OGH 8Ob72/86

OGH8Ob72/8617.12.1986

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Maria M***, Hausfrau, 4020 Linz, Waldmüllergang 10 b, vertreten durch Dr. Gottfried Lindner, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagten Parteien

  1. 1.) Stefan M***, Angestellter, 4293 Bad Zell, Aich 81,
  2. 2.) O*** V***, 4030 Linz,

    Gruberstraße 32, beide vertreten durch Dr. Werner Leimer und Dr. Manfred Leimer, Rechtsanwälte in Linz, wegen S 692.766,-, Rente und Feststellung infolge Revision der klagenden Partei und der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 26. Juni 1986, GZ. 6 R 60/86-58, womit infolge Berufungen der klagenden Partei und der beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 31. Juni 1986, GZ. 3 Cg 116/84-51, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Beiden Revisionen wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin ist schuldig, den Beklagten an Kosten des Revisionsverfahrens S 17.361,04 (darin an Barauslagen S 2.040,- und an Umsatzsteuer S 1.384,21) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 2. Juli 1983 ereignete sich auf der Kreuzung Hanuschstraße-Reuchlinstraße in Linz ein Verkehrsunfall, an dem die Klägerin als Lenkerin eines Mopeds, pol. Kennzeichen L 1.899, und der Erstbeklagte mit seinem bei der Zweitbeklagten haftpflichtversicherten PKW Ascona Kombi, pol. Kennzeichen O 802.549, beteiligt waren. Die Klägerin wurde schwer verletzt. Der Erstbeklagte wurde vom Bezirksgericht Linz wegen des Vergehens der fahrlässigen schweren Körperverletzung nach § 88 Abs 1 und 4 erster Fall StGB zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen, bedingt auf 3 Jahre, rechtskräftig verurteilt.

Die Klägerin begehrte den Zuspruch eines Betrages von S 692.766,-- s.A. sowie für die Zeit ab 1. März 1984 eine monatliche Rente von S 8.206,-- an unfallskausalem Pflegeaufwand. Sie beantragte die Feststellung, daß ihr die Beklagten zur ungeteilten Hand für alle künftigen Schadenersatzansprüche aus diesem Verkehrsunfall ersatzpflichtig sind, die Zweitbeklagte jedoch nur im Rahmen des bezogenen Haftpflichtversicherungsvertrages. Die Klägerin sei mit ihrem Moped in die bevorrangte Hanuschstraße eingefahren. Sie habe den vom Erstbeklagten befahrenen rechten Fahrstreifen der Hanuschstraße bereits überquert gehabt, als es zum Zusammenstoß mit dem PKW des Erstbeklagten kam. Der Erstbeklagte sei mit einer Geschwindigkeit von mindestens 120 km/h im Stadtgebiet gefahren. Er sei, als die Klägerin in die Hanuschstraße einfuhr, noch außerhalb ihrer Sichtweite gewesen. Den Erstbeklagten treffe das Alleinverschulden am Unfall.

Die Beklagten beantragten die Abweisung des Klagebegehrens. Die Klägerin habe dadurch, daß sie vor dem herannahenden Erstbeklagten von der Reuchlinstraße in die bevorrangte Hanuschstraße einfuhr, den Vorrang des Erstbeklagten verletzt. Da der Erstbeklagte mit überhöhter Geschwindigkeit gefahren sei, rechne er sich ein Mitverschulden am Verkehrsunfall an. Zufolge der Vorrangverletzung treffe aber auch die Klägerin ein 60 %iges Mitverschulden. Das Erstgericht erkannte ausgehend von einer Schadensteilung im Verhältnis 1 : 1 die Klageforderung mit S 163.549,-- und die eingewendete Gegenforderung mit S 18.215,14 als zu Recht bestehend und verpflichtete die Beklagten, der Klägerin S 145.333,86 s.A. zu bezahlen. Weiters sprach es der Klägerin für die Zeit ab 20. März 1984 eine monatliche Rente von S 4.103,-- zu. Dem Feststellungsbegehren wurde zur Hälfte stattgegeben. Das Mehrbegehren wurde abgewiesen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht, hingegen jener der Beklagten teilweise Folge; es änderte die erstgerichtliche Entscheidung dahin ab, daß es der Klägerin ab 20. März 1984 nur eine Rente von S 3.703,-- zuerkannte; im übrigen bestätigte es das erstgerichtliche Urteil.

