OGH 14ObA22/87

OGH14ObA22/8724.3.1987

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuderna und Dr. Maier sowie die fachkundigen Laienrichter Herbert Bauer und Dr. Gerald Mezriczky als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Josef L***, Arbeiter, 4050 Traun, Hammerweg 66 a, vertreten durch Dr. Bernhard Steinbüchler, Kammer für Arbeiter und Angestellte für Oberösterreich in Linz, dieser vertreten durch Dr. Walter Rinner, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei O*** Brillenmode International Gesellschaft mbH, 4050 Traun, Johann-Roithner-Straße 131, vertreten durch Dr. Peter Wiesauer und Dr. Helmuth Hackl, Rechtsanwälte in Linz, wegen S 104.457,67 samt Anhang, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes in arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten vom 15. Oktober 1986, GZ 12 Cg 28/86-19, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeitsgerichtes Linz vom 22. April 1986, GZ 1 Cr 143/85-14, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 5.657,85 (darin S 514,35 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war bei der beklagten Partei vom 8. Jänner 1980 bis 3. Mai 1985 als Schichtführer und Maschineneinsteller beschäftigt. Er hatte sechs Mitarbeiter unter sich. Mit Urteil des Landesgerichtes Linz vom 25. September 1985, 23 E Vr 1574/85-6, wurde er der Vergehen der Unterschlagung nach § 134 Abs 1 StGB, der dauernden Sachentziehung nach § 135 Abs 1 StGB und der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung nach § 287 Abs 1 i.V.m. §§ 15 und 269 Abs 1 StGB schuldig erkannt. Das Strafgericht legte ihm zur Last, daß er sich am 30. April 1985 gefundenes Bargeld mit dem Vorsatz zugeeignet habe, sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern; ferner einen anderen dadurch geschädigt zu haben, daß er ihm am selben Tag eine Geldbörse und Hartgeld dauernd entzog, ohne sich die Sachen zuzueignen, und daß er im Zustand voller Berauschung einen Gendarmeriebeamten mit Gewalt an einer Amtshandlung zu hindern versuchte.

Mit der Behauptung, er sei von der beklagten Partei am 3. Mai 1985 ungerechtfertigt entlassen worden, begehrt der Kläger die Zahlung von insgesamt S 104.457,67 brutto samt Anhang an Kündigungsentschädigung, Abfertigung aliquoten Sonderzahlungen und Urlaubsentschädigung.

Die beklagte Partei beantragte, das Klagebegehren abzuweisen, und wendete unter Hinweis auf die strafgerichtliche Verurteilung ein, den Kläger gerechtfertigt entlassen zu haben. Der Kläger sei vom Strafgericht zwar (nur) wegen des Vergehens der Fundunterschlagung verurteilt worden, doch sei seine Tat als Diebstahl zu qualifizieren. Überdies sei er auch schon mehrere Male infolge Trunkenheit unentschuldigt der Arbeit ferngeblieben und dafür immer wieder verwarnt worden. Es sei jegliche Vertrauensbasis verloren gegangen. Seit er entlassen worden sei, gebe es im Betrieb keine Diebstähle mehr.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es traf im wesentlichen folgende Feststellungen:

Die beklagte Partei beschäftigt rund 30 Vorbestrafte, um ihnen die Resozialisierung zu erleichtern. Der Kläger suchte am 29. April 1985 gegen 20.00 Uhr ein Gastlokal in Traun auf und trank dort bis Mitternacht etwa 8 kleine und 2 große "Fezi", eine Mischung aus Cola und Rotwein, sowie 3 "Rüscherl", eine Mischung aus Cola und Branntwein. Gegen Mitternacht lernte er die deutschen Staatangehörigen Alexander L*** und Josef T*** kennen. Alexander L*** legte seine Geldbörse auf die Theke und ging mit dem Kläger hinaus, um mit ihm vor dem Lokal spaßeshalber die Kräfte zu messen. Bei ihrer Rückkehr sah der Kläger eine Geldbörse am Boden liegen. Er nahm sie sofort an sich und steckte sie in die Hosentasche. Kurze Zeit später ging er auf die Toilette, nahm dort 300,--DMund500,-- S aus der Brieftasche und versteckte die Banknoten in seinem rechten Socken. Das Kleingeld, die Ausweispapiere und die Geldbörse warf er in die WC-Muschel. Inzwischen hatte Alexander L*** das Fehlen seiner Brieftasche bereits bemerkt und sofort einen Diebstahl vermutet. Einer der von der Gastwirtin herbeigerufenen Gendarmen sah gerade noch, wie der Kläger die Klospülung betätigte. Bei der Eskortierung zum Gendamerieposten wollte sich der Kläger losreißen; er verletzte dabei einen Gendarmeriebeamten am rechten Zeigefinger. Nach anfänglichem Leugnen bekannte sich der Kläger schuldig; das Geld wurde gefunden.

