OGH 5Ob163/86

OGH5Ob163/8610.2.1987

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Griehsler, Dr.Jensik, Dr.Zehetner und Dr.Klinger als Richter in der Rechtssache der Antragstellerin Luzia F***, Krankenpflegerin, Guido Lammer-Gasse 5/7/4, 1220 Wien, vertreten durch Dr.Otto Philp, Rechtsanwalt in Wien, wider die Antragsgegnerin G*** B*** S*** "K***", registrierte

Genossenschaft mbH, Spandlgasse 22/1, 1220 Wien, vertreten durch Dr.Heinz-Volker Strobl, Rechtsanwalt in Wien, wegen §§ 8 Abs 3, 37 MRG infolge Revisionsrekurses der Antragstellerin gegen den mit Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 8. Oktober 1986, GZ. 41 R 22/86-47, ergänzten Beschluß desselben Gerichtes als Rekursgerichtes vom 19.März 1986, GZ. 41 R 22/86-42, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Floridsdorf vom 26. September 1985, GZ. 7 Msch 3/83-34, als nichtig aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der Beschluß des Rekursgerichtes wird aufgehoben.

Dem Rekursgericht wird die neue Entscheidung unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Text

Begründung

Die Antragstellerin bewohnt als Mitglied der Antragsgegnerin in deren Haus Wien 22., Guido Lammer-Gasse 5, Stiege 7, die Wohnung Nr.4 aufgrund des Nutzungsvertrages vom 26.Mai 1977. Im Jahre 1982 ließ die Antragsgegnerin an den Außenwänden des Hauses und u.a. auch in der Wohnung der Antragstellerin zur Behebung von im Winter 1977/78 u.a. in der Wohnung der Antragstellerin aufgetretener Schimmelpilzbildung Wärmedämmplatten anbringen. Wegen der im Zuge dieser Sanierungsarbeiten entstandenen Veränderung der Innenmaße der Küche der Wohnung der Antragstellerin paßten Teile der Kücheneinrichtung nicht mehr, sodaß diese den Veränderungen angepaßt werden mußten; außerdem war eine Neutapezierung der Küche und des Wohnzimmers erforderlich. Die Kosten dieser Adaptierungsarbeiten werden voraussichtlich 43.788 S betragen.

Mit ihrem am 4.Juli 1983 wegen Unterbleibens einer Entscheidung der Schlichtungsstelle gemäß § 40 Abs 2 MRG bei Gericht anhängig gemachten Antrag begehrte die Antragstellerin unter Hinweis auf diesen Sachverhalt und die Bestimmung der §§ 8 Abs 3, 37 Abs 1 Z 5 MRG, die Antragsgegnerin schuldig zu erkennen, ihr den Betrag von 43.788 S - als angemessene Entschädigung für die mit den von ihr zuzulassenden Arbeiten verbundenen Beeinträchtigungen - zu bezahlen. Die Antragsgegnerin beantragte die Abweisung des Antrages. Die Arbeiten hätten nicht der Behebung von Baumängeln gedient, sie seien vielmehr auf Ersuchen der Nutzungsberechtigten in deren alleinigem Interesse einverständlich auf deren Kosten vorgenommen worden. Es handle sich somit um keinen Vorgang nach dem MRG.

Das Erstgericht gab mit Sachbeschluß dem Antrag vollinhaltlich statt. Es traf über den bereits wiedergegebenen Sachverhalt hinaus im wesentlichen noch folgende Feststellungen:

Die im Winter 1977/78 zum ersten Mal aufgetretene Schimmelpilzbildung verging auch während der warmen Jahreszeit nicht. Der damalige Vorstand der Genossenschaft, Sammer, der die Wohnung auf Ersuchen der Antragstellerin besichtigt hatte, versprach seitens der Antragsgegnerin , daß etwas geschehen werde. Bei einer zweiten Besichtigung ewähnte er zwei Möglichkeiten der Wärmedämmung, entweder von außen oder von innen. Über die möglichen Ursachen des Schimmelpilzes wurde nicht gesprochen. Bezüglich der Kosten legte sich die Antragsgegnerin nicht fest. Die letztlich vorgenommene Aufbringung der Wärmedämmplatten war für die Sanierung notwendig. Die Lebensweise der Antragstellerin sowie deren Heiz- und Lüftungsgewohnheiten waren nicht die Ursache des Schimmelpilzbefalles.

