OGH 13Os172/86

OGH13Os172/868.1.1987

Der Oberste Gerichtshof hat am 8. Jänner 1987 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller (Berichterstatter), Dr. Felzmann, Dr. Brustbauer und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Aumann als Schriftführerin in der Strafsache gegen Eric S*** wegen des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB. über die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Jugendschöffengerichts vom 17. Juli 1986, GZ. 24 Vr 2452/85-17, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalts Dr. Rzeszut, und des Verteidigers Dr. Blasl, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben.

I. Das angefochtene Urteil, das im Freispruch von der Anklage der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB. unberührt bleibt, wird im Schuldspruch, im Strafausspruch sowie in den Aussprüchen über die Vorhaftanrechnung (§ 38 StGB.) und über die Kostenersatzpflicht (§ 389 StPO.) aufgehoben.

II. Eric S*** wird von der Anklage, am 30. August 1985 in Linz in Gesellschaft des abgesondert verfolgten Thomas R*** fremde bewegliche Sachen in unbekanntem Wert bisher unbekannt gebliebenen Kraftwageneigentümern mit dem Vorsatz wegzunehmen getrachtet zu haben, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, und hiedurch das Vergehen des versuchten Diebstahls nach §§ 15, 127 Abs. 1 und 2 Z. 1 StGB. begangen zu haben, gemäß § 259 Z. 3 StPO. freigesprochen.

Text

Gründe:

Der am 3.April 1968 geborene Hilfsarbeiter Eric S*** wurde (abweichend von der auf das Vergehen des versuchten Diebstahls nach §§ 15, 127 Abs. 1 und 2 Z. 1 StGB. lautenden Anklage) des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB. schuldig erkannt. Darnach hat er am 30. August 1985 in Linz den vor dem Haus Hafferlstraße 10 geparkten Personenkraftwagen des Özgül N*** vorsätzlich beschädigt, indem er das Wagendach mit Faustschlägen eindellte. Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf § 281 Abs. 1 Z. 8, 9 lit. a und 9 lit. b StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Rechtliche Beurteilung

Der Einwand, durch den Schuldspruch wegen Vergehens der Sachbeschädigung sei die Anklage unter Verstoß gegen die Vorschriften der §§ 262, 263 und 267 StPO. überschritten worden (Z. 8), erweist sich als berechtigt. Die gegen den Beschwerdeführer erhobene Anklage enthielt den Vorwurf, er "habe am 30.8.1985 in Linz mit dem abgesondert verfolgten Thomas R*** in Gesellschaft als Beteiligter fremde bewegliche Sachen in unbekanntem Wert bisher unbekannt gebliebenen PKW-Eigentümern mit dem Vorsatz wegzunehmen versucht, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern" (S. 33). In der Anklagebegründung wird als Sachverhalt inkriminiert, daß S*** (durch Aufpasserdienste des R*** unterstützt) bei mehreren geparkten Personenkraftwagen die Türsperre überprüfte, "wobei er beabsichtigte, aus dem Fahrzeug verwertbare Gegenstände zu stehlen" (S. 34). Davon ausgehend muß der Beschwerde beigepflichtet werden, daß der dem angefochtenen Schuldspruch zugrundeliegende Sachverhalt, nämlich die vorsätzliche Beschädigung des dem Özgül N*** gehörigen Fahrzeugs durch mehrere Faustschläge gegen das Wagendach, von den Tatsachengrundlagen des Anklagevorwurfs nicht erfaßt war. Die Urteilsfeststellungen beruhen vielmehr auf Angaben des Zeugen Özgül N*** in der Hauptverhandlung (S. 88, 89 i.V.m. S. 76), die eine Ausdehnung der Anklage (Antrag gemäß § 263 Abs. 1 StPO.) nicht zur Folge hatten. Da das unter Anklage gestellte Geschehen die urteilsgegenständliche Sachbeschädigung, wie oben ausgeführt, nicht umfaßt und darum von einer Identität von Anklagetat und Urteilstat nicht gesprochen werden kann, ist der angefochtene Schuldspruch wegen Überschreitung der Anklage nichtig (Z. 8).

Ohne daß es noch eines Eingehens auf das weitere Beschwerdevorbringen bedarf, war daher in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde das angefochtene Urteil, das im übrigen (nämlich im unangefochten gebliebenen Teilfreispruch: B 1 und 2) unberührt zu bleiben hat, im Schuldspruch, im Strafausspruch einschließlich des Ausspruchs über die Anrechnung der Vorhaft gemäß § 38 StGB. sowie im Ausspruch über die Kostenersatzpflicht aufzuheben, ohne daß ein formeller Freispruch von § 125 StGB. zu ergehen hatte (siehe SSt. 53/17 u.a.).

Damit bleibt allerdings (hier anders als zu SSt. 53/17) die schriftliche Anklage wegen des mit der angenommenen Sachbeschädigung realkonkurrierenden versuchten Diebstahls (ON. 3) noch unerledigt. Eine Aufhebung und Rückverweisung wäre diesbezüglich nur auf Grund einer Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft (Z. 7) möglich gewesen. Sonach ist der Freispruch von der unerledigten Anklage wegen §§ 15, 127 Abs. 1 und 2 Z. 1 StGB. eine rechtslogische Folge der durch die Anklageüberschreitung (bei gleichzeitiger Vernachlässigung der Diebstahlsanklage) entstandenen Prozeßlage. Mit anderen Worten: Bei der gegebenen Verfahrenssituation ist ein Schuldspruch nicht mehr möglich, weil die Übergehung des Diebstahlsfaktums in der urteilsmäßigen Erledigung der Strafsache diese Tat mangels Anfechtung seitens des Staatsanwalts (Z. 7) unerweisbar macht (§ 259 Z. 3, dritter Fall, StPO.: "oder nicht erwiesen sei, daß der Angeklagte die ihm zur Last gelegte Tat begangen habe").

Im Hinblick auf die abschließenden Ausführungen der Generalprokuratur muß zur Klarstellung vermerkt werden, daß ein "Erkenntnis in der Sache selbst" gemäß § 288 Abs. 2 Z. 3 StPO., desgleichen etwa auch ein amtswegiger Vorgang zu Gunsten des Angeklagten gemäß § 290 Abs. 1, erster Fall, StPO. nicht möglich war: Von der - konkludenten ("in allen anderen Fällen") - Berücksichtigung eines die Anklage überschreitenden Urteilsfaktums im § 288 Abs. 2 Z. 3 StPO. abgesehen, setzen beide Vorschriften einen materiellen Rechtsirrtum des Erstgerichts (auf der Grundlage von Tatsachenfeststellungen) voraus, wovon bei der bloßen, von Rechtserwägungen materieller Art unabhängigen Nichterledigung der Anklage nicht die Rede sein kann. Namentlich betreffend § 288 Abs. 2 Z. 3 StPO. sei darauf hingewiesen, daß die Gliederung des § 288 StPO. nach den vorangestellten Aufzählungen schließlich im Abs. 2 Z. 3 nur mehr Raum für die Beseitigung einer Anklageüberschreitung (Z. 8) und für die materiellen Nichtigkeitsgründe der Z. 9 bis 11 läßt, also für die Korrektur eines materiellen Rechtsirrtums.

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