OGH 6Ob534/87

OGH6Ob534/875.3.1987

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Resch, Dr.Schobel, Dr.Schlosser und Mag.Engelmaier als Richter in der Pflegschaftssache des mj. Kindes Christoph S***, geboren am 22.Dezember 1985, im Haushalt seines Vaters wegen widerstreitender Anträge des Vaters Peter Heinz S***, Gemeindebediensteter,

Wien 5.,Ziegelofengasse 35, vertreten durch Dr.Helmut Payrits, Rechtsanwalt in Wien, und der Mutter Sylvia S***, Kindergärtnerin, Wien 3.,Hegelgasse 28/10, vertreten durch Dr.Ruth Ernstberger, Rechtsanwalt in Wien, wegen Sorgerechtsentscheidung nach § 177 Abs.2 ABGB, infolge Revisionsrekurses des Vaters gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 15.Januar 1987, GZ. 43 R 830/86-40, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 3.Dezember 1986, GZ. 8 P 97/86-33, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Der pflegebefohlene Knabe kam am 22.Dezember 1985 als eheliches Kind zur Welt. Die Eltern hatten im Mai 1985 geheiratet, sie führten ihren ehelichen Haushalt, in dem auch das Kleinkind heranwuchs, in einer aus zwei Zimmern und Küche bestehenden Altbauwohnung im

3. Wiener Gemeindebezirk. Der nun 28 Jahre alte Vater arbeitet als Gemeindebediensteter bei der Magistratsabteilung 39, die nun 21 Jahre alte Mutter ist Kindergärtnerin, die nach der Geburt ihres Sohnes das Karenzjahr in Anspruch nahm. Über Klage der Mutter ist ein Scheidungsverfahren anhängig. Nachdem die Mutter mit ihrem Kleinkind am 23.Mai 1986 aus der Ehewohnung zu ihren Eltern in den

22. Bezirk gezogen, nach dem Verlassen der Ehewohnung durch den Vater aber im August 1986 wieder in diese zurückgekehrt war und auch der Vater ungeachtet der aufrecht gebliebenen ehelichen Spannungen wieder in die Ehewohnung zurückgekehrt war, leben die Eltern seit 21. Oktober 1986 in Trennungsabsicht voneinander getrennt. An diesem Tag zog der Vater in die Wohnung seiner Eltern im 5.Wiener Gemeindebezirk und nahm ohne vorherige Absprache mit seiner Ehefrau das damals zehn Monate alte Kind mit.

Die ehelichen Spannungen zwischen den Elternteilen halten ungeachtet des im Ehestreit am 26.November 1986 eingetretenen Ruhens des Verfahrens an.

Der Vater hatte bereits Ende Mai 1986 einen Antrag gestellt, ihm die elterlichen Rechte zur alleinigen Ausübung zuzuweisen, und diesen Antrag Mitte November 1986 ausdrücklich wiederholt. Die Mutter stellte unmittelbar nach der ohne ihre Einwilligung erfolgten Verbringung des Kleinkindes durch den Vater den entgegengesetzten Antrag, ihr die Elternrechte zur alleinigen Ausübung zuzuweisen.

Das Erstgericht holte Berichte und Stellungnahmen der Jugendämter für den 3. und für den 5.Bezirk ein, es vernahm beide Elternteile, sah aber von der Vernehmung sowohl der mütterlichen als auch der väterlichen Großeltern sowie weiterer als Zeugen namhaft gemachter Personen ab und erachtete auch die Einholung eines Sachverständigengutachtens als entbehrlich. Zu den wechselseitigen Vorwürfen der beiden Elternteile, jeweils nach den charakterlichen Eigenschaften und den bisher gezeigten Verhaltensweisen zur Erziehung des gemeinsamen Kindes untauglich zu sein, erwog das Erstgericht nicht zuletzt nach den gewonnenen persönlichen Eindrücken, daß zwar die rein körperliche Entwicklung des Kindes nach den erhobenen Lebensverhältnissen beim Vater und dessen Eltern sowie auch bei der Mutter keineswegs als gefährdet angesehen werden könnte, daß aber die nach dem derzeitigen Alter des Kindes besonders bedeutsame emotionale Entwicklung bei der Mutter besser gewährleistet sei.

Demgemäß wies das Erstgericht in Stattgebung des Antrages der Mutter unter gleichzeitiger Abweisung des entgegengesetzten Antrages des Vaters die im § 144 ABGB genannten Rechte und Pflichten in Ansehung des Kindes der Mutter zur alleinigen Ausübung zu. Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Es befand die als mangelhaft gerügte Stoffsammlung als ausreichend, erkannte keine Feststellungsmängel und billigte die erstrichterliche Abwägung der für die Sorgerechtsentscheidung gemäß § 178 a ABGB zu berücksichtigenden Umstände.

Der Vater ficht die bestätigende Rekursentscheidung mit Ausführungen zu allen im § 16 Abs.1 AußStrG genannten Anfechtungsgründen und einem auf Stattgebung seines erstinstanzlichen Antrages abzielenden Abänderungsantrag sowie einem hilfsweise gestellten Aufhebungsantrag an.

Rechtliche Beurteilung

Mangels schlüssiger Ausführung eines nach § 16 Abs.1 AußStrG beachtlichen Anfechtungsgrundes ist das Rechtsmittel zurückzuweisen. Das Pflegschaftsgericht hatte über widerstreitende Anträge der zwar noch verheirateten, aber nicht bloß vorläufig getrennt lebenden Eltern eine Entscheidung gemäß § 177 Abs.2 ABGB zu treffen. Es hatte dabei alle im § 178 a ABGB genannten Umstände zu berücksichtigen, diese in der nach § 2 Abs.2 Z 5 AußStrG vorgesehenen Weise zu ermitteln und nach Abwägung dieser Umstände die vorausschauende Beurteilung zu treffen, welcher Elternteil für sich allein den im § 144 ABGB umschriebenen elterlichen Aufgaben eher gerecht zu werden verspricht als der andere.

Das Erstgericht hat die wechselseitigen Vorwürfe beider Elternteile in Beziehung zu ihren prozessualen Interessen im Ehestreit gesehen, nach gewonnenem persönlichen Eindruck und Verwertung der Berichte und Stellungnahmen der Jugendämter auf ihren sachlichen Gehalt untersucht und nach dieser Wertung keinen Anlaß gefunden, das Kleinkind, die Eltern und allfällige weitere Bezugspersonen einer fachärztlichen Befundaufnahme zu unterwerfen. Das Erstgericht hat auch die vom Vater vorgebrachten Argumente gegen die Fähigkeit der Mutter als Erziehungsperson nicht ohne jede Auseinandersetzung mit ihnen übergangen, sondern in einer erkennbaren Würdigung keiner weiteren Überprüfung bedürftig erachtet und deshalb von der Einholung eines Sachverständigengutachtens und weiterer Erhebungen abgesehen.

Das Rekursgericht hat dies in sachlicher Überprüfung gebilligt. Seine Bemerkung über die richtige Zurodnung der Rechtsmittelausführungen zu den einzelnen Anfechtungsgründen beinhaltet keine tragende Begründung für die Nichtstattgebung des Rekurses.

Das Absehen von der Einholung eines Sachverständigengutachtens und die Billigung dieser Stoffsammlungsbeschränkung durch das Rekursgericht beruhten der Sache nach auf einer Wertung der Tatumstände, aus denen sich nach Ansicht des Vaters ein Verdacht der durch Sachverständigengutachten festzustellenden und in den Auswirkungen auf die Kindererziehung zu beurteilenden seelisch-geistigen und charakterlichen Auffälligkeiten der Mutter ergäbe. Die dem Absehen von einer Gutachteneinholung zugrunde gelegte Beurteilung der Verdachtsmomente war einerseits ein Beweiswürdigungsvorgang und andererseits eine der rechtlichen Beurteilung zuzuordnende Wertung der Beachtlichkeit für die vorzunehmende Entscheidung.

Die Rechtsmittelausführungen zum Anfechtungsgrund der Nullität vermögen keinen Verfahrensverstoß vom Gewicht einer Nichtigkeit aufzuzeigen. Auch eine für die Rekursentscheidung erhebliche unrichtige Darstellung des Inhaltes der Rekursausführungen, wie sie zum Anfechtungsgrund der Aktenwidrigkeit gerügt wird, liegt nicht vor. Noch weniger wird eine offenbare Gesetzwidrigkeit der dem Pflegschaftsgericht oblegenen Ermessensentscheidung nach § 177 Abs.2 ABGB schlüssig aufgezeigt. Die Rechtsmittelausführungen versuchen darzulegen, daß die vom Rechtsmittelwerber vorgebrachten Vorfälle, darunter vornehmlich solche, die sich als Verhaltensweisen in der ehelichen Auseinandersetzung darstellten, anders hätten gewichtet werden sollen, als dies die Vorinstanzen taten, und daß demgemäß der Schluß auf eine mindergünstige Erwartung von einer Erziehung des Kindes durch die Mutter gerechtfertigt gewesen wäre. Die Vorinstanzen haben aber erkennbar keinen nach § 178 a ABGB zu berücksichtigenden Umstand außer acht gelassen. Eine auf einer solchen Grundlage vorgenommene Abwägung unter dem Gesichtspunkt des Kindeswohles kann nicht offenbar gesetzwidrig sein. Mangels schlüssiger Ausführung eines nach § 16 Abs.1 AußStrG beachtlichen Anfechtungsgrundes war der Revisionsrekurs zurückzuweisen.

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