Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 6.617,85 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 514,35 an Umsatzsteuer und S 960 an Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger schuldete dem Beklagten aus dem Wechselzahlungsauftrag 3 Cg 82/75 des Kreisgerichtes Leoben vom 10. April 1975 DM 15.200 s.A. und aus dem Wechselzahlungsauftrag 4 Cg 160/75 des Kreisgerichtes Leoben vom 9. April 1975 S 94.921 s.A.
Mit Beschluß des Erstgerichtes vom 10. August 1983, E 8331/83, wurde dem Beklagten als betreibender Partei gegen den Kläger als Verpflichteten zur Hereinbringung einer mit S 71.925,77 s.A. bezifferten restlichen Forderung aus dem Wechselzahlungsauftrag 4 Cg 160/75 des Kreisgerichtes Leoben die Gehaltsexekution bewilligt. Mit der am 2. September 1983 beim Erstgericht eingelangten Vollstreckungsgegenklage begehrt der Kläger das Urteil, der Anspruch des Beklagten aus dem Wechselzahlungsauftrag des Kreisgerichtes Leoben 4 Cg 160/75, zu dessen Hereinbringung das Erstgericht mit Beschluß vom 10. August 1983 die Exekution bewilligt habe, sei erloschen. Nach verschiedenen Teilzahlungen und einer Erörterung über die Restzahlung habe Dr. Helmut Fritz, der damals Rechtsvertreter des Beklagten gewesen sei, dem Kläger mit Schreiben vom 21. Dezember 1979 mitgeteilt, daß sich die beklagte Partei "mit der Bezahlung eines Betrages von DM 12.000 mit allen ihren Forderungen aus den vorliegenden Wechselzahlungsaufträgen für befriedigt erklären wird". Der Kläger habe am 7. Jänner 1980 an Dr. Fritz S 80.000 gezahlt, wobei dieser Betrag als Restzahlung quittiert worden sei. Mit Schreiben vom 24. März 1980 habe Dr. Fritz eine Nachzahlung von S 6.313 gefordert, die der Kläger umgehend geleistet habe. Die Forderungen des Beklagten seien dadurch erloschen.
Der Beklagte beantragt die Abweisung der Klage. Zwar habe der Beklagte den Vorschlag gemacht, daß mit Zahlung eines Betrages von DM 12.000 bis zum Jahresende 1979 die Verbindlichkeiten des Klägers erloschen sein sollten. Der Kläger habe jedoch nur S 80.000 und dies erst am 7. Jänner 1980 gezahlt und daher die Vereinbarung nicht erfüllt.
Die beiden Vorinstanzen gaben der Klage statt; das Berufungsgericht sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden habe, S 60.000, jedoch nicht S 300.000
übersteige und daß die Revision nach § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zulässig sei. Das Berufungsgericht traf folgende Feststellungen:
Der Kläger zahlte von 1976 bis 15. Oktober 1979, teilweise im Wege von Drittschuldnerexekutionen, zur Abdeckung von Verbindlichkeiten aus den Wechselzahlungsaufträgen an den Rechtsanwalt Dr. Helmut Fritz, der Vertreter des Beklagten war, Beträge von zusammen S 102.102,50.
