OGH 2Ob589/86

OGH2Ob589/8610.3.1987

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Melber, Dr. Huber und Dr. Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*** G***-O***

K*** zum Heiligen Sava in Wien, 1030 Wien, Veithgasse 3, vertreten durch Dr. Johann Subarsky, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1.) Miroslav S***, Direktor, 1040 Wien, Rainergasse 1, 2.) Drago G***, Geistlicher, 1140 Wien, Flötzersteig 117A, beide vertreten durch Dr. Viktor Cerha und andere, Rechtsanwälte in Wien, wegen Feststellung und Unterlassung (Streitwert je 61.000 S), infolge der Revisionsrekurse der klagenden Partei und der beklagten Parteien gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 3. Jänner 1986, GZ 13 R 240/85-11, womit der Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 9. September 1985, GZ 26 Cg 70/85-5, teilweise bestätigt und teilweise aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs der klagenden Partei wird zurückgewiesen; der Revisionsrekurs der beklagten Parteien wird, soweit er die Kostenentscheidung des Rekursgerichtes bekämpft, ebenfalls zurückgewiesen; im übrigen wird dem Revisionsrekurs der beklagten Parteien jedoch Folge gegeben und der angefochtene Beschluß in seinem Punkt 2.) dahin abgeändert, daß in diesem Umfang der Beschluß des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die Kosten der Parteien werden gegenseitig aufgehoben.

Text

Begründung

Die Klägerin begehrte dem Erstbeklagten gegenüber die Feststellung, daß dieser nicht ihr Organ, insbesondere nicht ihr Vizepräsident sei, sowie, daß er sich jeeer Tätigkeit, wie sie für einen Vizepräsidenten der S*** G***-O***

K*** zum Heiligen Sava vorgesehen sei, zu enthalten habe. Dem Zweitbeklagten gegenüber begehrte sie die Feststellung, daß dieser nicht ihr Pfarrer sei sowie, daß er sich aller Tätigkeiten, wie sie für einen von ihr bestellten Pfarrer vorgesehen seien, zu enthalten habe, insbesondere keine Pfarrbriefe zu verfassen und zu versenden mit dem Hinweis "S*** P*** zum heiligen

Sava", das Versammlungshaus in 1170 Wien, Steinergasse 3, als Pfarramt der S*** G***-O*** K*** zum Heiligen Sava zu bezeichnen, keine Post namens der Klägerin zu versenden oder zu empfangen und keine Taufen und Eheschließungen namens der Klägerin vorzunehmen und Gebühren dafür zu kassieren habe. Die Beklagten beantragten Klagszurückweisung, weil es sich um einen innerkirchlichen Streit handle, für dessen Lösung die Jurisdiktion des Patriachen von Belgrad gegeben und der ordentliche Rechtsweg daher verwehrt sei. Im übrigen bestritten sie die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche.

Das Erstgericht erklärte sein bisheriges Verfahren für nichtig und wies die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurück. Es führte aus, nach dem Bundesgesetz vom 23. Juni 1967 über das äußere Rechtsverhältnis der G***-O*** K*** in Österreich

(BGBl. 229/1967) sei die G***-O*** K*** in Österreich eine gesetzlich anerkannte Kirche im Sinne des Art. 15 des Staatsgrundgesetzes. Gemäß § 4 dieses Gesetzes genieße die Klägerin die Stellung einer Körperschaft des öffentlichen Rechtes. Die Satzung der Klägerin habe mit Wirkung für den staatlichen Bereich zu bestimmen, welcher geistlichen Jurisdiktion sie unterstehe (§ 4 Abs. 2). Nicht nur ein Streit über die Vertretungsbefugnis einzelner Personen für die Klägerin und über die Gültigkeit von Satzungen selbst müsse als dem innerkirchlichen Bereich zugehörig und damit der Jurisdiktion des zuständigen Patriachen unterworfen angesehen werden, sondern auch und besonders die Frage, wer als Pfarrer für eine bestehende Gemeinde auftreten dürfe, sei ausschließlich durch innerkirchliche Instanzen zu klären. Die Parteien hätten daher ihre Meinungsverschiedenheiten über die Gültigkeit der Satzungen bzw. die Berechtigung und die Vertretung und Tätigkeit als Pfarrer vor den für sie zuständigen innerkirchlichen Instanzen auszutragen.

