Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Der Kläger ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 4.243,80 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 385,80 Umsatzsteuer, keine Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger war seit 1.10.1979 in der Glashütte der beklagten Partei in Schneegattern als Glasmacher beschäftigt. Am 1.10.1984 wurde er entlassen.
Mit der Behauptung, daß diese Entlassung ohne rechtfertigenden Grund ausgesprochen worden sei, begehrt der Kläger die Verurteilung der beklagten Partei zur Zahlung von Kündigungsentschädigung, Weihnachtsremuneration, Urlaubsentschädigung und Abfertigung im Gesamtbetrag von S 97.568,35 brutto sA.
Die beklagte Partei beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Sie habe mit ihrer Belegschaft - auch mit dem Kläger - vereinbart, daß am Samstag, den 29.9.1984 zur Bewältigung des erhöhten Arbeitsanfalles in der Vorweihnachtszeit 8 Stunden lang gearbeitet werden sollte. Der Kläger habe dann aber diese Überstundenleistung grundlos verweigert und sei daher zu Recht entlassen worden. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es nahm folgenden Sachverhalt als erwiesen an:
Um den in der Vorweihnachtszeit üblicherweise gesteigerten Arbeitsanfall zu bewältigen, werden bei der beklagten Partei die Tage zwischen Weihnachten und Neujahr zu dieser Zeit eingearbeitet; wenn das nicht ausreicht, müssen Überstunden angeordnet werden. Die Arbeit wird in Teams zu je 5 bis 6 Personen geleistet. Der Kläger arbeitete als Glasanfänger, was eine gewisse Übung und Geschicklichkeit erfordert. Er wurde gewöhnlich von einem Arbeiter namens J*** vertreten, welcher an sich nicht schlecht, aber für die Arbeit des Klägers nicht so gut eingearbeitet war wie dieser. Um die Frage der Überstunden nach Möglichkeit einvernehmlich zu regeln, setzte sich die Geschäftsleitung zunächst mit dem Betriebsrat auseinander, welcher dann im August 1984 eine Betriebsversammlung abhielt. An dieser Versammlung nahm neben dem Betriebsleiter Gerald M*** und dem Betriebsratsobmann Franz A*** auch der zufällig anwesende Geschäftsführer der beklagten Partei, Prof.Claus Josef R***, teil; auch der Kläger war anwesend. Nachdem Prof.R*** zunächst die Gründe für die notwendige Anordnung von Überstunden dargelegt hatte, nahm der Betriebsleiter Gerald M*** sodann die Abstimmung der einzelnen Termine vor. Bei den Arbeitnehmern ist es meist nicht erwünscht, wenn an mehreren Samstagen hintereinander Überstunden zu leisten sind, weil dann ihre Disposition zu sehr eingeschränkt wird; andererseits ist eine solche Arbeit aus betrieblichen Gründen nur dann sinnvoll, wenn das jeweils zusammengehörige Team vollständig ist und auch der Großteil des Teams arbeitet. Im Einvernehmen mit den anwesenden Arbeitnehmern wurden mehrere Samstage festgelegt, an denen Überstunden im Ausmaß von je einem normalen achtstündigen Arbeitstag geleistet werden sollten. Der erste dieser Samstage war der 15.9., der nächste der 29.9.1984. Nachdem der Betriebsratsobmann noch vorgetreten war und in die Runde gefragt hatte, ob jemand etwas dagegen habe, wurde der Beschluß betreffend die Festlegung der Überstunden-Samstage ohne Gegenstimme angeordnet. Auch der Kläger sprach sich nicht dagegen aus.
Etwa zwei Wochen vor dem 29.9.1984 erfuhr der Kläger, daß an diesem Tag von der Freiwilligen Feuerwehr, deren Mitglied er ist, ein Ausflug zum Achensee veranstaltet werde; dieser von der Feuerwehr bezahlte Ausflug war als Gegenleistung für diejenigen ihrer Mitglieder gedacht, die - wie auch der Kläger - an einem dreitägigen Zeltfest unentgeltlich mitgearbeitet hatten. Der Kläger bedachte zunächst nicht, daß er am Samstag, den 29.9.1984 im Betrieb zu arbeiten habe. Erst am 27.9.1984 sprachen der Kläger und vier weitere von dieser Angelegenheit betroffene Arbeitskollegen beim Hüttenmeister Karl P*** mit dem Anliegen vor, daß sie am 29.9.1984 zur Teilnahme an dem genannten Ausflug frei haben wollten. Karl P*** gab dieses Anliegen an den Betriebsratsobmann Franz A*** weiter; dieser rief alle fünf Beteiligten zusammen und ging mit ihnen und dem Hüttenmeister zum Geschäftsführer Prof.R***, um ihm das gemeinsame Anliegen vorzutragen. Prof.R*** lehnte jedoch ab und erklärte, daß jeder, der am Samstag nicht da sei, mit seiner Entlassung rechnen müsse. Franz A*** meinte nach dieser Unterredung zu den Betroffenen: "Mehr können wir vom Betriebsrat auch nicht machen". Zum Kläger sagte er noch, er solle schon kommen, weil die Geschäftsführung mit ihrer Drohung Ernst machen würde. In der Folge erklärten sich drei der betroffenen fünf Arbeitnehmer bereit, am Samstag zur Arbeit zu kommen. Wegen der beiden restlichen Arbeitnehmer - also auch des Klägers - sprach der Betriebsratsobmann noch am Freitag vor Geschäftsschluß in der Geschäftsleitung vor und regte an, man solle doch diesen beiden Arbeitnehmern freigeben, "irgendwie würde es sich schon ausgehen". Dieses Anliegen wurde jedoch von der Geschäftsleitung neuerlich abgelehnt und dieses Ergebnis von Franz A*** dem Kläger mitgeteilt.