Am 4. Dezember 1979 begab sich der Kläger zu Dr. Fritz und machte diesem den Vorschlag, seine noch offene Schuld aus den Wechselzahlungsaufträgen durch eine einmalige Zahlung von DM 12.000 zu tilgen. Dr. Fritz teilte dieses Anbot des Klägers den deutschen Anwälten des Beklagten mit, die sich damit einverstanden erklärten, wenn der Betrag bis 31. Dezember 1979 gezahlt werde. Am 21. Dezember 1979 verfaßte Dr. Fritz ein Schreiben an den Kläger, in dem er diesem im wesentlichen mitteilte, daß die beklagte Partei sich "mit der Zahlung eines Betrages von DM 12.000 mit all ihren Forderungen aus den vorliegenden Wechselzahlungsaufträgen für befriedigt erklären wird. Dieser Betrag müßte bis zum Jahresende 1979 gezahlt werden"; der Kläger werde um eine Stellungnahme ersucht. Der Kläger erhielt dieses Schreiben erst nach den Weihnachtsfeiertagen. Er war der irrtümlichen Ansicht, ein Betrag von DM 12.000 entspreche S 80.000 und ersuchte die Länderbank Bruck an der Mur, ihm einen Kredit von S 80.000 zu gewähren. Es war ihm jedoch nicht mehr möglich, diesen Betrag noch vor dem Jahresende 1979 zu erhalten. Dies teilte der Kläger Dr. Fritz sofort - noch vor dem 31. Dezember 1979 - telefonisch mit, worauf dieser erwiderte, er solle das Geld so schnell wie möglich auftreiben. Am 7. Jänner 1980 übergab der Kläger an Dr. Fritz den Betrag von S 80.000. Dr. Fritz bestätigte den Empfang auf einer Urkunde als "Restzahlung", gab jedoch im übrigen keine Erklärung ab.
Nachdem Dr. Fritz den Betrag von S 80.000 - erst - Ende Februar/Anfang März 1980 an die Vertreter des Beklagten in der Bundesrepublik Deutschland überwiesen hatte, teilten ihm diese mit Schreiben vom 18. März 1980 mit, daß nur ein Betrag von DM 11.144,46 (als Gegenwert der S 80.000) eingegangen und die vereinbarte Bedingung für den Verzicht auf die Restforderung, nämlich Zahlung von DM 12.000 bis zum Jahresende, nicht erfüllt sei, und daß daher die Zwangsvollstreckung weitergeführt werden müsse. Dr. Fritz verfaßte hierauf - ohne diesen Brief an den Kläger weiterzuleiten - am 24. März 1980 ein Schreiben an den Kläger, in dem er diesem bekanntgab, die deutschen Anwälte des Beklagten hätten ihm mitgeteilt, der Gegenwert von S 80.000 betrage lediglich DM 11.144,46, die Gegenseite fordere daher die Nachzahlung der Differenz von DM 855, dies seien S 6.313. Der Kläger überwies in der Folge den Betrag von S 6.313 an Dr. Fritz. Dr. Fritz nahm den Betrag vorbehaltlos an und überwies ihn - offenbar nur im Teilbetrag von S 6.000 - zugunsten des Beklagten weiter. Er erklärte gegenüber dem Kläger nicht, daß der Beklagte die verspätete und zunächst auch unvollständige Zahlung der DM 12.000 als Nichterfüllung der Vereinbarung werte und daher eine Leistung der gesamten titelmäßigen Restschuld verlange.
Der Beklagte hat dann, ohne eine Mahnung oder sonstige Erklärung gegenüber dem Kläger, auf Grund des Wechselzahlungsauftrages 4 Cg 160/75 zur Hereinbringung einer mit S 71.925,77 bezifferten Restschuld, in die auch nicht titelmäßige Kosten der deutschen Anwälte einbezogen sind, am 10. August 1983 die Gehaltsexekution zu E 8331/83 des Bezirksgerichtes Leoben erwirkt.
