Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung
Hermine G*** starb am 15.4.1986 unter Hinterlassung einer mit "Mein Testament" überschriebenen letztwilligen Anordnung vom 5.10.1982 folgenden Inhalts:
"Da ich annehme, daß meine Liegenschaft (Haus und Grundstück) nach meinem Ableben verkauft werden wird, wünsche ich, daß 90 % (neunzig) des Verkaufserlöses an meinen Bruder Max und Sohn Kurt gehen und 10 % (zehn) des Verkaufserlöses an meine Nichte Hermi M***. Die beweglichen Güter wie Einrichtung etc. stehen meinem Bruder Max zur Verfügung.
Meine Ersparnisse - Geld und Wertanleihen - gehen an meinen Bruder Ernst sowie diverse Geschenke, die ich von ihm jeweils erhalten habe. Das sind Kunstbücher "Florenz", "Baukunst der Gotik in Österreich", "Romanische Baukunst", "Paul Troger-Ausstellung", sowie ein Weinservice aus Glas blau-silber und ein Taler (von Vaters Uhrkette) samt Kette und ein Wecker aus meinem Schlafzimmer. Der wenige Schmuck soll aufgeteilt werden. Meine Kleider und Mäntel und eventuelle Unterwäsche möge sich Frau Annemarie B*** nach Wunsch nehmen, der Rest soll an die Caritas gehen.
Mein Begräbnis soll in aller Stille nur mit den Familienmitgliedern und den engsten Freunden sein. Todesnachrichten sollen erst nach dem Begräbnis und nur an die von mir ausgegebenen Adressen geschickt werden.
Das sind meine letzten Wünsche und ich zeichne in vollem Bewußtsein und geistiger Frische. Hermine G***".
Die Erblasserin hatte keine Nachkommen. Aus der Ehe ihrer Eltern, die vorverstorben sind, stammen noch die Geschwister der Erblasserin Max (Maximilian), Ernst, Ignaz und Johann G***. Ignaz G*** ist kinderlos vorverstorben; der ebenfalls vorverstorbene Johann hatte eine Tochter, Hermine M***. Die Mutter der Erblasserin hatte auch ein außereheliches Kind, den vorverstorbenen Johann F***; dieser hatte zwei Töchter, Gertrude F*** und Brunhilde T***.
Unter Hinweis darauf, daß sie und Brunhilde T*** gesetzliche Erben nach Hermine G*** seien, ersuchte Gertrude F***, sie vom Ergebnis des Verlassenschaftsverfahrens zu benachrichtigen (ON 4). Bei der nur mit den in der letztwilligen Anordnung vom 5.10.1982 genannten Personen durchgeführten Verlassenschaftsabhandlung (ON 10) - Gertrude F*** und Brunhilde T*** wurden der Verlassenschaftsabhandlung nicht beigezogen - legten die in der genannten Anordnung bedachten Personen diese Anordnung so aus, daß es sich um ein Testament mit Erbseinsetzung handle, nach welchem, gemessen am Wert der im einzelnen zugedachten Sachen, Max und Ing.Kurt G*** zu je 9/26, Hermine M*** zu 2/26 und Ernst G*** zu 6/26 Anteilen Erben sein sollten. Max G*** entschlug sich der Erbschaft zugunsten seines Sohnes Ing.Kurt G***. Es gaben dementsprechend Ing.Kurt G*** zu 18/26, Hermine M*** zu 2/26 und Ernst G*** zu 6/26 Anteilen unbedingte Erbserklärungen ab. In der Folge wurde ein eidesstättiges Vermögensbekenntnis abgegeben. Mit Beschluß vom 5.9.1986, ON 13, wurde im Punkt
- 1.) festgehalten, daß das Testament kundgemacht worden sei,
- 2.) die Erbrechtsentschlagung des Maximilian G*** zugunsten seines Sohnes Ing.Kurt G*** zur Kenntnis genommen,
- 3.) die Legatsannahme der Annemarie B*** zur Kenntnis genommen,
- 4.) die unbedingte Erbserklärung des Ing.Kurt G*** zu 18/26, der Hermine M*** zu 2/26 und des Ing.Ernst G*** zu 6/26 Anteilen auf Grund des Testamentes vom 5.10.1982 zu Gericht angenommen und deren Erbrecht für ausgewiesen erachtet,
5.) das abgegebene Vermögensbekenntnis der Verlassenschaftsabhandlung zugrundegelegt,
- 6.) das erblasserische Testament für erfüllt erklärt,
- 7.) Ernst G*** ermächtigt, über ein näher bezeichnetes erblasserisches Konto sowie über ein näher bezeichnetes Wertpapierdepot zu verfügen,
- 8.) die Gebühren des Gerichtskommissärs bestimmt,
- 9.) die Einantwortungsurkunde erlassen und mit deren Rechtskraft die Verlassenschaftsabhandlung für beendet erklärt und
10.) der Akt dem Finanzamt für Gebühren und Verkehrssteuern zur Einsichtnahme übermittelt.
Mit Einantwortungsurkunde vom gleichen Tag, ON 14, wurde der Nachlaß Ernst G*** zu 6/26, Hermine M*** zu 2/26 und Ing.Kurt G*** zu 18/26 Anteilen eingeantwortet und angeordnet, daß im Grundbuch hinsichtlich der von Hermine G*** hinterlassenen Liegenschaft das Eigentumsrecht für Ing.Kurt G***, geb. am 16.4.1930, zu 9/10 Anteilen und für Hermine M***, geb. am 10.11.1933, zu 1/10 Anteil einverleibt werde.
Eine Zustellung der Beschlüsse an Gertrude F*** erfolgte nicht; die Zustellung an Brunhilde T*** erfolgte am 5.12.1986. Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Gertrude F***, in dem diese sich dagegen wandte, daß es sich bei der letztwilligen Verfügung vom 5.10.1982 um ein Testament handle und gleichzeitig auf Grund des Gesetzes die bedingte Erbserlärung zu 1/16 Anteil des Nachlasses abgab, teilweise Folge. Es bestätigte die Punkte 1 bis 4 des Beschlusses ON 13 mit Ausnahme des Schlußteils von Punkt 4 "und deren Erbrecht für ausgewiesen erachtet" und hob den Beschluß ON 13 im übrigen, sowie den Beschluß ON 14 (EU) als nichtig auf und trug dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens unter Beiziehung der gesetzlichen Erben auf. Das Rekursgericht vertrat die Ansicht, Gertrude F*** sei durch die Punkte 1 bis 4 des Beschlusses ON 13 (den Erbrechtsausweis ausgenommen) nicht beschwert. Im übrigen erscheine es wesentlich, daß die Rekurswerberin vor Rechtskraft der Einantwortungsurkunde eine bedingte Erbserklärung abgegeben habe. Sie sei damit als am Verlassenschaftsverfahren Beteiligte anzusehen. Das Erstgericht hätte die gesetzlichen Erben im Sinne des § 75 AußStrG zu verständigen gehabt, da kein unbedenkliches Testament vorliege. Bei der Beurteilung, ob eine letztwillige Erklärung als unbedenklich anzusehen sei, sei ein strenger Maßstab anzulegen, da § 75 AußStrG eine Schutzbestimmung zugunsten der potentiellen Erben sei. Das Verlassenschaftsgericht sei im Falle bestehender Zweifel darüber, ob eine letztwillige Anordnung ein Testament oder ein Kodizill darstelle und ob demzufolge die testamentarische oder die gesetzliche Erbfolge eintrete, nicht befugt, über die Gültigkeit bzw. die Natur der letztwilligen Anordnung zu entscheiden. Es sei vielmehr verpflichtet, allen vermutlichen Erben Gelegenheit zu geben, an der Verlassenschaftsabhandlung teilzunehmen, jede der vorgeschriebenen Form entsprechende Erbserklärung anzunehmen und die Parteien allenfalls gemäß den §§ 125 ff AußStrG auf den Rechtsweg zu verweisen. Die vorliegende letztwillige Anordnung enthalte die verhältnismäßige Aufteilung eines anzunehmenden Liegenschaftserlöses an drei Angehörige, darüber hinaus aber auch die Zuweisung verschiedener anderer Sachen an bestimmte Personen, ohne daß insgesamt eine bestimmte quotenmäßige Nachlaßteilung zum Ausdruck komme. Es sei auch nicht von einer Erbseinsetzung die Rede. Die letztwillige Verfügung habe demnach keinen so klaren Inhalt, daß sie zweifelsfrei als Testament behandelt werden könne. Da das Erstgericht nicht auch den gesetzlichen Erben Gelegenheit gegeben habe, an der Verlassenschaftsabhandlung teilzunehmen, leide das Verfahren an einer Nichtigkeit.
Gegen den Beschluß des Rekursgerichtes wenden sich Ernst G*** und Ing.Kurt G*** mit Revisionsrekurs. Sie beantragen, diesen Beschluß aufzuheben und damit die Entscheidungen des Erstgerichtes zu bestätigen. Die letztwillige Anordnung vom 5.10.1982 stelle ein unbedenkliches Testament dar. Die Erblasserin habe über ihr gesamtes Vermögen verfügt. Sie habe auch hinsichtlich der Liegenschaft eine unmißverständliche Aufteilung vorgenommen. Der Wert des Schmuckes sei offensichtlich so gering, daß eine Verfügung zugunsten bestimmter Personen nicht ausdrücklich angebracht sei.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.
