Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Der Kläger ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 6.793,05 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (davon S 617,55 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger war bei der beklagten Partei seit 2.2.1957 als Arbeiter und seit 1967 als technischer Angestellter im Außendienst beschäftigt. Er wurde am 17.12.1984 entlassen, weil ihm wegen Lenkens des Dienstkraftfahrzeuges der beklagten Partei in alkoholisiertem Zustand am 4.12.1984 der Führerschein abgenommen worden war. Dieser Abnahme waren bereits mehrere Entziehungen der Lenkerberechtigung auf Zeit vorausgegangen.
Der Kläger behauptet, daß die beklagte Partei durch diese Entziehungen der Lenkerberechtigung keinen Schaden erlitten habe, weil ihn in diesen Zeiten seine Schwester mit einem Privatwagen gefahren habe. Der klagenden Partei wäre es schon im Hinblick auf die lange Dienstzeit des Klägers zumutbar gewesen, die Kündigungsfrist einzuhalten. Der Kläger begehrte zuletzt Zahlung einer Kündigungsentschädigung für die Zeit vom 17.12.1984 bis 30.6.1985 in Höhe von S 178.690,60 brutto sA.
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, der Kläger habe das ihm zur Verfügung gestellte Dienstfahrzeug wiederholt in alkoholisiertem Zustand gelenkt. Bereits vor dem zur Entlassung führenden Vorfall sei ihm viermal der Führerschein auf längere Zeit wegen Lenkens eines Fahrzeuges in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand entzogen worden. Die klagende Partei habe den Kläger deswegen verwarnt und ihm für den Fall einer neuerlichen Führerscheinentziehung die Entlassung angedroht. Der Kläger könne seinen Dienst nur versehen, wenn er über einen Führerschein verfüge, weil er verpflichtet sei, ein Firmenfahrzeug zu lenken. Daß sich der Kläger durch dritte Personen fahren lasse, sei der beklagten Partei nicht zumutbar. Die wiederholten Führerscheinentziehungen seien ein Zeichen für die Unzuverlässigkeit des Klägers.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.
Es war der Ansicht, daß der Kläger infolge wiederholter Führerscheinentziehungen wegen Lenkens des Dienstfahrzeuges in alkoholisiertem Zustand vertrauensunwürdig geworden und wegen der Entziehungsdauer auch nicht fähig sei, die versprochenen Dienste persönlich ohne Zuhilfenahme dritter Personen zu leisten. Das Berufungsgericht verhandelte die Rechtssache gemäß § 25 Abs 1 Z 3 ArbGG von neuem, traf im wesentlichen dieselben Feststellungen wie das Erstgericht und bestätigte das Ersturteil.
Es legte seiner Entscheidung folgenden Sachverhalt zugrunde:
Der Kläger erwarb am 22.2.1968 den Führerschein. Er hatte bei der Betreuung auswärtiger Kunden vereinbarungsgemäß einen Dienstwagen zu benützen. Alle Außendienstmitarbeiter der beklagten Partei werden schon anläßlich des Einstellungsgespräches darauf hingewiesen, daß der Führerschein eine unverzichtbare Voraussetzung für ihre Tätigkeit ist. Der Kläger benützte für seine Außendienstarbeiten seit 1968 "durchwegs" seinen Dienstwagen. Dem Kläger wurde wegen Fahrten mit dem Firmenfahrzeug (in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand) mehrmals mit Bescheiden der Bundespolizeidirektion Graz die Lenkerberechtigung vorübergehend entzogen, und zwar mit Bescheid vom 31.10.1974 für vier Monate, mit Bescheid vom 5.6.1978 für acht Monate und mit Bescheid vom 30.6.1980 für 16 Monate und mit Bescheid vom 16.3.1984 für 6 Monate (11.1. bis 11.7.1984). Wegen des zur Entlassung führenden Vorfalls vom 4.12.1984 wurde dem Kläger schließlich mit Bescheid vom 27.2.1985 die Lenkerberechtigung für sieben Monate, das ist bis 27.9.1985, entzogen.
Während der Dauer der Entziehungen der Lenkerberechtigung konnte der Kläger seiner Tätigkeit nur deshalb nachgehen, weil er von einer Angehörigen oder einem Bekannten gefahren wurde, die er für diese Tätigkeit entlohnte. Zu einer Einschränkung seiner Tätigkeit oder einem Umsatzrückgang kam es durch die Entziehung der Lenkerberechtigung nicht. Die vorübergehende Entziehung der Lenkerberechtigung bis zum 11.7.1984 überbrückte der Kläger dadurch, daß er in dieser Zeit einen offenen Resturlaub von drei Monaten konsumierte und sich in den übrigen drei Monaten von seiner Schwester mit einem Privat-PKW zu den Kunden führen ließ. Davon hatte die beklagte Partei Kenntnis.
