OGH 1Ob575/86

OGH1Ob575/863.9.1986

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch, Dr. Schubert, Dr. Hofmann und Dr. Schlosser als weitere Richter in der Rechtssache des Antragstellers Dr. Gustav K***, Pensionist, Wien 13., Schloß Schönbrunn 24, vertreten durch Dr. Gerhard Kornek, Rechtsanwalt in Wien, wider die Antragsgegner 1.) Verlassenschaft nach Anna Maria K***, verstorben am 30. April 1986, 2.) Marianne U***, Angestellte, St. Pölten, Heidenheimerstraße 23 a, beide vertreten durch Dr. Max Urbanek, Rechtsanwalt in St. Pölten, wegen § 835 ABGB infolge Revisionsrekurses des Antragstellers gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 12. Februar 1986, GZ 44 R 32/86-65, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Favoriten vom 6. Dezember 1985, GZ 2 Nc 39/83-58, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Zum Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens (26.4.1983) waren der Antragsteller und Maria Anna K*** je zur Hälfte Eigentümer der Liegenschaft EZ 563 KG Favoriten, Haus Erlachgasse 126. Aufgrund eines zwischen Maria Anna K*** und Marianne U*** abgeschlossenen Schenkungsvertrages wurde während des anhängigen Verfahrens mit Beschluß des Bezirksgerichtes Favoriten vom 28.3.1984, TZ 1568/84, das Eigentumsrecht der Marianne U*** auf einem Sechzehntelanteil der EZ 563 KG Favoriten einverleibt. Mit schriftlichem Mietvertrag vom 13. bzw. 16.10.1981 vermieteten der Antragsteller und Maria Anna K*** die Wohnungen Tür 22 und 23 des Hauses Erlachgasse 126 auf unbestimmte Zeit an Dr. Max und Marianne U*** (Schwiegersohl und Tochter der Maria Anna K***) zu einem nach § 7 MietG erhöhten monatlichen Hauptmietzins von S 1.612,50. Die Gesamtfläche der Wohnungen beträgt 73,49 m 2 . Nach § 8 des Vertrages stimmten die Vermieter einer Untervermietung des Bestandobjektes ohne ihre ausdrückliche schriftliche Genehmigung nicht zu.

Der Antragsteller begehrte, ihn gerichtlich zu ermächtigen, gegen Dr. Max und Marianne U*** eine gerichtliche Aufkündigung der Wohnung 22 und 23 im Hause Wien 10., Erlachgasse 126, gestützt auf die Kündigungsgründe des § 30 Abs 2 Z 6 und allenfalls § 30 Abs 2 Z 4 MRG, falls eine Untervermietung bereits tatsächlich stattgefunden habe, einzubringen und die fehlende Einwilligung der Antragsgegnerin beschlußmäßig zu ersetzen. Die Wohnung werde von den Mietern, die in St. Pölten lebten, wenn überhaupt nur als Absteige benützt. Die Mieter hätten die Absicht geäußert, die Wohnung an Studenten unterzuvermieten. Dies sei ihnen gemäß § 8 des Mietvertrages untersagt. Bei Freiwerden der Wohnung könnte diese günstiger vermietet werden. Der Antragsteller habe bei Abschluß des Mietvertrages angenommen, daß die Wohnung nur "pro forma" gemietet worden sei, damit die Mieter Wohnungsverbesserungsdarlehen in Anspruch nehmen könnten. Er sei davon ausgegangen, daß die Wohnung nach Zusammenlegung und Instandsetzung und Beendigung des pro-forma-Mietverhältnisses von den Hauseigentümern entsprechend günstiger vermietet werde, diese dafür aber selbstverständlich auch die Rückzahlung des Kredites und die Vergütung der allenfalls darüber hinaus investierten Eigenmittel vornehmen. Diese Überlegung wurde vom Antragsteller allerdings nur illustrativ dargestellt, da er sich auch mit einer bestimmungsgemäßen Verwendung der Wohnung durch die Mieter einverstanden erklärt hätte, nicht aber zu einer Nutzung, wie sie derzeit gehandhabt werde.

Obwohl Maria Anna K*** nach der Einverleibung des Eigentumsrechtes ihrer Tochter darauf hinwies, daß es erforderlich erscheinen werde, die neue Miteigentümerin in das Verfahren einzubeziehen (S. 92 d.A.), ja daß Marianne U*** wohl schon allein durch die Einverleibung gleichfalls Antragsgegnerin geworden sei (S. 114 d.A.), erfolgte seitens des Antragstellers in erster Instanz weder eine Ausdehnung des Antrages auf Marianne U*** noch wurde ein Antrag gestellt, auch deren Einwilligung in die Kündigung durch Gerichtsbeschluß zu ersetzen.