Am 2. Mai 1985, dem nächsten Arbeitstag, berichtete der Kläger dem Vorarbeiter Walter B*** von dem Vorfall, der wiederrum dem Personalleiter Wolfgang F*** Meldung erstattete. Wolfgang F*** rief den Kläger zu sich und legte ihm einen Zeitungsausschnitt aus den "Oberösterreichischen Nachrichten" vom 2. Mai 1985 mit der Schilderung des Verhaltens des Klägers vor. Nachdem der Kläger die Richtigkeit des Artikels bestätigt hatte, sprach Wolfgang F*** die Entlassung aus. In dem an den Kläger gerichteten Schreiben vom 3. Mai 1985 stützte die beklagte Partei die Entlassung auf § 82 lit d GewO 1859.

In der rechtlichen Beurteilung dieses Sachverhaltes vertrat das Erstgericht die Ansicht, daß der Entlassungsgrund nach § 82 lit d der GewO 1859 verwirklicht worden sei. Das Vorliegen einer strafbaren Handlung, die wie ein Diebstahl oder eine Veruntreuung gegen fremdes Vermögen gerichtet gewesen sei, stehe gemäß § 268 ZPO fest. Bei dieser Tat habe der Kläger eine ehrlose Gesinnung gezeigt, da er die Geldbörse eines Gastes, mit dem er sich gerade noch unterhielt, an sich genommen habe. Duch die weitere für diese Straftat typische und logische Vorgangsweise sei erwiesen, daß er sich dabei noch keineswegs im Zustand voller Berauschung befunden habe. Er sei des Vertrauens des Gewerbeinhabers unwürdig geworden. Gerade er als Schichtführer und Vorgesetzter hätte ein Vorbild für seine Mitarbeiter sein müssen. Aus der Tatsache, daß die beklagte Partei Vorbestrafte beschäftige, könne nicht geschlossen werden, daß sie strafbare Handlungen im Betrieb toleriere.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Es führte das Verfahren gemäß § 25 Abs 1 Z 3 ArbGG neu durch und traf dieselben Feststellungen wie das Erstgericht. Es vertrat die Rechtsauffassung, daß zufolge § 268 ZPO ein Beweisthemenverbot bezüglich der Tatsachen, die den Beweis oder die Zurechnung der strafbaren Handlung betreffen, bestehe. Da das Strafgericht eine volle Berauschung des Klägers nur hinsichtlich des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt angenommen habe, müsse bei den Vermögensdelikten ein entsprechender Vorsatz des Täters unterstellt werden. Auch wenn die strafbare Handlung nicht im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehe, ergebe sich eine Rückwirkung auf den Dienst dadurch, daß die "Oberösterreichischen Nachrichten" von dem Vorfall berichteten. Die Vertrauensunwürdigkeit liege nicht nur in der Begehung eines Vergehens aus Gewinnsucht und der Mißachtung fremden Eigentums, sondern auch in der vorbedachten und planmäßigen Ausführung der Straftat. Damit habe sich der Kläger als Vorgesetzter untragbar erwiesen, zumal die beklagte Partei gerade wegen der Beschäftigung Vorbestrafter in einem besonderen Maß auf ein untadeliges Verhalten der anderen Arbeitnehmer angewiesen sei. Eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auch nur für die Kündigungsfrist sei der beklagten Partei nicht mehr zumutbar gewesen. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im klagsstattgebenden Sinne abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Gemäß § 82 lit d GewO 1859 kann ein Arbeitnehmer ohne Kündigung entlassen werden, wenn er sich eines Diebstahls, einer Veruntreuung oder einer sonstigen strafbaren Handlung schuldig macht, welche ihn des Vertrauens des Dienstgebers unwürdig erscheinen läßt. Die im § 268 ZPO normierte Bindung an den Inhalt eines über die Zurechnung einer strafbaren Handlung ergangenen rechtskräftigen verurteilenden Erkenntnisses des Strafgerichtes bewirkt, daß der Zivilrichter keine vom Strafurteil abweichenden Feststellungen über den Nachweis der strafbaren Handlung, ihre Zurechnung und den Kausalzusammenhang zwischen der strafbaren Handlung und ihren Folgen treffen darf (Fasching, Lehr- und Handbuch, Rz 858 und 861; SZ 54/150; SZ 55/154 ua). Diese bindende Wirkung besteht entgegen der Ansicht des Revisionswerbers n`ch ständiger Rechtsprechung auch dann, wenn das verurteilende Erkenntnis des Strafgerichtes durch einen Protokolls- und Urteilsvermerk nach § 488 Z 7 StPO ersetzt wurde (7 Ob 39/85, 3 Ob 577/85 ua; aM Fasching, Handbuch Rz 860). Auch wenn das Strafgericht in der Qualifikation der Wegnahme der Brieftasche vom Strafantrag (Diebstahl) abwich, (JBl 1986, 801) ändert dies nichts daran, daß der Kläger schuldig befunden wurde, sich fremdes Gut mit Bereicherungsvorsatz zugeeignet zu haben. Er handelte damit ebenfalls vorsätzlich und in ähnlicher schädlicher Neigung oder ehrloser Gesinnung wie ein Dieb, der eine fremde Sache vorsätzlich wegnimmt, um sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern (§ 127 Abs 1 StGB). Die Ausführungen des Klägers, er hätte zur Zeit dieser Tat einen Blutalkoholspiegel von 4 %o aufgewiesen und sei volltrunken gewesen, sind daher schon deshalb unbeachtlich. Überdies hielt das Erstgericht ausdrücklich fest, daß durch die Vorgangsweise des Klägers erwiesen sei, daß er keineswegs im Zustand voller Berauschung gehandelt habe.

