bezahlen für 1 Stück den vollen Preis, das 2. Stück nur mit einem Schilling!."

Mit der Behauptung, daß diese Ankündigung - je nachdem, ob der Kunde ein zweites Stück der selben oder einer anderen Ware auswählt - gegen das Rabattgesetz oder gegen das Zugabengesetz verstoße, begehrt der klagende S*** G*** U***

W*** die Verurteilung der Beklagten, es im geschäftlichen Verkehr beim Einzelhandel mit Textilien zu unterlassen, den Verkauf von Waren gegen "S 1,-- für jedes zweite Stück (im selben Wert wie das erste)" anzukündigen und das zweite Stück Ware um diesen Scheinpreis abzugeben; außerdem verlangt er die Ermächtigung zur Urteilsveröffentlichung auf Kosten der Beklagten in der "Neuen Kronen-Zeitung", in der "Kremser Zeitung" und in der "Waidhofener Zeitung".

Die Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Die beanstandete Ankündigung eines Sommer-Räumungsverkaufes entspreche den Bestimmungen des Ausverkaufsgesetzes; sie sei weder wettbewerbswidrig, noch könne ihr das Angebot eines unzulässigen Rabattes entnommen werden.

Das Erstgericht wies die Klage aus rechtlichen Erwägungen ab. Die Beklagte habe keinen gesetzwidrigen Preisnachlaß, sondern eine für alle Kunden geltende, durch objektive Kriterien gerechtfertigte und deshalb rabattrechtlich unbedenkliche Preissenkung angekündigt. Von einem Zugabenverstoß könne keine Rede sein, weil eine "Zugabe" schon begrifflich im Wert hinter der Hauptware (Hauptleistung) zurückbleiben müsse, auf deren Verkauf es dem Unternehmer primär ankomme; bei der von der Beklagten angekündigten Verkaufsaktion sei ein solcher Unterschied zwischen Haupt- und Nebenware nicht zu erkennen. Die Beklagte sei offenbar bestrebt, im Zuge eines Saisonschlußverkaufes den gesamten Warenbestand an den Mann zu bringen; in Beilage C werde keine unentgeltliche Zugabe, sondern der Verkauf zweier "gleichrangiger" Waren zu einem Gesamtpreis angekündigt, der aus dem Preis eines Artikels zuzüglich S 1,-- bestehe. Auch ein Verstoß gegen §§ 1 oder 2 UWG liege nicht vor. Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 60.000,-- nicht aber S 300.000,-- übersteige und die Revision nicht zulässig sei. Mit dem beanstandeten Prospekt werde ein "unechter", für alle Letztverbraucher geltender Sonderpreis angekündigt, welcher auf objektiven, im Geschäft der Beklagten begründeten Kriterien beruhe und deshalb im Rahmen des Sommerschlußverkaufes als angekündigter oder allgemein geforderter Normalpreis der Beklagten anzusehen sei. Das Erstgericht habe deshalb den von der Klägerin behaupteten Rabattverstoß mit Recht verneint. Die Beklagte habe aber auch keine verbotene Zugabe angekündigt, sondern zwei Hauptwaren um einen - den Preis der ersten Ware um S 1,-- übersteigenden - Gesamtpreis angeboten, ohne daß es sich dabei um artverschiedene, willkürlich zusammengefaßte Gegenstände gehandelt hätte.

Das Urteil des Berufungsgerichtes wird vom Kläger mit außerordentlicher Revision aus dem Grunde des § 503 Abs 1 Z 4, Abs 2 ZPO bekämpft. Der Kläger beantragt, die Urteile der Vorinstanzen dahin abzuändern, daß seinem Klagebegehren im vollen Umfang stattgegeben werde.

Die Beklagte, welcher vom Obersten Gerichtshof gemäß § 508 a Abs 2 ZPO die Beantwortung dieses Rechtsmittels freigestellt worden war, hat eine Revisionsbeantwortung erstattet, in welcher sie beantragt, die außerordentliche Revision des Klägers als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise sie "als unbegründet zu verwerfen" (richtig: ihr nicht Folge zu geben).

