OGH 1Ob556/87

OGH1Ob556/8725.3.1987

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Gamerith, Dr. Hofmann und Dr. Schlosser als weitere Richter in der Außerstreitsache des Antragstellers Franz S***, Landwirt, Keutschach, Dobein 9, vertreten durch Dr. Margit Tonitz und Dr. Günther Tonitz, Rechtsanwälte in Klagenfurt, wider den Antragsgegner Gerhard H***, Forstwirt, Seeboden,

Süduferweg 11, vertreten durch Dr. Hugo Schally und Dr. Anton Knees, Rechtsanwälte in Klagenfurt, wegen Aufhebung eines Notweges, infolge Revisionsrekurses des Antragstellers gegen den Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt als Rekursgerichtes vom 16. Jänner 1987, GZ. 1 R 613/86-20, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Klagenfurt vom 11. November 1986, GZ. 1 Nc 395/85-16, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller ist schuldig, dem Antragsgegner die mit S 1.812,80 bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens (darin S 164,80 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Begründung

Mit Beschluß vom 19. November 1971, 2 Nc 111/70-30, räumte das Erstgericht dem Antragsgegner und dessen Rechtsnachfolgern im Eigentum der Liegenschaft EZ 89 KG Plescherken zur Herstellung einer Wegeverbindung zwischen seinen Grundstücken 1157 und 1158 und dem öffentlichen Weg 1306 auf dem dem Antragsteller gehörigen Grundstück 1140 (EZ 8 KG Plescherken) einen räumlich näher bezeichneten Notweg ein und setzte gleichzeitig die Entschädigung hiefür fest. Es stellte damals fest, das Grundstück 1158 sei ebenso wie das Grundstück 1140 im Flächenwidmungsplan der Gemeinde Keutschach als Campingplatz ausgewiesen; jener Teil des Grundstückes 1140, der zwischen dem Grundstück 1158 und dem öffentlichen Weg liegt, könne jedoch seiner Beschaffenheit (Breite zwischen 3,40 und 8,50 m) wegen nicht als solcher benützt werden. Die beiden Grundstücke des Antragsgegners besäßen keinen eigenen Zugang und seien vom öffentlichen Weg aus nicht erreichbar.

Am 11. November 1985 begehrte der Antragsteller die Aufhebung dieses als Dienstbarkeit des Geh- und Fahrtrechtes sowie Triebweges einverleibten Notweges, hilfsweise, den eingeräumten Notweg so zu ändern, daß er wesentlich schmäler festgelegt und wirtschaftlicher situiert werde. Das Grundstück 1158 sei nach Umwidmung nun im Flächenwidmungsplan als Grünland-Erholungsgebiet ausgewiesen, so daß der Antragsteller die Bewilligung zum Betrieb eines Campingplatzes nicht mehr erwirken könne. In der Natur handle es sich bei den beiden Grundstücken um Sumpfwiesen, die kaum eine Nutzung zuließen; hiezu bestehe von Alters her ein Bringungsrecht.

Der Antragsgegner wendete ein, es stehe ihm nicht nur frei, um eine neuerliche Umwidmung des Grundstückes 1158 anzusuchen, sondern es sei auch zugunsten seiner Liegenschaft am Grundstück 805 KG Keutschach (Keutschacher See) das Schiffahrts-, Steg-, Bade- und Surfrecht bestellt. Außerdem beabsichtige er die Anlegung eines Amphibienlaichgebiets, so daß er auch hiezu die Zufahrt benötige. Das Erstgericht wies den Haupt- und den Hilfsantrag des Antragstellers ab. Es stellte fest, das Grundstück 1158 sei nun als Grünland-Erholungsgebiet gewidmet. Auf der Liegenschaft EZ 124 KG Keutschach (zu der der Keutschacher See gehört) sei zugunsten der Liegenschaft EZ 89 KG Plescherken (mit den Grundstücken 1157 und 1158) die Dienstbarkeit des Badens, des Einbaus, des Anlegens und des Befahrens mit Seefahrzeugen einverleibt. Die Grundstücke des Antragsgegners seien nur durch den Notweg mit dem öffentlichen Wegenetz verbunden, doch bestehe für landwirtschaftliche Fuhren ein Bringungsrecht.