Infolge Rekurses der Klägerin bestätigte das Gericht zweiter Instanz den Beschluß des Erstgerichtes hinsichtlich dessen Punkten 1) und 3) (begehrte Feststellung, daß der Erstbeklagte nicht Organ, insbesondere nicht Vizepräsident, und der Zweitbeklagte nicht Pfarrer der Klägerin sei) (Punkt 1.) des Beschlusses des Rekursgerichtes); hingegen wurde dem Rekurs der Klägerin hinsichtlich der Punkte 2) und 4) des Beschlusses des Erstgerichtes (begehrte Unterlassung jeder Tätigkeit, wie sie für einen Vizepräsidenten bzw. Pfarrer der Klägerin vorgesehen ist) Folge gegeben; in diesem Umfang wurde der Beschluß des Erstgerichtes aufgehoben und dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen (Punkt 2.) des Beschlusses des Rekursgerichtes). Das Rekursgericht sprach aus, daß der Wert des von der Stattgebung betroffenen Teiles des Beschwerdegegenstandes 15.000 S, nicht aber 300.000 S übersteige und der Rekurs nach § 528 Abs. 2 (§ 502 Abs. 4) ZPO zulässig sei. Gegen Punkt 1. des Beschlusses des Rekursgerichtes wendet sich der Revisionsrekurs der Klägerin mit dem Antrag auf Aufhebung der Entscheidung und Erteilung des Auftrages zur Fortsetzung des Verfahrens an das Erstgericht.

Die Beklagten bekämpfen in ihrem Revisionsrekurs den Aufhebungsbeschluß des Rekursgerichtes und dessen Kostenentscheidung aus dem Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, Punkt 2. der Rekursentscheidung im Sinne der Bestätigung des erstgerichtlichen Beschlusses abzuändern und der Klägerin die gesamten Verfahrenskosten aufzuerlegen.

In ihren Revisionsrekursbeantwortungen beantragen die Klägerin und die Beklagten, dem Revisionsrekurs der Gegenseite nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

1. Zum Revisionsrekurs der Klägerin:

Da das Rekursgericht mit dem vom Revisionsrekurs allein bekämpften Punkt 1. seines Beschlusses den Beschluß des Erstgerichtes hinsichtlich der Punkte 1. und 3. des Urteilsantrages der Klägerin zur Gänze bestätigt hat, ist das Rechtsmittel der Klägerin gemäß § 528 Abs. 1 Z 1 ZPO unzulässig und war daher zurückzuweisen. Der Ausspruch des Rekursgerichtes über die Zulässigkeit des Rekurses nach § 528 Abs. 2 ZPO bezieht sich ausdrücklich nur auf den stattgebenden Teil der Rekursentscheidung und wäre somit für den bestätigenden Teil jedenfalls unbeachtlich.

2. Zum Revisionsrekurs der Beklagten:

Soweit die Beklagten die Kostenentscheidung des Rekursgerichtes bekämpfen, ist das Rechtsmittel gemäß § 528 Abs. 1 Z 2 ZPO unzulässig und war daher in diesem Umfang zurückzuweisen; im übrigen ist der Revisionsrekurs zulässig, weil in Wahrheit eine abändernde Entscheidung vorliegt (vgl. JBl. 1970, 319, ZBl. 1926/162 ua) und das Rekursgericht zutreffend die Voraussetzungen des § 502 Abs. 4 Z 1 ZPO für gegeben erachtete. Das Rechtsmittel ist auch berechtigt. Die Beklagten vertreten in ihrem Revisionsrekurs die Auffassung, auch bei den Klagebegehren auf Unterlassung jeder Tätigkeit durch die Beklagten, wie sie für einen Vizepräsidenten bzw. einen Pfarrer der Klägerin vorgesehen seien, handle es sich um "innere Angelegenheiten" der betreffenden Religionsgemeinschaft, bezüglich deren Regelung gemäß Art. 15 StGG der Rechtsweg unzulässig sei. Diesen Ausführungen kommt im Ergebnis Berechtigung zu. Zutreffend legte das Rekursgericht dar, daß im Zweifel bürgerliche Rechtssachen gemäß § 1 JN mangels ausdrücklicher anderer Anordnung durch die Gerichte zu entscheiden sind (Fasching, Komm I 43). Für die Entscheidung der Frage der Zulässigkeit des Rechtsweges ist nur zu prüfen, ob im vorliegenden Fall die Zuständigkeit der Gerichte gesetzlich ausgeschlossen ist. Ob der Rechtsweg zulässig ist, hängt also davon ab, ob es sich um eine bürgerliche Rechtssache handelt und - falls ein bürgerlich-rechtlicher Anspruch geltend gemacht wird - daß dieser nicht durch ein Gesetz ausdrücklich den Gerichten entzogen ist (Fasching aaO I 61). Sachgrundlage für die Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtsweges ist in erster Linie der Wortlaut des Klagebegehrens (Fasching aaO I 62). Im vorliegenden Fall begehrte die Klägerin die Feststellung, daß die Beklagten nicht ihre Organe seien und daß sie die mit einer solchen Organstellung verbundenen Tätigkeiten zu unterlassen hätten. Auf Grund der unanfechtbaren Entscheidung der zweiten Instanz steht bindend fest, daß es sich bei der Frage der Organstellung der Beklagten um eine sog. innere Angelegenheit der Klägerin als gesetzlich anerkannte Religionsgemeinschaft handelt und daher der in der Klage begehrten Feststellung, daß der Erstbeklagte nicht Vizepräsident und der Zweitbeklagte nicht Pfarrer der Klägerin seien, die Unzulässigkeit des Rechtsweges entgegensteht.

