OGH 1Ob536/87

OGH1Ob536/8727.4.1987

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Hofmann, Dr. Schlosser und Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei DDr. August H***, Rechtsanwalt i.R., Innsbruck, Herzog Friedrich-Straße 22, vertreten durch Dr. Dietrich Roschmann-Hörburg, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Eva K***, Angestellte, Neu-Rum, Innstraße 50, vertreten durch Dr. Hubert Tramposch, Dr. Paul Bauer, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen S 350.000,-- samt Anhang, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 30. Oktober 1986, GZ 5 R 273, 274/86-47, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 30. April 1986, GZ 8 Cg 189/85-38, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 12.861,45 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 3.606,50 Umsatzsteuer und S 960,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Darlehensvertrag vom 10. März 1978 gewährte der Kläger dem Gatten der Beklagten Manfred K*** ein Darlehen von S 350.000,--. Nach Punkt IV des Vertrages ist das Darlehen am Index der Verbraucherpreise wertgesichert. Die Punkte II und VI des Vertrages haben folgenden Wortlaut: "II. Der Herr Darlehensnehmer verpflichtet sich, Herrn DDr. August H*** .... das zu Punkt I dieses Darlehensvertrages genannte Darlehen ab heute dem 10. März 1978 mit 10 % (zehn Prozent) jährlich zu verzinsen und die Zinsenbeträge halbjährig im vorhinein porto- und abzugsfrei an die Darlehensgeber zu bezahlen sowie diesen im Verzugsfall über die vertragsmäßigen Zinsen hinaus noch 12 % (zwölf Prozent) Verzugszinsen sowie für allfällige rückständige Zinsenbeträge 12 % (zwölf Prozent) Zinseszinsen zu leisten. VI. Zur Sicherung des vorgenannten Darlehens und der in diesem Darlehensvertrag vom Herrn Darlehensnehmer übernommenen Zinszahlungs- und sonstigen Verpflichtungen verpfändet hiemit die Ehegattin des Herrn Darlehensnehmers Frau Eva K*** geb. H*** ihren Liegenschaftsbesitz in EZ 659 II KG Hötting und bestellt hiemit des weiteren für alle Nebengebühren, soweit diese nicht ohnedies gleichen Rang mit der Hauptsache genießen, somit für allfällige weiter als drei Jahre rückständige Zinsen und Verzugszinsen insbesondere für allfällig später auflaufende Prozeß- und Exekutionskosten, zu deren Ersatz gegebenenfalls der Herr Darlehensnehmer gegenüber dem Darlehensgeber verpflichtet ist, eine Kaution, und zwar zugunsten des Herrn DDr. August H*** bis zum Höchstbetrag von S 105.000,-- (in Worten: Schilling einhundertfünftausend) .... Es wird zwischen den Vertragsteilen einverständlich festgestellt, daß Frau Eva K*** geb. H*** lediglich Sachhaftung wie im Punkt VII dieses Vertrages mit ihrem vorgenannten Liegenschaftsbesitz für die von ihrem Ehegatten in diesem Darlehensvertrag übernommenen Verpflichtungen und keine wie immer geartete persönliche Haftung hiefür übernimmt, auch nicht für die Zahlung der vereinbarten Aufwertungsbeträge. Dies deshalb, weil die im Punkt II genannte Aufwertungsvereinbarung nur obligatorische Wirkung besitzt." Der Beklagten waren die Bestimmungen des Darlehensvertrages bekannt. Sie rechnete nicht damit, daß der Verzugsfall eintreten könnte. Zweck des Darlehens war es dem Gatten der Beklagten eine Überbrückung seiner finanziellen Situation, bis zum Abschluß der geplanten Umschuldung zu ermöglichen. Diese Umschuldung kam aber nicht zustande. Mit Schreiben vom 2. Jänner 1984 wurde das Darlehen, falls die rückständigen Zinsen und Wertsicherungsbeträge nicht bis zum 13. Februar 1984 bezahlt würden, aufgekündigt. Eine Zahlung erfolgte nicht.

Mit Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 18. September 1984, ON 14, bestätigt mit Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck vom 9. Jänner 1985, 5 R 300, 301/84-20, wurde Manfred K***, über dessen Vermögen in der Folge am 7. Februar 1985 zu S 11/85 des Erstgerichtes der Konkurs eröffnet wurde, aufgrund des Darlehensvertrages vom 10. März 1978 schuldig erkannt, dem Kläger den Betrag von S 350.000,-- samt Anhang bei sonstiger Exekution zu bezahlen. Manfred K*** hatte im Verfahren die Höhe der Darlehensbeträge anerkannt, die Verzinsung, die Berechnung der Wertsicherung und die Fälligkeit des Darlehens aber bestritten. Eine Anfechtung des Darlehensvertrages wegen Wuchers erfolgte durch ihn nicht.

