OGH 1Ob546/87

OGH1Ob546/8727.4.1987

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Hofmann, Dr. Schlosser und Dr. Kodek als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj. Manuela S***, geboren

7. Februar 1973, infolge Revisionsrekurses des Vaters Walter S***, Offsethelfer, Wien 14., Kienmayergasse 68/1/13, vertreten durch Dr. Karl Bernhauser, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 30. Dezember 1986, GZ 47 R 934/86-71, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Hietzing vom 14. November 1986, GZ 3 P 111/86-67 abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben. Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben und dem Rekursgericht die neuerliche Entscheidung aufgetragen.

Text

Begründung

Die Ehe der Eltern wurde mit Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 15. März 1973, 20 Cg 78/73-8, rechtskräftig aus dem Verschulden des Vaters geschieden. Mit Vergleich vom selben Tag vereinbarten die Eltern, daß die mj. Manuela, in Pflege und Erziehung der Mutter verbleibt. Mit Beschluß des Bezirksgerichtes Floridsdorf vom 1. August 1985, 3 P 220/73-46, wurde das Sorgerecht für die mj. Manuela dem Vater übertragen. Am 27. September 1985 beantragte er, die Mutter zu einer Unterhaltsleistung von S 1.200 monatlich zu verhalten. Die Mutter sei als Lagerarbeiterin beschäftigt und beziehe ein monatliches Nettoeinkommen von zumindest S 8.000. Im Hinblick auf das Alter und den Bedarf des Kindes sowie der Leistungsfähigkeit der Mutter werde ein monatlicher Unterhalt in der Höhe von S 1.200 begehrt. Das Bezirksgericht Floridsdorf forderte die Mutter gemäß § 185 Abs. 3 AußStrG zur Äußerung auf. Es belehrte sie, daß im Falle der Nichtäußerung angenommen werde, daß sie dem Antrag keine Einwendungen entgegensetze. Nachdem sich die Mutter innerhalb der ihr gesetzten Frist nicht geäußert hatte, holte das Bezirksgericht Floridsdorf von Amts wegen eine Lohnauskunft ein. Nach Einlangen dieser Lohnauskunft, aus der sich ergab, daß die Mutter monatlich durchschnittlich S 10.400 netto verdient, setzte das Bezirksgericht Floridsdorf, ohne daß dem Vater Gelegenheit zu einer Äußerung gegeben worden wäre, mit Beschluß vom 9. Dezember 1985, ON 51, den Unterhalt antragsgemäß fest. Am 14. Jänner 1986 beantragte der Vater, den von der Mutter zu leistenden Unterhalt auf monatlich S 2.100 zu erhöhen. Wie sich im Zuge des vorangegangenen Verfahrens herausgestellt habe, verdiene die Mutter im Monat durchschnittlich S 10.400 netto.

Die Mutter sprach sich gegen eine Unterhaltserhöhung aus. Das Erstgericht erhöhte den Unterhalt antragsgemäß. Es stellte fest, daß das monatliche Einkommen der Mutter S 10.500,32 netto betrage. Außerdem erhalte sie von ihrem geschiedenen Mann monatliche Unterhaltszahlungen von S 1.300.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Mutter Folge. Es änderte den Beschluß des Erstgerichtes dahin ab, daß es den Erhöhungsantrag abwies. Von einer rechtskräftigen Unterhaltsfestsetzung könne nur bei einer wesentlichen Änderung der für die Unterhaltsbemessung maßgeblichen Verhältnisse abgegangen werden. Die für die Unterhaltsbemessung maßgeblichen und veränderlichen Umstände seien die Unterhaltsbedürfnisse des Kindes und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen. Beide Bemessungskomponenten könnten an sich eine Neubemessung des Unterhaltes rechtfertigen. Bei der Beurteilung, ob ein Änderungsantrag gerechtfertigt sei, seien die Verhältnisse zum Zeitpunkt der letzten Unterhaltsfestsetzung mit denen der neuen Beschlußfassung einander gegenüberzustellen. Gegenüber der letzten Unterhaltsfestsetzung habe sich das Einkommen der unterhaltspflichtigen Mutter nur um rund S 100 erhöht. Anhaltspunkte dafür, daß sich die Bedürfnisse der Minderjährigen seither wesentlich geändert hätten, lägen nicht vor. Da somit in beiden Bemessungskomponenten keine wesentliche Änderung eingetreten sei, lägen die Voraussetzungen für eine Unterhaltserhöhung nicht vor. Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs des Vaters.

Rechtliche Beurteilung

Wird eine Unterhaltsneubemessung beantragt, liegt eine Bemessungsfrage vor, wenn zu beurteilen ist, ob seit der letzten Unterhaltsfestsetzung eine wesentliche, die Unterhaltsneubemessung rechtfertigende Änderung der Verhältnisse eingetreten ist (EFSlg. 44.598, 39.745, 34.464 ua); keine Bemessungsfrage stellt es aber dar, wenn die Frage zu klären ist, ob und welche Bindungswirkung einer Vorentscheidung zukommt (EFSlg. 49.910, 44.623; JBl. 1978, 539; EvBl. 1958/323). Der Revisionsrekurs ist daher zulässig; er ist auch berechtigt.

Aus § 18 AußStrG folgt, daß auch Entscheidungen im außerstreitigen Verfahren der materiellen und formellen Rechtskraft fähig sind (EFSlg. 47.280; ÖAV 1984, 44;

EFSlg. 39.800; SZ 44/82 uva; Ott, Rechtsfürsorgeverfahren 260 f). Voraussetzung für eine materielle Rechtskraftwirkung ist aber Identität der Ansprüche. An dieser Identität mangelt es bei einem Begehren auf zukünftige Unterhaltsleistungen, wenn für einen späteren Zeitraum mit der Behauptung, die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners sei höher als ursprünglich angenommen, ein höherer Betrag begehrt wird (SZ 48/113; Fasching, Zivilprozeßrecht Rz 1516). Die Rechtskraftwirkung ist auf den geltend gemachten Anspruch beschränkt; dies kann zur Folge haben, daß vorerst nur ein Teilanspruch als geltend gemacht anzusehen ist. Ein darüber hinausgehendes Begehren kann dann über den Teilanspruch hinaus, selbständig geltend gemacht werden (SZ 22/190; Fasching aaO; Wit. Probleme der Teileinklagung und Rechtskraft, JBl. 1981, 406 ff, insbesondere 409 ff, 413 f, 416 f; vgl. SZ 49/114). Das muß besonders in einem Fall wie dem vorliegenden gelten, in dem der Vater mangels mündlicher Einvernahme und Bekanntgabe der von Amts wegen eingeholten Beweisergebnisse über das Einkommen der Mutter nicht in der Lage war, unter Behauptung des höheren als des von ihm angenommenen und angegebenen Einkommens der Mutter sein Begehren auszudehnen. Neues Vorbringen in einem neuen Antrag über bisher nicht vorgebrachte rechtserzeugende Sachverhalte ist nicht ausgeschlossen (Fasching aaO RZ 1535).

Ist aber das Erhöhungsbegehren nicht von der Rechtskraft der vorangegangenen Unterhaltsfestsetzung umfaßt, ist dem Rekursgericht die neue Entscheidung unter Berücksichtigung des gegen die Unterhaltshöhe erstatteten Rekursvorbringes der Mutter aufzutragen.

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