OGH 7Ob607/86 (7Ob608/86, 7Ob609/86)

OGH7Ob607/86 (7Ob608/86, 7Ob609/86)10.7.1986

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr. Petrasch und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta und Dr. Egermann als Richter in der Sachwaltersache des Rudolf E***, geboren am 11. November 1899, zuletzt wohnhaft in Linz, Linke Brückenstraße 10, infolge Rekurses des Dr. Erich S***, Rechtsanwalt in Enns, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Linz als Rekursgerichtes vom 18. Februar 1986, GZ. 13 R 876,877/85, 13 R 74/86-42, womit der Rekurs des Dr. Erich S*** gegen die Beschlüsse des Bezirksgerichtes Linz vom 26. November 1985, GZ. 22 SW 127/85-9 und 10 sowie vom 2. Jänner 1986, 22 SW 127/85-22, zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Das Erstgericht hat für den am 11.11.1899 geborenen Rudolf E*** einen einstweiligen Sachwalter für ein anhängiges Verfahren, ferner mit einem weiteren Beschluß diesen einstweiligen Sachwalter auch zur Besorgung dringender Angelegenheiten bestellt, und zwar zur Sicherstellung des Vermögens des Betroffenen, insbesondere Feststellung aller Pensions- und Sparbuchkonten und Veranlassung der entsprechenden gerichtlichen Sperren der Bankkonten. Das Rekursgericht hat einen Rekurs des Dr. Erich S***, der sich mit einer Vollmacht des Rudolf E*** auswies, zurückgewiesen.

Hiebei ging es von folgenden Feststellungen aus:

Rudolf E*** war zum Zeitpunkt der Vollmachtserteilung äußerst mangelhaft orientiert, leicht beeinflußbar und konnte sich kein ausgeprägtes Bild über Zusammenhänge machen. Er war daher zumindest seit ein bis zwei Jahren nicht mehr handlungs- und geschäftsfähig, nicht mehr testierfähig und konnte keine Geschäftsabschlüsse mehr tätigen. Er war nicht mehr in der Lage, selbst kompliziertere Bescheide zu verstehen. Es bestand eine hirnarthrosklerotische Demenz, die die Bestellung eines Sachwalters für alle Bereiche des täglichen Lebens und für alle komplizierteren Aufgaben notwendig machte, da es zu einer allmählichen Verschlechterung mit ungünstiger Lebensprognose kommen wird. Der Betroffene hatte seinerzeit schon ungefähre Vorstellungen, was eine Vollmacht ist, allerdings war er nicht mehr in der Lage, die volle Tragweite einer solchen Vollmacht zu überblicken und klare Dispositionen zu treffen. Neben den rein intellektuellen Störungen waren auch emotionale Störungen gegeben, insbesondere hinsichtlich der Beeinflußbarkeit und der mangelnden Fähigkeit, einen Überblick zu gewinnen, sodaß die Konsequenzen einer solchen Vollmachtserteilung ihm in voller Tragweite nicht mehr erkennbar waren. Am 31.1.1986 ist Rudolf E*** verstorben. Rechtlich vertrat das Rekursgericht den Standpunkt, grundsätzlich sei im Verfahren zur Bestellung eines Sachwalters der Betroffene berechtigt, sich eines gewählten Vertreters zu bedienen. Voraussetzung sei jedoch, daß er überhaupt noch imstande war, zu erkennen, daß und zu welchem Zweck er die Vollmacht für einen Anwalt unterschrieben hat. Bei offenkundiger Unfähigkeit zu dieser Erkenntnis sei die Bevollmächtigung nicht wirksam. Da dem Betroffenen im vorliegenden Fall die Fähigkeit zu dieser Erkenntnis fehlte, sei die Vollmachtserteilung an Dr. S*** unwirksam. Auf einen weiteren Zurückweisungsgrund muß hier nicht eingegangen werden.

Rechtliche Beurteilung

Der von Dr. Erich S*** gegen den Beschluß des Rekursgerichtes erhobene Rekurs ist nicht zulässig.

Richtig ist, daß der zu Entmündigende sich schon vor Inkrafttreten des Sachwaltergesetzes bei Einbringung der ihm zustehenden Anträge und Rechtsmittel eines Rechtsanwaltes bedienen durfte, ohne daß die Bevollmächtigung einer gerichtlichen Genehmigung bedurfte (SZ 19/57, 8 Ob 581/83 u.a.). Voraussetzung war aber immer, daß der Betroffene bei der Vollmachtserteilung fähig war, den Zweck der dem Rechtsvertreter erteilten Vollmacht zu erkennen (EvBl.1975/21, 5 Ob 14/75, 1 Ob 99/71, 6 Ob 55/74 ua.). Bei offenkundiger Unfähigkeit zu dieser Erkenntnis muß die Bevollmächtigung als unwirksam angesehen werden (Maurer, Sachwalterrecht, 118 für das Gebiet des nunmehr geltenden Sachwaltergesetzes). An dieser Rechtslage hat das Sachwaltergesetz nichts geändert, weil dort nur grundsätzlich die Berechtigung des Betroffenen zur Rechtsanwaltsbestellung geregelt ist, jedoch in dem Gesetz keine von den bürgerlich-rechtlichen Voraussetzungen für die Gültigkeit eines Rechtsaktes abweichende Bestimmungen enthalten sind. Die gegenteilige Rechtsanwalt Kremzow's (Sachwalterrecht, 244 f.) beruht nicht auf Bestimmungen des Sachwaltergesetzes, sondern stellt eine grundsätzliche Ablehnung der Judikatur schon zu der Entmündigungsordnung dar. Dieser Kritik kann deshalb nicht gefolgt werden, weil die Bevollmächtigung eines Rechtsanwaltes durch eine Partei ein bürgerlich-rechtlicher Vertrag ist, bezüglich dessen kein Gesetz eigene Gültigkeitsvoraussetzungen enthält. Vielmehr ist die Gültigkeit eines solchen Vertrages nach den allgemeinen bürgerlich-rechtlichen Bestimmungen zu beurteilen. Ist aber eine Partei nicht in der Lage, das Wesen von ihr abgeschlossener Rechtsgeschäfte zu erkennen, so ist sie geschäftunfähig, weshalb die von ihr abgeschlossenen Verträge unwirksam sind.

Nach den getroffenen Feststellungen war der Betroffene bei Erteilung der Vollmacht an Dr. S*** nicht in der Lage, die volle Tragweite einer Vollmacht zu überblicken und klare Dispositionen zu treffen. Damit fehlt es aber an der Voraussetzung für eine wirksame Vollmachtserteilung.

Soweit der Rekurs versucht, die Feststellungen der Vorinstanzen zu bekämpfen, kann ihm ein Erfolg nicht beschieden sein. Da sohin Dr. S*** vom Betroffenen nicht wirksam bevollmächtigt wurde, fehlt ihm die Legitimation zu einer Rechtsmittelerhebung im Namen des Betroffenen, weshalb sein Rechtsmittel zurückzuweisen war.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte