OGH 7Ob518/87

OGH7Ob518/8712.2.1987

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Hule, Dr. Warta und Dr. Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dipl.Ing. Adolf W***, Kaufmann, Wien 9.,

Türkenstraße 21, vertreten durch Dr. Helmut Michlmayr, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei prot. Fa. W*** & L*** in Liquidation, Wien 1., Hoher Markt 8, vertreten durch Dr. Peter Hierzenberger, Rechtsanwalt in Wien als Liquidator, sowie den Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Partei Komm.Rat Michael L***, Kaufmann, Wien 1., Hoher Markt 8, vertreten durch Dr. Michael Stern, Rechtsanwalt in Wien, wegen Einverleibung des Eigentumsrechtes (Streitwert S 1,416.793,90 s.A.), infolge der Rekurse der beklagten Partei und des Nebenintervenienten gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 27. November 1986, GZ. 1 R 190/86-13, womit das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 30. Juni 1986, GZ. 11 Cg 34/86-8, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Den Rekursen wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben und in der Sache selbst dahin erkannt, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Der Kläger ist schuldig, dem Beklagten und dem Nebenintervenienten die je mit 15.135,45 S (darin je 1.375,95 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens sowie dem Beklagten die mit 18.151,65 S (darin 1.650,15 S Umsatzsteuer) bestimmten und dem Nebenintervenienten die mit 15.135,45 S (darin 1.375,95 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Verfahrens vor dem Obersten Gerichtshof binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger und der dem Verfahren auf Seite der Beklagten als Nebenintervenient beigetretene Michael L*** sind je zu 50 % Gesellschafter der in Liquidation befindlichen offenen Handelsgesellschaft W*** & L***, zu deren Liquidator Dr. Peter H*** bestellt worden ist. Rechtsvorgänger des Klägers war Simon W***.

Mit der Behauptung, Simon W*** und Michael L*** hätten zum 31. März 1968 die Liquidation der Gesellschaft beschlossen, wobei unter anderem die im 1. Stock befindlichen, der Beklagten gehörigen näher bezeichneten Räumlichkeiten geteilt und entsprechend dieser Teilung in Benützung genommen worden seien, begehrt der Kläger von der Beklagten die Einwilligung in die Einverleibung des ihm auf Grund dieses Realteilungsübereinkommens zukommenden Eigentumsrechtes ob den entsprechenden Anteilen der Liegenschaft EZ 507 KG Innere Stadt Wien mit dem Haus Wien 1., Hoher Markt 8, Hoher Markt 9, Judengasse 1, Marc Aurel-Straße 2 und 2a, verbunden mit dem Wohnungseigentum an W 4-6 St. I und W 6-8 St. II.

Sowohl der Liquidator als auch der Nebenintervenient bestreiten das Zustandekommen der behaupteten "Dissolutionsvereinbarung". Während das Erstgericht das Klagebegehren mit der Begründung abgewiesen hat, derartige Klagen könnten nicht gegen die Gesellschaft, vertreten durch den Liquidator, sondern nur gegen den Mitgesellschafter gerichtet werden, hat das Berufungsgericht mit dem angefochtenen Beschluß die Entscheidung des Erstgerichtes unter Rechtskraftvorbehalt aufgehoben und ausgesprochen, daß der Wert des Streitgegenstandes S 300.000 übersteigt. Das Berufungsgericht hat die Rechtsansicht vertreten, sollte die Behauptung des Klägers richtig sein, würde es sich hiebei um eine gemäß § 152 HGB dem Liquidator erteilte Weisung handeln, die gegen den Liquidator durchgesetzt werden müsse. Es sei daher die Richtigkeit der klägerischen Behauptung zu prüfen.

