Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Beklagte ist schuldig, dem Kläger die mit S 15.556,50 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin die Umsatzsteuer S 5.185,50) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit dem schriftlichen Bestandvertrag vom 24.5.1950 gab Anton G*** als damaliger Eigentümer der Liegenschaft EZ 853 KG Klagenfurt VIII eine 600 - 700 m 2 große Fläche des zum Gutsbestand dieser Liegenschaft gehörigen, in Klagenfurt an der Ecke Villacher Ring - Koschatstraße gelegenen Grundstückes 708 der Firma Franz R*** zum Zwecke der Errichtung und des Betriebes einer Tankstelle für die Dauer von 25 Jahren in Bestand.
Vereinbarungsgemäß sollte die in Bestand gegebene Fläche vermessen, daraus ein eigenes Grundstück geschaffen und dafür eine eigene Einlagezahl eröffnet werden, auf der einerseits das Eigentumsrecht des Bestandgebers und andererseits das Bestandrecht des Bestandnehmers einverleibt werden sollte. Der Bestandvertrag sollte nur durch eine ein halbes Jahr vorher zu erfolgende Aufkündigung enden. Für den Fall, daß der Bestandvertrag nach 25 Jahren nicht aufgekündigt wurde, sollte er auf weitere 5 Jahre verlängert werden. In der Folge errichtete die Firma R*** auf der ihr in Bestand gegebenen Fläche eine Tankstelle. Die Bestandfläche wurde vermessen und das Grundstück 708 in das Grundstück 708/1 und in das Grundstück 708/2 geteilt. Während das Grundstück 708/1 Gutsbestand der Liegenschaft EZ 853 des Bestandgebers verblieb, wurde das Grundstück 708/2, das die in Bestand gegebene Fläche umfaßt, von dieser Liegenschaft ab- und der neu geschaffenen Liegenschaft EZ 1396 KG Klagenfurt VIII zugeschrieben. Auf der Liegenschaft EZ 1396 (das ist Klagenfurt, Villacher Ring 41) wurde das Eigentumsrecht für den Bestandgeber und das Bestandrecht des Bestandnehmers einverleibt. In der Folge erhielt das Grundstück 708/2 der EZ 1396 die Bezeichnung 2650 (offenbar deshalb, weil zur Liegenschaft EZ 872, die im Eigentum eines Dritten steht, ein Grundstück 708/2 gehört). Das für die Zeit bis 24.5.1980 auf der Liegenschaft EZ 1396 einverleibte Bestandrecht für Franz R*** wurde im Jahr 1982 gelöscht. Rechtsnachfolger des Bestandgebers ist der heutige Kläger, Rechtsnachfolger des Bestandnehmers die Beklagte. Mit der am 22.11.1984 eingebrachten und vom Erstgericht am gleichen Tag bewilligten gerichtlichen Aufkündigung kündigte der Kläger der Beklagten die am "Grundstück in Klagenfurt, Villacher Ring 41, EZ 1396 KG Klagenfurt VIII Grundstück 708/2 und Teile der Nr.708/1 gelegene Tankstelle und Waschobjekt und Parkflächen" zum 24.5.1985 gerichtlich auf. Diese Aufkündigung K 128/84 des Erstgerichtes erwuchs in Rechtskraft.
Mit dem Schreiben vom 13.2.1985 bot die Beklagte dem Kläger an, die Grundstücke 2650 und 708/1 zu kaufen. Mit dem Schreiben vom 7.5.1985 teilte die Beklagte dem Kläger mit, sie stehe auf dem Standpunkt, daß das Bestandverhältnis den Kündigungsbeschränkungen des MRG unterliege und daß daher keine Veranlassung bestehe, in Verhandlungen wegen der Räumung des Bestandobjektes einzutreten. Nach verschiedenen gegenseitigen Vorschlägen trafen die Rechtsvertreter der Streitteile am 29.5.1985 telefonisch die in dem vom Klagevertreter am gleichen Tag an den Beklagtenvertreter gerichteten Schreiben (Beilage ./T) festgehaltene Vereinbarung, wonach die Beklagte "das Grundstück" in der Frist von 3 Monaten, beginnend ab 1.Juni (1985), somit bis 31.August (1985) vollkommen räumt, also die Gebäude abbricht, alle Anlagen entfernt und planiert und dem Kläger übergibt und wonach der Kläger alle für den Abbruch erforderlichen Erklärungen mitunterfertigt.
