OGH 14Ob223/86

OGH14Ob223/8613.1.1987

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kuderna und Dr.Gamerith sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Rupert Dollinger und Johann Friesenbichler als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Reiner (auch: Rainer) K***, Kaufmann, Bregenz, Steinachstraße 9 c, vertreten durch Dr.Wilhelm Winkler und Dr.Bertram Grass, Rechtsanwälte in Bregenz, wider die beklagte Partei prot.Firma V*** G*** A*** E*** R*** & CO, Bregenz, Kirchstraße 35, vertreten durch Dr.Richard Kempf, Rechtsanwalt in Bregenz, wegen restl. 64.121,62 S sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Berufungsgerichtes in arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten vom 16. September 1986, GZ Cga 20/86-14, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeitsgerichtes Feldkirch vom 13. März 1986, GZ Cr 375/85-8, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat der beklagten Partei die mit 3.397,35 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (davon 308,85 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu zahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war bei der beklagten Partei vom 9.September 1968 bis 8. September 1972 als Druckerlehrling und vom 9.September 1972 bis 31. Dezember 1976 als Druckergeselle (Arbeiter) beschäftigt. Am 1. Jänner 1977 wurde er als Druckergeselle gemäß § 6 des Kollektivvertrages für das graphische Gewerbe Österreichs (Mantelvertrag) (im folgenden: KV) in das Angestelltenverhältnis übernommen, ihm eine Abfertigung von 4.340 S (zwei Wochenlöhne) gezahlt und er bis 31.Dezember 1982 als angestellter Druckergeselle weiterbeschäftigt. Vom 1.Jänner 1983 bis zur Kündigung durch die beklagte Partei zum 30.Juni 1985 war der Kläger als kaufmännischer Angestellter tätig. Er erhielt bei seinem Ausscheiden eine Abfertigung in Höhe von 150.480 S (monatliche Bemessungsgrundlage: 38.705 S). Der Berechnung dieses Betrages liegen außer den 8 1/2 effektiven Angestelltenjahren weitere 5 Dienstjahre zugrunde, die dem Kläger gemäß § 6 Z 7 KV idF vom 1.Jänner 1982 als "Zeiten, die der Angestellte in unmittelbar vorausgehenden Dienstverhältnissen als Arbeiter zum selben Dienstgeber zurückgelegt und für die ..... (er) ..... eine Abfertigung bereits erhalten hat", anzurechnen waren. Von dem damit gemäß § 23 Abs. 1 AngG mit vier Monatsbezügen zu bemessenden Abfertigungsanspruch waren gemäß § 6 Z 7 Abs. 2 KV soviele Gesamtwochenlöhne abzuziehen als ihm seinerzeit als Abfertigung ausbezahlt wurden (nämlich zwei Wochenlöhne). Der Kläger behauptet zum Eventualbegehren, - das Hauptbegehren wurde vom Erstgericht rechtskräftig abgewiesen - anläßlich seiner Übernahme in das Angestelltenverhältnis seien nur seine Dienstzeiten als Arbeiter (9.September 1972 bis 31.Dezember 1976), nicht aber die Lehrzeit (9.September 1968 bis 8.September 1972) abgefertigt worden. Unter Berücksichtigung der Lehrzeit habe er mehr als 15 Dienstjahre zurückgelegt, so daß ihm das Sechsfache des monatlichen Entgelts als Abfertigung gebühre. Daraus ergebe sich der mit dem Eventualbegehren geltend gemachte Differenzanspruch von 64.121,62 S sA. Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, der Kläger habe die ihm nach Gesetz und Kollektivvertrag gebührende Abfertigung zur Gänze erhalten. Gemäß Art. VII Abs. 3 ArbAbfG seien für die Bemessung der Abfertigung nach § 23 Abs. 1 dritter Satz AngG Dienstzeiten nicht zu berücksichtigen, für die der Angestellte eine Abfertigung bereits erhalten habe. Mit der Zahlung von 4.340 S seien sämtliche Dienstzeiten des Klägers vor dem 1.Jänner 1977 (einschließlich der Lehrjahre) abgegolten worden. Das Erstgericht gab dem Eventualbegehren statt.

Es stellte fest, daß zwischen den Streitteilen bei Übernahme des Klägers in das Angestelltenverhältnis vereinbart wurde, die vorausgegangenen Dienstjahre als Arbeiter von 1972 bis 1977 (richtig: 31.Dezember 1976) mit zwei Wochenlöhnen abzufertigen. Dieser Abfertigungsbetrag sei entsprechend dem damaligen § 20 KV (.... "3. Die Abfertigung beträgt nach 10 Dienstjahren 3 1/2 Gesamtwochenlöhne ....") aliquot ermittelt worden. Auf die Lehrzeit vom 9.September 1968 bis 8.September 1972 habe sich diese Vereinbarung nicht bezogen.