Gegen die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richten sich die Revisionen der Klägerin und der Beklagten je aus dem Anfechtungsgrund des § 503 Abs 1 Z 4 ZPO. Die Klägerin beantragt die Abänderung des Berufungsurteiles dahin, daß ihr weitere S 479.295,14 s.A., eine Rente von S 8.206,-- vom 1. März 1984 bis 19. März 1984 und eine weitere Rente von S 4.103,-- ab 20. März 1984 zugesprochen werden; außerdem möge dem Feststellungsbegehren zur Gänze stattgegeben werden; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Die Beklagten beantragen die Abänderung der angefochtenen Entscheidung dahin, daß dem Rentenbegehren ab 20. März 1984 lediglich mit S 3.203,-- stattgegeben werde.

In den Revisionsbeantwortungen beantragen die Parteien, der Revision der Gegenseite nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revisionen sind nicht berechtigt.

Die Vorinstanzen gingen bei ihren Entscheidungen von nachstehenden für das Revisionsverfahren noch relevanten Feststellungen aus:

Die Fahrbahnbreite der Hanuschstraße beträgt rund 14 m. Die Fahrbahn wird rechts und links von einem Radweg begleitet, der in Fahrtrichtung des Erstbeklagten rechts 2,5 m und links 1,8 bis 1,9 m breit ist. Etwa in der Mitte zwischen den beiden Pflasterreihen ist eine Leitlinie aufgetragen. Die Reuchlinstraße ist gegenüber der Hanuschstraße durch das Verkehrszeichen "Vorrang geben", das sich etwa 4 m vor der verlängerten Gehsteigkante der Hanuschstraße befindet, abgewertet. Die Hanuschstraße beschreibt in Fahrtrichtung des Erstbeklagten eine langgezogene Rechtskrümmung. An der Kurveninnenseite ist nach einem ca. 2 m breiten Gehsteig ein Holzlattenzaun vorhanden, der eine Höhe von gut 1 m hat. Ca. 30 bis 35 m von der Kreuzung entfernt ist im Garten an diesen Holzlattenzaun heranreichend ein Gebüsch und eine kleine Föhre gesetzt. Diese Gewächse wirken absolut sichtbehindernd. Ein Mopedlenker, der aus der Reuchlinstraße kommend sich auf Höhe der verlängerten Gehsteigkante befindet, hat nach links eine Sicht von 62 m über den links von ihm befindlichen Schnittpunkt der Fahrbahnränder hinaus. Wenn ein Mopedfahrer bis zur verlängerten, in die Fahrbahn eingelassenen Pflasterreihe (also um 2,5 m weiter) vorfährt, dann besteht nach links auf einen herankommenden Verkehr, bezogen auf die Schnittpunkte der Fahrbahnränder der Reuchlin- und der Hanuschstraße, eine Sicht von etwa 69 bis 70 m. An der gegenüberliegenden Ecke befindet sich ein Verkehrsspiegel. In diesem Verkehrsspiegel besteht aus der Reuchlinstraße - etwa auf Höhe der verlängerten Fahrbahnkante der Hanuschstraße gesehen - nach links Sicht auf einen Querverkehr bis auf eine Entfernung von rund 150 m vor dem Schnittpunkt der Fahrbahnränder. Im Verkehrsspiegel ist aber die Entfernung eines herannahenden Fahrzeuges und die von diesem eingehaltene Fahrgeschwindigkeit nicht abschätzbar. Das Fahrzeug des Erstbeklagten war aber jedenfalls als ein sich rasch näherndes Objekt erkennbar.

Im Bereich der Annäherung des Erstbeklagten aus Richtung Bindermichl ist auf der Hanuschstraße durch Vorschriftszeichen eine erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h verfügt. Weiters ist, entgegen der Fahrtrichtung des Erstbeklagten, auf der rechten Seite mehrfach das Gebotszeichen "Radweg" angebracht; in Fahrtrichtung des Erstbeklagten ist unmittelbar nach Einmündung der Zufahrt zum Wagner-Jauregg-Krankenhaus (ca. 150 m von der Kreuzung) das Gebotszeichen "Radweg" auf der rechten Seite aufgestellt. Nach der Einmündung der Reuchlinstraße ist stadteinwärts gesehen die oben erwähnte Pflasterreihe, welche den Radweg von der übrigen Fahrbahn abgrenzt, nicht mehr vorhanden. Ein Ende des Radweges ist allerdings nicht markiert.

