OGH 4Ob345/87

OGH4Ob345/875.5.1987

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith als Vorsitzenden und durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr. Friedl sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag, Dr. Kodek und Dr. Niederreiter als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W***-Schutzverband zur Förderung lauteren Wettbewerbs im In- und Ausland, Salzburg, Nonntaler Hauptstraße 1, vertreten durch Dr. Wolf Schuler, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei K*** Landmaschinen-, Kraftfahrzeug-, Handels- und Reparaturgesellschaft mbH, St. Johann im Pongau, Rainbach Nr. 230, vertreten durch Dr. Franz Kreibich, Dr. Alois Bixner und Dr. Walter Brandl, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Revisionsstreitwert 300.000 S) infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 30.September 1985, GZ 1 R 158/85-13, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 3.April 1985, GZ 7 Cg 133/84-8, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die Beklagte ist schuldig, dem Kläger die mit 18.881,40 S (darin 1.876,50 S Barauslagen und 1.545,90 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit 14.038,65 S (darin 3.840 S Barauslagen und 927,15 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit der Behauptung, daß die beklagte GmbH am 19. März 1984 einen PKW der Marke Suzuki, dessen Listenpreis damals 79.900 S betragen habe, um 75.000 S verkauft und damit gegen das Rabattgesetz verstoßen habe, begehrt der klagende Verband (ua) die Verurteilung der Beklagten, es im Einzelverkauf von Kraftfahrzeugen an den Letztverbraucher ab sofort zu unterlassen, einen gesetzwidrigen Rabatt, insbesondere einen 3 % übersteigenden Barzahlungsnachlaß, auf die Preise zu gewähren, die sie für die von ihr vertriebenen Kraftfahrzeuge, so insbesondere den PKW Suzuki Alto SS 80 G, allgemein fordert, es sei denn, daß es sich um einen nach § 9 RabG zulässigen Sondernachlaß handelt.

Die Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens sowie die Ermächtigung, das abweisende Urteil auf Kosten des Klägers in den "Salzburger Nachrichten" und in der Fachzeitschrift "SW Salzburger Wirtschaft" zu veröffentlichen. Für den von Alexander I*** gekauften PKW sei zur Zeit der Bestellung ein Preis von 79.900 S weder angekündigt noch allgemein gefordert worden. Das Fahrzeug sollte vereinbarungsgemäß bis 15. Mai 1984 ausgeliefert werden; bis dahin wäre aber eine vom Importeur durchgeführte allgemeine Preisreduktion wirksam geworden, auf Grund deren der Wagen nur noch 77.300 S gekostet hätte. Der tatsächliche Kaufpreis von 75.000 S wäre dann aber innerhalb der Grenzen eines zulässigen Barzahlungsnachlasses gelegen.

Das Erstgericht erkannte im Sinne des Unterlassungsbegehrens und nahm folgenden Sachverhalt als erwiesen an:

Einige Tage vor dem 19. März 1984 suchte Alexander I*** das Geschäftslokal der Beklagten auf, um dort ein Fahrzeug unter 100.000 S zu kaufen. Als solches wurde ihm von einem Vertreter ein PKW Suzuki Alto um 79.900 S angeboten; zugleich wurde ihm ein Prospekt übergeben, in welchem der Preis gleichfalls mit 79.900 S angegeben war. Nachdem sich Alexander I*** einen PKW der genannten Type bei einem Käufer in Bischofshofen näher angesehen hatte, erschien er am 19. März 1984 abermals im Geschäftslokal der Beklagten, wo er mit der Geschäftsführerin Marianne K*** verhandelte. Auf seinen Hinweis, daß ihm ein Preis von 79.900 S zu hoch sei, erreichte er schließlich eine Preiszusage von 75.000 S. Alexander I*** wollte diesen Preis zunächst noch um weitere 1.000 S herunterhandeln; Marianne K*** erklärte aber, daß ein weiterer Nachlaß nicht mehr möglich sei und die Bestellung in diesem Fall nicht aufgenommen werden könne. Schließlich unterfertigte Alexander I*** noch am selben Tag (19. März 1984) eine schriftliche Bestellung über einen PKW Suzuki Alto SS 80 G, dreitürig, Farbe rot, Ausführung serienmäßig, zum "Hauspreis" von 75.000 S. Das Fahrzeug sollte bis 15. Mai 1984 ausgeliefert und bei Übernahme bezahlt werden; Alexander I*** behielt sich jedoch vor, die Bestellung erst durch einen Anruf bis 10 Uhr des folgendes Tages wirksam werden zu lassen (Beilage B). Tatsächlich erklärte er am nächsten Tag, den PKW nicht zu kaufen.

