Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die Klägerin ist schuldig, den Beklagten die mit 3.112,72 S bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin die Umsatzsteuer von 282,97 S) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Begründung
Am 16. September 1984 ereignete sich zwischen 22 Uhr und 24 Uhr auf der Bundesstraße zwischen St. Johann in Tirol und Oberndorf zwischen dem von Hans F*** gelenkten PKW der Klägerin, T 324.212, und dem PKW des Erstbeklagten, T 54.107, der zum Unfallszeitpunkt bei der Zweitbeklagten haftpflichtversichert war, ein Verkehrsunfall, bei welchem beide Fahrzeuge beschädigt wurden. Die Klägerin begehrte von den Beklagten die Bezahlung ihres Schadens von 30.000 S s.A. Am Unfallstag sei Hans F*** von Kitzbühel kommend in Richtung St. Johann auf der Bundesstraße gefahren. Aus der Gegenrichtung sei der Erstbeklagte mit seinem PKW in einer Kolonne fahrend gekommen. Der Erstbeklagte habe überholen wollen. Für den Lenker des PKWs der Klägerin sei dadurch der Eindruck entstanden, daß sich das Fahrzeug des Erstbeklagten bereits neben dem zu überholenden PKW bewege. Der Erstbeklagte habe sich mit seinem Wagen zumindest zum Teil über der Mittellinie befunden. Hans F*** habe versucht, sein Fahrzeug nach rechts auszulenken. Dennoch sei es zur Kollision gekommen. Das Alleinverschulden am Zustandekommen dieses Unfalles treffe den Erstbeklagten. Die Beklagten beantragten die Abweisung des Klagebegehrens. Das Alleinverschulden am Zustandekommen des Unfalles treffe den Lenker des PKWs der Klägerin. Deren Fahrzeug sei mit weit überhöhter Geschwindigkeit gefahren (AS 8/9) und aus ungeklärter Ursache auf Höhe des "Erdbeerlandes" auf die Fahrbahn des PKWs des Erstbeklagten geraten, wodurch die Kollision für die ordnungsgemäß am rechten Fahrbahnrand fahrende Edith S*** unvermeidlich gewesen sei. Der Schaden am PKW des Erstbeklagten von 61.000 S sowie die Abschleppkosten und Spesen von 2.900 S werden gegen die Klageforderung aufrechnungsweise eingewendet.
Das Erstgericht sprach aus, daß die Klageforderung mit 28.000 S zu Recht, die Gegenforderung nicht zu Recht besteht und erkannte die Beklagten schuldig, der Klägerin 28.000 S s.A. zu bezahlen. Das Mehrbegehren von 2.000 S s.A. wies es ab. Es traf nachstehende Feststellungen:
Die Unfallstelle liegt im Freilandbereich. Die Paß-Thurn-Bundesstraße verläuft dort über mehrere 100 m gerade und übersichtlich ohne meßbare Neigung. Die Fahrbahnoberfläche besteht aus Rauhasphalt in gutem Zustand. Verkehrszeichen sind nicht aufgestellt. Die Fahrbahnbreite beträgt im Unfallbereich 6,7 m. Zum Unfallszeitpunkt war es regnerisch und dunkel. Die Sicht war nicht besonders gut. Da die Asphaltdecke gerade erneuert worden war, befanden sich weder Leitlinie noch Mittellinien oder sonstige Markierungen auf der Fahrbahn.
Hans F*** fuhr von Kitzbühel kommend in Richtung St. Johann mit einer Geschwindigkeit von ca. 100 km/h. An seinem PKW hatte er Abblendlicht eingeschaltet. Weder vor noch hinter dem Wagen der Klägerin befanden sich weitere Fahrzeuge. Es herrschte kein starker Gegenverkehr. Zur selben Zeit fuhr Edith S*** von St. Johann kommend in Richtung Kitzbühel. Sie hatte das Abblendlicht eingeschaltet. Welche genaue Geschwindigkeit sie einhielt, konnte nicht festgestellt werden. Vor dem von ihr gelenkten Fahrzeug des Erstbeklagten fuhren weitere drei bis vier PKW.