Die Klägerin hielt ihr Moped in der Reuchlinstraße vor der Kreuzung mit der Hanuschstraße an. Sie stand mit dem Vorderrad etwa 1 m vor der verlängerten Fahrbahnkante etwa in Fahrbahnmitte der Reuchlinstraße. Hinter ihr hatte ihr Ehemann, der ebenfalls mit einem Moped unterwegs war, angehalten. Nachdem die Klägerin drei Autos auf der Hanuschstraße passieren hatte lassen, setzte sie ihr Fahrzeug wieder in Bewegung und wollte die Fahrbahn der Hanuschstraße zum Linksabbiegen überqueren. Die Klägerin beschleunigte ihr Automatikmoped mit etwa 1,3 bis 1,4 m/sec 2 und erreichte nach Zurücklegen einer Strecke von etwa 3,5 m, bis auf der verlängert gedachten Pflasterreihe, eine Geschwindigkeit von etwa 10 bis 11 km/h.

Zur gleichen Zeit näherte sich der Erstbeklagte mit seinem PKW auf der Hanuschstraße aus Richtung Bindermichl kommend der Kreuzung mit der Reuchlinstraße. Der Erstbeklagte hielt eine Fahrgeschwindigkeit von ca. 108 bis 109 km/h ein. Er hatte sich den verlängerten Fahrbahnkanten der Hanuschstraße und Reuchlinstraße auf etwa 69 m genähert, als sich die Klägerin mit ihrem Moped in der oben beschriebenen Position auf Höhe der Pflasterreihe befand. Der Erstbeklagte entschloß sich, als er nun wahrnahm, daß die Klägerin in die Fahrbahn der Reuchlinstraße einfuhr, sofort zu einer Bremsung. Im Zuge des Bremsmanövers geriet der Erstbeklagte über die Fahrbahnmitte und stieß etwa 2,5 bis 2,6 Sekunden, nachdem er die in die Hanuschstraße einbiegende Klägerin wahrgenommen hatte, mit dem Moped zusammen. Die Klägerin hatte in der Zeit von rund 2,5 Sekunden eine Geschwindigkeit von ca. 20 km/h erreicht und hatte weitere ca. 11 m zurückgelegt. Vor dem Anstoß, der in Fahrtrichtung des Erstbeklagten gesehen, etwas links der Leitlinie ca. 11 m vom Schnittpunkt der verlängerten rechten Fahrbahnkante der Hanuschstraße und in Fahrtrichtung der Klägerin gesehen, verlängerten linken Fahrbahnkante der Reuchlinstraße erfolgte, hatte die Klägerin keine erkennbare Abwehrreaktion gesetzt. Vom PKW Kombi des Erstbeklagten wurde bis zum Anstoßpunkt eine doppelte Bremsspur von etwa 33 m Länge abgezeichnet. Nach einer doppelten Knickstelle setzte sich diese Bremsspur nach dem Anstoß noch über ca. 19 m weiter fort, sodaß die Auslaufspur insgesamt eine Länge von rund 21 m aufwies. Bis zum Anstoß war es dem Beklagten durch sein Bremsmanöver gelungen, seine Fahrgeschwindigkeit auf etwa 70 km/h herabzusetzen. Die Bremsverzögerung betrug dabei etwa 7,3 m/sec 2 . Durch den Anstoß erfolgte eine Geschwindigkeitsverminderung in der Größenordnung von etwa 7 bis 7,5 km/h.

Wenn der Erstbeklagte eine Ausgangsgeschwindigkeit von rund 60 km/h eingehalten hätte, dann wäre es ihm möglich gewesen, sein Fahrzeug in etwa 37 bis 38 m anzuhalten. Da der Reaktionspunkt des Erstbeklagten, wie oben festgestellt, 69 m vor dem Schnittpunkt der verlängerten Fahrbahnkanten der Kreuzung lag, hätte daher der Beklagte, wenn er die vorgeschriebene Höchstgeschwindigkeit nicht überschritten hätte, die Möglichkeit gehabt, den Unfall durch Anhalten seines Fahrzeuges zu verhindern. Zudem wäre der Erstbeklagte, wenn er eine Geschwindigkeit von 60 km/h nicht überschritten hätte, 1,6 Sekunden später auf Höhe der Unfallstelle eingetroffen. Falls die Klägerin ihr an der Unfallstelle erreichtes Fahrtempo von 20 km/h beibehalten hätte, wäre es ihr möglich gewesen, in den 1,6 Sekunden zusätzlich 9 m an Wegstrecke zurückzulegen. Diese 9 m hätten ausgereicht, um aus einer Position knapp rechts der Fahrbahnmitte, in beabsichtigter Fahrtrichtung der Klägerin gesehen, bis an den rechten Rand der Asphaltfahrbahn in Parallelfahrt zu diesem heranzukommen. Demnach wäre der Erstbeklagte bei Einhaltung einer Fahrgeschwindigkeit von nicht mehr als 60 km/h nicht einmal gezwungen gewesen, vom Gas wegzugehen, um auf Höhe der Unfallstelle das klägerische Fahrzeug passieren zu können.

