OGH 13Os129/86

OGH13Os129/869.10.1986

Der Oberste Gerichtshof hat am 9.Oktober 1986 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Horak, Dr. Felzmann und Dr. Brustbauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Kuras als Schriftführers in der Strafsache gegen Wilhelm Maximilian H*** wegen des Verbrechens des Diebstahls nach §§ 127 ff. StGB. und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Kreisgerichts Ried im Innkreis als Schöffengerichts vom 6.August 1986, GZ 7 Vr 871/83-321, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Strafausspruch aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht verwiesen.

Die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte werden mit ihren Berufungen darauf verwiesen.

Text

Gründe:

Nachdem mit dem Urteil des Obersten Gerichtshofs vom 12. Juni 1986, 13 Os 87/86-6, das im übrigen (nämlich im Schuldspruch wegen des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127 Abs 1, 128 Abs 2, 129 Z. 1 und 2 StGB.; 1) unberührt gebliebene Urteil des Schöffengerichts vom 6.Februar 1986, 6 Vr 871/83-300, in teilweiser Stattgebung der dagegen erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten im Schuldspruch wegen des Verbrechens der Hehlerei nach § 164 Abs 1 Z. 2, Abs 3 StGB. (2) und im Strafausspruch aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht verwiesen worden war (ON 314), hat die Staatsanwaltschaft am 16. Juli 1986 die Erklärung abgegeben, die Anklage im aufgehobenen Schuldspruch 2 zurückzuziehen (§ 227 Abs 1 StPO. aus dem Grund des § 34 Abs 2 Z. 1 StPO.; I. Bd. S. 3 nn, X. Bd. S. 370). Mit dem nunmehr angefochtenen Urteil hat das Schöffengericht - neben einem neuerlichen förmlichen, mit dem schon rechtskräftig gewordenen deckungsgleichen, indes rechtlich verfehlten (RZ. 1980/14 u.v.a.), dem Angeklagten aber nicht zum Nachteil gereichenden (12 Os 131/83) Schuldspruch wegen des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127 Abs 1, 128 Abs 2, 129 Z. 1 und 2 StGB. - für diesen bereits in Rechtskraft erwachsenen Schuldspruch gemäß § 128 Abs 2 StGB. über den Angeklagten eine Freiheitsstrafe von sieben Jahren verhängt. Schon vor der Hauptverhandlung hatte der Verteidiger des Angeklagten in einem am 5.August 1986 bei Gericht eingelangten Schriftsatz mitgeteilt, daß der Richter des Kreisgerichts Ried im Innkreis Dr. Gerhard L*** in der gegenständlichen Strafsache als Ankläger tätig geworden und daher gemäß § 68 Abs 1 Z. 2 StPO. von einer Mitwirkung an ihr als Richter ausgeschlossen sei (X. Bd. S. 363, 364).

Der Präsident des Kreisgerichts Ried hat mit Beschluß vom 5. August 1986, Jv 1323-17a 1/86, dem Antrag des Angeklagten auf Ausschließung des genannten Richters nicht Folge gegeben, weil Dr. L*** als Urlaubsvertreter des zuständigen Staatsanwalts am 13. April 1984 und am 13.August 1984 nur "reine Aktenübersendungen" verfügt, aber keine Untersuchungs- oder Verfolgungshandlungen veranlaßt oder solche Anträge bei Gericht gestellt hat. Unter der Verfügung einer Aktenübersendung könne eine "Mitwirkung" als Ankläger (§ 68 Abs 1 Z. 2 StPO.) nicht verstanden werden (X. Bd. S. 365, 366).

Der Verteidiger des Angeklagten hat zu Beginn der Hauptverhandlung neuerlich geltend gemacht, daß in der Person des Vorsitzenden Dr. Gerhard L*** ein im Sinn des § 68 StPO. ausgeschlossener Richter an der Hauptverhandlung teilnehme, weil dieser in der gegenständlichen Strafsache als Ankläger tätig gewesen sei (X. Bd. S. 369).

Nach Aushändigung einer Ausfertigung des zitierten Beschlusses des Präsidenten des Kreisgerichts Ried im Innkreis vom 5. August 1986, Jv 1323-17a 1/86, an den Verteidiger wiederholte dieser "seinen vorher gestellten Antrag", worunter die neuerliche Geltendmachung des Ausschlußgrunds zu verstehen ist (X. Bd. S. 370). In den Gründen des angefochtenen Urteils wird ausgeführt, daß Dr. Gerhard L*** als Urlaubsvertreter des für diese Strafsache zuständigen Staatsanwalts Dr. Walter J*** für die Staatsanwaltschaft Ried im Innkreis am 13.April und am 13.August 1984 die Rückmittlung der Akten nach Einsichtnahme in Beschlüsse des Oberlandesgerichts Linz an das Kreisgericht Ried im Innkreis verfügt habe. Das Gericht vertrat die Rechtsmeinung, daß in diesen Verfügungen, die keine Verfolgungs- oder Untersuchungshandlungen darstellen, keine "Mitwirkung" als Staatsanwalt in dieser Strafsache erblickt werden könne, Dr. Gerhard L*** sonach als Richter in diesem Strafverfahren gemäß § 68 Abs 1 Z. 2 StPO. nicht ausgeschlossen sei.

Dieses Urteil ficht der Angeklagte aus § 281 Abs 1 Z. 1 und 4 StPO. mit Nichtigkeitsbeschwerde an.

Unter dem erstgenannten Nichtigkeitsgrund wiederholt der Angeklagte die Auffassung, daß die angeführten Verfügungen des Dr. Gerhard L*** als Staatsanwalt zwar nicht von besonderer Wichtigkeit gewesen, dennoch aber als die Ausschließung eines Richters nach sich ziehende Mitwirkung im Sinn des § 68 Abs 1 Z. 2 StPO. anzusehen seien, weil hiefür ein strenger Maßstab angelegt werden müsse. Als eine Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z. 4 StPO. wird geltend gemacht, daß über den Antrag betreffend die Geltendmachung der erwähnten Ausgeschlossenheit des Vorsitzenden nicht entschieden worden sei.

Rechtliche Beurteilung

Die Nichtigkeitsbeschwerde ist berechtigt.

Nach dem Wortlaut des § 68 Abs 1 Z. 2 StPO. ist u.a. von der Wirksamkeit als Richter in allen Instanzen ausgeschlossen, wer in der Sache als Ankläger mitgewirkt hat. Nach der Aktenlage hat Dr. Gerhard L*** als Vertreter des zuständigen Staatsanwalts, somit in dessen Funktion als Ankläger, die beiden in Rede stehenden Verfügungen getroffen, d.h. in dieser Sache als Ankläger mitgewirkt. Auf die materielle Bedeutung und auf die größere oder geringere Wichtigkeit der vorgenommenen Verfahrenshandlung kann es dabei nicht ankommen (KH. 2177). Treffen doch den Staatsanwalt im Interesse eines geordneten Verfahrensgangs ganz allgemein Obliegenheiten und Verpflichtungen (§ 34 Abs 3 StPO.; verstärkt in Haftfällen: § 193 Abs 1 StPO.), die anläßlich jeder Aktenbearbeitung aktuell werden (können) und dann zu einer Verfahrenshandlung, aber auch zu deren (gezielter) Unterlassung führen können. Im Fehlen einer konkreten Antragstellung kann daher nicht unbedingt die Abstinenz von der Wahrnehmung staatsanwaltschaftlicher Aufgaben erblickt werden. Der Ausschließungsgrund des § 68 Abs 1 Z. 2 StPO. setzt für die Mitwirkung als Ankläger auch keineswegs eine Untersuchungs- oder Verfolgungshandlung oder eine Antragstellung voraus. Genug daran, daß die persönliche und selbständige Mitwirkung (die zu EvBlNr. 395/1967 für den Leiter der zur Verfolgung berufenen Anklagebehörde, der lediglich einen Anfallbericht an die Oberstaatsanwaltschaft unterfertigt hatte, als solche verneint wurde) als Vertreter der gegnerischen Prozeßpartei dem Gericht gegenüber (also nicht ein bloß behördeninterner staatsanwaltschaftlicher Vorgang) in einer wenn auch noch so unbedeutenden Prozeßhandlung, wie hier etwa in einer verfügten Aktenübersendung, (aktenkundig) aktuell geworden ist. Kann doch nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden, daß die Befassung des Anklägers mit der Strafsache gelegentlich einer unwichtigen Verfügung diesen von einem für den Prozeßgegner folgenschweren (günstigen oder ungünstigen) möglichen Verfahrensschritt abgehalten hat.

Es war daher in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde das angefochtene Urteil in dem allein von der Anfechtung betroffenen Strafausspruch aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zu verweisen. Mit ihren Berufungen waren die beiden Prozeßparteien darauf zu verweisen.

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