Bei der rechtlichen Beurteilung dieses Sachverhaltes ging das Erstgericht davon aus, daß die Schimmelpilzbildung im Bereich der Wohnung der Antragstellerin nicht von dieser verschuldet worden sei und die Sanierungsarbeiten aus im Bereich der Antragsgegnerin gelegenen Gründen notwendig geworden seien. Es handle sich dabei um Maßnahmen, die zur Behebung ernster Schäden im Mietgegenstand im Sinne des § 8 Abs 2 Z 1 MRG notwendig gewesen seien. Die Antragstellerin habe diese Eingriffe im Sinne ihrer Verpflichtung gemäß § 8 Abs 3 MRG geduldet. Nach derselben Bestimmung sei die Antragsgegnerin verpflichtet, der Antragstellerin für die damit verbundene Beeinträchtigung eine angemessene Entschädigung zu gewähren. Da die von der Antragstellerin geltend gemachten Kosten unter Bedachtnahme auf die seit Erstellung der Kostenvoranschläge eingetretene Verteuerung angemessen seien, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

Das Gericht zweiter Instanz hob aus Anlaß des von der Antragsgegnerin erhobenen Rekurses den angefochtenen Sachbeschluß des Erstgerichtes und das diesem vorangegangene Verfahren als nichtig auf und wies den Antrag der Antragstellerin unter gegenseitiger Kostenaufhebung zurück. Mit seinem Beschluß vom 8. Oktober 1986 (ON 47 dA) sprach das Rekursgericht in Ergänzung seiner Entscheidung aus, daß der weitere Rekurs zulässig sei. Aus Anlaß des Rekurses forderte das Rekursgericht die Parteien auf, zu klären, ob das Gebäude, in dem die Wohnung der Antragstellerin liege, im Sinne des § 1 Abs 3 MRG im Eigentum der Antragsgegnerin stehe und von einer gemeinnützigen Bauvereinigung errichtet worden sei. Ausgehend von den auf diese Weise eingeholten Bekanntgaben beider Parteien nahm das Rekursgericht es als unbestritten an, daß die Antragsgegnerin Eigentümerin des genannten Hauses ist und dieses Haus auch von der Antragsgegnerin errichtet wurde. Damit lägen die im § 1 Abs 3 MRG angeführten Voraussetzungen vor und gälten für diesen Fall die Vorschriften der §§ 37 bis 40 MRG nur nach Maßgabe des § 22 WGG. Die Worte "nach Maßgabe" im § 1 Abs 3 MRG seien so zu verstehen, daß die §§ 37 bis 40 MRG nicht zusätzlich zu den Bestimmungen des § 22 WGG gälten, sondern nur so weit das WGG keine anderslautende Regelung enthielte. § 22 Abs 1 WGG regle nun aber ausdrücklich, über welche Angelegenheiten im Außerstreitverfahren zu entscheiden sei. Ob daher über Anträge im Verfahren außer Streitsachen zu entscheiden sei, richte sich ausschließlich nach dem Katalog des § 22 Abs 1 WGG. Die dort nicht angeführten Streitigkeiten seien im Rechtsweg auszutragen. Der von der Antragstellerin ausdrücklich auf § 8 Abs 3 MRG gestützte Anspruch sei jedoch im § 22 WGG nicht enthalten; dieser Anspruch gehöre daher nicht ins Außerstreitverfahren. Daraus ergäbe sich, daß der gegenständliche Antrag, sollte er auf die materiellrechtliche Bestimmung des § 8 Abs 3 MRG gestützt werden können, wegen der Bestimmungen des § 1 Abs 3 MRG im Zusammenhang mit § 22 Abs 1 WGG auf den Rechtsweg gehöre. Es sei daher die im Verfahren nach § 37 MRG ergangene Entscheidung aufzuheben, das bisherige Verfahren für nichtig zu erklären und der ausdrücklich auf § 8 Abs 3 im Zusammenhang mit § 37 Abs 1 Z 5 MRG gestellte Antrag zurückzuweisen gewesen. Den Ausspruch über die Zulässigkeit des Rekurses an den Obersten Gerichtshof begründete das Rekursgericht damit, daß eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes - soweit