Das Erstgericht war der Ansicht, Art. VII Abs. 3 ArbAbfG schreibe vor, daß Dienstzeiten iS des § 23 Abs. 1 dritter Satz AngG für die Abfertigung nicht zu berücksichtigen seien, wenn der Angestellte für diese Zeiten eine Abfertigung bereits erhalten habe. Gemäß Abs. 5 dieser Gesetzesstelle blieben Kollektivverträge, Arbeits(Dienst)Ordnungen oder Arbeitsverträge, die den Anspruch auf Abfertigung für die Arbeitnehmer günstiger regelten, insoweit unberührt. Nach § 11 Abs. 4 des KV für kaufmännische Angestellte (gemeint: im graphischen Gewerbe Österreichs) iVm § 23 Abs. 1 AngG seien Zeiten eines Lehrverhältnisses für die Abfertigung zu berücksichtigen, wenn das Dienstverhältnis einschließlich der Lehrzeit mindestens sieben Jahre ununterbrochen gedauert habe. Da die Lehrzeit des Klägers nicht abgefertigt worden sei, habe er unter Berücksichtigung der übrigen effektiven und anrechenbaren Dienstzeiten von insgesamt mehr als fünfzehn Jahren einen Abfertigungsanspruch in der Höhe des Sechsfachen des monatlichen Entgelts. Selbst wenn sich die Abfertigungsvereinbarung vom Dezember 1976 auch auf die Lehrzeit bezogen hätte, läge ein ungültiger Verzicht des Klägers auf den unberücksichtigt gebliebenen aliquoten Teil der Abfertigung vor.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei Folge und wies das Eventualbegehren ab.

Es verhandelte die Rechtssache gemäß § 25 Abs. 1 Z 3 ArbGG von neuem und traf folgende Feststellungen:

Im Zeitpunkt der Übernahme in das Angestelltenverhältnis (1.Jänner 1977) hätte der Kläger auf Grund des damals geltenden KV keinen Abfertigungsanspruch gehabt, da dessen § 20 eine Abfertigung im Ausmaß von drei Gesamtwochenlöhnen (3 1/2 Gesamtwochenlöhne erst ab 31. Jänner 1977) erst nach 10 Dienstjahren vorsah. § 20 Z 6 KV bestimmte damals, daß als Dienstnehmer im Arbeitsverhältnis erworbene Abfertigungsansprüche vor Übernahme in das Angestelltenverhältnis auszuzahlen seien. Der Kläger wurde auf sein Drängen in das Angestelltenverhältnis übernommen. Die Geschäftsleitung der beklagten Partei hatte damals mit dem Betriebsratsobmann mündlich vereinbart, Arbeitern, die ins Angestelltenverhältnis übernommen wurden, unabhängig vom Bestehen eines kollektivvertraglichen Abfertigungsanspruchs eine Abfertigung zu gewähren. Über deren Höhe führte Ing. Richard K***, der seinerzeitige Geschäftsführer der beklagten Partei, mit dem Kläger ein Gespräch, in dem sie vereinbarten, sowohl die Lehrjahre als auch die Arbeiterjahre im Betrieb mit insgesamt zwei Wochenlöhnen abzufertigen, obwohl der Kläger noch keinen kollektivvertraglichen Abfertigungsanspruch hatte. Die Höhe dieser Abfertigungsansprüche wurde auch mit anderen Arbeitern, die ins Angestelltenverhältnis übernommen wurden, individuell geregelt. Eine schriftliche Betriebsvereinbarung bestand über diesen Gegenstand nicht. Das Berufungsgericht war der Ansicht, daß die Zeiten, für die der Kläger von der beklagten Partei anläßlich der Übernahme in das Angestelltenverhältnis eine Abfertigung erhalten hatte, gemäß Art. VII Abs. 3 ArbAbfG für die ihm nunmehr gebührende Abfertigung nicht zu berücksichtigen seien. Es sei gleichgültig, ob der bereits erfüllte Abfertigungsanspruch auf Normen der kollektiven Rechtsgestaltung oder auf einer individuellen Zusage beruhe; auch auf die Höhe der seinerzeit vereinbarten Leistung komme es nicht an. Da der Kläger für seine gesamten Lehr- und Dienstzeiten bis 31. Dezember 1976 abgefertigt worden sei, habe ihm eine Abfertigung nur noch für 8 1/2 (effektive) Angestelltenjahre und weitere 5 gemäß § 6 Z 7 KV anrechenbare Jahre, also für insgesamt 13 1/2 Jahre im Ausmaß des Vierfachen des monatlichen Entgelts (abzüglich der zwei an ihn 1976 ausgezahlten Wochenlöhne) gebührt.

Die relativ geringfügige Höhe der seinerzeit gewährten Abfertigung könne nicht dazu führen, die abgefertigten Dienstzeiten neuerlich zu berücksichtigen. Es sei auch nicht erheblich, ob die damalige Abfertigung mit dem aliquoten Teil des (erst nach 10 Dienstjahren entstehenden kollektivvertraglichen) Abfertigungsanspruches erfolgt sei oder nicht. Die den Arbeitern seinerzeit kraft Kollektivvertrags gebührenden Abfertigungsansprüche seien im Verhältnis zu jenen nach dem Angestelltengesetz relativ geringfügig gewesen; diese Härte sei durch die Anrechnung von fünf Dienstjahren durch § 6 Z 7 KV ohnehin gemildert worden. Die Frage der Abfertigung von Vordienstzeiten sei nach dem zur Zeit der Anspruchsentscheidung geltenden Recht zu beurteilen.