Erbrecht ist das Recht, die ganze Verlassenschaft oder einen in Beziehung auf das Ganze bestimmten Teil derselben in Besitz zu nehmen (§ 532 ABGB). Wird jemandem kein solcher Erbteil, der sich auf den ganzen Nachlaß bezieht, sondern nur eine einzelne Sache zugedacht, so heißt das Zugedachte, obschon dessen Wert den größten Teil der Verlassenschaft ausmacht, ein Vermächtnis, und derjenige, dem es hinterlassen worden ist, nicht als ein Erbe, sondern nur als ein Vermächtnisnehmer zu betrachten (§ 535 ABGB). Nur ausnahmsweise könnte in der Zuwendung einzelner Gegenstände eine Erbseinsetzung erkannt und der letzte Wille als Testament behandelt werden, wenn nämlich diese Gegenstände die Gesamtheit des Nachlasses oder wenigstens dessen weitaus überwiegenden Teil darstellen und überdies bei einer Mehrheit von bedachten Personen das Verhältnis einer bestimmten quotenmäßigen Nachlaßteilung zum Ausdruck kommt (EvBl 1973/314).
Im (bisherigen) Verlassenschaftsverfahren sind keine Zweifel daran aufgetaucht, daß die Erblasserin in ihrer letztwilligen Verfügung vom 5.10.1982 über ihren ganzen Nachlaß verfügt hat. Auf Grund des Umstandes allein aber, daß Hermine G*** hinsichtlich des Verkaufserlöses ihrer Liegenschaft eine quotenmäßige Aufteilung auf drei der vier bedachten Angehörigen vorgenommen hat, kann noch keineswegs mit Sicherheit die Auffassung vertreten werden, ihre letzte Anordnung sei ein Testament, in dem mehrere Erben in dem oben dargestellten Sinn eingesetzt worden seien (§ 553 ABGB). Die Erblasserin hat außer einer Liegenschaft nicht nur Schmuck - von dem sie nicht sagt, sein Wert sei gering, sondern es handle sich um "wenig" -, sondern auch "bewegliche Güter wie Einrichtung etc." und "Ersparnisse - Geld und Wertanleihen -" hinterlassen und ausdrücklich darüber verfügt. Diese Ersparnisse erreichen nach dem vorliegenden eidesstättigen Vermögensbekenntnis (AS 26 f) etwa 30 % des Wertes der Liegenschaft. Daß auch Hermine G*** ihren Nachlaß so bewertet hat, wie dies durch die bedachten Angehörigen geschehen ist, und daß sie diesen Angehörigen Quoten ihres Nachlasses entsprechend dieser Bewertung überlassen wollte, ist der Anordnung vom 5.10.1982 nicht zu entnehmen.
Nun sind zwar bei der testamentarischen Erbfolge die gesetzlichen Erben nicht als "vermutliche Erben" iS des § 75 AußStrG anzusehen und daher weder zu verständigen, noch auch der Abhandlung beizuziehen (SZ 25/190). Dies hat jedoch zur Voraussetzung, daß - nach einer Prüfung durch das Gericht - dem äußeren Anschein nach ein mit allen gesetzlichen Förmlichkeiten ausgestattetes Testament vorliegt (SZ 43/179). Bei dieser Prüfung ist entsprechend dem Zweck des § 75 AußStrG als Schutzbestimmung zugunsten der potentiellen Erben ein strenger Maßstab anzulegen (NotZ 1978, 174). Bestehen Zweifel, ob die letztwillige Verfügung in unbedenklicher Weise als Testament angesehen werden kann, sind gemäß § 75 AußStrG auch die gesetzlichen Erben vom Erbanfall mit der Aufforderung zu verständigen, die Erbserklärung beizubringen, damit die Erbverhandlung gepflogen werden könne.
Da die letztwillige Verfügung vom 5.10.1982 nicht in unbedenklicher Weise als Testament angesehen werden kann, hätte das Erstgericht gemäß § 75 AußStrG auch die gesetzlichen Erben zu verständigen gehabt. Die teilweise Aufhebung der von der gesetzlichen Erbin angefochtenen Beschlüsse des Erstgerichtes durch das Rekursgericht erfolgte daher zu Recht, sodaß dem Rekurs ein Erfolg versagt bleiben mußte.
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