Rechtlich vertrat das Erstgericht die Auffassung, die beiden Grundstücke des Antragsgegners könnten zwar nur in sehr beschränktem Umfang landwirtschaftlich genutzt werden, auch eine Umwidmung komme nicht in Betracht, doch sei der Notweg schon deshalb erforderlich, um das mit dem Eigentum an der Liegenschaft verbundene Bade-, Einbau- und Landerecht sowie das Recht des Befahrens des Keutschacher Sees auszuüben. Wenn auch der Einbau eines Bootssteges der verwaltungsbehördlichen Bewilligung bedürfe, so sei doch die Wasserung selbst größerer Seefahrzeuge zumindest vom westlichen Teil des Grundstückes 1157 aus auch ohne Steg möglich. Schon zur Heranführung solcher Fahrzeuge sei der Notweg unerläßlich. Aber auch zur Ausübung des Baderechts sowie zur geplanten Nutzung der Grundstücke als Amphibienlaichgebiet bedürfe es der Verbindung mit dem öffentlichen Wegenetz. Eine wesentliche Änderung der Verhältnisse, die eine Neufestsetzung des Notweges rechtfertigten, habe der Antragsteller nicht einmal behauptet, so daß auch das Hilfsbegehren abzuweisen sei.

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluß. Ein Notweg sei gemäß § 24 Abs 1 und 2 NWG aufzuheben, wenn er entweder in der Folge entbehrlich werde oder die belastete Liegenschaft durch Bauführung, Kulturänderung und dgl. eine solche Veränderung erfahre, welche den Fortbestand der Notwegeservitut im Sinne von § 4 Abs 2 oder 3 NWG unstatthaft erscheinen lasse. Veränderungen der belasteten Liegenschaft habe der Antragsteller nicht behauptet, so daß dieser Aufhebungsgrund nicht näher zu prüfen sei. Da die Vernehmung zweier Sachverständiger nur bei der Einräumung eines Notweges vorgeschrieben sei (§§ 12 und 14 Abs 2 NWG), seien deren Gutachten im vorliegenden Verfahren entbehrlich. Die Bezirksverwaltungsbehörde habe sich in ihrer Äußerung (gemäß § 8 Abs 4 NWG) für die Aufrechterhaltung des Notweges ausgesprochen, weil die beiden Grundstücke des Antragsgegners sonst nur über den See erreicht werden könnten. Überhaupt gehe es darum, daß die beiden Grundstücke in angemessener Weise erreicht werden könnten, damit der Eigentümer die Grunddienstbarkeit ausüben könne. Daß der Notweg schon deshalb erforderlich sei, könne nicht ernsthaft bezweifelt werden, auch wenn derzeit kein Campingplatz auf dem Grundstück 1158 betrieben werden dürfe. Aber auch zur Benützung der Grundstücke als Amphibienlaichgebiet bedürfe der Antragsgegner des Notweges. Folge man dem Standpunkt des Antragstellers, wäre eine sinnvolle Benützung der beiden Grundstücke überhaupt ausgeschlossen. Es komme aber nicht darauf an, welcher Art die Benützung sei.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Antragstellers ist nicht zulässig. Da das Rekursgericht die erstinstanzliche Entscheidung bestätigt hat, ist der Revisionsrekurs gemäß dem auch im Verfahren nach dem Notwegegesetz anzuwendenden § 16 AußStrG zu beurteilen (SZ 49/99; JBl 1969, 345 ua.) und deshalb nur aus den Anfechtungsgründen der offenbaren Gesetz- oder Aktenwidrigkeit oder der Nichtigkeit zulässig. Der Antragsteller beruft sich in seinem Rechtsmittel dagegen auf "Verletzung von Vorschriften" sowie auf Verfahrensmängel, Nichtigkeit und Aktenwidrigkeit, übersieht dabei jedoch, daß die rechtliche Beurteilung durch das Gericht zweiter Instanz und - auch grobe - Verfahrensverstöße mit einem solchen Rechtsmittel nicht bekämpft werden können, es sei denn, die rekursgerichtliche Sachbeurteilung ist offenbar gesetzwidrig oder es liegen Verfahrensmängel vom Gewicht einer Nullität vor. Der Antragsteller erachtet sich zunächst dadurch beschwert, daß die Vorinstanzen die Berechtigung seines Antrages nur gemäß § 24 Abs 1 NWG und nicht auch nach Abs 2 dieser Gesetzesstelle geprüft haben. Nach der letzteren Bestimmung ist die Notwegeservitut auf Begehren des Eigentümers der belasteten Liegenschaft aufzuheben, wenn diese durch Bauführung, Kulturänderung und dgl. eine solche Veränderung erfährt, welche den Fortbestand der Servitut im Sinne des § 4 Abs 2 oder 3 NWG als unstatthaft erscheinen läßt. Das trifft dann zu, wenn die regelmäßige Bewirtschaftung oder Benützung der belasteten Liegenschaft durch den Notweg unmöglich gemacht oder erheblich beeinträchtigt wird bzw. der Notweg durch Gebäude, geschlossene Hofräume, eingefriedete Gärten oder über Grundstücke, die aus öffentlichen Rücksichten die Benützung als Notweg nicht gestatten, verläuft. Der Antragsteller hat erstmals im Rekurs an die zweite Instanz behauptet, daß die Benützer des an den Notweg - beinahe - angrenzenden Campingplatzes, den er auf einer vom Notweg nicht betroffenen Teilfläche des belasteten Grundstückes betreibe, durch den auf dem Notweg zu erwartenden Kraftfahrzeugverkehr belästigt werden würden. Auf dieses Vorbringen hat das Rekursgericht zu Recht nicht Bedacht genommen, weil es der auch in Verfahren nach dem Notwegegesetz anzuwendende § 10 AußStrG den Parteien zwar ermöglicht, ihr erstinstanzliches Vorbringen im Rechtsmittel zu ergänzen; doch ist es ihnen nach ständiger Rechtsprechung (EFSlg 44.518, 39.657 uva.) verwehrt, in erster Instanz mögliches, dort jedoch nicht erstattetes Vorbringen im Rekurs nachzuholen. Im übrigen hat der Antragsteller selbst noch im Revisionsrekurs nicht behauptet, daß es nach der Einräumung des Notweges auf seiner Liegenschaft zu einer dem Aufhebungsgrund nach § 24 Abs 2 NWG vorausgesetzten Bauführung, Kulturänderung oder einer gleichzuhaltenden Veränderung gekommen sei. Darin, daß sich die Vorinstanzen auf die Prüfung des Aufhebungsantrages allein nach § 24 Abs 1 NWG beschränkt haben, kann demnach weder eine offenbare Gesetzwidrigkeit noch eine Nullität gelegen sein.

Nach wie vor beharrt der Antragsteller auf seinem Standpunkt, daß der eingeräumte Notweg entbehrlich sei, weil das Grundstück 1158 KG Plescherken auf Grünland-Erholungsgebiet umgewidmet worden sei. Die Vorinstanzen haben die vom Antragsteller behauptete Entbehrlichkeit der Notwegeservitut verneint, weil die Liegenschaft des Antragsgegners nach wie vor ohne den eingeräumten Notweg keine Verbindung zum öffentlichen Wegenetz aufweise und deren Eigentümer schon deshalb zur Benützung der Liegenschaft auf den Notweg angewiesen sei. Der Antragsteller hat sich erst im Rechtsmittelverfahren auch darauf berufen, daß der Notweg nur bei Aufschüttung benützt werden könne und eine solche Baumaßnahme von der Verwaltungsbehörde gemäß § 2 Kärntner LandschaftsschutzG 1981 nicht bewilligt werden würde. Abgesehen davon, daß das Kärntner Landschaftsschutzgesetz 1981 durch § 68 Abs 2 lit b Kärntner NaturschutzG (LGBl. 1986/54) aufgehoben und seine Bestimmungen durch dessen landschaftsschutzrechtlichen Vorschriften ersetzt wurden, hat der Antragsteller in erster Instanz keinerlei Vorbringen dahin erstattet, daß der eingeräumte Notweg nur bei entsprechender Aufschüttung überhaupt benützbar wäre bzw. weshalb solche Aufschüttungen von der Naturschutzbehörde nicht bewilligt werden würden, obgleich die Liegenschaft ohne Notweg über das öffentliche Wegenetz nicht zugänglich wäre (vgl. im übrigen die §§ 5 Abs 1 lit b, 8 und 10 Abs 3 lit a Kärntner NaturschutzG). Auch dieses Vorbringen war schon vom Rekursgericht nicht weiter zu prüfen, so daß damit auch kein tauglicher Anfechtungsgrund im Sinne des § 16 Abs 1 AußStrG dargestellt wird.

