OGH 7Ob548/87

OGH7Ob548/8716.4.1987

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta, Dr. Egermann und Dr. Maier als Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Hofrat Dipl. Ing. Hans T***, Pensionist, Klagenfurt, Römerweg 20, und 2.) Ingrid T***, Pensionistin, Klagenfurt, Römerweg 20, beide vertreten durch Dr. Wilhelm Watzke, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagte Partei Manfred G***, Angestellter, Klagenfurt, Römerweg 16, vertreten durch Dr. Kurt Dellisch, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen Unterlassung (Streitwert S 20.000,--), infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Berufungsgerichtes vom 12. Dezember 1986, GZ 1 R 540/86-11, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Klagenfurt vom 5. August 1986, GZ 4 C 127/86-5, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird. Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien die mit S 4.979,39 bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin S 452,67 an Umsatzsteuer) und die mit S 4.491,12 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 1.500,-- an Barauslagen und S 271,92 an Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Kläger sind je zur Hälfte grundbücherliche Eigentümer der Liegenschaft EZ 272 KG Großponfeld, die aus den Grundstücken 568/2 und 568/5 Weg besteht, und der Liegenschaft EZ 273 KG Großponfeld, die aus dem Grundstück 568/3 besteht. Das Weggrundstück 568/5 stellt - auch - die Zufahrt vom Römerweg zu den Grundstücken 568/2 und 568/3 dar.

Der Beklagte ist Eigentümer des Grundstücks 568/4 der EZ 262 KG Großponfeld. Zugunsten dieses Grundstücks besteht die Dienstbarkeit des Geh- und Fahrrechtes über das Weggrundstück 568/5. Die Kläger stellen das Begehren, der Beklagte sei schuldig, das Abstellen von PKW auf dem Weggrundstück 568/5 KG Großponfeld, ausgenommen ein kurzfristiges Anhalten zum Öffnen des Gartentores und Zufahrt zu seiner Liegenschaft oder zum Schließen des Gartentores nach Ausfahrt aus seiner Liegenschaft, zu unterlassen. Das dem Beklagten eingeräumte Geh- und Fahrrecht berechtige ihn, seine Angehörigen und seine Besucher lediglich, zu seiner Liegenschaft zu- und abzufahren. Ein Abstellen von PKW auf dem Weg im Rahmen des Geh- und Fahrrechtes sei unzulässig. Für ein Zuwiderhandeln hafte der Beklagte als Dienstbarkeitsberechtigter, zumal er seine Besucher offensichtlich dazu veranlasse. Durch das Parken am Dienstbarkeitsweg werde die Zufahrt der Kläger zur eigenen Liegenschaft behindert. Für den Beklagten bestehe hiefür keine Notwendigkeit, da sein PKW und die PKW von Besuchern auf der Liegenschaft des Beklagten abgestellt werden könnten. Der Beklagte beantragt die Abweisung der Klage. Die Dienstbarkeit des Geh- und Fahrrechtes sei dem Beklagten von der Voreigentümerin der Gesamtliegenschaft (Grundstück 568) im Kaufvertrag vom 15. September 1964 ohne jegliche Detailierung, also insbesondere ohne Ausschluß des Abstellrechtes, eingeräumt worden. Für das Ausmaß der Dienstbarkeit sei in erster Linie die tatsächlich unbeanstandete Ausübung des Rechtes heranzuziehen. Der Beklagte habe bis zum Jahre 1984, als die Kläger das Grundstück 568/5 erworben hätten, auf diesem Grundstück unbeanstandet seinen PKW abgestellt und die PKW seiner Besucher parken lassen. Den Klägern sei dies beim Erwerb des Grundstückes bekannt gewesen, es habe ihnen durch das Zufahren zu ihrem Grundstück zumindest bekannt sein müssen. Durch das Abstellen von PKW würden Interessen der Kläger nicht verletzt, da die Zufahrt zu ihrer Liegenschaft dadurch weder verhindert noch wesentlich behindert werde.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt und traf folgende Feststellungen:

Mit Teilungsplan vom 1. Juli 1964 wurde das im Eigentum der Marion H*** stehende Grundstück 568 Acker der KG Großponfeld im Ausmaß von 4.735 m 2 in die Grundstücke 568/1 im Ausmaß von 851 m 2 , 568/2 im Ausmaß von 1.389 m 2 , 568/3 im Ausmaß von

1.154 m 2 , 568/4 im Ausmaß von 847 m 2 , 568/5 im Ausmaß von 178 m 2 und in ein Trennstück von 316 m 2 geteilt. Mit Kaufvertrag vom 15. September 1964 erwarb der Beklagte von Marion H*** das Grundstück 568/4. Punkt 5 des Kaufvertrages lautet:

"Die Verkäuferin räumt dem Käufer mit Wirksamkeit für die beiderseitigen Rechtsnachfolger im Grundeigentum die Dienstbarkeit des Geh- und Fahrweges über das gesamte, nach dem Teilungsplan ... vom 1. Juli 1964 ... mit 568/5 Acker KG Großponfeld bezeichnete Grundstück im Ausmaß von 178 m 2 ein.

Diese Dienstbarkeit des Geh- und Fahrweges steht dem Käufer jedoch nicht allein, sondern nur zugleich mit den Eigentümern der Grundstücke 568/1, 568/2 und 568/3 je Acker KG Großponfeld zu. Für den Fall, daß das Grundstück 568/5 Acker KG Großponfeld als Gemeindeweg in das öffentliche Gut übergeht, verzichtet vom Zeitpunkt des Überganges an den Käufer auf diese Dienstbarkeit."

Die Kläger kauften im Jahre 1966 von Marion H*** das Grundstück 568/2 und in weiterer Folge im Jahre 1980 auch noch das Grundstück 568/3 je der KG Großponfeld. Auch in diesen Kaufverträgen wurde den Käufern die Dienstbarkeit des Geh- und Fahrweges über das Grundstück 568/5 eingeräumt. Zweck der Einräumung der Dienstbarkeit des Geh- und Fahrweges war die Schaffung einer Zufahrtsmöglichkeit für die aus dem Grundstück 568 KG Großponfeld neu gebildeten Grundstücke 568/1, 568/2, 568/3 und 568/4.

Die Gemeinde Wölfnitz machte ihre Zustimmung zur Teilung des Grundstückes 568 KG Großponfeld vom Vorhandensein eines Zufahrtsweges für die neu gebildeten Grundstücke abhängig. Aus diesem Grunde räumte Marion H*** den jeweiligen Eigentümern der neu gebildeten Grundstücke die Dienstbarkeit des Geh- und Fahrweges über das in ihrem Eigentum verbliebene Grundstück 568/5 KG Großponfeld ein.

Der Zufahrtsweg wurde im Jahre 1974 vom Magistrat Klagenfurt gegen Kostenersatz asphaltiert und weist eine Breite von 5 m auf. Der Beklagte stellte sein Fahrzeug seit dem Erwerb des Grundstückes 568/4 im Jahre 1964 entweder auf dem Zufahrtsweg vor seinem Grundstück oder auf seinem Grundstück vor der Garage ab. Seine Gäste parkten ihre Fahrzeuge fast durchwegs auf dem Grundstück 568/5.

Die Kläger machten den Beklagten gelegentlich darauf aufmerksam, das Parken auf dem Zufahrtsweg zu unterlassen. Gerichtliche Hilfe nahmen sie nicht in Anspruch, weil sie nicht Eigentümer des Grundstückes 568/5 waren.

Mit Kaufvertrag vom 11. April 1984 kauften die Kläger von Marion K*** (früher H***) das Grundstück 568/5. Sie übernahmen die zugunsten der Grundstücke 568/1 und 568/4 bestehenden Dienstbarkeiten des Geh- und Fahrweges.

