Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Beklagte ist schuldig, dem Kläger binnen 14 Tagen die mit S 12.686,25 (einschließlich S 1.920,-- Barauslagen und S 978,75 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die beklagte Stadtgemeinde ist Eigentümerin des Hauses Schulstraße 7/Urfahraner Friedhofstraße 8 in Linz. In diesem einstöckigen Haus hatte die am 8.8.1983 in Konkurs verfallene Gemeinschuldnerin im Erdgeschoß zwei Lagerräume gemietet. Seit anfangs November 1981 blieben die über diesen Lagerräumen befindlichen zwei Wohnungen des ersten Stockwerkes des Hauses nach Auszug der Bewohner leerstehend. Über diesen beiden Wohnungen, die das erste Stockwerk bildeten, befand sich teils der Dachboden des Hauses, teils ein Flachdach. In der Zeit vom 20.12. bis 30.12.1981 herrschte in Linz eine Frostperiode mit Temperaturen bis maximal 13,3 Grad Celsius; am 31.12.1981 begann es zu tauen, dabei erreichte die Lufttemperatur am 6.1.1982 mit 8,6 Grad Celsius den höchsten Wert. An diesem Tage stellte der damalige Geschäftsführer der späteren Gemeinschuldnerin fest, daß der eine Lagerraum in der Höhe einer Handbreite überschwemmt und der zweite Lagerraum ebenfalls durch von oben eindringendes Wasser beeinträchtigt war und die in den Lagerräumen stehenden Küchen- und Badezimmermöbel sowie Elektrogeräte dadurch geschädigt wurden, die Möbel sogar zum Teil völlig unbrauchbar geworden sind. Der nunmehrigen Gemeinschuldnerin ist daraus ein Schaden in Höhe von S 320.000,-- entstanden. Die nach Entdeckung des Wassereinbruches verständigte Feuerwehr der S*** L*** stellte fest, daß das Wasser aus einem gebrochenen Eckventil des Wasserzuflusses des Waschbeckens im Badezimmer der einen leerstehenden Wohnung im ersten Stockwerk über den Lagerräumen der Gemeinschuldnerin geflossen war. Der Bruch dieses Eckventils war von innen nach außen erfolgt und dadurch verursacht worden, daß das im Ventil befindliche Wasser eingefroren war und eine das Ventil zersprengende Volumsvergrößerung bewirkt hatte. Die Steigleitung der Wasserleitung in das erste Stockwerk verlief in der Hausaußenwand, an deren Innenseite auch das dann zerborstene Ventil im Badezimmer der einen Wohnung montiert war, aus dem sich das Wasser in die darunter befindlichen Lagerräume der nunmehrigen Gemeinschuldnerin ergoß. Der Wasserzufluß zu den beiden Wohnungen im ersten Stockwerk des Hauses war im Erdgeschoß gesondert versperrbar. Der klagende Masseverwalter begehrte die Verurteilung der beklagten Stadtgemeinde zum Ersatz des der Gemeinschuldnerin als Mieterin der vom Wasseraustritt aus der darüberliegenden leerstehenden Wohnung betroffenen Lagerräume entstandenen Schadens von S 320.000,-- samt Zinsen. Er warf der Beklagten vor, daß sie es trotz des strengen Winters und einer Frostperiode unmittelbar vor dem Wasserrohrbruch unterlassen habe, in der Wohnung über den Lagerräumen entsprechende Schutzmaßnahmen gegen einen Wasseraustritt zu treffen bzw. diese Wohnung regelmäßig zu besichtigen. Die beklagte Stadtgemeinde begehrte die Abweisung der Klage und wendete im wesentlichen ein: Der Bruch des Eckventils sei nicht auf das Einfrieren der Wasserleitung, sondern auf innere Rostschäden im Ventil zurückzuführen. Sie sei nicht zum Beheizen der unbenützten Wohnung verpflichtet gewesen, da die Wasserleitung in den Mauern dem Stand der Technik entsprechend isoliert und verlegt gewesen sei. Sie sei auch gar nicht zu einer Beheizung der Wohnung imstande gewesen, denn die Zimmer hätten Einzel-Gaskonvektoren besessen und das Bad habe keine Heizung gehabt. Die Ursache des Ventilbruches könne auch in einer Überbeanspruchung oder einer Schlageinwirkung bestanden haben.