Der Kläger begehrt von der Beklagten nach mehreren Klagsänderungen zuletzt (S. 152, 187 d.A.) die Zahlung des Betrages von S 350.000,-- samt Anhang sowie die Bezahlung des Betrages von S 36.595,56 an Prozeßkosten im Rahmen und im Rang des dem Kläger hiefür eingeräumten Pfandrechtes in COZ 15 und 25 der 93/1185-Anteile an der Liegenschaft EZ 659 II KG Hötting bei sonstiger Exekution in diese Liegenschaftsanteile.

Die Beklagte, gegen die das Verfahren von der ersten Tagsatzung vom 31. Jänner 1984 bis zum 30. April 1985 ruhte und die daher am Verfahren gegen Manfred K*** nicht beteiligt war, wendete, soweit dies für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung ist, ein, sie fechte den Darlehensvertrag vom 10. März 1978 wegen Wuchers an. Es sei mit den Verzugszinsen ein Zinssatz von 22 % vereinbart worden. Manfred K*** habe sich damals in einer wirtschaftlichen Zwangslage befunden. Man habe eine Umschuldung in Aussicht gestellt, die aber dann nicht durchgeführt worden sei. Unter dem Druck, daß es zu einem Konkurs über das Vermögen ihres Gatten käme, habe die Beklagte diesen Darlehensvertrag unterzeichnet und die Sachhaftung übernommen. Die Zinshöhe sei wucherisch. Die Beklagte schulde daher dem Kläger nichts, eine Sachhaftung bestehe nicht.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit der Einschränkung statt, daß die Zinspflichten für den Zeitraum vom 1. März 1980 bis zum 16. Jänner 1984 den Betrag von S 350.000,-- nicht übersteigen dürfte. Aus der Akzessorietät des Pfandvertrages ergebe sich zwar, daß die Beklagte die Einwendung wegen Wuchers erheben könne, Wucher liege aber nicht vor. Wenngleich sich Manfred K*** in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befunden habe, sei eine Zwangslage nicht ausgenützt worden. Unerfahrenheit oder Verstandesschwäche seien nicht behauptet worden.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge. Auffallend sei ein Mißverhältnis der Leistungswerte, wenn die Gegenleistung den Wert der Leistung bedeutend übersteige, ohne daß die Übermäßigkeit durch besondere Umstände des Falles sachlich gerechtfertigt sei. Da es eine gesetzliche Beschränkung des vertraglich vereinbarten Zinsfußes nicht gebe, könne aus der Höhe des vereinbarten Zinsfußes allein eine Ungültigkeit des Vertrages bzw. der Zinsenvereinbarung nicht abgeleitet werden. Auch die Zwangslage des Manfred K***, entweder das Darlehen zu den dafür gebotenen Bedingungen aufzunehmen oder in Konkurs zu gehen, bzw. die Motive der Beklagten, die sie zum Abschluß der Vereinbarung veranlaßt hätten, genügten zur Herstellung des Wuchertatbestandes für sich allein nicht. Vielmehr wäre hiefür neben einem auffallenden Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung auch noch das Tatbestandsmerkmal der Ausbeutung notwendig. Gehe man davon aus, daß das vom Kläger gewährte Darlehen nur der Überbrückung wirtschaftlicher Schwierigkeiten bei der beabsichtigten und von Manfred K*** für gesichert erachteten Umschuldung dienen sollte und alle Beteiligten zunächst annahmen, daß die mit zwei Jahren vereinbarte Laufzeit des Darlehens nicht überschritten werden würde, und Manfred K*** mit seinen Verpflichtungen aus dem Darlehensvertrag nicht in Verzug geraten werde, könne darin, daß zusätzlich zu den vertraglichen Zinsen Verzugszinsen und Zinseszinsen von 12 % bedungen worden seien, ein als wucherisch zu bezeichnendes auffallendes Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung nicht erkannt werden; auch von einer Ausbeutung des Manfred K*** bzw. der Beklagten durch den Kläger könne, nicht die Rede sein.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Beklagten ist nicht berechtigt.