Die Firma S*** A*** als Importeur hatte am 12. März 1984 ihre Vertragshändler - zu welchen auch die Beklagte gehört - von einer für die Monate April/Mai bevorstehenden Aktion in Kenntnis gesetzt; sie hatte diese Aktion auch der Presse bekanntgegeben, worauf sie am 20. März 1984 in der Eurotax-Information veröffentlicht wurde. Diese den Händlern vorerst nur telefonisch mitgeteilte Information wurde am 3.April 1984 auch schriftlich bestätigt. Dabei wurde festgehalten, daß sich der Aktionszeitraum vom 1.April bis 30.Mai 1984 erstrecke; der Händler sollte während dieses Zeitraums beim Erreichen des für ihn individuell festgesetzten Verkaufszieles für jeden ausgelieferten PKW eine Prämie von 1.000 S oder - bei einem darüber hinausgehenden Absatz - 2.000 S erhalten (Beilage 2). Diese Prämie konnte vom Händler an den Käufer weitergegeben und damit eine Reduktion des Verkaufspreises erzielt werden. Für den PKW Suzuki Alto SS 80 G wurde auf diese Weise unter Anrechnung der Prämie von 2.000 S ein neuer Bruttoverkaufspreis von 77.300 S errechnet, woraus sich nach Abzug eines 3 %igen Rabattes ein Preis von 74.981 S oder (aufgerundet) 75.000 S ergab. Diese Aktion wurde von der Beklagten am 20.März 1984 durch einen Aushang an der Eingangstüre ihres Geschäftslokales bekanntgegeben, und zwar für die Zeit vom 20.März bis 31.Mai 1984 (Beilage 4).

Rechtlich ging das Erstgericht davon aus, daß der von der Beklagten allgemein bekanntgemachte und geforderte, auch dem Käufer Alexander I*** bei seiner Bestellung genannte Verkaufspreis des PKWs Suzuki Alto SS 80 G 79.900 S betragen habe; der dem Käufer von diesem Preis gewährte, 3 % erheblich übersteigende Nachlaß von 4.900 S verstoße gegen das Rabattgesetz.