überblickbar - über die Frage, ob der geltend gemachte Anspruch ins Außerstreitverfahren gehöre, fehle, der Lösung dieser Frage somit erhebliche Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zukäme. Gegen diese Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich der Rekurs der Antragstellerin mit dem Antrag, die Entscheidung des Rekursgerichtes im Sinne der Wiederherstellung des erstgerichtlichen Sachbeschlusses abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt und in letzter Linie die Überweisung der Rechtssache in das streitige Verfahren beantragt.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig und auch berechtigt.

Mit Recht wendet sich die Antragstellerin gegen die Ansicht des Rekursgerichtes, der von ihr hier geltend gemachte Anspruch gehöre nicht in das außerstreitige Verfahren. Entscheidend für die Abgrenzung zwischen streitiger und außerstreitiger Gerichtsbarkeit ist, ob das Gesetz die einzelne Rechtssache entweder ausdrücklich oder doch aus dem inneren Zusammenhang her unmißverständlich (Fasching, Lehrbuch, Rz 112), also wenigstens unzweifelhaft schlüssig (Würth in Korinek-Krejci, HBzMRG, 499; MietSlg 33.574/19, 34.706/18 ua) ins Außerstreitverfahren verweist. Die Prüfung der Frage, welche Art des Verfahrens anzuwenden ist, ist nach dem Inhalt des von der Partei gestellten Entscheidungsbegehrens und ihrem Sachvorbringen (§ 40 a JN; SZ 51/183; MietSlg 33.574/19, 34.706/18,