Schließlich bekämpft der Antragsteller die unterlassene Beiziehung von Sachverständigen durch die Vorinstanzen. Es ist zwar richtig, daß gemäß § 24 Abs 1 NWG in Verfahren über die Aufhebung von Notwegen die für das Verfahren wegen Einräumung von Notwegen getroffenen Bestimmungen sinngemäß anzuwenden sind, das Gericht gemäß § 12 Abs 1 NWG die für die Frage der Notwendigkeit des Notweges maßgeblichen Verhältnisse unter Zuziehung zweier Sachverständiger zu erheben hat und diese zufolge § 14 Abs 2 NWG ihre Gutachten über den einzuräumenden (hier: aufzuhebenden) Notweg abzugeben haben, doch bildet ein Verstoß gegen das Gebot des § 12 Abs 1 NWG, wie der Oberste Gerichtshof bereits mehrfach ausgesprochen hat (1 Ob 669/83; 6 Ob 730/81 ua.), keine Nichtigkeit, sondern bloß eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens, die aber im Rahmen eines Rechtsmittels gemäß § 16 Abs 1 AußStrG nicht wahrgenommen werden kann. Im übrigen ist der Auffassung des Rekursgerichtes, daß die Beiziehung von Sachverständigen entbehrlich ist, wenn sich schon aus dem Vorbringen des Antragstellers die mangelnde Berechtigung seines Antrages ergibt, beizupflichten. Ob und unter welchen Voraussetzungen der eingeräumte Notweg gemäß § 24 Abs 1 NWG als entbehrlich aufzuheben ist, ist im Gesetz ebensowenig ausdrücklich geregelt wie die Frage, ob und wie ein Notweg im konkreten Fall einzuräumen ist (vgl. SZ 40/78; EvBl 1961/404; Petrasch in Rummel, ABGB, Rdz 11 zu § 481). Demnach kann auch die Ansicht des Rekursgerichtes, daß der Notweg schon nach dem Vorbringen des belasteten Eigentümers nicht entbehrlich ist, nicht offenbar gesetzwidrig sein, zumal auch der Antragsteller nicht bestreiten kann, daß die Liegenschaft des Antragsgegners bei Aufhebung des Notweges ohne Verbindung zum öffentlichen Wegenetz wäre.

Der Revisionsrekurs ist als unzulässig zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 25 Abs 3 NWG. Danach hat das Gericht im Aufhebungsverfahren mit Rücksichtnahme auf den Vorteil, der jeder Partei nach dem Ergebnis des Verfahrens erwächst, über die Tragung der Kosten durch die Parteien nach Billigkeit zu erkennen. Da der Antragsgegner in seiner Äußerung zum Revisionsrekurs (§ 16 Abs 3 NWG) auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels des Antragstellers ausdrücklich hingewiesen hat, ist diese nicht nur in zweckentsprechender Rechtsverteidigung erstattet worden, sondern entspricht es auch der nach der genannten Kostennorm zu berücksichtigenden Billigkeit, dem Antragsteller die Kosten der Rechtsmittelbeantwortung aufzuerlegen. Diese Kostenersatzpflicht erstreckt sich auch auf die Kosten der Vertretung der ersatzberechtigten Partei durch einen berufsmäßigen Parteienvertreter. Das wurde vom Obersten Gerichtshof zu der den Kostenersatz im Verfahren zur Einräumung eines Notweges regelnden Bestimmung des § 25 Abs 1 NWG nicht bloß bereits im Plenissimarbeschluß vom 13. Mai 1902, GlUNF 1895, und in der Entscheidung EvBl 1985/127 (gegenteilig allerdings SZ 26/219; JBl 1957, 366 ua.), sondern auch von einem verstärkten Senat des Obersten Gerichtshofes (im Beschluß vom 19. Dezember 1986, 6 Ob 647/84) zu der dem § 25 Abs 1 NWG vergleichbaren Kostenregelung des § 44 EisbEG ausgesprochen; die Grundsätze dieser Entscheidung sind schon mit Rücksicht auf die Übereinstimmung des Wortlautes der beiden Kostennormen, soweit sie sich auf den Umfang der Kostenersatzpflicht beziehen, auch auf § 25 Abs 1 NWG und damit auch auf die auf das Verfahren zur Aufhebung von Notwegen vorgesehene Kostenbestimmung des § 25 Abs 3 NWG zu übertragen, so daß der mit ihrem Standpunkt durchdringenden Partei auch in solchen Verfahren der Ersatz der Kosten ihrer Vertretung durch einen berufsmäßigen Parteienvertreter zuzubilligen ist.

Bemessungsgrundlage ist im außerstreitigen Verfahren gemäß § 3 RATG der Wert des Gegenstandes, auf den sich die Leistung bezieht; da dieser im vorliegenden Verfahren nicht bewertet wurde, ist gemäß § 14 RATG mangels Bestimmbarkeit der Bemessungsgrundlage der Wert von S 10.000,-- zugrundezulegen.

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