Die beklagte Partei nahm die Entziehungen der Lenkerberechtigungen nicht unbeanstandet hin. Anläßlich einer der vorausgehenden Entziehungen der Lenkerberechtigung wurde der Kläger ermahnt und bei einem späteren Entziehungsfall darauf hingewiesen, daß er nur mehr ausnahmsweise weiterbeschäftigt werde, also im Wiederholungsfalle entlassen werden müsse.
Anlaß für die letzte Entziehung der Lenkerberechtigung mit Bescheid vom 27.2.1985 waren folgende Ereignisse:
Der Kläger feierte am 4.12.1984 mit seinem Bruder in Andritz seinen Geburtstag. Er fuhr vor 19 Uhr mit seinem Firmenwagen dorthin und konsumierte bis etwa 20,45 Uhr Alkohol. Da sein Bruder von den früheren Entziehungen der Lenkerberechtigung Kenntnis hatte, ließ er es nicht zu, daß der Kläger mit dem Firmenwagen nach Graz zurückfahre, brachte ihm mit diesem bis zur Langegasse, stellte das Fahrzeug ab und ließ den Kläger aussteigen. Der Kläger nahm aber den Dienstwagen trotz Alkoholisierung nochmals in Betrieb, weil er meinte, daß das Fahrzeug ungünstig abgestellt worden sei. Er fuhr mit diesem um die Ecke auf den Privatparkplatz einer Tankstelle und wurde, als er den PKW gerade abgeschlossen hatte und sich ins gegenüberliegende Gastlokal begeben wollte, von einem Polizisten angehalten, da er beim Gehen und Stehen stark schwankte, intensiv nach alkoholischen Getränken roch und stark gerötete Bindehäute hatte. Ein Alkotest ergab eine Verfärbung des Röhrcheninhaltes um zwei Millimeter. Die Vorführung zur amtsärztlichen Untersuchung verweigert der Kläger, weshalb ihm die Fahrzeugschlüssel abgenommen wurden.
Der Kläger verständigte seinen Vorgesetzten Gerhard S*** unverzüglich von diesem Vorfall. Gerhard S*** erklärte, er werde die Angelegenheit nicht weiter melden, wenn der Kläger den Führerschein innerhalb von zwei Tagen zurückbekäme. Als dies eine Woche lang nicht der Fall war, meldete Gerhard S*** den Vorfall der Firmenleitung in Wien, die daraufhin die Entlassung des Klägers wegen des neuerlichen Führerscheinentzuges aussprach. Mit Ausnahme der Vorfälle, die zum Führerscheinentzug führten, gab es mit dem Kläger nie Schwierigkeiten. Die beklagte Partei war ursprünglich auch daran interessiert, den Kläger in ihren Diensten zu behalten.
Das Berufungsgericht war der Ansicht, daß die Entlassung des Klägers sowohl wegen Vertrauensunwürdigkeit als auch wegen Unfähigkeit zur Leistung der versprochenen Dienste gerechtfertigt ausgesprochen worden sei. Jener Tatbestand werde durch jedes auch außerdienstliche Verhalten des Angestellten erfüllt, das nach den gewöhnlichen Anschauungen der beteiligten Kreise, also nach objektiven Maßstäben, die Befürchtung des Dienstgebers begründet erscheinen lasse, die Belange des Arbeitgebers könnten durch den Angestellten gefährdet sein. Das Vertrauen des Arbeitgerbers müsse derart heftig erschüttert worden sein, daß ihm eine Fortsetzung des Dienstverhältnisses nicht mehr zugemutet werden könne. Wenn es dem Kläger auch anläßlich frührerer Entziehungen des Führerscheines gelungen sein möge, schädigende Folgen für die beklagte Partei zu vermeiden, habe er doch keine Gewähr dafür geboten, daß das auch während der neuerlichen Führerscheinentziehung der Fall sein werde. Der beklagten Partei sei es nicht zumutbar gewesen, sich auf die Hilfe der Schwester des Klägers zu verlassen. Wegen der Häufigkeit ähnlicher Vorfälle sei der beklagten Partei die Fortsetzung des Dienstverhältnisses trotz dessen langer Dauer nicht zumutbar gewesen. Der Kläger sei durch den Verlust des Führerscheins auch in wesentlichen Belangen unfähig geworden, die versprochenen Dienste zu leisten. Für die Annahme dieses Entlassungsgrundes reiche der mehrmonatige Verlust der Lenkerberechtigung aus, wenn diese eine unerläßliche Voraussetzung für die rationelle Bewältigung des bedungenen Dienstes sei.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen das Urteil des Berufungsgerichtes wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision des Klägers ist nicht berechtigt.
