Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß der Beschluß des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.
Die Klägerin hat die Kosten der Rekursbeantwortung ON 13 und des Revisionsrekurses ON 16 vorläufig, die Beklagte die Kosten des Rekurses ON 7 und der Revisionsrekursbeantwortung ON 17 endgültig selbst zu tragen.
Die Klägerin ist schuldig, der Beklagten die mit S 6.134,70 (darin S 557,70 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung ON 12 binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Begründung
Ebenso wie andere Unternehmer, erzeugen und vertreiben auch die Parteien (ua) Leisten und Bögen. Erzeugnisse dieser Art, welche weder marken- noch mustergeschützt sind, existieren bereits in vielen Abmessungen und Varianten.
Beide Parteien haben für ihre Produkte Wandtafeln herausgegeben. Die Wandtafel der Beklagten weist zum Teil Produkte auf, die mit denjenigen der Klägerin identisch sind. Bei den im Spruch der einstweiligen Verfügung angeführten Erzeugnissen stimmen sowohl die Formen als auch die Maße bis auf den Millimeter überein. Die Profilrahmen in der rechten unteren Ecke wurden sogar samt Zeichenfehlern auf die Wandtafel der Beklagten kopiert; auch die Textierung wurde teilweise übernommen. Die Preise der Produkte der Beklagten liegen geringfügig unter denen der Klägerin. Produkte anderer Hersteller weisen ähnliche Formen wie die Erzeugnisse der Klägerin auf, sind aber mit diesen nicht identisch; auch wurden bei ihnen andere Maße verwendet.
Zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches beantragt die Klägerin, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung ab sofort jede Verwendung, insbesondere Produktion, Vertrieb und Werbung jeder Art, (u.a.) der nachstehend genannten, auf der Werbetafel der Beklagten abgebildeten und dort im einzelnen beschriebenen Produkte zu untersagen:
a) Fußbodenleiste FBL 47,
b) Glas- und Türleisten GL 117, GL 120, GL 123, GL 125, GL 128 in den Holzsorten Ramin, Fichte und Eiche und des dazugehörigen Viertelbogens BGL 117, BGL 120, BGL 123, BGL 125 und BGL 128,
c) Gesimsleisten SLG 18, SLG 20 und SLG 21,
d) Möbel- und Zierleisten SL 123, SL 143, SL 129, SL 112, SL 111, SL 138, SL 109, SL 152, HGL 100, HGL 101,
e) Viertelbögen VBSL 111, VBSL 112, VBSL 109, VBSL 129, VBSL 123.
f) Gesimsund Segmentbögen SL 109, SL 111, SL 112 und SL 129.
Die Klägerin habe für die - von ihr selbst
kreierten - Holzprofilleisten, Putzabdeckleisten, Rohrabdeckleisten, Türverkleidungen, Anleimer, Glasleisten, Viertelbögen, Winkelleisten, Gesimsleisten, Bilderrahmenleisten, Viertelbögen für Profilleisten, Rundbogenleisten, Segmentbögen, Gesimsbögen und Deckenleisten auf Grund umfangreicher Werbung einen hohen Grad an Verkehrsbekanntheit bei den einschlägigen Fachhändlern und Verarbeitern erlangt. Die beanstandeten Erzeugnisse der Beklagten seien den entsprechenden Produkten der Klägerin nicht nur im Design und im Aussehen, sondern auch in ihren Abmessungen völlig gleich. Im Verein mit der Übernahme der Gestaltung des Wandtafelprospektes der Klägerin und dem Umstand, daß die von der Beklagten verlangten Preise durchwegs knapp unter denen der Klägerin lägen, begründe diese Handlungsweise der Beklagten einen Verstoß gegen § 1 UWG.
Die Beklagte hat sich gegen das Sicherungsbegehren ausgesprochen. Von sittenwidriger Nachahmung könne schon deshalb keine Rede sein, weil die Beklagte mit ihren Produkten wesentlich früher auf dem Markt gewesen sei. Bei den Erzeugnissen der Klägerin handle es sich um wettbewerbsrechtlich nicht schutzwürdige Dutzend- oder Massenware; Leisten und Bögen dieser Art würden auch von vielen anderen Unternehmen angeboten. Die vorhandenen Übereinstimmungen ergäben sich aus den Normgrößen der Türen, für die sie bestimmt seien; im übrigen richte sich die Erzeugung von Profilleisten udgl. vor allem nach spezifischen Kundenwünschen. Eine Verwechslung der beiderseitigen Erzeugnisse sei nach den Umständen auszuschließen.