In ihrem Schreiben vom 5.6.1985 (Beilage ./U) teilte die Beklagte dem Kläger mit, daß sie im Rahmen der bisher geführten Verhandlungen davon ausgegangen sei, daß eine wirksame Kündigung bezüglich jenes Grundstücks vorliege, auf welchem sich die Tankstelle befindet. Die Aufkündigung K 128/84 des Bezirksgerichtes Klagenfurt beziehe sich auf das Grundstück 708/2, weshalb die Beklagte davon habe ausgehen müssen, daß sich die Kündigung auch auf das Tankstellengrundstück beziehe. Erst am 3.6.1985 habe die Beklagte Kenntnis davon erhalten, daß sich die Tankstelle ausschließlich auf dem Grundstück 2650 befinde, wovon der Klagevertreter unverzüglich telefonisch verständigt worden sei. Die Beklagte sei daher bei den Verhandlungen von unrichtigen Voraussetzungen ausgegangen, "weil nicht bekannt war, daß eine rechtswirksame Kündigung hinsichtlich des Tankstellengrundstücks nicht vorliege". Soferne der Kläger die Räumung des Tankstellengrundstücks "im Hinblick auf das Ergebnis dieser Verhandlungen" fordern sollte, mache die Beklagte geltend, daß "auf Grund der geschilderten Umstände" eine verbindliche Absprache nicht zustande gekommen sei.
Am 13.6.1985 beantragte der Kläger, ihm auf Grund der Aufkündigung K 128/84 gegen die Beklagte die zwangsweise Räumung der von der Beklagten in "Klagenfurt, Villacher Ring 41 betriebenen Tankstelle samt Waschanlage und Parkflächen, gelegen auf der gesamten Grundfläche der EZ 1396 KG Klagenfurt VIII und Teilen der angrenzenden Parzelle 708/1" zu bewilligen. Dieser Antrag wurde mangels der für die Bewilligung der Exekution erforderlichen Bestimmtheit des Titels rechtskräftig abgewiesen.
Der Kläger begehrte mit der am 11.9.1985 eingebrachten Klage nunmehr die Räumung des Gebäudes Klagenfurt, Villacher Ring 41 "samt dem Raum unter dem Vordach, sowie die gesamtumliegende Fläche des Grundstücks Nr.2650 einliegend in der EZ 1396 KG Klagenfurt VIII". Er stützte dieses Begehren auf die "materiellrechtliche Wirksamkeit der Kündigung K 128/84" und auf die Räumungsvereinbarung vom 29.5.1985.
Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Die Aufkündigung des Erstgerichtes K 128/84 sei nicht rechtswirksam, weil die Beklagte deren Zustellung durch den Notar nicht akzeptiert habe. Anläßlich des am 29.5.1985 zwischen den Vertretern der Streitteile geführten Telefonates seien (zwar) die im Schreiben des Klagevertreters vom gleichen Tag festgehaltenen Absprachen getroffen worden, doch sei die Beklagte erst am 3.6.1985 über die genaue Lage der Tankstelle informiert worden, nämlich darüber, daß das "Tankstellengrundstück Nr.2650" nicht von der gerichtlichen Aufkündigung "umfaßt" sei. Deshalb habe die Beklagte , die (irrtümlich) davon ausgegangen sei, daß das Bestandobjekt von der gerichtlichen Aufkündigung vollständig erfaßt sei, die (am 29.5.1985) mündlich getroffene Vereinbarung wegen Irrtums widerrufen. Die Vereinbarung vom 29.5.1985 habe die "Wirksamkeit" der gerichtlichen Aufkündigung zur Voraussetzung gehabt. Der Irrtum, in dem sich die Beklagte (hinsichtlich der Lage der aufgekündigten Tankstelle) befunden habe, sei im übrigen vom Kläger veranlaßt worden und hätte ihm auch offenbar auffallen müssen. Wenngleich die Beklagte in einem Schreiben (vor dem 29.5.1985) bereits das Grundstück 2650 erwähnt habe, so sei ihr die genaue Lage der Tankstelle und der Umfang des Bestandobjektes (das sie im Jahr 1982 von Franz R*** übernommen habe) bis zum 3.6.1985 nicht bekannt gewesen.