Der Beklagte stellte auch nach dem Erwerb des Grundstückes 568/5 durch die Kläger sein Fahrzeug auf dem Zufahrtsweg ab. Trotz ausdrücklichen Widerspruchs durch die Kläger wies der Beklagte auch seine Gäste an, ihre Fahrzeuge auf dem nunmehr den Klägern gehörigen Grundstück abzustellen; so z.B. am 19.4.1986, im Zeitraum vom 20. bis 23. Juni 1986, am 24. Mai 1986, und am 11. Juni 1986. In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Erstgericht aus, die Eigentumsfreiheitsklage nach § 523 ABGB richte sich gegen den Störer oder denjenigen, der die Störung zu verantworten habe, der also den Auftrag hiezu erteilt habe und von dem unmittelbar Abhilfe erwartet werden könne. In dem Vertrag vom 15. September 1964 sei dem Beklagten die Dienstbarkeit des Geh- und Fahrweges ohne nähere Bestimmung des Umfanges und des Inhalts dieses Rechts eingeräumt worden. Diese Dienstbarkeit berechtige den jeweiligen Eigentümer des herrschenden Grundstückes, über das dienende Grundstück zu seiner Liegenschaft zu fahren oder zu gehen. Daß damit auch das Recht verbunden wäre, Fahrzeuge auf dem dienenden Grundstück abzustellen, finde bei Auslegung des Begriffes Fahrweg in dessen Wortsinn keine Deckung. Es sei deshalb zu prüfen, ob zwischen den Parteien bei Abschluß des Vertrages die Absicht bestanden habe, dem Beklagten auch die Möglichkeit einzuräumen, Fahrzeuge auf dem Zufahrtsweg abzustellen. Zweck der Einräumung einer Geh- und Fahrwegservitut an die jeweiligen Eigentümer der durch die Teilung des ursprünglichen Grundstückes 568 neu entstandenen Grundstücke sei es allein gewesen, vom öffentlichen Weg eine Wegverbindung zu den neu geschaffenen Liegenschaften herzustellen. Die Ausdehnung der Servitut auf das Abstellen von Fahrzeugen müßte im Bestellungsvertrag unzweifelhaft zum Ausdruck kommen. Allein aus dem Umstand, daß die Eigentümerin des dienenden Grundstückes dem Beklagten das Abstellen von Fahrzeugen auf dem Zufahrtsweg nicht untersagt habe, könne noch nicht geschlossen werden, daß sie dem Beklagten auch dieses Recht habe einräumen wollen. Der Beklagte sei daher nicht berechtigt, seinen PKW auf dem Zufahrtsweg abzustellen und seinen Besuchenn das Abstellen ihrer Fahrzeuge zu gestatten.

Das Berufungsgericht wies die Klage ab. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 15.000,--, aber nicht S 300.000,-- übersteigt und daß die Revision nach § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zulässig sei. Ausgehend von den Feststellungen des Erstgerichtes vertrat es die Ansicht, das Ausmaß jeder Dienstbarkeit richte sich nach dem Inhalt des Titels, bei dessen Auslegung insbesondere Natur und Zweck der Dienstbarkeit zur Zeit ihrer Einräumung zu beachten seien. Nach den Umständen könne davon ausgegangen werden, daß bei Bestellung der Dienstbarkeit allen Beteiligten bewußt gewesen sei, daß auf dem Grundstück 568/5 eine 5 m breite Straße entstehe, die die vier auf den Grundstücken 568/1 bis 568/4 zu errichtende Wohnhäuser aufschließe, ihnen also als Zufahrtsstraße diene, und daß die Berechtigten, aber auch deren Besucher, denen keine Garage auf den herrschenden Grundstücken zur Verfügung stehe, ihre Fahrzeuge auf der Zufahrtsstraße vorübergehend abstellen werden. Das Abstellen von PKW bilde eine den Anforderungen einer Hauszufahrt entsprechende Maßnahme. Mit einer derartigen Mehrbelastung sei bereits bei Bestellung der Dienstbarkeit zu rechnen gewesen. Der Eigentümer des dienenden Grundstückes müsse dulden, daß der Dienstbarkeitsberechtigte auf der ihm und anderen Berechtigten zur Verfügung stehenden, ein Wohngebiet aufschließenden Straße PKW abstelle, soferne dadurch nicht die Interessen des verpflichteten Eigentümers ernstlich erschwert oder gefährdet werden. Von einer Erschwerung der Zufahrt für die Kläger durch einen abgestellten PKW könne mit Rücksicht auf die Breite der Zufahrtsstraße von 5 m keine Rede sein. Die Kläger müßten daher bei Abwägung der beiderseitigen Interessen das Abstellen von PKW auf dem Grundstück 568/5 dulden. Die Revision sei zuzulassen gewesen, da der behandelten Rechtsfrage erhebliche Bedeutung zukomme und eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes hiezu nicht vorliege.

Die Kläger bekämpfen das Urteil des Berufungsgerichtes mit Revision aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung und beantragen, es dahin abzuändern, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird. Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen, da die Zulassungsvoraussetzungen nicht vorlägen - zu prüfen sei nur ein Einzelfall - , andernfalls aber sie abzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, da die für die Entscheidung wesentlichen Fragen nicht nur den Einzelfall betreffen, der Oberste Gerichtshof mit einem Sachverhalt wie dem vorliegenden aber, soweit ersichtlich, bisher nicht befaßt war.

Die Revision ist auch berechtigt.

Die Kläger beharren auf ihrer Ansicht, dem Beklagten sei das Recht, ein Fahrzeug auf fremdem Gut abzustellen, nicht eingeräumt worden. Ein derartiges Recht sei in der Dienstbarkeit des Geh- und Fahrweges nicht enthalten. Darüber hinaus würde die Benützung der Zufahrt für die Kläger durch auf dem Zufahrtsweg parkende Fahrzeuge zumindest behindert. Ein "Halten" von PKW iS der StVO auf den Zufahrtsweg werde dem Beklagten von den Klägern nicht verwehrt. Nach § 484 ABGB kann zwar der Besitzer des herrschenden Gutes sein Recht auf die ihm gefällige Art ausüben; doch dürfen Servituten nicht erweitert, sie müssen vielmehr, insoweit es ihre Natur und der Zweck der Bestellung gestattet, eingeschränkt werden. Zwar berechtigt das Recht des Fahrweges als die umfassendste Wegservitut zur Ausübung des Fahrrechtes für alle wirtschaftlichen Zwecke des herrschenden Grundstückes (MietSlg 34.053, Klang in Klang 2 II 571). Es umfaßt jedoch lediglich das Recht, zu gehen oder zu fahren - wobei die Beschaffenheit des Fahrzeuges im allgemeinen gleichgültig ist - und andere Menschen zu sich kommen zu lassen (Petrasch in Rummel, ABGB, Rdz 1 zu § 492, Klang aaO), nicht aber auch, das benützte Fahrzeug abzustellen. Der Beklagte behauptet auch gar nicht, es sei ihm im Kaufvertrag vom 15. September 1964 das Recht eingeräumt worden, Kraftfahrzeuge auf dem Servitutsweg zu parken, sondern versucht, ein derartiges Recht aus dem Umstand abzuleiten, daß er und seine Besucher tatsächlich immer wieder auf dem der Zufahrt dienenden Grundstück geparkt hätten, ohne daß die Voreigentümerin des Grundstückes ihm dies untersagt hätte. In der bloßen Duldung durch längere Zeit kann aber noch nicht die schlüssige Einräumung eines entsprechenden Rechts erblickt werden (6 Ob 554/86). Für die Schlüssigkeit eines Verhaltens im Hinblick auf einen rechtsgeschäftlichen Willen legt § 863 ABGB einen strengen Maßstab an (Rummel in Rummel, ABGB, Rdz 14 zu § 863). Der Zweck der Bestellung der dem Beklagten eingeräumten Servitut war es, eine Zufahrtsmöglichkeit vom öffentlichen Wegenetz (Römerweg) zu den durch die Teilung des Grundstückes 568 neu gebildeten Grundstücken 568/1 bis 568/4 herzustellen. Daß es Zweck der Bestellung auch gewesen wäre, Parkmöglichkeiten zuschaffen, wurde nicht festgestellt und auch nicht geltend gemacht. Das Parken von PKW durch den Beklagten und seine Besucher stellt daher eine unzulässige Erweiterung der dem Beklagten zustehende Servitut dar. Mit Recht hat deshalb das Erstgericht der Klage stattgegeben, so daß seine Entscheidung wieder herzustellen war. Die Kostenentscheidung erfolgte nach den §§ 41, 50 ZPO.

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