Das Erstgericht erließ die einstweilige Verfügung und trug der Klägerin den Erlag einer Sicherheit von S 300.000 auf. Die Beklagte habe aus dem Prospekt der Klägerin einen erheblichen Teil der dort abgebildeten Produkte nachgeahmt, ja teilweise sogar samt Zeichenfehlern direkt kopiert. Obgleich ohne Beeinträchtigung der technischen Zielsetzung und des Gebrauchswertes auch eine andere Formgestaltung möglich gewesen wäre, habe sie ihren Produkten ohne ausreichenden Grund die Gestaltungsform eines fremden Erzeugnisses gegeben und damit gegen § 1 UWG verstoßen.
Infolge Rekurses der Beklagten wies das Rekursgericht den Sicherungsantrag ab; zugleich verwies es den gegen die Höhe der Sicherheitsleistung gerichteten Rekurs der Klägerin auf diese Entscheidung und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden habe, S 300.000 übersteige. Das Rekursgericht nahm folgenden weiteren Sachverhalt als bescheinigt an:
Die Wandtafel der Klägerin ist ca. 80 mal 140 cm groß. Sie trägt am oberen Rand in großen Blockbuchstaben die Überschrift: "DAS I*** P*** VON T***. FÜR DEN P***"; an ihrer Unterseite finden sich die Worte "Edel in der Qualität, klassisch in der Form". Den vollen Firmenwortlaut der Klägerin enthält die Tafel nicht. Auf ihr sind in graphisch durch Längs- und Querstriche unterteilten Feldern rund 152 verschiedene Produkte mit den entsprechenden Artikelbezeichnungen, den genauen Maßen und schematischen Darstellungen abgebildet.
Die ca. 70 mal 100 cm große Wandtafel der Beklagten ist mit "Z*** L*** - FÜR A***" überschrieben; am unteren Rand ist die Aufschrift "Unsere Leistung, Ihr Vorteil" zu lesen. Auf dieser Tafel sind - ohne graphische Unterteilung - rund 123 Produkte mit den entsprechenden Produktbezeichnungen, genauen Maßen und schematischen Darstellungen abgebildet. Die farbliche Gestaltung und die Anordnung der Produkte weisen hier erhebliche Unterschiede gegenüber der Tafel der Klägerin auf.
Rechtlich meinte das Rekursgericht, daß in der Vorgangsweise der Beklagten keine sittenwidrige Nachahmung fremder Erzeugnisse und Arbeitsergebnisse zu sehen sei: Neben den von der Klägerin hergestellten und vertriebenen Produkten gebe es auf dem Markt eine Vielzahl ähnlicher, zum Teil nur geringfügige Unterscheidungsmerkmale aufweisender gleichartiger Erzeugnisse, welche von einer Vielzahl anderer Unternehmer hergestellt und vertrieben würden. Werde überdies berücksichtigt, daß von den auf der Wandtafel der Beklagten angebotenen rund 123 Produkten nur 33 mit den entsprechenden Erzeugnissen der Klägerin identisch seien, dann könne nicht gesagt werden, daß die Beklagte ohne ausreichenden Grund die Gestaltungsformen fremder Erzeugnisse übernommen habe, obwohl ihr eine große Anzahl anderer Gestaltungsmöglichkeiten zur Verfügung gestanden wäre; sie habe auch nicht das Ergebnis fremder Tätigkeit und fremder Aufwendungen mit verwerflichen Mitteln ausgenützt, um sich so einen Vorsprung vor ihren Mitbewerbern zu verschaffen. Die überwiegende Zahl der von der Beklagten angebotenen Produkte unterscheide sich sehr wohl von denen der Klägerin; Gleichartigkeiten seien angesichts der Vielfalt des Angebotes praktisch unvermeidbar. Auch könne nicht gesagt werden, daß die Produkte der Klägerin bei den angesprochenen Verkehrskreisen eine solche Bekanntheit erlangt hätten, daß durch die Nachahmung die Gefahr von Verwechslungen hervorgerufen werden könnte. Keines der von der Klägerin angebotenen Produkte weise nämlich so charakteristische Merkmale auf, daß dadurch beim Publikum eine bestimmte Herkunftsvorstellung ausgelöst werden könnte. Ein Verstoß gegen § 1 UWG liege nicht schon dann vor, wenn das nachgeahmte fremde Arbeitsergebnis mit Mühe und Kosten errungen wurde, die sich jetzt der Nachahmer erspare; sonstige Umstände, welche die Nachahmung sittenwidrig machen könnten, seien aber hier nicht gegeben.