Am Samstag, den 29.9.1984 nahm der Kläger an dem Feuerwehrausflug teil und erschien deshalb nicht zur Arbeit. Aus diesem Grund wurde der Arbeiter J*** von seinem Team abgezogen und anstelle des Klägers eingesetzt. Die geringere Übung dieses Ersatzmannes machte allerdings eine Umstellung der Produktion von dem ursprünglich vorgesehenen auf einen einfacheren Artikel notwendig, was letztlich mit einer gewissen Einbuße für den Betrieb verbunden war.
Als der Kläger am darauffolgenden Montag (1.10.1984) seine Arbeit wieder antreten wollte, sprach die beklagte Partei die Entlassung aus.
Rechtlich ging das Erstgericht davon aus, daß sich die hier in Rede stehende Überstundenanordnung im Rahmen des § 7 Abs 1 des Arbeitszeitgesetzes (AZG) gehalten habe und deshalb zulässig gewesen sei. Da die Teilnahme an einem Feuerwehrausflug auch nicht als berücksichtigungswürdiges Interesse im Sinne des § 6 Abs2 AZG angesehen werden könne und im Betrieb der beklagten Partei tatsächlich ein erhöhter Arbeitsbedarf bestanden habe, sei der Kläger wegen beharrlicher Arbeitsverweigerung (§ 82 litf GewO 1859) zu Recht entlassen worden.
Die Berufung des Klägers blieb erfolglos. Das Berufungsgericht, welches die Verhandlung gemäß § 25 Abs 1 Z 3 ArbGG von neuem durchführte, billigte - zwar ohne eigene Tatsachenfeststellungen zu treffen, jedoch erkennbar auf der Grundlage des im Ersturteil als erwiesen angenommenen Sachverhalts - die rechtliche Beurteilung der ersten Instanz: In der zur Festlegung der Überstundentermine getroffenen Betriebsvereinbarung habe der Kläger nicht nur die Notwendigkeit von Überstunden anerkannt, sondern zugleich die Verpflichtung übernommen, die vereinbarte Überstundenleistung auch tatsächlich zu erbringen. Da er den Termin des Feuerwehrausfluges schon rund 14 Tage vor dem 29.9.1984 erfahren, dennoch aber erst zwei Tage vor diesem Samstag der Betriebsleitung mitgeteilt habe, daß er am 29.9. nicht zur Arbeit erscheinen wolle, habe er es der beklagten Partei erheblich erschwert, für die Bereitstellung eines entsprechenden Ersatzmannes zu sorgen. Eine Abwägung der beiderseitigen Interessen müßte daher selbst dann, wenn man den Wunsch des Klägers nach Teilnahme an dem Feuerwehrausflug als im Sinne des § 6 Abs2 AZG berücksichtigungswürdig ansehen wollte, zugunsten der beklagten Partei ausfallen.
Das Urteil des Berufungsgerichtes wird seinem ganzen Inhalt nach vom Kläger mit Revision aus dem Grunde des § 503 Abs 1 Z 4 ZPO bekämpft. Der Kläger beantragt, die Urteile der Vorinstanzen dahin abzuändern, daß seinem Zahlungsbegehren im vollen Umfang stattgegeben werde; hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag. Die beklagte Partei beantragt, diesem Rechtsmittel nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Die im Arbeitszeitgesetz (§ 6 Abs 1 iVm §§ 7, 8, 20 und 23) vorgesehenen Möglichkeiten einer Verlängerung der Arbeitszeit regeln grundsätzlich nur die öffentlich-rechtliche Seite; sie geben also Aufschluß darüber, in welchem zeitlichen Ausmaß Mehrarbeit überhaupt erlaubt ist, sagen aber nichts darüber, unter welchen Voraussetzungen der Arbeitnehmer zur Überstundenleistung verpflichtet ist (Cerny, Arbeitszeitrecht 73 ff § 6 AZG Anm.9; Grillberger, Arbeitszeitgesetz 61 § 6 Anm.5; Martinek-Schwarz, AngG 6 , 123 § 6 Anm.1; Spielbüchler in Floretta-Spielbüchler-Strasser, Arbeitsrecht 2 I 7; ebenso VwGH in Arb 8836 = SlgNF 7943 A = SozM II B 937). Als Rechtsgrundlage einer solchen Verpflichtung kommt - von Notfällen abgesehen, in denen der Arbeitnehmer schon auf Grund seiner Treuepflicht verbunden sein kann, über die Normalarbeitszeit hinaus Arbeitsleistungen zu erbringen (Cerny aaO 74 Anm.9; Grillberger aaO 62 Anm.5.1;
Martinek-Schwarz aaO 124 Anm.1; Spielbüchler aaO 110; vgl. auch Arb
8050 = ZAS 1967,11 und SozM I Ad 251, beide noch ergangen zu § 14
AZO; ferner VwGH in Arb 8836 = SlgNF 7943 A = SozM II B 937;
Arb 10.449) - regelmäßig nur der konkrete Arbeitsvertrag in Betracht, dessen Inhalt entweder durch Einzelvereinbarung zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer oder etwa durch Normen der kollektiven Rechtsgestaltung, insbesondere Kollektivvertrag oder Betriebsvereinbarung, bestimmt wird (Cerny aaO; Grillberger aaO; Martinek-Schwarz aaO; Spielbüchler aaO 7 f).