Es kann dahingestellt bleiben, ob das Vorgehen des Klägers richtigerweise als Diebstahl zu qualifizieren wäre, wie es die beklagte Partei behauptet. Die an sich schon gegebene Verwerflichkeit seines Verhaltens gegenüber Alexander L***, dessen Geld er an sich brachte, wird noch dadurch verstärkt, daß er die Brieftasche samt den Ausweispapieren verschwinden lassen wollte, womit er Alexander L*** als Ausländer in weitere Schwierigkeiten gebracht hätte. Das Wegnehmen der neben der Theke am Boden liegende Brieftasche, das Herausnehmen der Banknoten, das Verstecken des Geldes im Socken und der Versuch, die Brieftasche mit dem restlichen Inhalt in die Toilette zu spülen, sind daher entgegen der Ansicht des Revisionswerbers keineswegs nur Handlungen, die durchaus dem "normalen" Tatbild einer Fundunterschlagung entsprechen. Es ist daher den Vorinstanzen beizupflichten, daß die beklagte Partei trotz der Einmaligkeit des Vorfalls und der Tatsache, daß er sich außerhalb des Betriebes abspielte, objektiv zu Recht das Vertrauen in den Kläger verlor (Arb 6360; 4 Ob 128/84). Eine Unterschlagung führt ebenso wie ein Diebstahl, wobei im vorliegenden Fall aus der Tatausführung kaum ein Unterschied gegeben ist (vgl. Arb 10.267), in der Regel zur Vertrauensunwürdigkeit des betreffenden Arbeitnehmers. Der Arbeitgeber muß erkennen, daß es dieser Arbeitnehmer mit fremdem Eigentum nicht genau nimmt, und er gerät in beträchtliche Sorge um sein Eigentum und das der Mitarbeiter, dessen Schutz in vielen Fällen nur sehr beschränkt möglich ist (Arb 8227; 14 Ob 132,133/86). Der Kläger war auch Schichtführer und in dieser Funktion Vorgesetzter. Sein Einwand, er hätte niemanden zu beaufsichtigen gehabt, entspricht nicht den Feststellungen. Unabhängig davon, ob die Presse von seinen Verfehlungen berichtete, mußten diese am Ort des Betriebs in einem Gasthaus stattgefundenen Vorfälle Aufsehen erregen und hätten nicht verheimlicht werden können. Eine Rückwirkung auf den Betrieb ist offensichtlich. Die beklagte Partei war daher schon auf Grund der Betriebsdisziplin zur sofortigen Entlassung genötigt. Der Kläger ist nicht nur als Vorgesetzter untragbar geworden, wie schon das Erstgericht zutreffend aufzeigte, sondern sein Beispiel hätte das Verhalten der übrigen Arbeitnehmer und insbesondere der Resozialisierungswilligen negativ beeinträchtigen können. Der beklagten Partei ist es daher gelungen, das Vorliegen eines Entlassungsgrundes nachzuweisen (Arb 9906).

Die Kostenentscheidung ist in den §§ 41 und 50 ZPO begründet.

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