Das Berufungsgericht wies die Klage ab und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden habe, 15.000 S, nicht aber 300.000 S übersteige und die Revision an den Obersten Gerichtshof nicht zulässig sei. Auf der Grundlage der als unbedenklich übernommenen Sachverhaltsfeststellungen des Ersturteils erweise sich die Rechtsrüge der Beklagten als begründet: Wenn im Geschäftslokal der Beklagten bei keinem PKW ein Preis angegeben war und auch keine Preislisten auflagen, habe sich dadurch die Möglichkeit individueller Preisverhandlungen ergeben, ohne daß damit unbedingt unter einen als solchen deklarierten Normalpreis heruntergegangen worden sein müßte. Werde beispielsweise jeweils im Einzelfall der Preis ausgehandelt und gar kein angekündigter oder allgemein verlangter Preis den Verhandlungen zugrunde gelegt, dann liege nicht ohne weiteres ein Verstoß gerade gegen das Rabattgesetz vor. Anders als das Ankündigen eines Rabattes gegenüber einem größeren Personenkreis, könne das Anbieten eines solchen Preisnachlasses an Einzelpersonen eine vorbeugende, auch das Gewähren untersagende Unterlassungsklage nur dann rechtfertigen, wenn dieses Gewähren auch tatsächlich rechtswidrig wäre und nicht, wie hier, in den Zeitraum einer allgemeinen, offiziell angekündigten Preissenkungsaktion fiele; auch das - regelmäßig zu erwartende - Weiterverbreiten der angebotenen individuellen Preisreduktion wäre im vorliegenden Fall erst nach dem 19. März 1984 und damit schon in der Geltungsdauer der generellen Aktion möglich gewesen. So gesehen, könne es der Beklagten auch nicht schaden, wenn man bereits die Offerte, mit welcher der Kaufinteressent gewissermaßen ein Recht zum Erwerb erlangt habe, als Rabattgewährung ansehen wollte: Hätte allerdings der vorgebliche Kaufinteressent niemals die Absicht gehabt, den PKW zu erwerben, dann würde auch ein Angebot ins Leere gehen, wenn man mit Bydlinski der Meinung wäre, daß die Annahme eines Rechtsgeschäftes im allgemeinen einen "physischen Abschlußwillen" voraussetze. Selbst aus einem rechtsverbindlichen Anbot am Vorabend einer zulässigen Verkaufsaktion mit allgemeiner Preissenkung könne aber nicht ohne weiteres die Gefahr einer Wiederholung eines rechtswidrigen Vorgehens abgeleitet werden. Wenn Marianne K*** gegenüber Alexander I*** erklärt habe, nicht unter 75.000 S gehen zu können, dann könne dies nicht ohne weiteres bedeuten, daß andere Kunden den ursprünglich geltenden Preis von 79.900 S zahlen müßten; in jedem Fall wäre aber die Erfüllung des allenfalls bedingt abgeschlossenen Rechtsgeschäftes in einen Zeitraum gefallen, in welchem ein Preis von 75.000 S bereits im Rahmen einer allgemeinen Preisreduktion verlangt und gewährt werden durfte. Bei dieser Sachlage könne von einer gesetzwidrigen Rabattgewährung keine Rede sein.

Das Urteil des Berufungsgerichtes wird vom Kläger mit außerordentlicher Revision aus den Gründen des § 503 Abs 1 Z 2 bis 4 ZPO bekämpft. Der Kläger beantragt, die angefochtene Entscheidung im Sinne der Wiederherstellung des Ersturteils abzuändern; hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag.

Die Beklagte, welcher vom Obersten Gerichtshof gemäß § 508 a Abs 2 ZPO die Beantwortung der Revision freigestellt wurde, beantragt, dem Rechtsmittel des Klägers nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig: Gerade auf dem Gebiet des Wettbewerbsrechtes kann eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO auch dann vorliegen, wenn zu einem unbestimmten Rechtsbegriff zwar schon allgemeine, von der Rechtsprechung entwickelte Leitsätze bestehen, die konkrete Lösung des zu entscheidenden Falles sich aber daraus noch nicht ohne weiteres ergibt, sondern wegen Fehlens von Vorentscheidungen mit weitgehend gleichartigen Sachverhalten ein sorgfältiger Vergleich mit den bisher entschiedenen, nur ähnlichen Fällen vorgenommen werden muß (ÖBl 1984, 48; ÖBl 1985, 51 uva). Da zu den hier zu beurteilenden Fragen des Rabattrechtes noch keine unmittelbar einschlägige Judikatur des Obersten Gerichtshofs vorliegt und die Entscheidung über den konkreten Fall hinaus von erheblicher Bedeutung für die Rechtseinheit, Rechtssicherheit und Rechtsentwicklung ist, erweist sich das vorliegende Rechtsmittel entgegen der Meinung des Berufungsgerichtes als zulässig. Es ist aber auch begründet.