Maria Anna K*** wendete ein, durch die Zusammenlegung und den Umbau der beiden Substandardwohnungen seien den Mietern Aufwendungen von S 479.087,80 entstanden, wovon nur S 211.430,- durch ein Wohnungsverbesserungsdarlehen gedeckt worden wären. Die geplante Untervermietung sei vom Antragsteller ausdrücklich, jedenfalls aber schlüssig genehmigt worden. Eine Aufkündigung sei auch deshalb aussichtslos, weil der Antragsteller bei Abschluß des Mietvertrages gewußt habe, daß ein dringendes Wohnbedürfnis der Mieter nicht gegeben sei. Darin liege ein stillschweigender Kündigungsverzicht. Die Voraussetzungen nach § 10 MRG seien gegeben, sodaß bei erfolgreicher Kündigung die Mieter Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen hätten. Geldmittel, um einen solchen Aufwandersatz zu leisten, stünden ihr aber nicht zur Verfügung, sodaß für den Vermögensstamm erhebliche Nachteile zu befürchten wären. Bei einer allfälligen Neuvermietung könnte, da weitere Erhaltungsarbeiten am Haus durchgeführt werden müßten, nur der Kategoriemietzins erzielt werden. Damit könnte aber der Ersatzanspruch der Mieter nicht hereingebracht werden. Der Antrag sei auch schikanös gestellt worden, da seit längerer Zeit wegen grundloser Verweigerung der Zustimmung des Antragstellers zur Vermietung mehrere Wohnungen im Haus leerstünden.

Das Erstgericht, das ohne entsprechenden Antrag durch den Antragsteller auch Marianne U*** als Antragsgegnerin anführte, sprach aus, daß der Antragsteller ermächtigt werde, die gerichtliche Aufkündigung gegen Dr. Max und Marianne U*** als Hauptmieter der Wohnung Nr. 22 und 23 im Hause Wien 10., Erlachgasse 126, gemäß § 30 Abs 2 Z 6 und § 30 Abs 2 Z 4 MRG namens der Hausgemeinschaft einzubringen. Die fehlende Einwilligung der Antragsgegnerin Maria Anna K*** werde gerichtlich ersetzt. Diese Ermächtigung und die ersetzte Einwilligung werde jedoch nur wirksam, wenn und sobald vom Antragsteller ein Betrag von S 218.750,- als Sicherheitsleistung für Maria Anna K*** und ein weiterer Betrag von S 31.250,- als Sicherheitsleistung für Marianne U*** zugunsten der genannten Personen bei der Verwahrungsabteilung des Oberlandesgerichtes Wien erlegt werde.

Diesen Bechluß bekämpften Marianne U*** und Maria Anna K*** mit zwei gesonderten, im wesentlichen gleichlautenden Rekursen, desgleichen der Antragsteller, der nunmehr sowohl Maria Anna K*** als auch Marianne U*** als Antragsgegner bezeichnete, mit Rekurs. Der Antragsteller strebte die Abänderung des erstgerichtlichen Beschlusses dahin an, daß die Auferlegung einer Sicherheitsleistung ersatzlos behoben werde.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragsgegner Folge und änderte den Beschluß dahin ab, daß der Antrag des Antragstellers, ihn zu ermächtigen, namens der Hausgemeinschaft eine Aufkündigung einzubringen und die fehlende Einwilligung der Antragsgegnerinnen zu ersetzen, abgewiesen wird. Dem Rekurs des Antragstellers wurde nicht Folge gegeben. Nach dem übereinstimmend vorgebrachten Sachverhalt habe der Antragsteller gewußt, daß die Anmietung der Wohnungen durch Dr. Max und Marianne U*** zwecks Zusammenlegung und Standardverbesserung erfolgen sollte. Er sei der Meinung gewesen, daß die Wohnungen danach günstig vermietet würden. In diesem Fall läge ein bestimmbar befristeter Mietvertrag vor, der mit Abschluß der vorzunehmenden Arbeiten beendet worden sei. Die Mieter nutzten die Wohnungen seither titellos, wenn nicht stillschweigend ein neues Bestandverhältnis begründet worden sei, sodaß eine Kündigung überflüssig wäre. Die Ersetzung der Zustimmung zur Kündigung sei daher nicht notwendig. Ob eine Räumungsklage notwendig und zielführend sei, müsse in diesem Rahmen nicht erörtert werden, da der Antrag darauf nicht gerichtet worden sei. Sei nur ein pro-forma-Mietvertrag vorgelegen, wie der Antragsteller in seiner ersten Stellungnahme zum Vorbringen der Erstantragsgegnerin dargelegt habe, somit ein Scheingeschäft, gelte das verdeckte Geschäft und bedürfe der nicht wirklich gewollte Vertrag ebenfalls keiner Kündigung. Die Folgen dieser Vorgangsweise seien in diesem Falle auf dem Rechtsweg auszutragen. Der Außerstreitrichter sei nicht berufen, Vereinbarungen ergänzend auszulegen und auf der Grundlage des Ergebnisses Willenserklärungen zu ersetzen. Liege aber ein von beiden Miteigentümern wirklich gewollter Mietvertrag vor, müßte der Antragsteller aufgrund der Kenntnisse der familiären Belange, insbesondere des fehlenden Wohnbedarfs der Mieter in Wien, wissen, daß eine Selbstbenützung durch die Mieter nie beabsichtigt gewesen sei. In diesem Fall aber sei eine Kündigung aussichtslos, die sich auf Nichtbenützung der Wohnungen oder Untervermietung stütze. Ob die Freimachung der zusammengelegten Wohnungen für die Miteigentümergemeinschaft günstiger sei als die Belassung des gegenwärtigen Zustands mit Vermeidung von Ansprüchen nach § 10 MRG, müsse daher nicht geprüft werden.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Antragstellers, mit dem er den Antrag stellt, den Beschluß des Rekursgerichtes dahin abzuändern, daß seinem Antrag auf Ersetzung der Zustimmung durch die beiden Antragsgegnerinnen zu einer Aufkündigung im Sinne des Antrages stattgegeben werde, ist nicht berechtigt.

