Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben. Dem Rekursgericht wird die neuerliche Entscheidung über den Rekurs des Betroffenen aufgetragen.
Text
Begründung
Rechtliche Beurteilung
Das Erstgericht ordnete - ohne ausdrückliche Beschlußfassung über die Einleitung des Verfahrens über die Bestellung eines Sachwalters für eine behinderte Person nach § 273 ABGB - von Amts wegen im Sinne des § 237 AußStrG die Vorladung des Betroffenen zum Amtstag mit SW-Form.1 an.
Der Betroffene erhob dagegen einen Rekurs, den das Rekursgericht mit dem angefochtenen Beschluß als unzulässig zurückwies. Das Rekursgericht führte aus, das Erstgericht habe mit der verfügten Ladung des Betroffenen dem Gebot des § 236 AußStrG entsprochen, auf Grund einer Mitteilung über die Schutzbedürftigkeit einer behinderten Person das Verfahren zur Bestellung eines Sachwalters einzuleiten. Darin liege nicht eine Vorwegnahme des Ergebnisses; vielmehr bilde die angestrebte Erstanhörung eine der unverzichtbaren Voraussetzungen für die Entscheidung. Der Rekurswerber nehme allerdings in seinem Rechtsmittel die Ergebnisse des Verfahrens vorweg. Darauf sei aber meritorisch nicht einzugehen, weil gemäß § 249 AußStrG nur ein Rekurs gegen die Bestellung eines Sachwalters zulässig sei, nicht aber gegen andere Beschlüsse. Diese Sonderbestimmung schaffe eine Ausnahme gegenüber dem allgemeinen Rekursrecht des § 9 AußStrG. Der Rekurs sei somit auch dann unzulässig, wenn die Ladung einen Einleitungsbeschluß - der in dieser Form vom Gesetz gar nicht vorgesehen sei - mitumfasse. Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs des Betroffenen mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß aufzuheben, die vom Erstgericht verfügte Ladung für ungültig und nichtig zu erklären und das Verfahren zur Bestellung eines Sachwalters einzustellen.
Der Revisionsrekurs ist zulässig und im Sinne des gestellten Aufhebungsantrages auch berechtigt.
Die Vorschrift des § 249 AußStrG regelt nicht das Rechtsmittelverfahren in Sachwalterschaftssachen im Sinne des 5. Hauptstückes des Außerstreitgesetzes abschließend, sondern normiert nur einzelne in Sachwalterschaftssachen geltende Ausnahmen von der allgemeinen Regelung des Rechtsmittelverfahrens in den §§ 9 bis 16 AußStrG, welche Vorschriften sie aber im übrigen unberührt läßt (RZ 1986/26 uva.).
Die Zulässigkeit des Rekurses des Betroffenen gegen den Beschluß des Erstgerichtes ist daher nach der Vorschrift des § 9 AußStrG zu beurteilen und danach zu bejahen.
Es trifft zu, daß die in den §§ 236 ff AußStrG enthaltenen Verfahrensvorschriften über die Bestellung eines Sachwalters für eine behinderte Person (ebenso wie früher die Bestimmungen der Entmündigungsordnung) einen formellen Beschluß auf Verfahrenseinleitung nicht vorsehen. Wird ein derartiger formeller Beschluß nicht gefaßt, dann ist der erste Beschluß des Gerichtes, der seinen Willen, die Voraussetzungen der Bestellung eines Sachwalters für eine behinderte Person in dem in den §§ 236 ff AußStrG geregelten Verfahren zu prüfen, unzweifelhaft erkennen läßt, als Beschluß auf Verfahrenseinleitung anzusehen (so 6 Ob 538/81 zur Zeit der Geltung der Entmündigungsordnung; eine derartige Änderung der Rechtslage, die nunmehr eine andere rechtliche Beurteilung erfordern würde, liegt nicht vor). In der gerichtlichen Ladung zur Einvernahme nach § 237 AußStrG ist in diesem Sinne ein Beschluß zu erblicken, der über die Einleitung des Verfahrens nach den §§ 236 ff AußStrG im positiven Sinn abspricht; damit beginnt die erste Phase des Bestellungsverfahrens.
Die Anfechtbarkeit eines verfahrenseinleitenden Beschlusses im Sinne des § 9 AußStrG wurde zur Zeit der Geltung der Entmündigungsordnung in einhelliger Rechtsprechung im wesentlichen aus der Erwägung heraus bejaht, daß die Verfahrenseinleitung nicht nur an gewisse Voraussetzungen geknüpft war, sondern auch ihrerseits eine rechtserhebliche Verfahrenslage für weitere gerichtliche Maßnahmen (etwa § 8 Abs 1 EntmO) darstellte (EvBl 1975/280; 4 Ob 539/76; 6 Ob 538/81; 5 Ob 643,644/82). Die gleichen Überlegungen gelten aber auch nach Inkrafttreten der nunmehrigen Verfahrensbestimmungen der §§ 236 ff AußStrG. Denn auch danach ist die Einleitung eines derartigen Verfahrens von den im § 236 AußStrG normierten Voraussetzungen abhängig und sie schafft ihrerseits eine den Betroffenen bindende rechtserhebliche Verfahrenslage für weitere gerichtliche Maßnahmen, etwa im Sinne des § 238 AußStrG. Es ist daher dem Betroffenen dann, wenn das Gericht im Sinne des § 236 AußStrG von Amts wegen das Verfahren über die Bestellung eines Sachwalters für ihn einleitet und dies durch die Vorladung des Betroffenen im Sinne der Vorschrift des § 237 AußStrG zum Ausdruck bringt, gemäß § 9 AußStrG das Rekursrecht gegen diese Anordnung einzuräumen (so auch Maurer, Sachwalterrecht in der Praxis 117 f). Der angefochtene Beschluß ist daher in Stattgebung des Revisionsrekurses des Betroffenen aufzuheben; dem Rekursgericht ist die neuerliche Entscheidung über das Rechtsmittel des Betroffenen aufzutragen. Dabei wird das Vorliegen der im § 236 AußStrG normierten sachlichen Voraussetzungen für die Einleitung des Verfahrens zu überprüfen sein. Erachtet sie das Rekursgericht für gegeben, wird es dem Rekurs des Betroffenen nicht Folge zu geben haben. Andernfalls wäre der Beschluß des Erstgerichtes zu beseitigen.
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