Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung
Im Verlassenschaftsverfahren nach der am 3. März 1978 verstorbenen Erblasserin haben sich sowohl der testamentarisch eingesetzte Erbe als auch die gesetzlichen Erben der Erbschaft entschlagen oder trotz Aufforderung keine Erbserklärungen abgegeben. Auch das Ediktalverfahren gemäß § 128 AußStrG blieb erfolglos. Das Erstgericht sprach deshalb zunächst mit dem Beschluß ON 122 einerseits aus, daß der Nachlaß erblos ist, und erklärte andererseits die Verlassenschaft als erbloses Gut dem Staate gemäß § 760 ABGB anheim gefallen. Diesen zweiten Teil des Beschlusses hat das Rekursgericht über Rechtsmittel der Republik Österreich ersatzlos aufgehoben.
Mit dem angefochtenen Beschluß hob das Rekursgericht den weiteren Beschluß des Erstrichters ON 123, womit die Verlassenschaftskuratorin enthoben wurde, zur Verfahrensergänzung auf. Es vertrat die Rechtsansicht, die erblose Verlassenschaft dürfe dem Fiskus nicht gegen dessen Willen aufgedrängt werden. Zunächst habe der Verlassenschaftskurator eine Schlußrechnung zu legen, damit festgestellt werden könne, ob überhaupt ein reiner Nachlaß vorhanden ist, der dem Fiskus gemäß § 130 AußStrG zur Übernahme angeboten werden kann. Erst nach rechtskräftiger Genehmigung dieser Schlußrechnung stehe der reine Nachlaß fest. Mit der abhandlungsbehördlichen Genehmigung der Schlußrechnung und der Enthebung des Kurators sei das Abhandlungsverfahren für beendet zu erklären. Dann werde das Erstgericht den Akt an die Finanzprokuratur zu übersenden und diese unter Setzung einer angemessenen Frist zur allfälligen Antragstellung zur Übernahme des erblosen Nachlasses aufzufordern haben. Mache die Finanzprokuratur vom Heimfallsrecht Gebrauch, so werde das Erstgericht einen Überweisungsbeschluß zu fassen haben. Erkläre sich aber die Finanzprokuratur nicht zur Nachlaßübernahme bereit und komme es weder zur Überlassung des Nachlasses an Zahlungs Statt noch zu einem Nachlaßkonkurs, so wäre die zur Verlassenschaft gehörige Liegenschaft zweifelsohne herrenlos und es bestehe dann die Möglichkeit des originären Eigentumserwerbes durch Okkupation der Liegenschaft.
Nur gegen die letzte, vom Rekursgericht geäußerte Rechtsansicht richtet sich der Rekurs der Republik Österreich mit dem Antrag, den Beschluß der zweiten Instanz in seiner Begründung dahin abzuändern, daß dem Erstgericht nach der allfälligen Beendigung des Verlassenschaftsverfahrens die Durchführung eines Verlassenschafts-Pflegschaftsverfahrens aufgetragen werde, solange nicht die Prokuratur oder ein anderer hiezu Berechtigter den Nachlaß in Anspruch nimmt und noch Werte vorhanden sind.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist im Ergebnis nicht berechtigt.
Der ungewöhnliche Stand des vorliegenden Verlassenschaftsverfahrens hat seinen Grund darin, daß die zum Nachlaß gehörende, in diesem Verfahren mit 928.342 S und in einem - erfolglosen - Zwangsversteigerungsverfahren mit 945.316 S geschätzte Liegenschaft mit der Reallast einer monatlichen wertgesicherten Rente von (1983) rund 6.000 S belastet ist. Die Finanzprokuratur vertritt in ihrem Rechtsmittel die Ansicht, daß auch im Fall der Ablehnung des Heimfallsanspruches eine Dereliktion des Nachlasses nicht in Betracht komme und es umgekehrt der Rekurswerberin freistehen müsse, den Zeitpunkt eines allfälligen Aktivwerdens des Nachlasses abzuwarten, ohne bis dahin durch die Übernahme des scheinbar überschuldeten Nachlasses administrativ belastet zu werden.
Mit Rücksicht auf die Rechtskraft des Beschlusses ON 122 in der vom Rekursgericht teilweise abgeänderten Fassung ist davon auszugehen, daß ein Heimfall der erblosen Verlassenschaft an den Staat mangels dessen Zustimmung noch nicht stattgefunden hat. Mit Recht bekämpft die Rekurswerberin die in der Begründung des angefochtenen Beschlusses enthaltene Rechtsansicht des Rekursgerichtes, daß im Falle einer weiteren Verweigerung der Übernahme der erblosen Verlassenschaft durch den Staat diese als derelinquiert zu gelten habe und der Aneignung freistünde. Lehnt der Fiskus die Ausübung des Heimfallsrechtes ab, dann bleibt der Nachlaß - wenn er nicht in diesem Fall gewöhnlich überschuldet ist und zur Befriedigung der Gläubiger verwendet wird - in gerichtlicher Verwahrung; von einem freien Aneignungsrechte "kann gar keine Rede sein". Die Liquidation wird durchgeführt, der reine Nachlaß in Gestalt von Wertpapieren hinterlegt und letztlich - jetzt gemäß § 4 des BG über die Einziehung gerichtlicher Verwahrnisse, BGBl. 1963/281 - für den Bund eingezogen (Ehrenzweig, System II/2, 404 FN 9, Rintelen, Verfahren außer Streitsachen 87; ebenso 6 Ob 340/58). Die gegenteilige Rechtsansicht des Rekursgerichtes stünde nach der zutreffenden Ansicht der Rekurswerberin mit dem besonderen Schutz auch des ruhenden Nachlasses gemäß § 21 Abs. 1 ABGB (Aicher in Rummel, ABGB, Rz 2 zu § 21; RZ 1963/174) im Widerspruch und hätte überdies die unerträgliche Folge, daß die Gläubiger des ruhenden Nachlasses (hier vor allem die Reallastberechtigte) infolge eines originären Rechtserwerbs am herrenlosen Gut ihrer Rechte verloren gingen.
Zu der im Rekurs angedeuteten Meinung, es stünde dem Staat (gemeint wohl: zeitlich unbeschränkt) das Recht zu, die erblose Verlassenschaft jederzeit nach Maßgabe eines erkennbaren Vorteils für den Fiskus in Anspruch zu nehmen, muß bei der derzeitigen Verfahrenslage noch nicht Stellung genommen werden.
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