Entscheidungen des Außerstreitrichters nach den §§ 834, 835 ABGB sind rechtsgestaltender Natur (Gamerith in Rummel, ABGB, Rdz 11 zu § 835). Da rechtsgestaltende Verfügungen der Zeit ihrer Erlassung zu entsprechen haben (Rintelen, Grundriß des Verfahrens außer Streitsachen 30), ist der Sachverhalt, wie er sich zur Zeit der Entscheidung der Tatsacheninstanzen darstellte, maßgeblich (vgl. Dolinar, Österreichisches Außerstreitverfahrensrecht 137 f). Im Verfahren nach den §§ 834, 835 ABGB ist daher der Eigentumsstand im Zeitpunkt der Sachentscheidung maßgebend (MietSlg. 30.102; 5 Ob 530/86). Zu diesem Zeitpunkt war aber Maria Anna K*** nicht mehr zur Hälfte Miteigentümerin der Liegenschaft EZ 563 KG Favoriten. Vielmehr war ab 28.3.1984 Marianne U*** aufgrund eines Schenkungsvertrages zu 1/16, Maria Anna K*** aber nur mehr zu 7/16 Miteigentümerin der Liegenschaft. Die Vorschrift des § 234 ZPO ist im Außerstreitverfahren unanwendbar (5 Ob 94,95/85; Fasching, Zivilverfahrensrecht, Rz 1197; vgl. Würth in Handbuch zum MRG 518). Ob, wie Fasching aaO lehrt, auch in einer ins Außerstreitverfahren verwiesenen privatrechtlichen Streitsache bei Veräußerung von Miteigentumsanteilen durch den Antragsgegner der neue Eigentümer in das Verfahren von Amts wegen einzubeziehen wäre, kann dahingestellt bleiben, weil das Erstgericht Marianne U*** als Antragsgegnerin anführte und dies von den Parteien in ihren Rechtsmitteln nicht gerügt wurde. Marianne U*** ist aber auch Mitmieterin der Wohnung 22 und 23, sodaß ab ihrem Rechtserwerb keine Maßnahme der ordentlichen Verwaltung, sondern eine wichtige Veränderung im Sinn des § 834 ABGB durch den Antragsteller angestrebt wurde (MietSlg. 34.092, 32.069 ua; Gamerith aaO Rdz 1 zu § 834). Sowohl in Fällen der ordentlichen Verwaltung als auch bei wichtigen Veränderungen hat gemäß § 835 ABGB der Richter bei Stimmengleichheit zu entscheiden (MietSlg. 28.057; JBl 1967, 149; Gamerith aaO, Rdz 18 zu § 835; Jensik, Miteigentum und Wohnungseigentum 25, 28).

Trotz Kenntnis dieses teilweisen Eigentumswechsels ließ der Antragsteller aber seinen Sachantrag, wonach nur die fehlende Zustimmung Maria Anna K*** durch Gerichtsbeschluß ersetzt werden sollte, unverändert aufrecht. In diesem Sinn entschied, vom Antragsteller unbekämpft, auch das Erstgericht. Im Verfahren nach den §§ 834, 835 ABGB herrscht uneingeschränkt das Antragsprinzip. Das Gericht ist an die von den Parteien gestellten Sachanträge gebunden und darf diese nicht überschreiten (EvBl 1977/50;

MietSlg. 25.542, 24.067; Gamerith aaO, Rdz 15 zu § 835;

Dolinar aaO 137 f; Feil, Verfahren außer Streitsachen 115; Fasching, Kommentar III 658). Der Antrag, die fehlende Zustimmung von Miteigentümern zu einer Aufkündigung zu ersetzen, muß gegen alle widersprechenden Miteigentümer gestellt werden. Es muß daher auch beantragt werden, daß die fehlende Zustimmung des Minderheitseigentümers, der gleichzeitig Mieter ist, durch Gerichtsbeschluß ersetzt werde (MietSlg. 34.092; SZ 53/18). Einen solchen Sachantrag stellte aber der Antragsteller in erster Instanz nicht. Der in dritter Instanz in dieser Richtung gestellte Antrag ist aber verspätet (Efslg 34.925; EvBl 1974/226 ua). Aus diesem Grund ist die Rekursentscheidung im Ergebnis zutreffend. Dem Revisionsrekurs ist der Erfolg zu versagen.

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