Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger war vom 4. November 1974 bis 30. Juni 1985 Vertragsbediensteter der beklagten Partei. Er war als Koch in der Küche des Landeskrankenhauses Hochzirl beschäftigt; seit 9. April 1983 war er Betriebsratsobmann. Sein Dienstverhältnis endete durch die mit Schreiben der beklagten Partei vom 29. Jänner 1985 wegen gröblicher Dienstpflichtverletzung (§ 32 Abs 2 lit a VBG) zum 30. Juni 1985 ausgesprochene Kündigung, nachdem das Einigungsamt Innsbruck mit Bescheid vom 17. Jänner 1985 die Zustimmung zur Kündigung erteilt hatte.
Der Kläger begehrt die Feststellung des aufrechten Bestandes seines Dienstverhältnisses; in einem Eventualbegehren beantragt er, die Kündigung gemäß dem § 105 Abs 2 ArbVG für rechtsunwirksam zu erklären. Im Berufungsverfahren erhob er ein auf Zahlung von S 40.000 (das ist ein nicht näher konkretisierter Teil des laufenden Entgelts für die Zeit ab 1. Juli 1985) gerichtetes Zahlungsbegehren. Zur Begründung führt er aus, der behauptete Kündigungsgrund liege nicht vor. Die Kündigung sei aber auch deshalb rechtsunwirksam, weil die im § 105 Abs 1 ArbVG vorgeschriebene Verständigung des Betriebsrates von der Kündigungsabsicht unterblieben sei. Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Der Kläger habe sich gröblicher Dienstpflichtverletzungen schuldig gemacht; § 105 ArbVG sei im Hinblick auf den besonderen Kündigungsschutz der §§ 120 ff ArbVG auf den Kläger nicht anzuwenden.
Das Erstgericht wies Haupt- und Eventualbegehren ab. Es traf folgende noch wesentliche Feststellungen:
Der Kläger war Obmann des Arbeiterbetriebsrates im Betrieb des Landeskrankenhauses Hochzirl. Sein Vorgesetzter in der Küche war Kuno S***; der Kläger war dessen Vertreter. In Abwesenheit des Kuno S*** war der Kläger für die Verpflegung der Patienten und des Personals des Krankenhauses voll verantwortlich. Die in der Küche beschäftigten Bediensteten unterstanden dem Verwaltungsdirektor Josef K*** und dessen Vertreter Herbert A***.
Nachdem wiederholt bei Patienten Brechdurchfall aufgetreten war, der vom ärztlichen Direktor des Krankenhauses darauf angesprochene Verwalter ein Verschulden der Küche aber immer wieder abgestritten hatte, wurde am 21. Mai 1983 vom diensthabenden Arzt eine offensichtlich verdorbene Fleischspeise eingezogen. Als der Kläger wegen dieses Vorfalles befragt wurde, wies er jede Schuld von sich und nannte den vorerwähnten diensthabenden Arzt in Gegenwart anderer Bediensteter einen Lausbuben. Auf ähnliche Weise beleidigte er eine gleichfalls anwesende Schwester.
Am 7. Juni 1984 beleidigte der Kläger auf die näher festgestellte Weise den stellvertretenden Verwaltungsdirektor Herbert A***. Wegen dieses Verhaltens wurde der Kläger mit Schreiben des Amtes der T*** L*** vom 18. Juni 1984 unter Hinweis auf den Entlassungstatbestand des § 34 Abs 2 lit b VBG verwarnt. Trotzdem beschimpfte der Kläger am 16. August 1984 den Wirtschaftsleiter Peter S***, auf den er im Jahr 1981 bereits einmal eingeschlagen hatte, ohne ihn allerdings zu treffen.
Mit Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 14. März 1984 wurde der Kläger der Verwaltungsübertretung nach dem § 74 Abs 2 Z 1 LMG schuldig erkannt und über ihn eine Geldstrafe von S 600 verhängt. Er hatte als verantwortlicher Küchenleiter wertgeminderte Lebensmittel, nämlich Instantpulver für Diabetiker, eine Diätschlagcreme und eine Packung Engel-Expreß-Obstkaltschale, in der Küche des Landeskrankenhauses Hochzirl in Verkehr gebracht. Diese Strafe wurde von der Verwaltung des Landeskrankenhauses für den Kläger gezahlt.
