OGH 9Os156/86

OGH9Os156/8610.12.1986

Der Oberste Gerichtshof hat am 10.Dezember 1986 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Horak, Dr. Lachner und Dr. Massauer als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Kiss als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Rudolf J*** und einen anderen wegen des Verbrechens nach § 12 Abs 1 SuchtgiftG und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Raoul S***, die Berufung des Angeklagten Rudolf J***, sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft hinsichtlich beider Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 13.August 1986, GZ 6 b Vr 10687/85-25, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Kodek, sowie der Verteidiger Dr. Maurer und Dr. Seist, jedoch in Abwesenheit der Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen den Angeklagten Rudolf J*** und Raoul S*** auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Rudolf J*** und Raoul S*** (1.) - unter überflüssiger Anführung der im zweiten Satz des § 12 Abs 1 SuchtgiftG enthaltenen Definition der "großen Menge" im Urteilsspruch - des Verbrechens nach § 12 Abs 1 SuchtgiftG und

(2.) des Vergehens nach § 16 Abs 1 (vierter und fünfter Fall) SuchtgiftG schuldig erkannt. Darnach haben sie bis 16. (gemeint: Mitte) Juni 1986 in Wien und anderen Orten (zu 1.) den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift in einer großen Menge, nämlich 80 Gramm Heroin, aus der Türkei ausgeführt und nach Österreich eingeführt, sowie

(zu 2.) seit 1985 unberechtigt ein Suchtgift (nämlich Haschisch und Heroin) erworben und besessen.

Beide Angeklagten wurden hiefür zu Freiheitsstrafen verurteilt; das Gegenstand der strafbaren Handlungen zu Punkt 1 bildende Suchtgift wurde gemäß § 13 Abs 1 SuchtgiftG eingezogen.

Rechtliche Beurteilung

Den Schuldspruch laut Punkt 1 des Urteilssatzes bekämpft der Angeklagte S*** mit einer auf die Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde; gegen die Strafaussprüche haben beide Angeklagten und die Staatsanwaltschaft Berufung ergriffen.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde:

Im Rahmen der Mängelrüge (Z 5) wendet der Angeklagte S*** gegen den Schuldspruch wegen § 12 Abs 1 SuchtgiftG zunächst ein, die im Urteil enthaltene Mengenangabe von 80 Gramm Heroin sei aktenwidrig, weil nach dem Gutachten des gerichtsmedizinischen Sachverständigen Prof.Dr.M*** der Gesamtinhalt des in vier Plastiksäckchen eingeführten Suchtgifts lediglich 65,2 Gramm und der Anteil an reinem Heroin überhaupt nur 24,09 Gramm betragen habe. Von einer Aktenwidrigkeit kann indes keine Rede sein; kann sich doch der bekämpfte Ausspruch auf die Angaben des Mitangeklagten J*** in der Hauptverhandlung (vgl S 102, 103) sowie auf den Inhalt der Polizeianzeige stützen, in der von ca 80 Gramm Heroin die Rede ist (S 23, 37, 41, 46). Daß der Anteil an reinem Heroin in der von den beiden Angeklagten tatsächlich eingeführten Menge - wie die Beschwerde ausführt - lediglich ca 24,09 Gramm betragen hat, wurde vom Erstgericht im Urteil durch die mehrfache Bezugnahme (vgl S 116, 120) auf die Angaben des Sachverständigen Dr.M*** über die Qualität des Suchtgiftes ohnedies festgestellt und durch den Hinweis auf das Gutachten (ON 17) mängelfrei begründet. Da diese Menge an reinem Heroin die sogenannte Grenzmenge jedenfalls weit übersteigt, kommt der Frage, bis zu welchem Gesamtgewicht sie durch Begleitstoffe gestreckt wurde, keine entscheidungswesentliche Bedeutung zu, sodaß die insoweit behauptete Nichterörterung keine Nichtigkeit nach der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO zu bewirken vermag. Mit seinen weiteren Beschwerdeausführungen sowohl zur Z 5 als auch zur Z 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO wendet sich der Angeklagte gegen die Annahme seiner unmittelbaren (Mit-) Täterschaft im wesentlichen mit der Argumentation, daß die erstgerichtliche Feststellung, er habe das Suchtgift gemeinsam mit dem Angeklagten J*** nach Österreich geschmuggelt aktenwidrig sei, sein aus der Mithilfe beim Einfüllen (Verstecken) des Heroins in eine Sonnenölflasche abzuleitender (bloßer) Tatbeitrag noch in der "Vorbereitungsphase des Delikts" gesetzt worden sei, diese Hilfeleistung zudem - anders als dies bei der ursprünglich geplant gewesenen Beförderung des Heroins in "Körperöffnungen" der Fall gewesen wäre - gar nicht notwendig und demzufolge auch nicht kausal gewesen sei; schließlich sollte er zufolge der geänderten Beförderungsweise des Suchtgifts keine Belohnung mehr (durch Überlassen von Heroin zum Eigenbedarf) erhalten.

Eine Aktenwidrigkeit - welche die unrichtige Wiedergabe des Inhalts einer bestimmten Urkunde oder einer bestimmten Aussage zur Voraussetzung hätte - liegt abgesehen davon, daß dem Beschwerdeführer hier kein Finanzvergehen (Schmuggel) zur Last liegt und demzufolge die Frage einer zollrechtlichen Stellungspflicht einer bestimmten Person gar nicht aktuell wird, schon deshalb nicht vor, weil die Feststellungen hinsichtlich der Täterschaft (auch) des Angeklagten S*** in dessen eigener, mit der Verantwortung des Mitangeklagten J*** in den wesentlichen Punkten im Einklang stehender Darstellung über die gemeinsame Fahrt nach Istanbul, um (eine größere Menge) Heroin zu beschaffen, das Zusammenwirken beim Verstecken des Suchtgifts, um es unbemerkt über die Grenze nach Österreich zu bringen und über die gemeinsame Rückfahrt nach Österreich mit dem Angeklagten J***, von dem auch der Beschwerdeführer wußte, daß sich das Heroin in dessen Reisegepäck befand, volle Deckung findet (vgl S 50 ff, 60, 107). Solcherart tragen aber die vom Beschwerdeführer bekämpften, seine Mitwirkung an Ausführungshandlungen umfassenden Urteilskonstatierungen (S 119) durchaus die vom Erstgericht angenommene unmittelbare (Mit-) Täterschaft. Abgesehen davon haftet aber als Täter (gemäß § 12 StGB) auch, wer zwar nicht an der Ausführung der Tat mitwirkt, aber sonst zu deren Ausführung (durch einen anderen als unmittelbaren Täter) vorsätzlich beigetragen hat, was sowohl durch Rat als auch durch Tat geschehen kann. Da die in § 12 StGB angeführten Täterschaftsformen nach ständiger Rechtsprechung rechtlich gleichwertig sind, bedeutet es keinen Nachteil, wenn ein (schuldspruchmäßig festgestelltes) Tatverhalten irrig als unmittelbare (Mit-) Täterschaft (§ 12 erster Fall StGB) anstatt richtig (bloß) als sonstiger Tatbeitrag (§ 12 dritter Fall StGB) beurteilt worden ist, vorausgesetzt, daß nach den getroffenen Sachverhaltsfeststellungen jedenfalls die eine oder die andere gegeben ist (JBl 1984, 267 ua). Daß aber die dem Täter geleistete Hilfe zur Vollendung der Tat notwendig war und ohne diese Hilfe die Tatausführung unmöglich gewesen wäre, verlangt das Gesetz, entgegen dem Beschwerdevorbringen, nicht (EvBl 1978/107 ua). Jede, auch die geringste Hilfe, welche - wie hier die geschilderte Unterstützung des Angeklagten J*** durch den Beschwerdeführer - die Tat fördert und bis zur Vollendung wirksam bleibt, ist jedenfalls ein ausreichender kausaler Tatbeitrag (ÖJZ-LSK 1977/87). Der Umstand hinwieder, ob bzw in welchem Ausmaß der Beschwerdeführer für die Mitwirkung an der in Rede stehenden Suchtgifteinfuhr durch Überlassung von Heroin für den eigenen Bedarf partizipieren sollte, ist für den hier aktuellen Tatbestand nach § 12 Abs 1 - anders bei gewerbsmäßiger Tatbegehung nach Abs 2 - SuchtgiftG ohne Belang. Wenn der Beschwerdeführer gegen die Urteilsfeststellungen zur subjektiven Tatseite unter dem Gesichtspunkt einer Unvollständigkeit bzw Undeutlichkeit (Z 5) ins Treffen führt, die vom Erstgericht insoweit herangezogene Erfahrung des Angeklagten mit Suchtgift sei eine "Leerformel", und außerdem im Rahmen der Rechtsrüge (Z 9 lit a - sachlich Z 10) eine Konkretisierung des Begriffs der "großen Menge" dahin vermißt, welche Anzahl von Menschen gefährdet sein müssen, damit von einer solchen (großen) Menge gesprochen werden könne, so übergeht er, daß das Erstgericht die Erfahrung des Beschwerdeführers mit Suchtgift aus konkreten Verfahrensergebnissen, nämlich sowohl aus den bisherigen mehrfachen Verurteilungen wegen strafbarer Handlungen nach dem Suchtgiftgesetz (vgl S 117 f) - wobei ihm im Verfahren zum AZ 6 c Vr 405/78 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien (jedenfalls anklagemäßig) das Verbrechen nach "§ 6 SuchtgiftG" zur Last lag - aber auch aus seiner eigenen Verantwortung abgeleitet hat, wonach von der verfahrensgegenständlichen Reise in die Türkei tatplangemäß eine "größere Menge Heroin", die der Mitangeklagte J*** "in seinem After nicht allein schmuggeln konnte", nach Österreich gebracht werden sollte, wofür ihm ein Anteil von "10 Gramm Heroin" versprochen worden sei (vgl S 50 iVm S 119). Solcherart hat aber das Schöffengericht unter weiterer ausdrücklicher Bezugnahme (vgl S 120, 121) auf das eingangs bezeichnete Gutachten des Beirats und damit auch auf den diesem bei der Berechnung der "großen Menge" zugrunde gelegten, der bisherigen Rechtsprechung entsprechenden Gefährdungsfaktor (von 30-50 Personen) ohnedies mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck gebracht, daß die beiden Angeklagten die Eignung der tatgegenständlichen Suchtgiftmenge in ihren Vorsatz aufgenommen haben, im Fall der Weitergabe in großem Ausmaß eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen entstehen zu lassen. Mehr ist vorliegend zur Erfüllung des subjektiven Tatbestandes seit der Suchtgiftgesetznovelle 1985 nicht erforderlich. § 12 Abs 1 SuchtgiftG (nF) setzt daher auf der subjektiven Tatseite nur voraus, daß der Täter die Eignung der erzeugten, eingeführten, ausgeführten oder in Verkehr gesetzten Menge an sich, in großem Umfang eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen entstehen zu lassen, in seinen Vorsatz aufgenommen hat. Hingegen ist es zur Tatbestandsverwirklichung nicht (mehr) erforderlich, daß die Suchtgiftmenge nach dem Vorsatz des Täters an einen größeren Personenkreis gelangen und solcherart ein Streueffekt erzielt werden soll. Es kommt daher gar nicht darauf an, ob und inwieweit das Suchtgift nach der Vorstellung des Täters für den Eigenbedarf eines bereits süchtigen Empfängers oder von diesem Süchtigen (ganz oder zum Teil) zur Weitergabe an dritte, noch nicht süchtige Pesonen bestimmt ist (11 Os 61/86, Leukauf-Steininger aaO S 44 f, Kodek aaO S 51 f; weiters siehe 586 d Beil zu den sten Prot d NR, XVI. GP, 4).

Schließlich steht auch die der Empfehlung des genannten Beirats folgende Auffassung des Schöffengerichts, wonach eine Menge von 5 Gramm reinem Heroin als groß zu beurteilen ist, in keinem Widerspruch zu der Beschwerdebehauptung des Angeklagten, er habe von dem in der Türkei gekauften Heroin 2,5 bis 3 Gramm pro Tag konsumiert. Ausgehend von der bisherigen einhelligen Judikatur, wonach die Grenzmenge bei Heroin schon mit einem halben Gramm angenommen wurde (Leukauf-Steininger, Strafrechtliche Nebengesetze 2 , S 842, 848, 853, 854), kann auch unter Bedachtnahme auf die Intentionen des Gesetzgebers (vgl abermals die zuvor zitierten Gesetzesmaterialien) die Annahme jener Suchtgiftmenge, deren Weitergabe geeignet wäre, in großem Ausmaß eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen entstehen zu lassen (Legaldefinition), mit dem Zehnfachen der bisherigen Grenzmenge nur die im Einzelfall mögliche Höchstgrenze darstellen, deren Heranziehung somit dem Angeklagten nicht zum Nachteil gereichen kann (13 Os 121/86). Die Beurteilung des festgestellten Sachverhalts als Verbrechen nach § 12 Abs 1 SuchtgiftG (nF) erfolgte sohin frei von Rechtsirrtum.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Zu den Berufungen:

Das Schöffengericht verurteilte die beiden Angeklagten nach § 28 StGB, § 12 Abs 1 SuchtgiftG zu Freiheitsstrafen, und zwar Rudolf J*** in der Dauer von drei Jahren und Raoul S*** in der Dauer von zweieinhalb Jahren.

Bei der Strafbemessung wertete es bei beiden Angeklagten die einschlägigen Vorstrafen und das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen als erschwerend, hingegen das Geständnis und die Sicherstellung des eingeführten Suchtgiftes sowie beim Angeklagten S*** außerdem noch die untergeordnete Tatbeteiligung als mildernd.

Mit ihren Berufungen streben die beiden Angeklagten eine Herabsetzung der über sie verhängten Freiheitsstrafen an, während die Staatsanwaltschaft deren Erhöhung begehrt.

Den Berufungen kommt keine Berechtigung zu.

Das Erstgericht hat die Strafzumessungsgründe im wesentlichen vollständig festgestellt und auch zutreffend gewürdigt. Für die Annahme der vom Angeklagten S*** als weiteren Milderungsgrund reklamierten Tatbegehung unter der Einwirkung des Mitangeklagten J*** (iSd § 34 Z 4 StGB) bieten weder seine eigene Verantwortung noch die sonstige Aktenlage tragfähige Anhaltspunkte. Die Tatbeteiligung des Angeklagten S*** in (bloß) untergeordneter Weise hat das Erstgericht ohnedies als Milderungsumstand berücksichtigt. Vom Angeklagten J*** angestellte Spekulationen, welche Tatbeurteilung und welches Strafmaß nach der - hier gar nicht aktuellen - Gesetzeslage vor dem Inkrafttreten der Suchtgiftgesetznovelle 1985 allenfalls hätte zum Tragen kommen können, sind von vornherein nicht zielführend.

Der von der Staatsanwaltschaft reklamierten "überaus großen Heroinmenge" hinwieder kommt vorliegend noch nicht die Bedeutung eines besonderen Erschwerungsgrundes zu. Dieser Umstand fällt allerdings bei Wertung der Schuld (§ 32 Abs 3 StGB) zu Lasten der beiden Angeklagten ins Gewicht.

Sachgemäßes Abwägen der demnach vorliegenden Strafzumessungsgründe ergibt sohin, daß die vom Erstgericht ausgesprochenen Freiheitsstrafen - zumal unter Bedacht auf das einschlägig belastete Vorleben beider Angeklagten, aber auch auf ihre offensichtlich seit Jahren bestehende Drogenabhängigkeit - nach der tat- und persönlichkeitsbezogenen Schuld (§ 32 StGB) der Angeklagten - sowohl absolut als auch im Verhältnis zueinander - nicht zu gering, aber auch keineswegs zu hoch ausgemessen wurden.

Den Berufungen mußte daher gleichfalls ein Erfolg versagt bleiben.

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