Spruch:
1) Der Antrag auf Anordnung einer mündlichen Verhandlung vor dem Revisionsgericht wird abgewiesen.
2) Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 4.243,80 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin Umsatzsteuer von S 385,80, keine Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die am 1.3.1983 von Marianne S*** unehelich geborene Klägerin begehrte die Feststellung der Vaterschaft des Beklagten und seine Verurteilung zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von S 2.000,-
ab Klagstag im wesentlichen mit der Begründung, der Beklagte habe ihrer Mutter innerhalb der gesetzlichen Vermutungsfrist (3.5. bis 2.9.1982) beigewohnt und sei wirtschaftlich in der Lage, den verlangten angemessenen Unterhalt zu bezahlen.
Der Beklagte wendete im wesentlichen ein, er habe zwar im Mai 1982 mit der Mutter der Klägerin geschlechtlich verkehrt, sei aber nicht der Vater der Klägerin, weil es sich nicht um einen "normalen Verkehr" gehandelt habe. Die Mutter habe innerhalb der gesetzlichen Vermutungsfrist noch mit mindestens einem anderen Mann Geschlechtsverkehr gehabt, dessen Vaterschaft wahrscheinlicher sei als seine. Zur Leistung des von ihm verlangten Unterhaltes sei der Beklagte wirtschaftlich nicht in der Lage.
Das Erstgericht gab dem auf Feststellung der Vaterschaft des Beklagten gerichteten Klagebegehren statt und verurteilte den Beklagten zu einer monatlichen Unterhaltsleistung an die Klägerin von S 2.000,- für die Zeit vom 22.3.1983 bis 30.4.1984 und von S 1.700,- für die Zeit ab 1.5.1984. Das Mehrbegehren auf Leistung weiterer monatlicher Unterhaltsbeträge von S 300,- für die Zeit ab 1.5.1984 wies es ab.
Die Wiedergabe der Feststellungen des Erstgerichtes kann unterbleiben, weil das Berufungsgericht zur Frage der Vaterschaft des Beklagten nach Beweiswiederholung eigene Feststellungen traf; die Höhe der dem Beklagten auferlegten Unterhaltsleistung ist im Revisionsverfahren nicht mehr Verfahrensgegenstand. Rechtlich beurteilte das Erstgericht den von ihm festgestellten Sachverhalt im wesentlichen dahin, daß die Vaterschaftsvermutung des § 163 Abs 1 ABGB für die Vaterschaft des Beklagten zur Klägerin spreche; den Beweis der Unwahrscheinlichkeit seiner Vaterschaft oder den Beweis, daß seine Vaterschaft unwahrscheinlicher sei als die eines anderen Mannes, habe der Beklagte nicht erbracht. Die der Klägerin zugesprochenen Unterhaltsbeträge seien angemessen. Dieses Urteil wurde nur in seinem klagsstattgebenden Teil vom Beklagten mit Berufung bekämpft.
Mit dem angefochtenen Urteil gab das Berufungsgericht diesem Rechtsmittel keine Folge.
Das Berufungsgericht stellte nach Beweiswiederholung folgenden Sachverhalt fest:
Der Beklagte lernte Marianne S***, die Mutter der Klägerin, im April 1982 im Zug kennen. Sie waren die einzigen Fahrgäste in einem Liegewagenabteil. Der Beklagte legte sich nach einiger Zeit neben Marianne S*** auf deren Bett und es kam zum Austausch von Zärtlichkeiten, wobei beide jedoch bekleidet blieben. In Wien trafen dann der Beklagte und Marianne S*** im Verlaufe des Monates Mai 1982 wiederholt zusammen, wobei es in der Wohnung der Marianne S*** insgesamt ca. zwölfmal zu geschlechtlichen Kontakten zwischen ihr und dem Beklagten kam.
Marianne S*** war nach einer operativen gänzlichen Entfernung des rechten bzw. teilweisen Entfernung des linken Eierstockes der - von ärtztlicher Seite bestätigten - Überzeugung, sie könne keine Kinder bekommen. Infolge dieser - wie sich herausstellen sollte, irrigen - Überzeugung verwendete Marianne S*** bei ihren geschlechtlichen Kontakten mit dem Beklagten keine Verhütungsmittel. Obwohl sie dem Beklagten vor dem ersten geschlechtlichen Kontakt ihre Überzeugung, keine Kinder bekommen zu können, nicht mitgeteilt hatte, führte der Beklagte schon beim ersten Verkehr sein Glied ohne Verwendung eines Präservativs in ihre Scheide ein und unterbrach den Verkehr nicht, sodaß es zum Samenerguß in die Scheide kam. Nach diesem ersten Geschlechtsverkehr teilte Marianne S*** dem Beklagten mit, daß sie ihrer Meinung nach keine Kinder bekommen könne. In der Folge wurde der Geschlechtsverkehr wiederholt auf die beschriebene Weise durchgeführt. Lediglich ca. dreimal befriedigte Marianne S*** den Beklagten über dessen Wunsch mit dem Mund bzw. mit der Hand. Sie hatte während der gesetzlichen Vermutungsfrist (3.5.1982 bis 2.9.1982) mit keinem anderen Mann als mit dem Beklagten Geschlechtsverkehr.
Unter Berücksichtigung der bei Marianne S*** und der Klägerin gefundenen Verteilung der Blutgruppen, -faktoren etc. ergibt sich für Nichtväter eine Ausschlußmöglichkeit von 99,7 %, das heißt, daß von 1000 fälschlich der Vaterschaft bezichtigten Männern 997 Männer als Väter ausgeschlossen werden können, während lediglich 3 Nichtväter als solche nicht zu erkennen sind.
Die Vaterschaft des Beklagten zur Klägerin ist auf Grund des Ergebnisses des serologischen Gutachtens zu 99,9 % wahrscheinlich. Rechtlich führte das Berufungsgericht aus, das Urteil des Erstgerichtes sei zu bestätigen, da das serologische Gutachten eine im höchsten Grad wahrscheinliche Vaterschaft des Beklagten ergeben habe und er Namen von Männern, die seiner Ansicht nach während der gesetzlichen Vermutungsfrist mit der Mutter der Klägerin verkehrt hätten, nicht genannt habe.
Gegen dieses Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision des Beklagten. Er bekämpft es aus den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens, der Aktenwidrigkeit und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens abzuändern.
Die Klägerin hat eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag erstattet, der Revision des Beklagten nicht Folge zu geben. Der in der Revision des Beklagten gestellte Antrag auf Anordnung einer mündlichen Verhandlung vor dem Revisionsgericht ist abzuweisen, weil dies zur Entscheidung über die vorliegende Revision nicht erforderlich erscheint (§ 509 Abs 2 ZPO).
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Wenn der Beklagte in seinem Rechtsmittel ausführt, "daß die Kriterien, nach welchen die Gründe und Motive für die Beweiswürdigung des Berufungsgerichtes ins Treffen geführt wurden", unüberprüfbar seien, weshalb "ein wesentlicher Verfahrensmangel gemäß § 503 Abs 1 Z 1 ZPO" vorliege, behauptet er damit möglicherweise das Vorliegen eines Nichtigkeitsgrundes im Sinne des § 477 Abs 1 Z 9 ZPO, wovon aber im Hinblick auf die durchaus verständliche, nachvollziehbare und erschöpfende Begründung der Entscheidung des Berufungsgerichtes keine Rede sein kann. Das Vorliegen dieses Nichtigkeitsgrundes oder anderer Nichtigkeitsgründe im Sinne des § 477 ZPO ist aus der Aktenlage nicht ersichtlich. Die Revisionsgründe des § 503 Abs 1 Z 2 und Z 3 ZPO liegen nicht vor, was nicht näher zu begründen ist (§ 510 Abs 3 ZPO). Aber auch der Rechtsrüge des Beklagten kommt keine Berechtigung zu. Gemäß § 163 Abs 1 ABGB wird von einem Mann, der der Mutter eines unehelichen Kindes innerhalb eines Zeitraumes von nicht mehr als 302 und nicht weniger als 180 Tagen vor der Entbindung beigewohnt hat, vermutet, daß er das Kind gezeugt hat. Gemäß § 163 Abs 2 ABGB kann der Mann, auf den diese Vermutung zutrifft, sie durch den Beweis einer solchen Unwahrscheinlichkeit der Vaterschaft entkräften, die unter Würdigung aller Umstände gegen die Annahme spricht, daß er das Kind gezeugt hat, oder durch den Beweis, daß seine Vaterschaft unwahrscheinlicher ist als die eines anderen Mannes, für den die Vermutung gleichfalls gilt.
Nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen, deren Richtigkeit im Revisionsverfahren nicht mehr mit Erfolg bekämpft werden kann, spricht die im § 163 Abs 1 ABGB aufgestellte Vermutung für die Vaterschaft des Beklagten zur Klägerin. Einen im Sinne des § 163 Abs 2 ABGB zulässigen Gegenbeweis (siehe dazu SZ 46/119 ua.) hat der Beklagte nicht erbracht. Die Möglichkeit des Beweises der relativen Unwahrscheinlichkeit der Vaterschaft des Beklagten (§ 163 Abs 2 zweiter Fall ABGB) scheidet schon deswegen aus, weil nach den vom Berufungsgericht getroffenen Festsstellungen davon ausgegangen werden muß, daß die Mutter der Klägerin während der gesetzlichen Vermutungsfrist nur mit dem Beklagten Geschlechtsverkehr hatte. Dieser Umstand verhindert aber auch im Zusammenhalt mit dem Ergebnis des vorliegenden serologischen Gutachtens (Wahrscheinlichkeit der Vaterschaft des Beklagten 99,9 %) die Annahme der Erbringung des Beweises der absoluten Unwahrscheinlichkeit der Vaterschaft des Beklagten (§ 163 Abs 2 erster Fall ABGB), mögen auch, worauf der Beklagte in seiner Rechtsrüge hinweist, zwischen seinem letzten Geschlechtsverkehr mit der Mutter der Klägerin (innerhalb der gesetzlichen Vermutungsfrist) und der Geburt des Kindes etwas mehr als 9 Monate vergangen sein.
Der Beklagte vermag somit auch einen dem Berufungsgericht unterlaufenen Rechtsirrtum nicht aufzuzeigen, sodaß seiner Revision ein Erfolg versagt bleiben muß.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
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