Am 15. August 1984 hatte Kuno S*** in der Küche Dienst. Er wurde vom Kläger abgelöst, der sodann am 16. und 17. August 1984 als verantwortlicher Küchenleiter Dienst versah. Kuno S*** stellte am 15. August 1984 eine Plastikwanne mit Knochen- und Fleischresten aus dem Tiefkühlraum in einen angrenzenden Vorraum, weil sie zur Verarbeitung für eine Grundsauce bestimmt waren. Der Kläger erschien am 16. August 1984 statt um 8 Uhr erst um 9 Uhr zum Dienst, weil er verschlafen hatte. Da er aus diesem Grund nicht mehr dazu kam, die Knochen zu verarbeiten, ließ er sie im Vorraum bis zum Morgen des 17. August 1984. Josef K*** und Peter S*** stellten unabhängig voneinander an diesem Morgen fest, daß von der Plastikwanne ein stinkender Geruch ausging. Über Auftrag des Verwaltungsdirektors entnahm Peter S*** der Plastikwanne eine Probe und brachte diese zur Lebensmitteluntersuchungsanstalt in Innsbruck. Inzwischen hatte der Kläger begonnen, mit diesen Knochen und Fleischresten eine Sauce anzusetzen. Als von der Lebensmitteluntersuchungsanstalt die Nachricht eintraf, daß die Knochen wegen ihres gesundheitsgefährlichen Zustandes nicht mehr verwertet werden dürfen, forderte der Verwaltungsdirektor K***
den Kläger schriftlich auf, die Knochen nicht zu verwenden. Diese schriftliche Weisung wurde dem Kläger gegen 12.30 Uhr übermittelt. Kurz darauf suchte der Kläger den Verwaltungsdirektor auf und sagte, er habe die Knochen schon zu einer Sauce angesetzt. Er fragte, was die Weisung bedeuten solle, er könne schon selbst beurteilen, was er noch verwenden könne. Der Verwaltungsdirektor wies daraufhin den Kläger neuerlich an, die Knochen nicht mehr zu verwenden. Über Auftrag des Verwaltungsdirektors begab sich Herbert A*** mit zwei Bediensteten gegen 13.30 Uhr in die Küche. Dort stellte er fest, daß die angesetzte Sauce in einer Pfanne kochte. Der Kläger sagte zu den drei Personen, sie sollten nicht in die Sauce schauen, sonst würden die Knochen sauer. Herbert A*** erteilte hierauf dem Küchengehilfen G*** den Auftrag, die Sauce zu vernichten. G*** kam diesem Auftrag nicht nach, weil er vom Kläger eine gegenteilige Weisung erhielt. Als Herbert A*** nach einer weiteren Stunde feststellte, daß die Sauce noch immer nicht vernichtet war - der Kläger war inzwischen zum Begräbnis einer Arbeitskollegin gefahren -, ordnete er neuerlich die Vernichtung der Sauce an. G*** kam nunmehr dem Auftrag nach. Der Kläger hatte vor seiner Abfahrt zum Begräbnis Zeit und Möglichkeit gehabt, die Vernichtung der Sauce und der Knochen durch das Küchenpersonal zu veranlassen. Vor der Vernichtung der Sauce war dieser eine Probe entnommen worden. Die damit befaßte Lebensmitteluntersuchungsanstalt in Innsbruck stellte die Gesundheitsschädlichkeit der Sauce sowie der Knochen und Fleischreste fest. Eine gegen den Kläger erhobene Strafanzeige wurde von der Staatsanwaltschaft Innsbruck gemäß dem § 90 StPO zurückgelegt.
Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, die Bestimmungen des § 105 ArbVG seien auf den Kläger nicht anwendbar, weil dieser als Betriebsratsobmann den Bestandschutz der §§ 120 ff ArbVG genieße. Die Weigerung des Klägers, der Weisung über die Vernichtung der Knochen nachzukommen, sei im Zusammenhang mit dem vorangegangenen Verhalten des Klägers gegenüber Peter S*** eine gröbliche Verletzung seiner Dienstpflichten im Sinne des § 32 Abs 2
lit a VBG. Die Kündigung sei daher rechtswirksam.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und wies das in der Berufungsverhandlung erhobene Zahlungsbegehren ebenfalls ab. Es führte das Verfahren gemäß dem § 25 Abs 1 Z 3 ArbGG neu durch und traf die gleichen Feststellungen wie das Erstgericht. Das Berufungsgericht vertrat die Rechtsauffassung, schon die Nichtbefolgung der Weisung des Verwaltungsdirektors allein sei eine gröbliche Dienstpflichtverletzung im Sinne des § 32 Abs 2 lit a VBG und rechtfertige die Kündigung des Klägers. Die Weisung sei auch formal rechtswirksam gewesen, weil sie von vornherein schriftlich erteilt worden sei, so daß sie trotz der vom Kläger dagegen erhobenen Bedenken auch unter Bedachtnahme auf § 44 Abs 3 BDG nicht nochmals habe schriftlich erteilt werden müssen. Da der Kläger den besonderen Bestandschutz der §§ 120 ff ArbVG genieße, kämen die Bestimmungen des § 105 ArbVG auf ihn nicht zur Anwendung. Eine Verständigung des Betriebsrates von der Absicht, den Kläger zu kündigen, sei daher nicht notwendig gewesen.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Revision des Klägers mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne der Klagebegehren abzuändern.
Die beklagte Partei hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Der Kläger hält in seinen Rechtsmittelausführungen die Auffassung aufrecht, die Kündigung sei schon gemäß dem § 105 Abs 2 ArbVG rechtsunwirksam, weil der Betriebsrat von der beabsichtigten Kündigung des Klägers im Sinne des § 105 Abs 1 leg.cit. nicht verständigt worden sei. Für die von den Untergerichten vertretene Meinung, der den Betriebsratsmitgliedern zustehende besondere Bestandschutz der §§ 120 ff ArbVG schließe ein Mitwirkungsrecht des Betriebsrates im Sinne des § 105 ArbVG sowie überhaupt den allgemeinen Bestandschutz aus, ergebe sich aus dem Gesetz kein Anhaltspunkt; Betriebsratsmitglieder stünden vielmehr sowohl unter dem Schutz der §§ 120 ff als auch unter jenem des § 105 ArbVG.
Dieser Auffassung kann, wie die Untergerichte richtig erkannt haben, nicht zugestimmt werden. Der besondere Kündigungs- und Entlassungsschutz der §§ 120 bis 122 ArbVG gilt nur für den im § 120 ArbVG umschriebenen Personenkreis. Dieser besondere, im wesentlichen auf Betriebsratsmitglieder und die Sicherstellung ihrer betriebsverfassungsrechtlichen Tätigkeit zugeschnittene Bestandschutz unterscheidet sich erheblich vom allgemeinen - das heißt grundsätzlich für alle Arbeitnehmer, soweit für sie nicht Sonderregelungen bestehen, geltenden - Kündigungs- und Entlassungsschutz der §§ 105, 106 ArbVG und reicht erheblich über diesen hinaus. Vor allem setzt die Rechtswirksamkeit einer arbeitgeberseitigen Kündigung oder einer Entlassung einer diesen Schutz genießenden Person die vorherige (in den Fällen des § 122 Abs 1 Z 2 und 5 ArbVG die nachträgliche) Zustimmung des Einigungsamtes voraus. Der allgemeine Bestandschutz ist kollektivrechtlich in dem Sinn konstruiert, daß das materielle Anfechtungsrecht nach dem § 105 ArbVG der Belegschaft des Betriebes zusteht; der sich aus den §§ 120 bis 122 ArbVG ergebende besondere Bestandschutz steht hingegen dem betroffenen Betriebsratsmitglied unmittelbar zu und ist daher individualrechtlich gestaltet. Für eine Mitwirkung des Betriebsrates als Organ der Belegschaft, insbesondere für dessen Verständigung nach dem § 105 Abs 1 ArbVG, besteht daher kein Raum. Die Bestimmungen der §§ 120 bis 122 ArbVG sind Spezialnormen, welche den Bestandschutz der unter ihren Geltungsbereich fallenden Personen abschließend und somit unter Ausschluß des allgemeinen Kündigungsschutzes des § 105 ArbVG, der einem ganz anderen Normzweck dient, regeln. Eine Kündigung, der vom Einigungsamt gemäß den §§ 120 ff ArbVG die Zustimmung erteilt wurde, ist daher nach den §§ 105 ff ArbVG nicht anfechtbar (Floretta im ArbVG Handkommentar, 836; derselbe in Floretta-Strasser, Arbeitsrecht 2 I 209, 214).
