OGH 8Ob638/86

OGH8Ob638/869.10.1986

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als Richter in der Vormundschaftssache der mj. Sabine K***, geboren am 27. Dezember 1978, infolge Revisionsrekurses der Mutter Roswitha K***, Raumpflegerin, Dr. Gmelinstraße 72, 5020 Salzburg, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Salzburg als Rekursgerichtes vom 29. Juli 1986, GZ. 33 R 572/86-40, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Salzburg vom 3. Juli 1986, GZ. 3 P 138/80-37, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Die am 27. Dezember 1978 geborene Sabine K*** ist ein uneheliches Kind der Roswitha K***. Das Stadtjugendamt Salzburg ist Amtsvormund dieses Kindes. Nach der Aktenlage ist das Kind seit 1982 bei den Pflegeeltern Erich und Ingeborg D*** untergebracht.

Am 21. August 1984 stellte die Mutter den Antrag, ihr ein Besuchsrecht zu ihrer Tochter Sabine in der Weise einzuräumen, daß sie das Kind an jedem Wochenende von Samstag früh bis Sonntag abends zu sich nehmen kann.

Das Erstgericht wies diesen Antrag ab.

Es stellte im wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:

Anläßlich einer Vorsprache am 7. Jänner 1986 zeigte die Mutter keine bzw. kaum eine Bereitschaft, auf an sie gestellte Fragen konkret einzugehen. Am 9. Jänner 1986 teilte sie dem Erstgericht fernmündlich mit, daß sie die für 16. Jänner 1986 anberaumte Tagsatzung nicht besuchen werde, sie werde sich nun an andere Stellen wenden. Es sei ihr egal, ob das Gericht über ihr Besuchsrecht entscheide oder nicht. Sie werde sich jedenfalls an diesem Verfahren nicht mehr beteiligen. Sie fühle sich auch an den Inhalt des am 7. Jänner 1986 mit ihr aufgenommenen Protokolles nicht gebunden, weil sie dieses nicht unterschrieben habe. Anläßlich dieses Telefonates zeigte sich wieder, daß die Mutter offensichtlich nicht in der Lage ist, auf konkrete Fragen oder Vorhalte einzugehen, weil sie hierauf stets mit stereotypen Antworten reagierte, die in keinem bzw. nur in einem entfernten Zusammenhang mit der Fragestellung standen. Der am 16. Jänner 1986 durchgeführten Tagsatzung blieb die Mutter fern. Bereits anläßlich ihrer Vorsprache am 7. Jänner 1986 äußerte sie sich dahingehend, daß sie sich im Rahmen des Verfahrens zur Entscheidung über ihren Besuchsrechtsantrag einer psychologischen Begutachtung jedenfalls nicht unterziehen werde. Der für den 2. Juli 1986 anberaumten Tagsatzung blieb die Mutter wieder trotz ausgewiesener Ladung fern. Anläßlich eines mit ihr am 30. Juni 1986 geführten Telefonates, in welchem ihr unter anderem die Bestellung des Univ.Prof. Dr. L*** zum Sachverständigen und der diesem erteilte Auftrag vorgehalten wurde, gab sie abermals klar zu erkennen, daß sie unter keinen Umständen bereit ist, einer Vorladung zum Sachverständigen Folge zu leisten.

Die Mutter befand sich bereits in Behandlung der Landesnervenklinik Salzburg.