Das Erstgericht verurteilte die Beklagte nach dem Inhalt des Klagebegehrens und begründete seine Entscheidung im wesentlichen folgendermaßen:
Die Beklagte hafte sowohl nach § 1318 ABGB als auch wegen schuldhafter Verletzung ihrer Vertragspflichten als Vermieterin der Lagerräume. Die Haftung nach § 1318 ABGB setze eine nach den allgemeinen Lebenserfahrungen und Lebensgewohnheiten objektiv kalkulierbare Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintrittes voraus. Das Vorhandensein einer Wasserleitung in einer Wohnung sei an sich noch keine potentielle Gefahrenquelle in dem Sinn, daß das in den Leitungsrohren befindliche Wasser als in einer nach den allgemeinen Lebenserfahrungen und Lebensgewohnheiten unzulänglichen Weise "verwahrt" und damit als gefährliche Aufbewahrungssache angesehen werden könnte. Die Rechtsprechung gehe davon aus, daß ein Wasserrohrbruch für sich allein regelmäßig noch nicht zu einer Haftung des Wohnungsinhabers nach § 1318 ABGB führe. Nur wenn im Einzelfall besondere Umstände hinzutreten, die nach den allgemeinen Lebenserfahrungen mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit auf die Gefahr eines Wasseraustritts hinweisen, könne eine Haftung nach § 1318 ABGB in Betracht kommen. Im Nichtbeheizen der beiden Wohnungen über den Lagerräumen der Gemeinschuldnerin und im Nichtentleeren der Wasserleitungen liege jener besondere Umstand, der die Haftung der Beklagten als Wohnungsinhaberin und Hauseigentümerin begründe. Die Beklagte habe es auch schuldhaft unterlassen, die technisch mögliche Wasserabsperrung und das Entleeren der Rohrleitung vorzunehmen, so daß sie dem Kläger für den Ersatzanspruch auch aus dem Bestandvertrag hafte.
Das Gericht zweiter Instanz bestätigte das Urteil des Erstgerichtes in der Hauptsache und änderte über Berufung der Beklagten lediglich den Zinsenausspruch teilweise ab. Es begründete seine Entscheidung in der Hauptsache - nur diese ist im Revisionsverfahren Gegenstand der Überprüfung - im wesentlichen so:
Die Beklagte sei als Bestandgeberin der Gemeinschuldnerin verpflichtet gewesen, alle ihr zumutbaren Vorkehrungen zur Hintanhaltung einer Gefährdung des Eigentums der Mieterin zu treffen, und es habe sie auf Grund der hier eintretenden Umkehr der Beweislast gemäß § 1298 ABGB die Pflicht getroffen, zu beweisen, daß sie alles Notwendige und ihr Zumutbare unternommen habe, um den eingetretenen Schaden zu vermeiden. Diesen Beweis habe sie aber nicht erbracht. Ihre Ausführungen in der Berufung seien an der Tatsache vorbeigegangen, daß der Grund für das Einfrieren der in der Außenmauer des Hauses führenden Wasserleitung allein darin gelegen sei, daß sie an eine derartige Gefahr nicht gedacht und auch anläßlich der Übernahme des Hauses keine Prüfung der einzelnen Hähne und Armaturen vorgenommen habe. Es entspreche der Erfahrung des täglichen Lebens und müsse deshalb auch der Beklagten und ihren Erfüllungsgehilfen bewußt gewesen sein, daß im Winter die Gefahr des Einfrierens von Wasserleitungen bestehe und durch plötzlichen Witterungsumschwung außerordentliche Verhältnisse eintreten könnten. Unter diesen Umständen seien die Beklagte und die von ihr bestellte Hausverwaltung verpflichtet gewesen, alles zu unternehmen, um das Einfrieren der Wasserleitung zu verhindern und - wenn dies schon nicht möglich gewesen sein sollte - dafür zu sorgen, daß dann niemand geschädigt werde. Es hätten deshalb während der Frostperioden die Wasserleitungen zu den unbenützten Wohnungen abgesperrt werden müssen, umsomehr als das Waschbecken, bei dem der Wasseraustritt erfolgte, an der Außenwand des Hauses montiert gewesen sei. Es hätte auch bedacht werden müssen, daß das gesamte Obergeschoß des Hauses seit anfangs November 1981 überhaupt nicht mehr benützt wurde und deshalb der dortige Wasserkreis nicht mehr durchflutet gewesen sei, so daß die Wahrscheinlichkeit des Einfrierens des Wassers in diesem Leitungskreis erheblich größer gewesen sei als bei anderen Objekten. Mit Recht habe deshalb das Erstgericht die vertragliche Haftung der Beklagten für den Ersatz des Schadens der Gemeinschuldnerin als Mieterin bejaht. Einer Feststellung, auf welche Weise und wann die gegenständlichen Wasserleitungsrohre verlegt wurden, habe es nicht bedurft, und die von der Beklagten ebenfalls vermißte Feststellung, ob und wann ein Fenster im Stiegenhaus geöffnet gewesen sei, habe nicht die Eignung gehabt, den Entlastungsbeweis für die Beklagte im Sinne des § 1298 ABGB zu erbringen.
Die Beklagte bekämpft das Urteil des Berufungsgerichtes mit Revision aus den Gründen der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung der Sache. Sie stellt den Hauptantrag, diese Entscheidung aufzuheben und die Rechtssache zur Verfahrensergänzung in die zweite Instanz zurückzuverweisen, und begehrt hilfsweise, in Abänderung des angefochtenen Urteiles das Klagebegehren abzuweisen. Der klagende Masseverwalter beantragt, diesem Rechtsmittel nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Die von der Beklagten behaupteten Verfahrensmängel liegen nicht vor.
Mit Recht verweist der Kläger in seiner Rechtsmittelgegenschrift darauf, daß auf die von der Beklagten als Mangel gerügte Unterlassung der Feststellung, es sei zur fraglichen Zeit des Frostes vor dem Rohrbruch ein Fenster im Stiegenhaus in der Höhe des ersten Stockwerkes offen gewesen, nicht eingegangen werden darf, weil in erster Instanz eine entsprechende Behauptung von der Beklagten nicht vorgebracht wurde und wegen des gesetzlichen Neuerungsverbotes jetzt nicht mehr Gegenstand einer Erörterung sein kann.
Richtig ist allerdings, daß die Beklagte in erster Instanz geltend gemacht hat, sie sei ungeachtet der Frostperiode nicht verpflichtet gewesen, die unbenützten Wohnungen über den von der späteren Gemeinschuldnerin gemieteten Lagerräumen zu beheizen, weil die Wasserleitung in den Mauern des Hauses dem Stand der Technik entsprechend isoliert und verlegt gewesen sei, und das Erstgericht die Richtigkeit der behaupteten ordnungsgemäßen Isolierung und Verlegung der Wasserleitung nicht geprüft, das Berufungsgericht sie - ohne konkrete Begründung - ausdrücklich als unerheblich beurteilt hat. Wegen der mangelhaften Begründung des Berufungsgerichtes zur Verwerfung des von der Beklagten im Berufungsverfahren gerügten Verfahrensmangels in erster Instanz muß auf diese Verfahrensrüge eingegangen werden. Die Rüge ist jedoch im Ergebnis nicht berechtigt, denn die Beklagte hat offenkundig übersehen, daß es doch zu der das Eckventil zersprengenden Eisbildung in der Wasserleitung nicht gekommen wäre, wenn - wie sie meint - die dem Stand der Technik entsprechende Rohrisolierung und -verlegung die Eignung gehabt hätte, das in der unbenützten Wasserleitung stehende Wasser vor dem Einfrieren zu bewahren. Tatsächlich war dies aber nicht der Fall, so daß die von ihr in erster Instanz begehrte Feststellung der ordnungsgemäßen Rohrisolierung und -verlegung ihre Rechtsposition in diesem Rechtsstreit nicht verbessert hätte.
Auch die Rechtsrüge ist unberechtigt. Die Vorinstanzen haben die hier alternierend in Betracht kommenden Haftungen der Beklagten als Hauseigentümerin und verfügungsberechtigte Inhaberin der leergestandenen Wohnung über den von der nunmehrigen Gemeinschuldnerin gemieteten Lagerräumen nach § 1318 ABGB als auch nach allgemeinen Schadenersatzgrundsätzen wegen der Schuldverletzung aus dem Bestandvertrag - die erste Instanz aus beiden Haftungsgründen, das Berufungsgericht nur aus dem zuletzt genannten Grunde - mit Recht bejaht und dabei zutreffend das haftungsbegründende Verschulden in der Außerachtlassung der bei der gegebenen Sachlage - anhaltende Frostperiode, ungenützter Wasserleitungsstrang zu unbenützten und nicht beheizten Wohnungen, über denen sich nur mehr teils Dachboden, teils ein Flachdach befand - gebotenen Vorsichtsmaßnahmen erblickt, nämlich in der Unterlassung der Entleerung des selbständig absperrbaren Wasserleitungsstranges zu den beiden Wohnungen im ersten Stockwerk des Hauses. Es entspricht in der Tat der allgemeinen Lebenserfahrung, daß das in ungenutzten Wasserleitungssträngen stehende Wasser schon während einer verhältnismäßig kurzen Frostperiode einfriert, wenn die Mauer im Verlauf der verlegten Wasserleitung nicht durch entsprechende Beheizung von innen die von außen einwirkende Kälte paralysiert. Selbst eine dem Stand der Technik entsprechende Isolierung und Verlegung der Rohre kann diesen Vorgang nur verzögern, aber nicht verhindern, denn es liegt im Wesen der Isolation und der dabei verwendeten Stoffe und Methoden begründet, daß durch eine möglichst geringe Leitfähigkeit des verwendeten Materials der Wärme- bzw. Kälteaustausch nur verzögert werden kann. Dies hätte die Beklagte als Bestandgeberin und verfügungsberechtigte Inhaberin der Wohnung, in der es zum Wasseraustritt infolge Eisbildung in der Wasserzuleitung des Badezimmers gekommen ist, im Hinblick auf die der nunmehrigen Gemeinschuldnerin und seinerzeitigen Mieterin als vom Wasseraustritt in ihrem Vermögen (eingelagerten Waren) Betroffenen drohende Gefahr bedenken müssen. Da sie dies aber nicht getan und auch nicht die erforderlichen Abwehrmaßnahmen getroffen hat, muß sie für den der Gemeinschuldnerin entstandenen Vermögensschaden, der in seiner Höhe unbestritten ist, einstehen.
Aus den dargelegten Erwägungen muß die Revision der Beklagten erfolglos bleiben.
Der Kostenausspruch beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.
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