Über eine Anfechtung nach dem § 105 ArbVG kann im übrigen nur das Einigungsamt entscheiden, so daß das Eventualbegehren auch unter diesem Gesichtspunkt verfehlt ist.
Da der Kläger in seinen Rechtsmittelausführungen die Beurteilung der Nichtbefolgung der Weisung als gröbliche Dienstpflichtverletzung an sich nicht mehr in Abrede stellt, sondern nur noch an seiner Auffassung festhält, die Weisung sei nach dem Vorbringen seiner Bedenken nicht mehr schriftlich wiederholt worden, so daß sie gemäß dem § 44 Abs 3 BDG als zurückgezogen gelte, kann auf die zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichts zur gröblichen Dienstpflichtverletzung verwiesen werden. Schon der Vorfall vom 17. August 1984 verwirklicht aber den Kündigungsgrund des § 32 Abs 2 lit a VBG, so daß auf die Beschimpfungen und insbesondere auf den Vorfall vom 16. August 1984 nicht mehr einzugehen ist. Gemäß dem § 5 VBG ist § 44 Abs 3 BDG sinngemäß anzuwenden. Danach hat der Beamte, der eine Weisung eines vorgesetzten Beamten aus einem anderen als dem im Abs 2 genannten Grund (Weisung eines unzuständigen Organs oder strafgesetzwidrige Weisung) für rechtswidrig hält, wenn nicht Gefahr im Verzug ist, vor Befolgung der Weisung seine Bedenken dem Vorgesetzten mitzuteilen. Der Vorgesetzte hat eine solche Weisung schriftlich zu erteilen, widrigenfalls sie als zurückgezogen gilt.
Im vorliegenden Fall war eine schriftliche Weisung schon deshalb nicht erforderlich, weil die Weisung nicht rechtswidrig war und auch vom Kläger nicht für rechtswidrig, sondern bloß für unzweckmäßig oder sachlich nicht notwendig gehalten wurde. Davon abgesehen hatte aber sein Vorgesetzter, der Verwaltungsdirektor, ohnehin eine schriftliche Weisung erteilt, deren schriftliche Wiederholung schon mangels Geltendmachung eines rechtswidrigen Inhalts nicht notwendig war. Entgegen der Meinung des Klägers galt daher die ihm erteilte Weisung nicht als zurückgezogen.
Abschließend ist noch darauf hinzuweisen, daß die gerichtliche Überprüfung der Kündigung auf das Vorliegen eines tatbestandsmäßigen Kündigungsgrundes nicht etwa schon deshalb ausgeschlossen ist, weil das Einigungsamt auf der Grundlage seines Ermittlungsverfahrens das Vorliegen dieses Kündigungsgrundes als erwiesen angenommen und deshalb die Zustimmung zur Kündigung erteilt hat. Das Arbeitsgericht ist zwar an den Bescheid des Einigungsamtes in bezug auf die Erteilung der Zustimmung zur Kündigung gebunden (Floretta aaO 826), nicht aber an dessen Auffassung über das Vorliegen jenes Grundes, auf den dann die Kündigung gestützt wurde. Für das Einigungsamt sind die im § 121 ArbVG aufgezählten Gründe Zustimmungstatbestände, welche die Kündigung kraft des die Zustimmung erteilenden Bescheides zu einer zulässigen Kündigung machen. Ob der vom Arbeitgeber sodann für die Kündigung des Arbeitnehmers herangezogene Kündigungsgrund (hier: § 32 Abs 2 lit a VBG) die Kündigung materiellrechtlich rechtfertigt, ist vom Gericht ohne jede Bindung an den (zustimmenden) Bescheid des Einigungsamtes zu prüfen. Da die angefochtene Entscheidung somit rechtsrichtig ist, kann der Revision kein Erfolg beschieden sein.
Die Kostenentscheidung ist in den §§ 40, 50 ZPO begründet.
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