Dem Kläger ist zuzugeben, daß von einer durch Betriebsvereinbarung begründeten Pflicht zur Arbeitsleistung (§ 97 Abs 1 Z 13 ArbVG) im vorliegenden Fall schon deshalb keine Rede sein kann, weil es an dem in § 29 ArbVG normierten Erfordernis einer schriftlichen Vereinbarung zwischen Betriebsinhaber und Betriebsrat fehlt. Für den Kläger ist damit aber nichts Entscheidendes gewonnen, kann doch sein Verhalten bei der im August 1984 abgehaltenen Betriebsversammlung nach der Übung des redlichen Verkehrs nur als (einzelvertragliche) Zustimmung zur Überstundenleistung (ua.) auch für den 29.9.1984 gewertet werden: Nach den Feststellungen der Vorinstanzen waren damals im Einvernehmen mit den anwesenden Arbeitnehmern, zu welchen auch der Kläger gehörte, mehrere Samstage - darunter der 29.9.1984 - festgelegt worden, an denen Überstunden im Ausmaß von jeweils 8 Stunden geleistet werden sollten. Nachdem der Betriebsratsobmann Franz A*** abschließend nochmals in die Runde gefragt hatte, ob jemand etwas dagegen habe, wurde der Beschluß über die Festlegung der Überstunden-Samstage ohne Gegenstimme gefaßt; auch der Kläger hat sich nicht dagegen ausgesprochen. Dieses Verhalten läßt entgegen der Meinung der Revision mit Überlegung aller Umstände keinen vernünftigen Grund, daran zu zweifeln, übrig (§ 863 ABGB), daß der Kläger damit nicht nur die vom Geschäftsführer dargelegte Notwendigkeit von Überstundenleistungen anerkannt, sondern auch den hiefür festgelegten Terminen zugestimmt und zugleich die vertragliche Verpflichtung übernommen hat, ua auch am 29.9.1984 eine solche Mehrarbeitsleistung zu erbringen.
Zur Rechtfertigung seines Fernbleibens von der Arbeit an diesem Tag kann sich der Kläger auch nicht mit Erfolg auf "berücksichtigungswürdige Interessen" im Sinne des § 6 Abs2 AZG berufen: Ob derartige Interessen im Einzelfall der Überstundenarbeit entgegenstehen, ist im Wege einer Interessenabwägung zu beurteilen; das Interesse des Arbeitgebers an der Erbringung der Überstunden ist dabei gegen die Interessen des Arbeitnehmers am Unterbleiben einer solchen Arbeitsleistung abzuwägen (Cerny aaO; Strasser, Weißenberg-FS 347; Grillberger aaO 63 f Anm.5.3). Ob das Arbeitszeitgesetz dabei über die schon durch § 1154 b ABGB und § 8 Abs3 AngG gezogenen Grenzen hinausgeht, so daß im Sinne der Ausführungen Grillbergers (aaO) gegebenenfalls auch Dispositionen des Arbeitnehmers über seine Freizeitgestaltung, die sich nicht ohne weiters rückgängig machen lassen, zu berücksichtigen wären, kann diesmal auf sich beruhen. Der Wunsch des Klägers, an einem für den 29.9.1984 angesetzten Feuerwehrausflug teilzunehmen, kann auch unter Bedachtnahme auf die Bedeutung eines derartigen "gesellschaftlichen Ereignisses" entgegen der Meinung der Revision nicht höher gewertet werden als das Interesse der beklagten Partei an der Einhaltung der schon einige Wochen vorher vertraglich übernommenen Verpflichtung ihrer Arbeitnehmer zur - betrieblich notwendigen - Überstundenarbeit am 29.9.1984. Daß der Kläger sein diesbezügliches Ansinnen der beklagten Partei erst zwei Tage vor dem mehrfach genannten Termin bekanntgab, obgleich er selbst schon rund zwei Wochen lang davon Kenntnis hatte, fällt dabei im Sinne der zutreffenden Ausführungen des angefochtenen Urteils noch erschwerend ins Gewicht. Bei dieser Sachlage haben die Vorinstanzen das Fernbleiben des Klägers von der Arbeit am 29.9.1984 mit Recht dem Entlassungstatbestand des § 82 litf GewO 1859 unterstellt.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.
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