Daß den Verkaufsverhandlungen zwischen Alexander I*** und der Geschäftsführerin Marianne K*** sehr wohl ein "als solcher deklarierter Normalpreis" des PKWs Suzuki Alto SS 80 G zugrunde gelegen war, kann nach den Feststellungen der Vorinstanzen nicht ernstlich bezweifelt werden: Als Alexander I*** das Lokal der Beklagten erstmals aufsuchte, wurde ihm ein solcher PKW um 79.900 S angeboten und zugleich ein Prospekt übergeben, in welchem der Preis des Fahrzeuges gleichfalls mit 79.900 S angegeben war; er konnte daher mit Grund davon ausgehen, daß es sich bei diesem Betrag um den von der Beklagten für den genannten PKW "angekündigten oder allgemein geforderten" Preis (§ 1 Abs 2 RabG) handelte. Wenn es ihm in der Folge am 19.März 1984 gelang, eine Reduktion dieses Preises auf einen "Hauspreis" von 75.000 S zu erreichen, dann war dieses Verhalten der Geschäftsführerin der Beklagten jedenfalls geeignet, bei Alexander I*** den Eindruck eines individuellen, aus rein persönlichen Gründen gewährten Nachlasses von jenem "Normalpreis" zu erwecken, den er für den gewünschten PKW eigentlich zu zahlen gehabt hätte. Daß die Beklagte schon am nächsten Tag eine allgemeine Preisreduktion für PKWs der Marke Suzuki bekanntgab, durch welche der Bruttoverkaufspreis des von Alexander I*** gekauften Fahrzeuges auf 77.300 S herabgesetzt wurde - was bei sofortiger Barzahlung einen tatsächlichen Verkaufspreis von 75.000 S zugelassen hätte -, kann daran nichts ändern, weil die Beklagte den Käufer auf diesen Umstand mit keinem Wort hingewiesen hatte. Zu einer solchen Aufklärung wäre sie schon mit Rücksicht auf den erklärten Zweck des Rabattgesetzes verpflichtet gewesen, welches den Unternehmer dazu zwingen will, generelle Preissenkungen auch tatsächlich als solche deutlich zu kennzeichnen und sie nicht in den Mantel individueller Preisnachlässe zu hüllen, damit den Anschein eines besonders günstigen Angebotes zu erwecken und auf diese Weise den Kaufentschluß des Kunden unsachlich zu beeinflussen (ÖBl 1978, 134; ÖBl 1979, 27; ÖBl 1979, 119; ÖBl 1980, 141; ÖBl 1982, 162; ÖBl 1984, 157 uva).

Für den Rechtsstandpunkt der Beklagten ist entgegen der Meinung des angefochtenen Urteils auch daraus nichts zu gewinnen, daß sich Alexander I*** bei der Unterfertigung seiner schriftlichen Bestellung am 19.März 1984 ausdrücklich das Recht vorbehalten hatte, diese Bestellung erst durch einen Anruf am Vormittag des nächsten Tages wirksam werden zu lassen. Wie der Oberste Gerichtshof schon in ÖBl 1979, 162 dargelegt hat, ist immer dann, wenn - wie hier - das Anbot des Händlers und seine Annahme durch den Letztverbraucher zeitlich auseinanderfallen, der Preisnachlaß schon dann als "gewährt" anzusehen, wenn der Letztverbraucher - in welcher Rechtsform immer - einen Rechtsanspruch auf die Lieferung der Ware zu dem ermäßigten Preis erworben hat. Da dies nach dem festgestellten Sachverhalt hier schon am 19.März 1984 der Fall war, ist der beanstandete Preisnachlaß auch bereits an diesem Tag "gewährt" worden. Daß die Lieferung des gekauften PKWs, dessen Bezahlung und damit die Erfüllung des Rechtsgeschäftes erst zu einem Zeitpunkt erfolgen sollten, in welchem nach Durchführung einer allgemeinen Preisreduktion ein Barkaufpreis von 75.000 S nicht mehr gegen das Rabattgesetz verstoßen hätte, ist dann aber rechtlich bedeutungslos, weil es für die Beurteilung der rabattrechtlichen Zulässigkeit eines Rechtsgeschäftes nur auf den Zeitpunkt seines Abschlusses oder, wie hier, auf den Erwerb eines Anspruches auf Lieferung der Sache durch den Käufer ankommen kann. Schon aus diesem Grund war der begründeten Revision des Klägers Folge zu geben und die angefochtene Entscheidung im Sinne der Wiederherstellung des Ersturteils abzuändern.

Die Verpflichtung der Beklagten zum Ersatz der Kosten des Rechtsmittelverfahrens beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

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