Die Klägerin ist gemäß §§ 1 und 4 des Bundesgesetzes vom 23. Juni 1967, BGBl. 229, über äußere Rechtsverhältnisse der G***-O*** K*** in Österreich (GesOrK) eine

gesetzlich anerkannte Kirche im Sinne des Art. 15 des Staatsgrundgesetzes vom 21. Dezember 1867, RGBl. 142, über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger und genießt die Stellung einer Körperschaft des öffentlichen Rechtes. Die Rechte der gesetzlich anerkannten Kirchen, zu denen auch die Klägerin zählt, umschreibt zunächst Art. 15 des Staatsgrundgesetzes vom 21. Dezember 1867, RGBl. 142. Danach ordnet und verwaltet jede gesetzlich anerkannte Kirche und Religionsgemeinschaft ihre inneren Angelegenheiten selbständig. Für die Klägerin ist das Bundesgesetz BGBl. 229/1967 maßgebend, das unter anderem bestimmt: § 8 Abs. 1: aus den Satzungen einer griechisch-orientalischen Kirchengemeinde müssen, um die Wirksamkeit der Satzungen für den staatlichen Bereich sicherzustellen, zu ersehen sein: .... c) welcher geistlichen Jurisdiktion die Kirchengemeinde untersteht; d) Bestimmungen über Erwerb und Verlust der Mitgliedschaft, wonach die Gemeindezugehörigkeit klar bestimmbar ist; e) Rechte und Pflichten der Mitglieder, f) Art der Bestellung der Organe und ihr Wirkungskreis; gemäß Abs. 3 bleibt der Kreis der entsprechend den Satzungen ausgeübten autonomen kirchlichen Gemeindeangelegenheiten im bisherigen Umfang für den staatlichen Bereich

maßgebend - unbeschadet künftiger satzungsgemäßer und unter Bedachtnahme auf Art. 15 des Staatsgrundgesetzes über die allgemeinen Rechte des Staatsbürgers erfolgender Änderdungen und unbeschadet der Wirksamkeit dieser Änderungen auch für den staatlichen Bereich.

Nach dem Klagsvorbringen wurde eine beabsichtigte Änderung des Statutes der Klägerin vom 20. Mai 1906 im Hinblick auf das Bundesgesetz BGBl. 229/1967 bisher nicht durchgeführt, sodaß die Bestimmungen dieses Statutes noch zur Anwendung kommen. Auf Grund dieses Statutes wurde am 4. Juni 1972 der engere Kirchenausschuß gewählt, dem der Erstbeklagte als Vizepräsident angehörte. Diese Wahl wurde dem Bundesministerium für Unterricht und Kunst mitgeteilt und von diesem zur Kenntnis genommen. Das Statut der Klägerin enthält in seinen §§ 23 ff Bestimmungen über den Wirkungskreis des engeren Ausschusses, dem der Vizepräsident ebenso angehört wie dem Präsidialbüro, dessen Wirkungskreis im § 28 geregelt ist. Im § 30 des Statutes sind die Bestellung und der Wirkungskreis des Pfarrers umschrieben. § 19 lit. h des Statutes zählt dem Wirkungskreis des Generalausschusses die Antragstellung bei der kompetenten kirchlichen Behörde auf Einleitung einer Disziplinaruntersuchung gegen den Pfarrer sowie auch die Mitwirkung bei der Durchführung der Untersuchung und bei Erledigung der Sache in dem Falle, wenn es sich um die Entlassung des Pfarrers handelt, zu.