35.725 f, 36.718 ua) zu beurteilen. Der hier erhobene Anspruch wurde ausdrücklich auf § 8 Abs 3 MRG gestützt. Daß dieser Anspruch des Mieters auf eine angemessene Entschädigung bei einem den Bestimmungen des MRG uneingeschränkt unterliegenden Mietverhältnis in das besondere außerstreitige Verfahren nach dem MRG gehört, ergibt sich ausdrücklich aus § 37 Abs 1 Z 5 MRG. Aus Anlaß der grundsätzlichen Ausdehnung der Geltung des MRG ua auf genossenschaftliche Nutzungsverträge über Wohnungen (§ 1 Abs 1 MRG) und der eine versuchte Koordination des MRG mit den im WGG normierten Sonderregelungen darstellenden (Würth-Zingher 2 , 7, Anm.20 zu § 1) Regelung des § 1 Abs 3 MRG wurde angeordnet, daß auf Mietgegenstände, die von einer gemeinnützigen Bauvereinigung errichtet wurden, und im Eigentum einer gemeinnützigen Bauoder Verwaltungsvereinigung stehen, verschiedene Vorschriften des MRG nicht anwendbar sind und die verfahrensrechtlichen Bestimmungen des MRG (§§ 37 bis 40) nur nach Maßgabe des § 22 WGG (idF des V. Hauptstückes des MRG) gelten sollten. § 8 MRG wurde dabei nicht ausgenommen. Im Sinne der vom Gesetzgeber gewünschten verfahrensrechtlichen Angleichung an die §§ 37 ff. MRG (vgl. Bericht des Justizausschusses 880 BlgNR XV.GP, 1, Punkt 2 der "tragenden Elemente" der Gesetzesvorlage und 7 zu V.Hauptstück Z 10 bis 12) wurde die Aufzählung der in das Außerstreitverfahren verwiesenen Streitigkeiten im § 22 WGG idF des § 55 MRG zwar durch Aufnahme der - § 6 MRG entsprechenden - Anträge nach § 14 c WGG und auf Entscheidung über den Wohnungstausch ergänzt, die durch § 37 Abs 1 Z 5 MRG ins Außerstreitverfahren verwiesenen - auch im Bereich des § 1 Abs 3 MRG bestehenden - Ansprüche der gemeinnützigen Bau- oder Verwaltungsvereinigungen und deren Mieter nach § 8 Abs 2 und 3 MRG wurden jedoch nicht erwähnt. Nach den Anliegen des Gesetzgebers kann der Änderung des § 22 WGG nur die Absicht zugrunde gelegt werden, das außerstreitige Verfahren des MRG den besonderen Erfordernissen der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft anzupassen. Die im Bereich der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft geltenden von der übrigen Wohnungswirtschaft abweichenden ökonomischen und rechtlichen Rahmenbedingungen, insbesondere hinsichtlich der Entgeltberechnung nach dem Kostendeckungsprinzip, lassen es aber nicht gerechtfertigt erscheinen, die gemeinnützigen Bau- oder Verwaltungsvereinigungen sowie deren Mieter hinsichtlich der mit der Notwendigkeit der Duldung von Eingriffen in das Mietrecht zur Durchführung von Erhaltungsarbeiten einschließlich des Anspruches des Mieters auf angemessene Entschädigung (§ 8 Abs 2 und 3 MRG) verfahrensrechtlich gegenüber den anderen Vermietern und Mietern verschieden zu behandeln, und zwar insoweit, als diesen die Möglichkeit eingeräumt sein sollte, den für sie günstigeren außerstreitigen Weg zu beschreiten, jene aber gezwungen sein sollten, den beschwerlicheren und hinsichtlich der Verfahrenskosten ungünstigeren Rechtsweg einzuschlagen. Eine solche unter dem Grundsatz der Gleichbehandlung bedenkliche Regelungsabsicht kann dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden. Es ist daher davon auszugehen, daß das Unterbleiben der Anpassung des § 22 WGG 1979 an die Regelung des § 37 Abs 1 Z 5 MRG bloß auf einem Versehen des Gesetzgebers beruht (auch Würth-Zingher MRG '86, 146 = § 22 WGG Anm 1.), hier also eine planwidrige Unvollständigkeit im Sinne einer nicht gewollten Lücke des Gesetzes vorliegt, die im Wege einer verfassungskonformen Auslegung des § 22 WGG 1979 in Verbindung mit den §§ 1 Abs 3 und 55 MRG dahin zu schließen ist, daß das besondere außerstreitige Verfahren nach dem MRG mit den verfahrensrechtlichen Besonderheiten des § 22 WGG 1979 idF des MRG auch auf Fälle anzuwenden ist, in welchen die Bestimmungen des § 8 Abs 2 und 3 MRG auch im Regelungsbereich des § 1 Abs 3 MRG materiell anwendbar sind. Der Oberste Gerichtshof ist daher der Auffassung, daß Ansprüche nach § 8 Abs 2 und 3 MRG auch dann im außerstreitigen Verfahren nach § 22 WGG 1979 (§ 37 Abs 1 Z.5 MRG) geltend zu machen sind, wenn es um Mietgegenstände in Gebäuden geht, die von einer gemeinnützigen Bauvereinigung errichtet worden sind und im Eigentum einer gemeinnützigen Bau- oder Verwaltungsvereinigung stehen. Das Rekursgericht ist daher zu Unrecht zur Annahme der Nichtigkeit des erstgerichtlichen Sachbeschlusses und des diesem vorangegangenen Verfahrens gelangt. Da das Rekursgericht es - von einer nicht zu billigenden Rechtsansicht ausgehend - unterlassen hat, auf die im Rekurs der Antragsgegnerin erhobenen Beweis- und Verfahrensrügen einzugehen, ist die Rechtssache noch nicht spruchreif und der Rekurs im Sinne des hilfsweise gestellten Aufhebungsantrages berechtigt. Es mußte daher dem Rekursgericht nach Aufhebung des Zurückweisungsbeschlusses die neue Entscheidung über den Rekurs der Antragsgegnerin aufgetragen werden.

Rekurskosten wurden nicht verzeichnet.

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