Gegen den Beschluß des Rekursgerichtes richtet sich der Revisionsrekurs der Klägerin mit dem Antrag auf Wiederherstellung der einstweiligen Verfügung des Erstgerichtes; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Beklagte beantragt, diesem Rechtsmittel nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist berechtigt.
Nach der neueren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes ist
die Nachahmung eines fremden Produktes, das keinen
Sonderschutz - etwa nach dem Markenschutzgesetz, dem
Urheberrechtsgesetz oder als Unternehmenskennzeichen - genießt, an
sich nicht wettbewerbswidrig; ein Verstoß gegen § 1 UWG ist nur dann
anzunehmen, wenn im Einzelfall besondere Umstände hinzutreten, aus
denen sich die Sittenwidrigkeit der Handlung ergibt. Das trifft
insbesondere dort zu, wo der Nachahmende das Vorbild nicht nur als
Anregung zu eigenem Schaffen benützt, sondern seinem Produkt ohne
ausreichenden Grund die Gestaltungsform eines fremden Erzeugnisses
gibt und dadurch die Gefahr von Verwechslungen hervorruft. Der
Nachahmer muß von dem nachgeahmten Erzeugnis im Rahmen des
Möglichen - vor allem dann, wenn ihm eine große Anzahl anderer
Gestaltungsmöglichkeiten zur Verfügung steht - angemessenen Abstand
halten. Sittenwidrige Nachahmung setzt daher in jedem Fall
eine - bis an die Grenzen der unmittelbaren Leistungsübernahme
reichende - Nachahmung in allen Einzelheiten (also eine sogenannte
"sklavische Nachahmung") voraus: Weder ist jede sklavische
Nachahmung von vornherein unzulässig, noch bedarf es einer
sklavischen Nachahmung, um einen Verstoß gegen § 1 UWG annehmen zu
können. Entscheidend ist vielmehr, daß eine bewußte Nachahmung
vorliegt, daß damit die Gefahr von Verwechslungen herbeigeführt wird
und daß schließlich eine andersartige Gestaltung zumutbar gewesen
wäre (ÖBl 1981, 115 = GRURInt. 1982, 64 mit weiteren Nachweisen;
ÖBl 1981, 154; ÖBl 1982, 64 = GRURInt. 1982, 676; ÖBl 1983, 70;
ÖBl 1983, 134; ÖBl 1984, 95; ÖBl 1985, 24 = GRURINt. 1985, 684;
ÖBl 1986, 43; dazu neuerdings auch Jahn, UWG - sittenwidrige Nachahmung, in Schönherr-GedS [1986] 53 ff). Diese Voraussetzungen sind hier gegeben:
Wie sich aus dem Zusammenhang der Begründung des angefochtenen Beschlusses ergibt, geht auch das Rekursgericht davon aus, daß die Beklagte die im Sicherungsantrag näher bezeichneten Fußbodenleisten, Glas- und Türelemente, Gesimsleisten, Möbel- und Zierleisten, Viertelbögen sowie Gesims- und Segmentbögen den entsprechenden Erzeugnissen der Klägerin in allen Einzelheiten (Formen, Maße) bewußt nachgebildet und damit zwangsläufig die Gefahr von Verwechslungen dieser Produkte im geschäftlichen Verkehr herbeigeführt hat. Nach den Umständen des vorliegenden Falles muß aber auch die Zumutbarkeit einer andersartigen Gestaltung und damit die Herbeiführung einer vermeidbaren Herkunftstäuschung bejaht werden:
Wer ein fremdes Erzeugnis unter Übernahme von Merkmalen, mit denen der Verkehr eine Herkunftsvorstellung verbindet, nachahmt und sein Produkt in den Verkehr bringt, handelt wettbewerbswidrig, wenn er nicht im Rahmen des Zumutbaren alles Notwendige getan hat, um eine Irreführung des Verkehrs nach Möglichkeit auszuschließen. Eine solche Irreführung ist dann zu befürchten, wenn der Gegenstand der Nachahmung auf Grund seiner wettbewerblichen, zur Auslösung von Herkunftsvorstellungen geeigneten Eigenart im Verkehr so bekannt geworden ist, daß sich beim Auftreten von Nachahmungen Verwechslungen über die betriebliche Herkunft ergeben können (ÖBl 1981, 115 = GRURInt. 