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision ist zulässig, weil gerade auf dem Gebiet des Wettbewerbsrechtes eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO auch dann vorliegen kann, wenn zu einem unbestimmten Rechtsbegriff zwar schon allgemeine, von der Rechtsprechung entwickelte Leitsätze bestehen, die konkrete Lösung des zu entscheidenden Falles sich aber daraus noch nicht ohne weiteres ergibt, sondern wegen Fehlens von Vorentscheidungen mit weitgehend gleichartigen Sachverhalten ein sorgfältiger Vergleich mit den bisher entschiedenen, nur ähnlichen Fällen vorgenommen werden muß (ÖBl 1984, 48; ÖBl 1985, 51 uva.). Da der hier zu beurteilenden Rechtsfrage über den vorliegenden Fall hinaus erhebliche Bedeutung für die Rechtseinheit, Rechtssicherheit und Rechtsentwicklung zukommt, ist die außerordentliche Revision des Klägers entgegen der Meinung des Berufungsgerichtes als zulässig anzusehen; sie ist aber auch berechtigt.

Daß die beanstandete Ankündigung nicht gegen das Zugabengesetz verstößt, hat das Berufungsgericht richtig erkannt: Wesentliche Voraussetzung für die Anwendung dieses Gesetzes ist, daß die miteinander gekoppelten Waren im Verhältnis von Hauptsache (Hauptware oder Hauptleistung) und Zugabe (Nebenware oder Nebenleistung) stehen; das trifft vor allem dort nicht zu, wo für eine Gesamtsache oder für Gegenstände, die nach der Verkehrsauffassung eine Einheit bilden und regelmäßig zusammen verkauft werden, ein einheitliches Entgelt berechnet wird, ebensowenig aber auch dort, wo zwei Hauptwaren oder Hauptleistungen um einen Gesamtpreis miteinander angeboten werden. Ob ein bestimmtes Angebot eine Wareneinheit, mehrere Hauptwaren oder aber eine Haupt- und eine Nebenware zum Gegenstand hat, hängt nicht so sehr von einer bestimmten Wertrelation der verbundenen Waren oder Leistungen ab, sondern vor allem von der Auffassung der beteiligten Verkehrskreise, aber auch davon, wie der Werbende selbst seine Warenkombination dem Käufer anbietet (ÖBl 1985, 108 mwN; zuletzt 4 Ob 312/87). Im vorliegenden Fall hat die Beklagte ihre Ankündigung, wonach bei jedem Kauf im Rahmen ihres "Schluß-Ausverkaufes" der Käufer "für jedes zweite Stück" generell "nur S 1,--" zu zahlen habe, ausdrücklich auf "zweite" Stücke "im selben Wert wie das erste" eingeschränkt. Sie hat damit nicht etwa eine - nur scheinbar entgeltliche (§ 1 Abs 2 ZugG) - Nebenleistung angeboten, sondern jedem Käufer die Möglichkeit eröffnet, um nur S 1,-- eine zweite, der zunächst gekauften gleichwertige Hauptware zu erwerben. Bei dieser Sachlage ist die Annahme eines zugabenrechtlich zu beurteilenden Tatbestandes im Sinne der obigen Rechtsausführungen von vornherein ausgeschlossen.

Soweit aber das Berufungsgericht auch einen Rabattverstoß der Beklagten verneint hat, weil der von ihr angekündigte, allen Letztverbrauchern gewährte und deshalb als "unechter Sonderpreis" anzusehende ermäßigte Preis "der im Rahmen des Saisonschlußverkaufes angekündigte bzw. allgemein geforderte Normalpreis" sei, kann ihm nicht gefolgt werden:

Die rabattrechtliche Beurteilung einer unterschiedlichen Preisstellung für verschiedene Mengen der gleichen Ware hängt davon ab, ob es sich nach der Auffassung der angesprochenen Verkehrskreise bei den angekündigten oder allgemein geforderten Preisen um verschiedene Normalpreise oder nur um einen Normalpreis als Bezugsgröße und einen niedrigeren Ausnahmepreis handelt. § 7 RabG regelt nur den Mengennachlaß für eine Ware mit einem Normalpreis; er verbietet aber nicht, daß für unterschiedliche Warenmengen verschiedene Normalpreise bestehen (sogenannte "Preisspaltung"; siehe dazu auch die Amtliche Begründung zum Rabattgesetz, abgedruckt bei Schönherr, Wettbewerbsrecht 4 , 62 Anm 1; Schuhmacher, Verbraucherschutz bei Vertragsanbahnung 345 f). Eine solche Annahme verschiedener Normalpreise setzt aber nicht nur voraus, daß der günstigere Mengenpreis nicht nur einzelnen Kunden oder Kundengruppen, sondern jedermann berechnet wird; es darf auch nicht durch die Form der Ankündigung oder der Gewährung im Geschäftsverkehr der Eindruck eines Rabattes - also eines Abschlages von einem angekündigten oder allgemein geforderten Preis - erweckt werden. Daß ein Unternehmer eine größere Stückzahl oder Warenmenge dem Kunden zu einem relativ günstigeren Preis verkauft, als es beim Einzelbezug der Fall wäre, macht für sich allein diesen Preis noch nicht zu einem zweiten "Normalpreis"; die in Aussicht gestellte günstigere Preisbemessung stellt sich im Verhältnis zur Summe der Einzelpreise so lange nicht als zweiter Normalpreis dar, als der Normalpreis der Einzelware im Geschäftsverkehr als die allein maßgebende Bezugsgröße aufgefaßt wird. Anders liegen die Dinge nur dann, wenn die größere Warenmenge als selbständige Verkaufseinheit erscheint, die - wie etwa eine Doppel-, Groß- oder Mehrfachpackung - auch als solche gehandelt wird (Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht 14 , 1837 ff § 1 RabG Rz 32, 1872 § 7 RabG Rz 1, 1874 § 7 RabG Rz 6; Hoth - Gloy, Zugabe und Rabatt 349 f § 1 RabG Anm 45 lit c; auch Koppensteiner, Wettbewerbsrecht 359). Von einem solchen Angebot einer selbständigen Verkaufseinheit kann aber hier nicht gesprochen werden:

Ausgangspunkt der vom Kläger beanstandeten Preisermäßigung war klar erkennbar der im Geschäft der Beklagten außerhalb des jetzigen "Schluß-Ausverkaufs" allgemein verlangte "Normalpreis" der einzelnen Waren. Wer nur ein Stück kaufen wollte, mußte dafür den "vollen Preis", also den üblichen Ladenpreis der Beklagten entrichten; entschloß er sich aber, ein "zweites Stück" - beliebiger Art, aber im selben Wert wie das erste - zu kaufen, dann hatte er dafür nur S 1,-- zu zahlen. Bei dieser Sachlage kann von einem "unechten Sonderpreis" ebensowenig gesprochen werden wie von einem (Koppelungs-)Angebot mehrerer Waren zu einem von vornherein bestimmten Gesamt(= Normal)preis: Die von der Beklagten für den Fall des Kaufes eines zweiten, gleichwertigen Artikels angekündigte Preisermäßigung konnte vielmehr - unabhängig davon, ob es sich bei den in einer Lieferung veräußerten "mehreren Stücken" um gleich- oder verschiedenartige Waren handelte (Schönherr, Wettbewerbsrecht 4 , 63 § 7 RabG Anm 2; Koppensteiner, Wettbewerbsrecht 366; Tetzner, RabattG 126 f § 7 RN 7; Reimer-Krieger, Zugaben- und Rabattrecht 174; Michel-Weber-Gries, RabattG 2 , 125 f § 7 RN 2, 3) - vom Geschäftsverkehr nur als Ankündigung eines Mengenrabattes im Sinne des § 7 RabG aufgefaßt werden. Dieser Mengennachlaß erreichte schon beim Kauf zweier Waren im Wert von je S 100,-- den Betrag von (200 S - 101 S = 99 S : 2 =) S 49,50 oder 49,5 % und näherte sich mit zunehmendem Wert der Kaufgegenstände immer mehr der 50 Prozent-Grenze. Daß aber ein solcher Preisnachlaß im konkreten Fall "nach Art und Umfang sowie nach der verkauften Stückzahl als handelsüblich anzusehen" und daher gemäß § 7 Abs 1 RabG zulässig gewesen wäre, hat die - für einen derartigen Ausnahmetatbestand beweispflichtige (ÖBl 1978, 48 mwN; ebenso Koppensteiner aaO 365) - Beklagte nicht einmal behauptet. Der berechtigten Revision des Klägers war daher Folge zu geben und in Abänderung der Urteile der Vorinstanzen im Sinne des Klagebegehrens zu erkennen. Gegen die Notwendigkeit und den Umfang der vom Kläger begehrten Urteilsveröffentlichung hat die Beklagte nichts vorgebracht.

Die Verpflichtung der Beklagten zum Ersatz der Verfahrenskosten aller drei Instanzen beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

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