Die vom Beklagten und dem Nebenintervenienten gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes erhobenen Rekurse sind berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Nach § 152 HGB haben die Liquidatoren gegenüber den nach § 146 Abs. 2 und 3 HGB Beteiligten den Anordnungen Folge zu leisten, welche diese im Betreff der Geschäftsführung einstimmig beschließen. Richtig hat das Berufungsgericht erkannt, daß zu den Weisungsbefugten nach dieser Gesetzesstelle auch die Gesellschafter gehören (Baumbach-Duden-Hopt, HGB 27 524, Hueck, OHG 4 , 485, 492, Großkomm.z.HGB 3 II/2, Anm. 7 zu § 152). Die Liquidatoren müssen jedoch auf Grund des § 152 HGB den Anordnungen der Beteiligten nur Folge leisten, wenn sie von diesen "im Betreff der Geschäftsführung" beschlossen sind. Dies ist nur dann der Fall, wenn es sich um eine Tätigkeit handelt, die in den Geschäftskreis fällt, den das Gesetz den Abwicklern als solchen überträgt und die im § 149 HGB umschrieben ist (Großkomm.z.HGB 3 Anm. 2 zu § 152). Nach § 149 HGB haben die Liquidatoren die laufenden Geschäfte zu beenden, die Forderungen einzuziehen, das übrige Vermögen in Geld umzusetzen und die Gläubiger zu befriedigen. Zur Beendigung schwebender Geschäfte können sie auch neue Geschäfte eingehen. Die Liquidatoren vertreten innerhalb ihres Geschäftskreises die Gesellschaft gerichtlich und außergerichtlich. Zu den zu befriedigenden Gläubigern im Sinne dieser Gesetzesstelle gehören auch Gesellschafter, die eine Forderung an die OHG haben. Beruht die Forderung nicht auf dem Gesellschaftsverhältnis, so steht der Gesellschafter einem Drittgläubiger gleich (Hueck, OHG 4 , 509; Schlegelberger, HGB 4 II, Rdz 14 zu § 149, Großkomm.z.HGB 3 II/2, Anm. 28 zu § 149). Im vorliegenden Fall wird in der Klage keine Forderung behauptet, die nicht aus dem Gesellschaftsverhältnis abzuleiten ist. Der Kläger behauptet nämlich gar nicht, daß ihm die Gesellschaft Liegenschaftsanteile etwa veräußert oder geschenkt hätte. Vielmehr behauptet er eine Liquidationsvereinbarung mit dem Nebenintervenienten. Er bezeichnet diese Vereinbarung auch zutreffend als "Dissolutionsvertrag". Es handelt sich also nicht um eine Forderung, die an die Gesellschaft gestellt und gemäß § 149 HGB vom Liquidator zu befriedigen ist, sondern um eine Forderung, die sich aus einer Liquidationsvereinbarung ergibt. Die Erfüllung solcher Liquidationsvereinbarungen fällt nicht in den im § 149 HGB umschriebenen Geschäftskreis des Liquidators, bezüglich dessen das Weisungsrecht des § 152 HGB gilt. Vielmehr gilt hier § 155 Abs. 3 HGB, demzufolge, falls über die Verteilung des Gesellschaftsvermögens Streit unter den Gesellschaftern entsteht, die Liquidatoren die Verteilung bis zur Entscheidung des Streites auszusetzen haben. Gegenstand des Streites kann jede Meinungsverschiedenheit der Gesellschafter über die Vornahme der Verteilung sein, z.B. ob einem Gesellschafter weniger oder mehr zukommt, als der vom Liquidator in Aussicht genommene Verteilungsmaßstab. Im Rechtsstreit über die Meinungsverschiedenheiten der Gesellschafter können nur diese, nicht die Gesellschafter oder der Liquidator Prozeßpartei sein (Großkommentar aaO, Anm. 17 f., zu § 155; Schlegelberger, HGB 4 II Rdz 15 zu § 155, SZ 31/62, 2 Ob 607/83, 2 Ob 597/84). Richtig hat also das Erstgericht erkannt, daß es sich im vorliegenden Fall um einen Streit über das Bestehen oder Nichtbestehen einer Auseinandersetzungsvereinbarung zwischen den Gesellschaftern handelt. Wie sich aus § 155 Abs. 3 HGB ergibt, ist der Streit über das Bestehen oder Nichtbestehen einer Auseinandersetzungsvereinbarung nicht zwischen einem Gesellschafter und der Gesellschaft bzw. dem Liquidator, sondern zwischen den Gesellschaftern selbst abzuführen. Daraus ergibt sich aber, daß die Beklagte schon nach dem Klagsvorbringen passiv nicht legitimiert ist, weshalb das Klagebegehren abzuweisen war. Es erübrigte sich daher eine Prüfung der Richtigkeit der klägerischen Behauptung über die getroffene Vereinbarung. Vielmehr hatte der Oberste Gerichtshof gemäß § 519 Abs. 2 ZPO die erstgerichtliche Entscheidung wiederherzustellen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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