In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Berufungsgericht aus, Dr. Fritz sei der Bevollmächtigte des Beklagten gewesen; der Beklagte müsse daher das Verhalten des Dr. Fritz gegen sich gelten lassen. Die Zahlung von S 80.000 am 7. Jänner 1980 sei verspätet und nicht vollständig gewesen. Dr. Fritz habe jedoch gegenüber dem Kläger auf die Verspätung und Unvollständigkeit der Zahlung nicht hingewiesen, sondern habe diese vorbehaltlos als Restzahlung quittiert. Er habe in der Folge auch die von dem Beklagten errechnete Differenz zwischen dem gezahlten Betrag und DM 12.000 ohne einen weiteren Hinweis gefordert und auch diese Zahlung vorbehaltlos angenommen. In dem Verhalten des Dr. Fritz liege eine schlüssige Erklärung des Willens, die Unvollständigkeit und Verzögerung der Zahlung zu tolerieren. Die nunmehrige Geltendmachung von Ansprüchen aus einem der beiden Wechselzahlungsaufträge gegen den Kläger verstoße mit Rücksicht auf die besonderen Umstände des Falles gegen Treu und Glauben. Zu demselben Ergebnis komme man, wenn die Rechtslage nach deutschem Recht beurteilt werde. Der Beklagte bekämpft das Urteil des Berufungsgerichtes mit Revision aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung und beantragt, es im klageabweisenden Sinn abzuändern;
hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Der Beklagte macht geltend, Stillschweigen könne nicht schlechthin als Zustimmung aufgefaßt werden. Habe der Kläger eine Vereinbarung im Sinne des ursprünglichen Vorschlages, wenn auch bei verspäteter Zahlung, schließen wollen, wäre es an ihm gelegen gewesen, um die Zustimmung des Beklagten zu einer solchen Vereinbarung bemüht zu sein. Dem Kläger habe überdies klar sein müssen, daß Dr. Fritz erst bei den Anwälten des Beklagten in der Bundesrepublik Deutschland rückfragen müsse, ob seinem Vorschlag zugestimmt werde. Er habe nach den Umständen und nach Treu und Glauben das Verhalten des Dr. Fritz nur als Annahme des geschuldeten Betrages ohne damit verbundene Vereinbarung qualifizieren können. Da Dr. Fritz von den deutschen Anwälten des Beklagten auf Grund der nicht bedingungsgemäßen Erfüllung der Vereinbarung zur Weiterführung der Exekution aufgefordert worden sei, sei ein konkludenter Verzicht entweder irrtümlich oder in Überschreitung der Vollmacht erfolgt. Ein - von Dr. Fritz veranlaßter - Irrtum sei durch die Einbringung der gegenständlichen Exekution rechtzeitig aufgeklärt worden. Eine Vollmachtsüberschreitung des Dr. Fritz sei durch den Beklagten nicht genehmigt worden.
Der Oberste Gerichtshof pflichtet diesen Ausführungen nicht bei. Da ein Sachverhalt mit Auslandsberührung zu beurteilen ist, ist zunächst zu prüfen, welches Recht anzuwenden ist. Mit Recht sind beide Vorinstanzen davon ausgegangen, daß im vorliegenden Fall inländisches Recht maßgebend ist. Dies allerdings entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes nicht auf Grund der Bestimmungen des § 37 IPR-Gesetz, sondern gemäß § 49 IPR-Gesetz ("Vollmachtsstatut"), der das Außenverhältnis zwischen Geschäftsherrn und Vertreter zum Dritten regelt und in dessen Anwendungsbereich unter anderem auch die Fragen fallen, ob eine Vollmacht besteht, welchen Umfang sie hat und ob Vollmachtsüberschreitung und Vollmachtsmißbrauch vorliegen, einschließlich Voraussetzungen und Wirkungen einer nachträglichen Genehmigung einer durch Vollmacht nicht gedeckten Vertretungshandlung durch den Geschäftsherrn (Duchek-Schwind aaO, FN 2 und 4 zu § 49 IPR-Gesetz; Schwimann in Rummel ABGB, Rdz 1 und 5 zu § 49 IPR-Gesetz). Dr. Fritz sollte als Vertreter des Beklagten nach dessen dem Kläger erkennbaren Willen in Österreich tätig sein und wurde es auch (§ 49 Abs 2 und 3 IPR-Gesetz).