Der Kläger brachte dagegen vor, daß das Bestandobjekt in der Aufkündigung K 128/84 des Erstgerichtes zwar ungenau bezeichnet gewesen sein möge, daß aber dessen ungeachtet zwischen den Parteien nicht der geringste Zweifel über den Umfang des Bestandrechtes der Beklagten bestanden habe.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es vertrat rechtlich die Auffassung, daß die Vereinbarung vom 29.5.1985 eine Räumungsverpflichtung der Beklagten darstelle, die diese zu Unrecht wegen Irrtums anzufechten versuche. Abgesehen davon, daß sich aus dem Schreiben der Beklagten vom 13.2.1985 ergebe, daß sich die Beklagte sehr wohl dessen bewußt war, auf welchem Grundstück sich die Tankstelle befindet, wäre selbst dann, wenn der Beklagten erst am 3.6.1985 bewußt geworden wäre, daß das gemietete Grundstück nicht die Nummer 708/2 sondern die Nummer 2650 trage, der Vertragswille unzweifelhaft auf die Räumung desjenigen Grundstückes ausgerichtet gewesen, auf dem die Tankstelle steht, sodaß der unrichtigen Bezeichnung keine wesentliche (keine rechtliche) Bedeutung zukomme. Dazu komme, daß die Aufkündigung K 128/84 rechtskräftig sei. Die in ihr enthaltene unrichtige Bezeichnung des zu räumenden Grundstückes möge zwar ihrer Exequierbarkeit entgegenstehen, ändere aber nichts an ihrer materiellrechtlichen Wirkung, also an der Beendigung des Bestandverhältnisses. Die Beklagte sei daher zur Räumung des Bestandobjektes verpflichtet.
Das Berufungsgericht gab der von der Beklagten dagegen erhobenen Berufung nicht Folge, sondern bestätigte die erstgerichtliche Entscheidung. Das Gericht zweiter Instanz sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es bestätigend entschied, S 300.000 übersteigt und vertrat rechtlich folgende Auffassung:
Inwieweit die Aufkündigung K 128/84 materiellrechtliche Bindungen hervorgerufen hat, könne angesichts der am 29.5.1985 getroffenen Vereinbarung dahingestellt bleiben, weil damit die sich aus der Aufkündigung ergebende Räumungsverpflichtung der Beklagten inhaltlich neu und gleichlautend geregelt wurde und weil sich die Einrede des Irrtums durch die Beklagte in gleicher Weise auf die Aufkündigung wie auf die Vereinbarung vom 29.5.1985 bezieht. Da die Streitteile die inhaltliche Bestimmung und Formulierung des Textes der Vereinbarung ihren Prozeßbevollmächtigten übertragen haben, seien deren Erklärungen und Willensbekundungen als Vertreter der Parteien ebenso beachtlich wie das Verhalten der Parteien selbst. Es komme nur darauf an, ob die Vereinbarung vom 29.5.1985 wegen Irrtums auf der Seite der Beklagten unwirksam ist. Das Vorbringen der Beklagten könne wohl nicht dahin verstanden werden, daß die Beklagte nicht gewußt habe, daß sich die Aufkündigung K 128/84 und die nachfolgenden Verhandlungen zwischen den Prozeßvertretern der Parteien auf die ehemalige Tankstelle R*** an der Ecke Koschatstraße-Villacher Ring in Klagenfurt bezogen haben, also auf die einzige Tankstelle in dieser Lage gegenüber dem Schillerpark, die die Beklagte seit dem Jahr 1982 als Nachfolger Franz R*** dort betreibt. Ganz eindeutig habe die