Unter den Tatbestand der Vertrauensunwürdigkeit im Sinne des § 27 Z 1 letzter Fall AngG fällt jede Handlung eines Angestellten, die mit Rücksicht auf ihre Beschaffenheit und auf ihre Rückwirkung auf das Arbeitsverhältnis den Angestellten des dienstlichen Vertrauens seines Arbeitgebers unwürdig erscheinen läßt, weil dieser befürchten muß, daß der Angestellte seine Pflichten nicht mehr gehörig erfüllen werde, so daß dadurch die dienstlichen Interessen des Arbeitgebers gefährdet sind. Entscheidend ist, ob das Verhalten des Angestellten nach den gewöhnlichen Anschauungen der beteiligten Kreise als so schwerwiegend angesehen werden muß, daß das Vertrauen des Arbeitgebers derart heftig erschüttert wird, daß ihm eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zugemutet werden kann (Kuderna, Das Entlassungsrecht 88 f, 83 mwN; Martinek-Schwarz, AngG 6 604; Arb.9091, 9631, 9862 ua).
Der Revisionswerber zieht aus dem Umstand, daß er das Kraftfahrzeug seiner Dienstgeberin am 4.12.1984 nur eine kurze Strecke in alkoholisiertem Zustand lenkte, den Schluß, sein Verschulden an dem die Entlassung auslösenden Vorfall sei nur gering und rechtfertige daher die Annahme eines Verlustes der Vertrauenswürdigkeit nicht. Er übersieht hiebei, daß das Vertrauen bei wiederholten Verfehlungen auch schrittweise verloren gehen kann und das Gesamtverhalten des Angestellten berücksichtigt werden muß, wenn die Vertrauensunwürdigkeit auf einem fortgesetzten (besonders auf die gleiche schädigende Neigung zurückzuführenden) Verhalten beruht (Kuderna aaO, Martinek-Schwarz aaO 606; Arb.9862 ua). Dem Kläger wurde bis zu dem die Entlassung auslösenden Vorfall nicht weniger als viermal die Lenkerberechtigung wegen Lenkens des Dienstwagens der beklagten Partei in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand - bis zu einer Dauer von
16 Monaten! - entzogen. Die beklagte Partei bewies ohnehin Langmut, wenn sie den Kläger anläßlich vorausgegangener Führerscheinentziehungen nur ermahnte und ihm später für den Wiederholungsfall die Entlassung androhte. Nach fünf Fällen erwiesener Fahruntüchtigkeit des Klägers beschränkte sich die Gefährung der Interessen der beklagten Partei nicht mehr darauf, daß der Kläger die Betreuung auswärtiger Kunden nur noch mit Hilfe dritter Personen hätte vornehmen können, und daß selbst das zweifelhaft war, zumal er schon einmal in einem solchen Zeitraum drei Monate Resturlaub konsumieren mußte. Noch schwerer wiegt, daß sich der Kläger trotz Ermahnung nicht besserte, so daß die beklagte Partei mit Grund an seiner Verläßlichkeit zweifeln durfte. Sie mußte es nicht mehr länger hinnehmen, einen Angestellten im Außendienst zu beschäftigen, der immer wieder im betrunkenen Zustand Dienstkraftfahrzeuge lenkte und damit die Gefahr heraufbeschwor, einen Verkehrsunfall zu verursachen, der unter Umständen eine Haftung der beklagten Partei auslösen konnte. Schließlich mußte sie auch befürchten, daß die wiederholten Alkoholisierungen des Klägers oder die Entziehungen seiner Lenkerberechtigung ihren Kunden bekanntwerden und damit ihren geschäftlichen Ruf empfindlich schädigen könnten. Da der Kläger trotz zweimaliger Verwarnung durch die beklagte Partei wiederholt Dienstfahrzeuge in alkoholsiertem Zustand lenkte, ist auch der letzte Vorfall vom 4.12.1984, bei dem er nur eine kurze Strecke alkoholisiert fuhr, als so schwerwiegend anzusehen, daß er unter Bedachtnahme auf die vorausgegangenen, auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden Vorfälle die Entlassung wegen Vertrauensunwürdigkeit rechtfertigt. Die Einhaltung der Kündigungsfrist war der beklagten Partei in dieser Situation nicht zumutbar. Auf die Frage, ob das Verhalten des Klägers auch dem Entlassungsgrund des § 27 Z 2 AngG zu unterstellen wäre, muß bei dieser Rechtslage nicht mehr eingegangen werden.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.
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