Der Inhalt der dem Rechtsanwalt Dr. Fritz von dem Beklagten erteilten Vollmacht wurde nicht ausdrücklich festgestellt. Da allerdings Dr. Fritz den Beklagten als Kläger in den Verfahren 3 Cg 82/75 und 4 Cg 160/75 des Kreisgerichtes Leoben vertreten hat (AS 44), handelte es sich offensichtlich um eine Prozeßvollmacht im Sinne des § 31 Abs 1 ZPO. Eine Beschränkung des gesetzlichen Umfanges der Prozeßvollmacht hat, auch wenn sie in der Urkunde ausgedrückt ist, gemäß § 32 ZPO dem Gegner gegenüber nur insoweit rechtliche Wirkung, als die Beschränkung die im § 31 Abs 1 Z 2 und 3 ZPO bezeichneten Befugnisse - also insbesondere die Befugnis zur Sachdisposition über den Streitgegenstand (Fasching II, 269) - betrifft und dem Gegner besonders bekanntgegeben wurde. Die Art dieser Mitteilung ist im Gesetz nicht geregelt; es genügt, wenn sie mündlich oder außergerichtlich schriftlich erfolgt (Fasching aaO 267).
Da eine Vollmachtsbeschränkung nach außen hin nicht erfolgt ist, muß der Beklagte das Verhalten des Dr. Fritz, wie vom Berufungsgericht dargelegt wurde, gegen sich gelten lassen. Dr. Fritz hatte die rechtliche Macht, im Namen und mit Wirkung für den Beklagten zu handeln (Stanzl in Klang 2 IV/1, 768; Koziol-Welser, Grundriß I 7 157), auch wenn er im Innenverhältnis zum Beklagten nicht ermächtigt (Koziol-Welser aaO, Stanzl aaO) gewesen sein sollte, den Kläger gegen Zahlung der von diesem bezahlten Beträge aus seiner Schuld zu entlassen. Nach der dem Kläger bekannten Anfrage des Dr. Fritz an den Beklagten (bzw. dessen Vertreter in der Bundesrepublik Deutschland) bedurfte Dr. Fritz zwar augenscheinlich dessen Ermächtigung zur Annahme des Anbotes des Klägers, erhielt sie jedoch ohnedies (im Sinne des Schreibens vom 21. Dezember 1979). Ob aber das weitere Verhalten des Dr. Fritz - Aufforderung an den Kläger, das Geld (wenn schon nicht bis 31. Dezember 1979, so doch jedenfalls) so schnell wie möglich aufzutreiben, die vorbehaltlose Entgegennahme des Betrages von S 80.000 als Restzahlung, die spätere Aufforderung, noch eine "Nachzahlung" von S 6.313 zu leisten und die vorbehaltlose Entgegennahme auch dieses Betrages - sich im Rahmen der ihm gegebenen Ermächtigung hielt, brauchte der Kläger nicht zu untersuchen, da Dr. Fritz die Vollmacht hiezu hatte. Sollte Dr. Fritz bei seinem Verhalten die ihm erteilte Ermächtigung insoweit überschritten haben, sind doch gleichwohl durch die von ihm (als dem Vertreter des Beklagten) als Erfüllung angenommene Leistung sämtliche weiteren Ansprüche des Beklagten erloschen, denn namentlich das Schreiben des Dr. Fritz vom 24. März 1980 kann nach Treu und Glauben nur dahin verstanden werden, daß mit Nachzahlung des Restes von S 6.313 alle Ansprüche des Beklagten bereinigt sind. Soweit der Beklagte behauptet, es liege ein von seinem Vertreter Dr. Fritz beim Kläger veranlaßter Irrtum vor, der durch die Exekutionsführung (vom 10. August 1983!) "rechtzeitig" aufgeklärt worden sei, übersieht er, daß von rechtzeitiger Aufklärung nach den vom Kläger geleisteten Zahlungen keine Rede sein kann, daß ferner ein von Dr. Fritz veranlaßter Irrtum dem Beklagten zur Last fällt (SZ 43/123) und daß schließlich nur der irrende Vertragspartner, also der Kläger, nicht aber auch jener, der den Irrtum veranlaßt hat, das Geschäft anfechten kann (SZ 41/57).
Die Revision erweist sich damit als unbegründet, sodaß ihr ein Erfolg versagt bleiben mußte.
Die Kostenentscheidung erfolgte nach den §§ 41, 50 ZPO.
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