Zur Frage, was dem Begriff "innere Angelegenheiten" zuzurechnen ist, in welche der Staat und damit auch die Gerichte nicht eingreifen dürfen und hinsichtlich derer daher der Rechtsweg unzulässig ist, enthält weder Art. 15 StGG noch das Bundesgesetz BGBl. 229/1967 eine genauere Umschreibung. Der Oberste Gerichtshof hat indes dazu in seiner Entscheidung SZ 47/135 unter ausführlicher Darstellung, der österreichischen und bundes- sowie reichsdeutschen Lehre und der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes eingehend Stellung genommen (siehe SZ 47/135).

In der Entscheidung SZ 47/135 hat der Oberste Gerichtshof zusammenfassend ausgeführt, daß zu den inneren Angelegenheiten jene zu zählen sind, welche den inneren Kern der kirchlichen Betätigung betreffen und in denen ohne Autonomie die Religionsgesellschaften in der Verkündung der von ihnen gelehrten Heilswahrheiten und der praktischen Ausübung ihrer Glaubenssätze eingeschränkt wären. Der erkennende Senat teilt diese Auffassung.

Wie das Rekursgericht in seiner nicht mehr anfechtbaren Entscheidung hinsichtlich der Klagebegehren auf Feststellung, daß die Beklagten nicht Organe der Klägerin seien, zutreffend darlegte, handelt es sich bei der Bestellung der Funktionsträger der Klägerin und damit auch bezüglich der Frage der Organstellung der Beklagten um innere Angelegenheiten einer gesetzlich anerkannten Religionsgesellschaft, in welche ein Eingreifen des Staates und damit auch der Gerichte unzulässig sei. Die Frage der Organstellung sei vielmehr im innerkirchlichen Bereich zu klären. Nach Auffassung des erkennenden Senates würde aber auch die von der Klägerin angestrebte Untersagung der aus der, wie dargelegt vom Gericht nicht überprüfbaren, Organstellung der Beklagten erfließenden Tätigkeiten im Rahmen ihrer kirchlichen Funktionen einen unzulässigen Eingriff in die inneren Angelegenheiten einer gesetzlich anerkannten Religionsgesellschaft bedeuten, zumal nicht nur die Bestellung und Abberufung der Funktionäre der Klägerin in deren Statut geregelt ist, sondern auch der Tätigkeitsbereich und die Verantwortlichkeit und Schadenersatzpflicht (§ 32). Daß aber insbesondere die in der Klage aufgezählten Tätigkeiten des Zweitbeklagten, deren Untersagung gefordert wird, wie vor allem Eheschließungen, Taufen u.dgl. den inneren Kern der kirchlichen Betätigung betreffen, kann nicht zweifelhaft sein. Dem innerkirchlichen Bereich muß aber auch der Tätigkeitsbereich des Erstbeklagten als nach dem Klagsvorbringen im Jahre 1972 statutengemäß gewählten und dem Bundesministerium für Unterricht und Kunst in dieser Stellung zur Kenntnis gebrachten Vizepräsidenten zugerechnet werden. Somit liegt auch bezüglich der im Punkt II. der Entscheidung des Rekursgerichtes genannten Begehren entgegen der Auffassung der zweiten Instanz Unzulässigkeit des Rechtsweges vor, weshalb in diesem Umfang der Beschluß des Erstgerichtes wiederherzustellen war.

Weil aber schon der Rechtsweg unzulässig ist, braucht auf die Frage nach den prozessualen Auswirkungen der mit Bescheid des Bundesministeriums für Unterricht und Kunst vom 21. Dezember 1984 (./2) verfügten zeitweiligen Hemmung der Handlungsfähigkeit der klagenden Partei in äußeren Angelegenheiten für den staatlichen Bereich nicht mehr eingegangen zu werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 51 Abs. 2 ZPO.

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