Als Hans F*** die entgegenkommenden Fahrzeuge zum ersten Mal sah, bemerkte er plötzlich, daß das Fahrzeug des Erstbeklagten nach links - in seiner Fahrtrichtung gesehen - zur Fahrbahnmitte hin ausschwenkte, sodaß sich die Position der Scheinwerfer am Wagen des Erstbeklagten links versetzt zu dem vor ihm fahrenden Fahrzeug befanden. Zu diesem Zeitpunkt war der Abstand zwischen seinem Fahrzeug und dem PKW des Erstbeklagten bereits so gering, daß die von Hans F*** vorgenommene Abwehrreaktion (Vollbremsung, nach rechts auslenken) die Kollision nicht mehr verhindern konnte. Bis zur Kollision behielt Hans F*** mit dem Wagen der Klägerin seine Fahrlinie ca. 1 m von der rechts von ihm befindlichen Leitplanke entfernt bei. Durch sein Rechtsauslenkmanöver kam er der rechten Leitplanke auf ca. 20 cm nahe. Beide PKWs befanden sich zum Zeitpunkt des Zusammenstoßes in Bewegung und kamen erst nach einigen Metern jeweils an ihrem rechten Fahrbahnrand zum Stillstand. Im Moment des Zusammenstoßes befand sich der PKW der Klägerin in fahrbahnparalleler Position und das Fahrzeug des Erstbeklagten in einer Schrägstellung nach links. Die Kollision fand auf der Fahrbahnhälfte des Wagens der Klägerin statt.
Die genaue Position der Unfallstelle bezogen auf die Fahrbahnlängsachse konnte nicht festgestellt werden. Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, daß Edith S*** mit dem Fahrzeug des Erstbeklagten in einem Zeitpunkt zu einem Überholmanöver angesetzt habe, als sich das Fahrzeug der Klägerin bereits in kritischer Entfernung befand. Dabei sei sie auf die Fahrbahnhälfte des PKWs der Klägerin geraten, worauf es dort zur Kollision kam. Edith S*** sei entweder ein Beobachtungsmangel vorzuwerfen, weil sie die Entfernung des Wagens der Klägerin falsch eingeschätzt habe, oder es liege bei ihr ein Reaktionsverzug vor, weil sie zu spät den Entschluß gefaßt habe, ihr Überholmanöver abzubrechen. Der Lenker des PKW der Klägerin habe trotz Abwehrreaktion den Zusammenstoß nicht mehr verhindern können. Da ihm auch kein Reaktionsverzug vorzuwerfen sei, liege bei ihm kein Verschulden vor.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin Folge und änderte das erstgerichtliche Urteil dahin ab, daß es die Klageforderung mit 18.666,66 S, die Gegenforderung der Beklagten bis zur Höhe der Klageforderung als zu Recht bestehend erkannte und das Klagebegehren auf Bezahlung von 30.000 S s.A. abwies. Die Revision wurde für zulässig erklärt.
Das Erstgericht habe übersehen, daß dem Lenker des Fahrzeuges der Klägerin ein Verstoß gegen § 20 Abs 1 StVO anzulasten sei. Schutzzweck dieser Gesetzesstelle sei ganz allgemein, durch die Wahl einer den Fahrbahn- und Sichtverhältnissen angepaßten Geschwindigkeit eine Gefährdung und Behinderung der im Straßenbereich befindlichen Personen und Sachen zu vermeiden. Dieser Zweck werde beim Fahren mit Abblendlicht jedoch nach ständiger Rechtsprechung nur dann erreicht, wenn die Geschwindigkeit nicht mehr als ca. 50 km/h beträgt. Jeder Verkehrsteilnehmer dürfe damit rechnen, daß sich mit abgeblendeten Scheinwerfern fahrende Fahrzeuge nur mit entsprechend angepaßter Geschwindigkeit nähern. Der Lenker des Fahrzeuges der Klägerin verantworte einen Verstoß gegen § 20 Abs 1 StVO, die Lenkerin des Fahrzeuges des Erstbeklagten einen solchen nach § 16 Abs 1 lit a StVO. Im Hinblick darauf, daß das Ansetzen zu einem Überholmanöver trotz erkennbaren Gegenverkehrs als primär unfallsauslösend anzusehen ist, erscheine dem Berufungsgericht das Fehlverhalten der Lenkerin des PKWs des Erstbeklagten schwerwiegender als das des Lenkers des Fahrzeuges der Klägerin, weshalb eine Verschuldensaufteilung im Verhältnis von 1 : 2 zu Lasten der Beklagten vorzunehmen sei. Es bestünde eine gegenteilige Judikatur (ZVR 1978/314), wonach in einem Fall wie dem vorliegenden kein Rechtswidrigkeitszusammenhang gegeben sei, weshalb die Revision zugelassen werde.