Der Unfall wäre auch dann vermeidbar gewesen, wenn sich die Klägerin zum Zeitpunkt der direkten Sicht auf das herannahende Fahrzeug des Erstbeklagten zu einer Bremsung entschlossen hätte. Die Klägerin hielt zu diesem Zeitpunkt eine Fahrgeschwindigkeit von etwa 11 km/h ein, sodaß es ihr bei einer Bremsverzögerung von 4 m/sec 2 möglich gewesen wäre, ihr Fahrzeug über einen Anhalteweg von insgesamt 4,5 m, allerdings innerhalb der rechten Fahrbahnhälfte anzuhalten und dadurch eine Berührung der später abgezeichneten Fahrlinie des Fahrzeuges des Erstbeklagten zu vermeiden. Die Klägerin hatte die Wegstrecke von 3,5 m bis zum Erreichen des Sichtpunktes in etwa 2,2 Sekunden zurückgelegt. In diesem Zeitraum war der Beklagte mit seinem Fahrzeug etwa 66 bis 67 m weit gefahren. Insgesamt war das Fahrzeug des Erstbeklagten daher rund 135 m von der späteren Unfallstelle entfernt, als die Klägerin losfuhr.

Der Klägerin wäre es, bevor sie ihr Fahrzeug in Bewegung setzte, möglich gewesen, das Fahrzeug des Erstbeklagten das aus einer Entfernung von etwa 145 bis 160 m vor der Kreuzung bereits als sich näherndes Objekt für die Klägerin erkennbar war, im Verkehrsspiegel wahrzunehmen, wobei eine Schätzung sowohl der Entfernung und der Fahrgeschwindigkeit, als auch der Größe und der Fahrzeugbestandteile, nicht möglich war.

Die Klägerin erlitt ein schweres Schädel-Hirntrauma mit Gehirnerschütterung, Hirnprellung und Blutung unter die harte Hirnhaut rechts; weiters einen Serienrippenbruch der 1. bis 7. Rippe links, einen Bruch der 8. und 9. Rippe rechts, eine Gasluftbrust, einen Verrenkungsbruch des 12. Brustwirbelkörpers, eine Rückenprellung mit Nierenblutung sowie tiefgreifende Hautabschürfungen im Gesicht, am linken Knie und an beiden Sprunggelenken. Die Folge ist eine Querschnittslähmung, zu der noch die Behinderung der Arme, speziell eine leichte Lähmung des rechten Armes, hinzutreten. Die Klägerin ist nicht in der Lage, sich selbst zu katheterisieren. Sie kann sich in keiner Weise selbst versorgen. Es ist notwendig, daß sie selbst von einer Person etwa 4 Stunden täglich gepflegt wird. Darüber hinaus sind weitere Pflegeaufwendungen notwendig, weil die Klägerin nicht mehr in der Lage ist, abzuwaschen, Wäsche zu waschen usw. Sie wird von ihrem Mann gepflegt, der dabei auch von seiner Mutter unterstützt wird. Diese kann die vollkommen hilflose Frau jedoch nicht heben und ihr daher nur im Liegen Handreichungen machen. Der Ehemann muß der Klägerin auch das Essen zubereiten. Er wird bei seiner Pflegetätigkeit nur insoferne unterstützt, als alle 12 Tage, wenn er Frühschicht hat, an 3 Tagen eine Caritas-Helferin sich insgesamt 9 Stunden lang um die Klägerin kümmert und sie pflegt. Für diese Tätigkeit muß die Klägerin S 320,-- insgesamt 30mal im Jahr bezahlen. Die Klägerin erhält eine Berufsunfähigkeitspension von monatlich S 1.516,50, einen Hilflosenzuschuß von monatlich S 2.194,-- und einen Kinderzuschuß von monatlich S 420,--.