Ihr anläßlich ihrer bisherigen Vorsprachen und Eingaben bei Gericht wiederholt gezeigtes Verhalten, das es kaum ermöglicht habe, ein sachliches Gespräch über die mit ihrem Antrag auf Regelung ihres Besuchsrechtes zusammenhängende Sach- und Rechtslage zu führen und meist durch unbeherrschte Äußerungen der Mutter gekennzeichnet gewesen sei, die mit dem anstehenden Thema in keinem Zusammenhang gestanden seien, lasse zumindest nicht ausschließen, daß die Mutter an psychischen Problemen leide, die für die Frage, inwieweit Besuche der Mutter im Interesse des Kindeswohles vertretbar wären, von Bedeutung seien. Es sei nicht auszuschließen, daß mit der Einräumung eines Besuchsrechtes an die Mutter eine besondere Gefährdung des Kindes verbunden wäre und ihr Verlangen im Hinblick auf eine dem Kind drohende Schädigung geradezu einen Rechtsmißbrauch darstelle. Eine nähere Abklärung dieser Frage wäre nur durch die Erstellung eines Gutachtens eines Sachverständigen aus dem Fachgebiet der Psychiatrie möglich. Infolge der beharrlichen Weigerung der Mutter, bei diesem Sachverständigen zu erscheinen, sei davon auszugehen, daß die Mutter selbst erfolgreich die Klarstellung jener Umstände verhindere, die Voraussetzung für die Stattgebung ihres Begehrens wären.

Der Antrag der Mutter auf Einräumung des begehrten Besuchsrechtes sei daher abzuweisen.

Dem gegen diese Entscheidung gerichteten Rekurs der Mutter gab das Rekursgericht mit dem angefochtenen Beschluß Folge. Es hob die Entscheidung des Erstgerichtes auf und trug diesem die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf.

Das Rekursgericht führte im wesentlichen aus, es sei dem Erstgericht darin zuzustimmen, daß im Hinblick auf die Persönlichkeit der Mutter zur Beurteilung der Frage, ob für den Fall der Einräumung des von ihr verlangten Besuchsrechtes eine besondere Gefährdung für das Kind anzunehmen wäre, die Einholung eines Gutachtens eines Sachverständigen aus dem Fachgebiet der Psychiatrie oder allenfalls eines Kinderpsychologen erforderlich sei und daß es denkbar sei, daß der Antrag einer Partei abgewiesen werden müsse, wenn sie selbst erfolgreich die Klarstellung jener Umstände verhindere, die Voraussetzung für die Stattgebung ihres Begehrens wären. Nach dem im Verfahren außer Streitsachen geltenden Untersuchungsgrundsatz habe jedoch das Gericht alle Umstände und Verhältnisse, welche auf seine Verfügung Einfluß haben, von Amts wegen zu untersuchen. Solange nicht alle Tatumstände geklärt seien, aus denen sich ergeben könnte, daß mit der Einräumung des von der Mutter begehrten Besuchsrechtes keine besondere Gefährdung für ihre Tochter verbunden wäre, dürfe die Entscheidung über diesen Antrag der Mutter nicht ergehen. Das bedeute, daß alle für diese Entscheidung relevanten Tatsachen und Beweisquellen auszuschöpfen seien, ehe über den Besuchsrechtsantrag der Mutter in abweisendem Sinn entschieden werden könne.

Es sei zwar richtig, daß sich die Mutter bereits anläßlich ihrer Vorsprache am 7. Jänner 1986 und neuerlich am 30. Juni 1986 gegenüber dem Erstgericht dahin geäußert habe, daß sie sich im Rahmen des Verfahrens zur Entscheidung über ihren Besuchsrechtsantrag einer psychologischen Begutachtung jedenfalls nicht unterziehen werde. Dennoch scheine für den Fall der Aufrechterhaltung dieser Weigerung der Mutter die Einholung eines Gutachtens eines Sachverständigen aus dem Fachgebiet der Psychiatrie nach entsprechender Befundaufnahme mit der Pflegemutter und dem Kind auf Grund des Akteninhaltes nicht von vornherein ausgeschlossen, zumal aus dem bisherigen Akteninhalt nicht ersichtlich sei, daß der bestellte Sachverständige Univ.Prof. Dr. L*** die persönliche Vorstellung der Mutter unbedingt für erforderlich halte. Zur Verbreiterung der Entscheidungsgrundlage des Sachverständigen werde allenfalls die Einvernahme des Dr. F*** vom Sozialmedizinischen Dienst zweckmäßig sein, der nach dem Akteninhalt die Mutter während ihres Aufenthaltes im Mutter-Kind-Heim aufgesucht habe. Es dürfe auch nicht übersehen werden, daß die Mutter nach dem Akteninhalt ihren unehelichen Sohn Oliver, geboren am 24. Mai 1984, offenbar persönlich betreue und pflege; diese persönliche Pflege und Erziehung durch die Mutter habe offenbar bisher keinen Grund zum Einschreiten der Vormundschaftsbehörde gegeben. Es erscheine daher die Beischaffung des dieses Kind betreffenden Vormundschaftsaktes und seine Übermittlung an den Sachverständigen zur Verbreiterung der Entscheidungsgrundlage zweckmäßig.