Ihr Antrag auf Abänderung in gänzliche Klagsabweisung ist schon deshalb verfehlt, weil selbst bei erfolgreicher Anfechtung des Darlehensvertrages wegen Wuchers gemäß § 7 Abs 1 WuchG Sicherstellungen, die für die Hauptleistungsansprüche gewährt wurden, auch für die Kondiktionsansprüche haften (Krejci in Rummel, ABGB, Rz 259 zu § 879 ABGB), und nach § 7 Abs 2 WuchG bei der Rückabwicklung wucherischer Kreditgeschäfte nicht nur die gesetzlichen Zinsen, sondern, sofern im Vertrag nichts Günstigeres bestimmt ist, auch Zinsen in der Höhe des Zweifachen des im Zeitpunkt der Schließung des Vertrages von der Österreichischen Nationalbank festgesetzten Eskomptzinsfußes zu vergüten sind. Der Beklagten ist es aber überhaupt verwehrt, anstelle des Darlehensschuldners den Darlehensvertrag wegen Wuchers anzufechten oder auch nur die von ihr zu erbringenden eigenen Leistungen zurückzuhalten. Wucherische Geschäfte sind relativ nichtig. Wird das Geschäft nicht angefochten, ist es als gültig zu betrachten (§ 8 WuchG; SZ 58/150; SZ 10/148; Krejci aaO Rz 252;

Koziol-Welser 7 I 134 f; Ehrenzweig 2 II/1 173). Das Anfechtungsrecht liegt allein beim Bewucherten (SZ 58/150;

Krejci aaO). Nur dem Bewucherten steht also das Gestaltungsrecht zu, durch Klage oder Einwendung die Nichtigkeit des wucherischen Geschäftes geltend zu machen. Mit dem Vertrag vom 10. März 1978 gab die Beklagte im Sinne des § 1368 ABGB ein obligatorisches Pfandversprechen (Petrasch in Rummel, ABGB, Rz 1, 5 zu § 1368); das dingliche Pfandrecht entstand dann durch die Einverleibung. Pfandrechte sind akzessorisch. Sie setzen das Entstehen und regelmäßig das Fortbestehen einer Forderung aus einem gültigen Rechtsgrund voraus (SZ 48/75; Petrasch aaO Rz 1 zu § 449; Klang 2 II 411 f). Ein Dritter wie zB ein nachfolgender Pfandgläubiger kann sich daher ungeachtet des Vorliegens eines rechtskräftigen Versäumungsurteiles im Verteilungsverfahren darauf berufen, die ihm im Rang vorhergehende Forderung beruhe auf einem absoluten Scheingeschäft (SZ 53/43). Wucher macht aber das Geschäft nur relativ nichtig. Es bedarf daher der Geltendmachung des Wuchers. Wird das Vorliegen von Wucher nicht außergerichtlich anerkannt, erfolgt die Aufhebung des Vertrages durch gerichtliche Rechtsgestaltung. Gerichtlich geltend zu machende Gestaltungsrechte stehen aber grundsätzlich nur dem Vertragspartner zu. Eine selbständige Abtretung solcher Gestaltungsrechte ist nicht möglich (Rummel, ABGB, Rz 10 zu § 859; vgl. Klang 2 VI 216), sie wurde auch von der Beklagten nicht behauptet. Der Darlehensschuldner, dessen Zwangslage vom Kläger ausgebeutet sein soll, machte in dem gegen ihn laufenden Verfahren Wucher nicht geltend. Er wurde auch rechtskräftig zur Rückzahlung des Darlehens samt Zinsen verurteilt. Er selbst kann mit einem ordentlichen Rechtsmittel die Einwendung des Wuchers in einem zivilgerichtlichen Verfahren nicht mehr erheben. Aus dem Wesen der bloß relativen Nichtigkeit eines wucherischen Darlehensgeschäftes und der nur dem Bewucherten persönlich zustehenden Rechtsgestaltungsmöglichkeit folgt aber, daß, kann der persönliche Schuldner die Einwendung des Wuchers nicht mehr zivilgerichtlich geltend machen, die Anfechtung des Darlehensvertrages wegen Wuchers dem Pfandschuldner nicht gestattet ist (SZ 10/148; vgl. Eichmann in Münchener Kommentar 2 Rz 19 zu § 1137 BGB; Westermann, Sachenrecht 5 506). Eine Behauptung, der Verpfändungsvertrag wäre wegen Wuchers nichtig, auf ihrer Seite sei die Zwangslage vorgelegen, stellte die Beklagte nicht auf. Der Revision ist der Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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