Beklagte vielmehr nur zum Ausdruck gebracht, daß sie nicht gewußt habe, daß die von ihr gemietete Grundfläche die Bezeichnung Nr.2650 KG Klagenfurt VIII trägt. Daß es sich um die im Eigentum des Klägers stehende Liegenschaft EZ 1396 KG Klagenfurt VIII, Klagenfurt, Villacher Ring 41 (gegenüber dem Schillerpark) handelt, sei nie unklar gewesen, auch nicht der Beklagten, wie sich aus ihren Schreiben vom 13.2.1985 (./I) und 15.4.1985 (./L) und vor allem aus dem Schreiben vom 5.6.1985 (./U) ergibt. Die Lage des von ihr zu räumenden und von ihr seit dem Jahr 1982 benützten, einzigen Bestandobjektes sei der Beklagten also bekannt gewesen. Wenn überhaupt - obwohl der Inhalt des Schreibens der Beklagten vom 13.2.1985 (./I), in dem die Beklagte dem Kläger das Anbot gemacht hat, die Grundstücke 2650 und 708/1 (also nicht auch das Grundstück 708/2) zu kaufen, dagegen spreche - könne sich die Beklagte nur hinsichtlich der Bezeichnung des "Tankstellengrundstückes" in Irrtum befunden haben, also nur hinsichtlich der Frage, ob dieses Grundstück noch die ursprüngliche Nummer 708/2 oder die nunmehrige Nummer 2650 trägt. Ein solcher Irrtum könne aber nicht als Geschäftsirrtum und schon gar nicht als wesentlich qualifiziert werden. Mit Recht sei das Erstgericht davon ausgegangen, daß der Kläger und die Beklagte sich unter der von der Beklagten zu räumenden Tankstelle auf der Liegenschaft EZ 1396 KG Klagenfurt VIII in Klagenfurt, Villacher Ring 41 (gegenüber dem Schillerpark) das nämliche, aber eine andere Bezeichnung tragende Grundstück vorgestellt haben und daß in der unrichtigen Bezeichnung dieses Grundstückes eine bloße "falsa demonstratio" liegt, die unschädlich sei und nicht als Erklärungsirrtum behandelt werden könne. Sollte die Beklagte bei Abschluß der Vereinbarung vom 29.5.1985 die Aufkündigung K 128/84 für exequierbar angesehen haben und nur deshalb die Räumungsverpflichtung eingegangen sein, läge darin ein bloßer Motivirrtum, der unbeachtlich wäre, weil er nicht durch Täuschung hervorgerufen wurde und weil die Exequierbarkeit der Aufkündigung nicht ausdrücklich als Beweggrund für die am 29.5.1985 eingegangene Räumungsverpflichtung vereinbart wurde. Aus dem Schreiben der Beklagten vom 7.5.1985 (./N) und ihrem darauf gestützten Vorbringen gehe im übrigen klar hervor, daß sie schon vor dem 29.5.1985 den Standpunkt eingenommen hat, daß das Bestandverhältnis (ungeachtet der Aufkündigung) noch aufrecht sei. Gegen die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich die Revision der Beklagten aus den Anfechtungsgründen des § 503 Abs 1 Z 2, 3 und 4 ZPO mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß das Klagebegehren abgewiesen wird; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der Kläger beantragt in der Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Die Beklagte macht zunächst Mangelhaftigkeiten des berufungsgerichtlichen Verfahrens geltend und behauptet, daß dem Berufungsgericht eine Aktenwidrigkeit unterlaufen sei. Beide Revisionsgründe liegen jedoch nicht vor, was nicht näher zu begründen ist (§ 510 Abs3 ZPO).