1982, 64 mit weiteren Nachweisen; ÖBl 1984, 95 ua). "Wettbewerblich eigenartig" ist ein Erzeugnis dann, wenn es bestimmte Merkmale oder Gestaltungsformen aufweist, die dem Geschäftsverkehr seine Unterscheidung von gleichartigen Erzeugnissen anderer Herkunft ermöglichen. Das Produkt muß darüber hinaus auch bereits in Verkehr gesetzt und auf diese Weise dem Publikum bekannt geworden sein, ohne daß aber Verkehrsgeltung im Sinne des § 9 Abs 3 UWG erforderlich wäre; die notwendige "Verkehrsbekanntheit" ist vielmehr auch dann anzunehmen, wenn das Publikum das Erzeugnis (noch) nicht einem bestimmten Unternehmen zuordnet (ÖBl 1983, 134; ÖBl 1984, 95). Die Sittenwidrigkeit der sklavischen Nachahmung liegt eben gerade darin, daß der Nachahmende ein im Verkehr bereits bekanntes Produkt - mag es auch vom Publikum keinem bestimmten Erzeuger zugeordnet werden - auf eine solche Weise nachmacht, daß der Kaufinteressent annehmen kann, es handle sich bei diesem neuen Prokukt um das ihm bereits bekannte, seinen besonderen Vorstellungen und Wünschen entsprechende Erzeugnis (ÖBl 1985, 24 = GRURInt. 1985, 684; ÖBl 1986, 43).
Eine solche wettbewerbliche Eigenart der von der Beklagten nachgeahmten Erzeugnisse der Klägerin ist aber entgegen der Meinung des angefochtenen Beschlusses auch hier zu bejahen: Wenngleich bei der Gestaltung von Profilleisten und -bögen dieser Art bestimmte Formen und Abmessungen in der Regel durch die Normmaße der Fenster und Türen, für die sie bestimmt sind, vorgegeben sind und auch die Leisten und Bögen selbst im Hinblick auf ihren Verwendungszweck immer eine mehr oder weniger große Ähnlichkeit aufweisen werden, bleiben dem Hersteller derartiger Erzeugnisse doch - vor allem bei der Gestaltung der Einzelheiten des Profils - eine Fülle von Möglichkeiten, um seinem Produkt durch die Auswahl und die besondere Anordnung der verschiedenen Bögen, Hohlkehlen, ebenen Flächen, Kanten und Nuten ein eigenartiges und individuelles, zur Auslösung von Herkunftsvorstellungen geeignetes Aussehen zu verleihen. Daß Leisten und Bögen dieser Art auch von anderen Herstellern in verschiedenen Abmessungen und Varianten auf den Markt gebracht werden, spricht nicht gegen diese Auffassung, hat doch das Erstgericht, von der Beklagten unwidersprochen als bescheinigt angenommen, daß solche Konkurrenzerzeugnisse zwar ähnliche Formen wie die Produkte der Klägerin aufweisen, diesen aber - auch in den Abmessungen - keineswegs gleich sind. Im übrigen können aber, wie der Oberste Gerichtshof schon mehrfach ausgesprochen hat (ÖBl 1986, 43 mit weiteren Nachweisen), auch derartige "Massenartikel" - unter der Voraussetzung einer entsprechenden Verkehrsbekanntheit - aus wettbewerbsrechtlicher Sicht durchaus schutzfähig sein. Inwiefern aber der Umstand, daß die Beklagte "nur" 33 ihrer insgesamt rund 123 Artikel den entsprechenden Erzeugnissen der Klägerin sklavisch nachgebildet hat, gegen die Annahme eines sittenwidrigen Vorgehens sprechen sollte, ist nicht zu sehen.
Dem berechtigten Revisionsrekurs der Klägerin war daher Folge zu geben und in Abänderung der angefochtenen Entscheidung der Beschluß des Erstgerichtes zur Gänze - also einschließlich der der Klägerin auferlegten Sicherheitsleistung - wiederherzustellen. Gegen die Höhe dieser gemäß § 390 Abs 2 EO mit S 300.000 festgesetzten Sicherheit bestehen keine Bedenken; zu einer Herabsetzung dieses Betrages auf S 100.000, wie sie die Klägerin in ihrem Rekurs ON 5 beantragt hat, besteht nach den Umständen des Falles ebensowenig Anlaß wie zu einer - im Rekurs der Beklagten ON 7 hilfsweise
verlangten - Erhöhung auf S 500.000.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 40, 41, 50, 52 ZPO in Verbindung mit §§ 78, 393 Abs 1 und § 402 Abs 2 EO.
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