Erst nach Ausschöpfung aller möglichen Beweisquellen und Entscheidungsgrundlagen könne gesagt werden, ob eine persönliche Befundaufnahme hinsichtlich der Mutter durch den bestellten Sachverständigen erforderlich sei, um über ihren Antrag auf Einräumung des von ihr gewünschten Besuchsrechtes im stattgebenden Sinn entscheiden zu können.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs der Mutter mit dem erkennbaren Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen im Sinne der Einräumung des von ihr gewünschten Besuchsrechtes abzuändern.

Rechtliche Beurteilung

Dieser Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.

Der Oberste Gerichtshof hat bereits in seiner in diesem Verfahren ergangenen Entscheidung vom 26. Mai 1986, 8 Ob 569/86, auf deren Begründung zur Vermeidung von Wiederholungen im einzelnen verwiesen werden kann, ausgeführt, daß dem Begehren der Mutter auf Einräumung des von ihr verlangten Besuchsrechtes nur dann ein Erfolg zu versagen wäre, wenn mit seiner Erfüllung eine besondere Gefährdung des Kindes verbunden wäre, sodaß sich das Verlangen der Mutter im Hinblick auf eine dem Kind drohende Schädigung geradezu als Rechtsmißbrauch darstellte.

Wenn das Rekursgericht, ausgehend von dieser Rechtsansicht, zur Klärung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes die Ausschöpfung weiterer Beweismittel für erforderlich hielt, kann dem der Oberste Gerichtshof, der auch im außerstreitigen Verfahren nur Rechts- und nicht Tatsacheninstanz ist (EFSlg. 28.371, 28.372, 44.569, 47.129; 8 Ob 625/86 uva.), nicht entgegentreten.

Die Mutter verweist in ihrem Revisionsrekurs darauf, daß sie "ihren Aufenthalt in der Nervenklinik schon lange aus ihrem Gedächtnis gestrichen habe". Dies ist aber durchaus nicht entscheidend. Es ist nicht Sache des Obersten Gerichtshofes, den Vorinstanzen vorzuschreiben, unter welchen Umständen sie eine Gefährdung des Kindes durch Einräumung des von der Mutter verlangten Besuchsrechtes anzunehmen hätten und durch welche Beweismittel die eine Beurteilung dieser Frage zulassenden Tatumstände klarzustellen sind. Im Interesse der Mutter sei aber darauf hingewiesen, daß es auf Grund ihrer aktenkundigen mehrfachen Aufenthalte in der Landesnervenklinik (siehe dazu den Bericht des Sachverständigen Univ.Prof. Dr. L*** ON 45) zumindest nicht denkunmöglich ist, eine besondere Gefährdung des Kindes bei Einräumung des von der Mutter beantragten Besuchsrechtes anzunehmen. Sollte die Mutter bei ihrer bisherigen Weigerung, sich einer Befundaufnahme durch den vom Erstgericht bestellten Sachverständigen zu unterziehen, bleiben, dann muß sie sich darüber im klaren sein, daß sie damit unter Umständen die Abweisung ihres Antrages auf Einräumung des verlangten Besuchsrechtes riskiert, weil sie die Klarstellung der Umstände verhindert, die Voraussetzung für die Stattgebung ihres Begehrens wären.

Dem Revisionsrekurs der Mutter muß ein Erfolg versagt bleiben.

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