In der Rechtsrüge vertritt die Beklagte den Standpunkt, daß sie die Unwirksamkeit der Räumungsvereinbarung vom 29.5.1985 deshalb behaupte, weil sie in Unkenntnis war, daß die gerichtliche Aufkündigung das Tankstellengrundstück nicht mitumfaßte. Der Kläger habe im übrigen durch die irrige Bezeichnung des Bestandobjektes den Irrtum der Beklagten veranlaßt. Die Vereinbarung sei nur deshalb zustandegekommen, um eine Räumungsexekution, die irrigerweise erwartet wurde, zu verhindern. Es habe sich um einen gemeinsamen Irrtum beider Teile gehandelt, der auf Seite der Beklagten als Geschäftsirrtum anzusehen sei. Dazu war zu erwägen:
Wie die Vorinstanzen richtig erkannten, ist zunächst davon auszugehen, daß ein Irrtum darüber, um welches Objekt es sich bei der Auseinandersetzung der Parteien handelte, nicht vorliegt. Gleichgültig, ob die "Tankstelle samt Waschobjekt und Parkflächen" der Beklagten auf der Liegenschaft des Klägers in den einzelnen rechtlichen Schritten richtig umschrieben war oder nicht, waren sich die Parteien jedenfalls beiderseits völlig im klaren, daß Gegenstand ihrer Verhandlungen und Auseinandersetzungen die von der Beklagten in Bestand genommene Betriebsliegenschaft mit der Tankstelle in Klagenfurt, Villacher Ring 41 gegenüber dem Schillerpark, war. Demgemäß stellt sich nur mehr die Frage, ob die Beklagte dadurch, daß ihr Vertreter der irrigen Ansicht war, die gerichtliche Aufkündigung sei exekutierbar und sich deshalb veranlaßt sah, die Räumungsvereinbarung zu schließen, einem die Aufhebung des Vertrages bewirkenden Geschäftsirrtum des § 871 ABGB unterlag oder bloß in einem Motivirrtum (§ 901 ABGB) befangen war, der auf die Wirksamkeit der entgeltlichen Vereinbarung keinen Einfluß hatte:
§ 871 ABGB betrifft nur den Irrtum über den Inhalt der Erklärung (Geschäftsirrtum im wesentlichen Sinn) im Gegensatz zum Motivirrtum, der zufolge § 901 ABGB prinzipiell unbeachtlich ist (Rummel in Rummel, Rdz 3 bei § 871). Ein beachtlicher Geschäftsirrtum liegt vor, wenn der Erklärende über die Natur des Geschäftes, dessen Inhalt (Gegenstand) oder eine für das Geschäft bedeutsame Eigenschaft (oder Identität) der Person des Geschäftspartners irrt; der Geschäftsirrtum bezieht sich somit immer auf Punkte, die Inhalt des Rechtsgeschäftes sind. Ein bei entgeltlichen Rechtsgeschäften unter Lebenden außer dem Fall, daß das Motiv von den Parteien einvernehmlich zum Inhalt des Vertrages gemacht wurde, unbeachtlicher Motivirrtum ist hingegen gegeben, wenn der Erklärende über außerhalb des Geschäftsinhaltes, im Vorfeld des psychologischen Willensentschlusses liegende Umstände irrt (Koziol-Welser 5 I 105;
EvBl1975/205; JBl1976, 145; 5 Ob 631/76; 2 Ob 510/79; 5 Ob 748/79;
4 Ob 590/81 ua.). Berücksichtigt man diese Grundsätze im vorliegenden Fall, liegt klar auf der Hand, daß der Abschluß der Räumungsvereinbarung vom 29.5.1985 nur deshalb erfolgte, um - wie die Beklagte noch in der Revision selbst einräumt - einer bevorstehenden Räumungsexekution vorzubeugen. Die irrige Annahme, daß die ausgesprochene gerichtliche Aufkündigung exekutierbar ist, war nicht der Inhalt des Rechtsgeschäftes, sondern vielmehr bloß der psychologische Hintergrund dafür, daß sich der Beklagtenvertreter zum Abschluß der Räumungsvereinbarung entschloß. Liegt aber wie hier bloß ein Motivirrtum vor, braucht auf Fragen der Veranlassung oder Gemeinsamkeit desselben im Sinne des hier nicht zur Anwendung kommenden § 871 ABGB nicht mehr eingegangen zu werden. Ebenso braucht die Frage, ob nicht trotz der mangelnden Exekutierbarkeit der gerichtlichen Aufkündigung das Bestandverhältnis zwischen den Parteien ohnedies aufgelöst wurde und damit der Beklagten jeder Titel für die Benützung der Liegenschaft fehlt, unter diesen Umständen nicht mehr weiter behandelt zu werden.
Der Revision war somit der Erfolg zu versagen.
Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
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