Das Erstgericht erachtete eine Verschuldensteilung im Verhältnis 1 : 1 für angemessen; die Klägerin habe sich eine Vorrangverletzung zuschulden kommen lassen, der Erstbeklagte habe die zulässige Höchstgeschwindigkeit um ungefähr 80 % überschritten. Das relevante Rentenbegehren basiere auf einem monatlichen Pflegeaufwand von S 10.400,--. Nach Abzug des Hilflosenzuschusses von monatlich S 2.194,-- verblieben S 8.206,--. Entsprechend der Verschuldensteilung gebührten daher S 4.103,-- an monatlichen Kosten für eine Pflegeperson. Das Feststellungsbegehren sei zu 50 % berechtigt.

Das Berufungsgericht war ebenfalls der Auffassung, daß die Klägerin den Vorrang des Erstbeklagten verletzt habe. Da sie im Verkehrsspiegel zunächst Geschwindigkeit und Entfernung des von links herankommenden Fahrzeuges des Erstbeklagten nicht abzuschätzen vermochte, hätte sie bei Erreichen der Schwelle zwischen Radweg und Hauptfahrbahn nochmals nach links schauen müssen. Sie habe in diesem Bereich schon direkte Sicht auf den PKW des Erstbeklagten gehabt. Der Erstbeklagte habe demgegenüber die zulässige Geschwindigkeit sehr beachtlich überschritten. Die vom Erstgericht vorgenommene Verschuldensteilung von 1 : 1 sei daher gerechtfertigt. Das Erstgericht habe bei der Festsetzung der Pflegerente im Rahmen des ihm gemäß § 273 ZPO eingeräumten freien Ermessens insofern richtig entschieden, als es die zur Pflege der Klägerin erforderlichen 120 Arbeitsstunden pro Monat mit S 80,-- pro Stunde veranschlagte, ohne hiebei etwa deshalb gewisse Beträge in Abzug zu bringen, weil ein Teil der Pflegearbeit von einer Caritas-Helferin verrichtet wird, für welche ein geringerer Stundenlohn als S 80,-- zu bezahlen ist. Die Caritas-Helferin trete an die Stelle des Ehemannes, dessen Pflege sie bei dessen Frühschicht übernahm. Das Erstgericht habe aber irrtümlich zu dem erforderlichen Pflegeaufwand von 120 Stunden im Monat noch die für die Pflegeleistungen der Caritas-Helferin zu leistenden Beträge zugesprochen. Der Pflegeaufwand betrage daher S 9.600,--. Hievon sei der Hilflosenzuschuß von monatlich S 2.194,-- abzuziehen, was S 7.604,-- ergebe. Davon die Hälfte mache den monatlich zu leistenden Betrag von S 3.703,-- aus.

1.) Zur Revision der Klägerin:

Die Klägerin bestreitet im Grunde nicht, daß ihr die Verletzung des Vorranges des Erstbeklagten anzulasten sei. Sie vermeint aber, daß ihr Vorrangverstoß im Vergleich zur grob verkehrswidrigen Fahrweise des Erstbeklagten bei der Verschuldensteilung als unerheblich betrachtet werden könne. Dem kann jedoch nicht gefolgt werden:

Nach ständiger Rechtsprechung kommt es bei der Ausmessung der Verschuldensanteile besonders auf den Grad der Fahrlässigkeit der Verkehrsteilnehmer sowie die Wichtigkeit der verletzten Vorschriften für die Sicherheit des Straßenverkehrs im allgemeinen und im konkreten Fall an (ZVR 1967/164; ZVR 1971/154 ua). Es entspricht ständiger Judikatur, daß ein Verstoß gegen die gesetzlichen Bestimmungen über den Vorrang in der Regel schwerer als andere Verkehrswidrigkeiten wiegt (ZVR 1974/210; ZVR 1977/3; ZVR 1978/202; 8 Ob 171/80; 8 Ob 31/82 uva.). Nur ausnahmsweise ist der Oberste Gerichtshof von diesem Grundsatz abgegangen. So gelangte er zu einer Verschuldensteilung im Verhältnis 1 : 2 zugunsten des vorrangverletzenden Verkehrsteilnehmers, weil auf der anderen Seite mehrere grobe Verstöße gegen die Straßenverkehrsordnung, und zwar eine überhöhte Geschwindigkeit, eine verspätete Reaktion, eine beträchtliche Alkoholisierung von 1,76 %o und der Mangel einer Lenkerberechtigung vorlagen (ZVR 1980/333). Bei Gegenüberstellung einer Vorrangverletzung mit einer bloßen Geschwindigkeitsüberschreitung wurde aber in der Regel das überwiegende Verschulden des benachrangten Verkehrsteilnehmers angenommen. So führte der Oberste Gerichtshof in 8 Ob 197/82 etwa aus, daß im Vergleich zu einer bloßen Überschreitung der zulässigen Geschwindigkeit um 30 km/h (80 km/h gegenüber 50 km/h) die Mißachtung des Vorranges als überwiegend zu beurteilen wäre. Nur weil im Beispielsfall noch zur Geschwindigkeitsüberschreitung um 30 km/h dazu kam, daß der Vorrangberechtigte sein Fahrzeug in alkoholbeeinträchtigtem, fahruntüchtigen Zustand gelenkt hatte, gelangte der Oberste Gerichtshof zu einer Verschuldensteilung im Verhältnis 1 : 1. Der vorliegende Fall ist dadurch gekennzeichnet, daß der Verletzung des Vorranges durch die Klägerin eine Geschwindigkeitsüberschreitung durch den Erstbeklagten um 48 km/h gegenübersteht. Dies rechtfertigt im Sinne der übereinstimmenden Ansichten der Vorinstanzen zwar eine Verschuldensteilung im Verhältnis 1 : 1; von einem Zurücktreten des Verschuldens der Klägerin, die gegen den dem Erstbeklagten zustehenden Vorrang in Verletzung einer zu den Grundlagen des Verkehrsrechtes zählenden Vorschrift verstoßen hat, kann aber bei einem Vergleich mit den dargelegten Beispielsfällen nicht gesprochen werden. Ihrer Revision war somit der Erfolg zu versagen.

2.) Zur Revision der Beklagten:

Die Beklagten vertreten in ihrem Rechtsmittel die Auffassung, daß sich der Pflegeaufwand der Caritas-Helferin zu ihren Gusten dahin auswirken müsse, daß die Rente der Klägerin um monatlich S 500,-- geringer, somit mit monatlich S 3.203,-- auszumessen sei.

Den dargelegten Argumenten kann aber nicht gefolgt werden:

Nach Lehre und ständiger Rechtsprechung hat der Geschädigte im Falle seiner Körperverletzung unter dem Gesichtspunkt vermehrter Bedürfnisse einen Ersatzanspruch gegen den Schadenersatzpflichtigen hinsichtlich jener Auslagen, die ihm dadurch entstehen, daß er die Dienstleistungen anderer infolge seiner unfallsbedingten Körperbehinderung in Anspruch nehmen muß (ZVR 1979/135; 8 Ob 139/80 uza). Es kommt dabei nicht darauf an, ob der Verletzte tatsächlich Kosten für eine Pflegeperson aufgewendet hat; auch wenn dritte Personen die notwendigen Dienste unentgeltlich leisten, kann der Schädiger daraus keinen Vorteil für sich ableiten, weil diese Leistungen nicht erbracht werden, um ihn von seiner Ersatzpflicht zu befreien. Entscheidend ist vielmehr, welches Entgelt der Geschädigte für eine Pflegeperson zahlen müßte (8 Ob 221/71; 2 Ob 49,50/73; ZVR 1975/19; 8 Ob 139/80 ua). Diesen Aufwand haben die Vorinstanzen mit S 80,-- als an der unteren Grenze jenes Entgeltes liegend angenommen, das auf alle Fälle für eine Pflegeperson pro Stunde zu zahlen wäre. Kommt es nach der Lehre und ständigen Rechtsprechung aber nicht darauf an, ob der Verletzte tatsächlich Kosten für eine Pflegeperson aufgewendet hat, spielt es auch keine Rolle, daß zeitweilig und in Ausnahmsfällen - wie im vorliegenden Fall - eine Caritas-Helferin zu günstigen Konditionen die Pflegeleistungen, die sonst der Ehemann der Klägerin angedeihen ließ, übernahm. Daß die Caritas-Helferin ihre Leistungen erbrachte, um die Beklagten von ihrer Ersatzpflicht zu befreien, kann dem vorliegenden Sachverhalt nicht unterstellt werden. Zutreffend hat daher das Berufungsgericht den von den Beklagten angestrebten Abzug an der der Klägerin zuerkannten Pflegerente nicht vorgenommen.

Auch der Revision der Beklagten war somit der Erfolg zu versagen. Beim Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens war der überwiegende Abwehrerfolg der Beklagten entsprechend zu berücksichtigen (§§ 43 Abs 1, 50 ZPO).

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