Gegen die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich die Revision der Klägerin aus dem Anfechtungsgrund des § 503 Abs 1 Z 4 ZPO mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß jenes des Erstgerichtes wiederhergerstellt wird; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Beklagten beantragen in der Revisionsbeantwortung, die Revision entweder zurückzuweisen oder ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist unzulässig.
Nach ständiger Rechtsprechung hat jeder Kraftfahrer bei Dunkelheit grundsätzlich, soweit nicht besondere Umstände seine Sicht über den von der Beleuchtung seines Kraftfahrzeuges ausgeleuchteten Bereich hinaus ermöglichen, die Geschwindigkeit seines Fahrzeuges der verwendeten Beleuchtung bzw. die Beleuchtung seines Fahrzeuges der eingehaltenen Geschwindigkeit anzupassen. Fährt er mit Abblendlicht, dann hat er, soweit nicht besondere Umstände die Sicht über die vom Abblendlicht erleuchtete Strecke hinaus ermöglichen, grundsätzlich mit einer Geschwindigkeit zu fahren, die ihm das Anhalten seines Fahrzeuges innerhalb der Reichweite des Abblendlichtes gestattet (ZVR 1961/334; JBl 1967, 319; 8 Ob 293/81; 8 Ob 262/81 uza); fährt er eine höhere Geschwindigkeit, dann hat er Fernlicht zu verwenden. Darf er dies infolge gesetzlicher Anordnung nicht (vgl. § 99 Abs 4 lit c KFG), dann hat er mit entsprechend geringerer Geschwindigkeit zu fahren (8 Ob 262/81 ua).
Für den vorliegenden Fall ergibt sich, daß der Lenker des Fahrzeuges der Klägerin durch die Einhaltung einer Geschwindigkeit von ungefähr 100 km/h bei Verwendung des Abblendlichtes gegen § 20 Abs 1 StVO verstoßen hat. Daß es am spezifischen Rechtswidrigkeitszusammenhang gemangelt hätte, kann nicht gesagt werden; Schutzzweck des § 20 Abs 1 StVO ist, durch die Wahl einer den Verhältnissen angepaßten Geschwindigkeit eine Gefährdung und Verletzung von im Straßenbereich befindlichen Personen und Sachen zu vermeiden. Demgemäß durfte die Lenkerin des Fahrzeuges des Erstbeklagten im Hinblick auf das am PKW der Klägerin eingeschaltete Abblendlicht nach ständiger Rechtsprechung erwarten, daß sich das Gegenfahrzeug mit entsprechend angepaßter Geschwindigkeit nähere (ZVR 1972/6; ZVR 1980/252; ZVR 1984/290; 8 Ob 262/81; 2 Ob 136/82 ua).
Im Gegensatz zur Ansicht des Berufungsgerichtes besteht keine neuere Judikatur, die diese Grundsätze in einem Fall wie dem vorliegenden in Frage stellt. Die vom Berufungsgericht zitierte Entscheidung ZVR 1978/314 geht zunächst davon aus, daß nicht festgestellt werden konnte, ob der dortige Beklagte mit Abblendlicht gefahren war. Sie betrifft insoweit einen gänzlich anders gelagerten Fall, als in der genannten Entscheidung bloß hypothetisch ausgeführt wurde, es läge kein Rechtswidrigkeitszusammenhang vor, wenn der mit Abblendlicht Fahrende schon auf eine Entfernung von 250 m die angehaltenen Fahrzeuge an ihren Scheinwerfern erkennen konnte und sich daher eine allenfalls durch Abblendlicht bewirkte kürzere Sichtstrecke auf die Erkennbarkeit der beiden Fahrzeuge nicht auswirkte. Auch die Entscheidung ZVR 1983/2 steht nicht in Widerspruch zur oben dargestellten ständigen Judikatur. Im Falle dieser Entscheidung fuhr der eine Unfallsbeteiligte auf der Bundesstraße und näherte sich der andere auf einer seitlich in diese einmündenden anderen Straße so dem Ersteren, daß beide ihre Geschwindigkeit konkret einschätzen konnten.
Das Berufungsgericht ist daher bei seiner Entscheidung in Wirklichkeit einer ständigen Judikatur gefolgt. Demgemäß bestand kein Anlaß, die Revision gemäß § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zuzulassen. Das Revisionsgericht ist gemäß § 508 a ZPO an einen Ausspruch nach § 500 Abs 3 ZPO nicht gebunden. Das hat hier zur Folge, daß die Revision aufgrund der dargestellten Erwägungen als unzulässig zu erkennen und wie im Spruch zurückzuweisen war.
Der Kostenausspruch beruht auf §§ 41, 50 ZPO.
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