Die gegen das Urteil des Berufungsgerichtes wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision des Klägers ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor (§ 510 Abs. 3 ZPO).

Der behauptete Feststellungsmangel ist nicht gegeben. Aus den Entscheidungsgründen des Urteils der zweiten Instanz geht deutlich hervor, daß zwischen den Streitteilen eine einzelvertragliche Vereinbarung zustandekam, die gesamten Vordienstzeiten des Klägers (einschließlich der Lehrzeit) mit zwei Wochenlöhnen abzufertigen. Damit führt aber die Anwendung des Art. VII Abs. 3 ArbAbfG, der bestimmt, daß Dienstzeiten iS des § 23 Abs. 1 dritter Satz AngG für die Abfertigung nicht zu berücksichtigen sind, wenn der Angestellte für diese Zeiten eine Abfertigung bereits erhalten hat, dazu, daß die Zeiten, die der Kläger als Lehrling und als Arbeiter bei der beklagten Partei verbrachte (9.September 1968 bis 31.Dezember 1976), bei der Bemessung der Abfertigung nach § 23 Abs. 1 AngG nicht zu berücksichtigen sind, soweit § 6 Z 7 KV keine Bestimmungen enthält, die den Anspruch auf Abfertigung günstiger regeln (Art. VII Abs. 5 ArbAbfG). Es ist wohl richtig, daß dem Kläger beim Ausscheiden aus den Diensten der beklagten Partei am 30.Juni 1985 eine höhere Abfertigung gebührt hätte, wenn die Lehr- und Arbeiterjahre bis 31. Dezember 1976 damals nicht abgefertigt worden wären. Wenn die Revision dazu behauptet, der Kläger wäre nach dem seinerzeit geltenden Kollektivvertrag gar nicht abzufertigen gewesen, weil er noch nicht 10 Dienstjahre als Lehrling und Arbeiter zurückgelegt hatte, so daß durch die Vereinbarung einer freiwilligen Abfertigung zu seinem Nachteil (!) vom Kollektivvertrag abgegangen worden sei, verkennt er, daß die Frage, ob Sondervereinbarungen für den Arbeitnehmer iS des § 3 ArbVG günstiger sind, nur nach der Rechtslage zum Zeitpunkt des Abschlusses dieser Vereinbarung beurteilt werden kann. Damals war es aber für den Kläger günstiger, eine sondervertragliche Abfertigung für rund 8 1/3 Lehrlings- und Arbeiterjahre in der Höhe von zwei Wochenlöhnen zu erhalten als überhaupt nichts; ein kollektivvertraglicher Anspruch auf Abfertigung hätte ja erst nach 10 Jahren bestanden, und die Anwartschaftszeiten auf diesen Anspruch wären für den Kläger (nach damaliger Rechtslage) verloren gewesen, weil Lehre und Rechtsprechung zur seinerzeitigen Fassung des § 23 Abs. 1 AngG der Ansicht waren, daß für die Bemessung der (damals nur Angestellten gebührenden) Abfertigung keine Anrechnung der beim selben Arbeitgeber als Arbeiter (Lehrling) zugebrachten Zeiten stattfinde und nur die als Angestellter vollstreckte Dienstzeit Berücksichtigung finde (Martinek-Schwarz, AngG 3 [1976] 371). Die Parteien konnten im Jahre 1976 nicht vorhersehen, daß mit dem Inkrafttreten des Arbeiterabfertigungsgesetzes am 1.Juli 1979 auch nicht abgefertigte Dienstzeiten als Arbeiter bei der Bemessung der Abfertigung zu berücksichtigen sein würden.

Art. VII Abs. 3 ArbAbfG stellt nur darauf ab, daß der Angestellte für Dienstzeiten, die er in unmittelbar vorausgegangenen Dienstverhältnissen als Arbeiter oder Lehrling beim selben Dienstgeber zurückgelegt hat, eine Abfertigung bereits erhalten hat; ob auf den gezahlten Betrag ein kollektivvertraglicher Anspruch bestand oder ob die Abfertigung dieser Zeiten auf einer einzelvertraglichen Vereinbarung beruhte, ist ohne Belang (Martinek-Schwarz, Abfertigung-Auflösung des Arbeitsverhältnisses, 425, vgl. auch Migsch, Abfertigung für Arbeiter und Angestellte Rz 421 f, 222 f). Soweit die Revisionsausführungen unterstellen, die Lehrzeiten des Klägers seien durch die Zahlung der Abfetigung von 4.340 S nicht abgegolten worden, ist sie nicht gesetzmäßig ausgeführt. Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte