OGH 7Ob589/86

OGH7Ob589/8626.6.1986

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr. Petrasch und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta und Dr. Egermann als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*** KG, Bauunternehmung, Krems/Donau, Lastenstraße 7, vertreten durch Dr. Felix Winiwarter, Rechtsanwalt in Krems, wider die beklagte Partei Sepp H*** Gesellschaft mbH, Elektrobetrieb, Langenlois, Röhrbrunnstraße 3, vertreten durch Dr. Stefan Gloß, Rechtsanwalt in St.Pölten, wegen 42.739,06 S s.A. infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 28. Februar 1986, GZ. 3 R 16/86-33, womit das Urteil des Kreis- als Handelsgerichtes Krems/Donau vom 6. November 1985, 3 Cg 201/85-29, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben. Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben und in der Sache selbst die Entscheidung des Erstgerichtes wieder hergestellt.

Die Klägerin ist schuldig, der Beklagten die mit 2.517,85 S bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin 160,-- S Barauslagen und 214,35 S Umsatzsteuer) sowie die mit 3.069,75 S bestimmten Kosten des Verfahrens vor dem Obersten Gerichtshof (darin 240,-- S Barauslagen und 257,25 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit der am 26.3.1982 eingebrachten Klage begehrt die Klägerin ein restliches Honorar für Baumeisterarbeiten von 42.739,06 S s.A. Die Schlußrechnung wurde am 20.8.1980 gelegt.

Nach Abführung eines Beweisverfahrens beschloß das Erstgericht am 19.1.1983 ohne entsprechenden Beweisantrag einer der Parteien die Einholung weiterer Sachverständigengutachten und trug dem Kläger den Erlag eines Kostenvorschusses von insgesamt 40.000 S bis längstens 31.12.1983 auf, widrigenfalls die Ausfertigung der Sachverständigenbestellungsbeschlüsse unterbleibe und die Verhandlung auf Antrag des Gegners ohne Rücksicht auf die ausstehenden Beweisaufnahmen fortgesetzt werde. Einen von der Klägerin gegen diesen Beschluß erhobenen Rekurs, in dem unter anderem ausgeführt wurde, die Klägerin werde den Kostenvorschuß auf keinen Fall erlegen, hat das Oberlandesgericht Wien mit Beschluß vom 29.4.1983, 3 R 47/83-25, zurückgewiesen. Es hat hiebei auf die Judikatur Bezug genommen, derzufolge Beschlüsse, mit denen der Erlag eines Kostenvorschusses für die Einholung von Sachverständigengutachten aufgetragen wird, unanfechtbar sind. Dieser Beschluß wurde dem Klagevertreter am 17.5.1983 zugestellt. Am 29.8.1985 beantragte die Beklagte die Fortsetzung des Verfahrens und wendete Verjährung ein.

Das Erstgericht hat das Klagebegehren wegen Verjährung abgewiesen.

Das Berufungsgericht hat das erstgerichtliche Urteil unter Rechtskraftvorbehalt aufgehoben. Es führte hiebei in rechtlicher Hinsicht aus, gemäß § 1497 ABGB werde die Verjährung durch Klagsführung nur dann unterbrochen, wenn der Kläger die Klage gehörig fortsetzt. Es sei daher im allgemeinen Sache des Klägers, für einen Fortgang des Verfahrens Sorge zu tragen. Allerdings müsse der Kläger nicht davon ausgehen, daß das Gericht eine ihm obliegende Pflicht zur entsprechenden Fortführung des Verfahrens nicht erfüllen werde. Im vorliegenden Fall habe das Erstgericht ohne Notwendigkeit die Aufnahme eines weiteren Sachverständigenbeweises beschlossen und ungerechtfertigt dem Kläger den Erlag eines Kostenvorschusses aufgetragen. Vor allem wäre das Erstgericht nicht berechtigt gewesen, die Fortsetzung des Verfahrens vom Erlag des Kostenvorschusses abhängig zu machen, weil ein entsprechender Beweisantrag des Klägers nicht vorlag. Die Klägerin habe auch eindeutig zu erkennen gegeben, daß sie den Kostenvorschuß nicht erlegen werde. Bei dieser Sachlage wäre die Klägerin zu einer weiteren Betreibung des Verfahrens nicht verpflichtet gewesen, weshalb ihre Untätigkeit nicht als nicht gehörige Fortsetzung des Verfahrens gewertet werden könne. Demnach sei die Verjährung unterbrochen worden, weshalb eine sachliche Prüfung des Klagsanspruches erforderlich sei.

Rechtliche Beurteilung

Der von der Beklagten gegen den Beschluß des Berufungsgerichtes erhobene Rekurs ist gerechtfertigt.

Richtig hat das Berufungsgericht ausgeführt, daß die Ankündigung des Erstgerichtes, es werde das Verfahren im Falle des Nichterlages des Kostenvorschusses nur auf Antrag des Beklagten fortsetzen, im Gesetz keine Deckung fand, vielmehr die Ausführung der angedrohten Innehaltung eine gesetzwidrige Rechtsverweigerung darstellte. Entgegen der Rechtsauffassung des Berufungsgerichtes konnte dies jedoch nicht zu der von ihm vorgenommenen Beurteilung des Verhaltens der Klägerin führen.

Gemäß § 1497 ABGB wird nämlich die Verjährung durch die Erhebung der Klage nur unter der weiteren Voraussetzung unterbrochen, daß die Klage gehörig fortgesetzt wird. Eine nicht gehörige Fortsetzung des Verfahrens läßt die Unterbrechungswirkung der Klage nicht eintreten. Nicht gehörige Fortsetzung im Sinne dieser Gesetzesstelle ist anzunehmen, wenn der Kläger eine ungewöhnliche Untätigkeit bekundet und dadurch zum Ausdruck bringt, daß ihm an der Erreichung des Prozeßzieles nichts mehr gelegen ist. Bei der Prüfung, ob ein solches Verhalten des Klägers vorliegt, sind vor allem die Umstände des konkreten Einzelfalles zu berücksichtigen. Es kommt nicht nur auf die Dauer, sondern auch auf die Gründe der Untätigkeit des Klägers an. Entsprechend dem rechtspolitischen Grundgedanken der Verjährung ist aus dem konkreten Verhalten des Klägers zu schließen, ob jenes "Stillschweigen" vorliegt, welches das Gesetz für die Vollendung der Verjährung fordert. Demgemäß sprach der Oberste Gerichtshof aus, daß aus der Untätigkeit des Klägers auf Verjährung nicht geschlossen werden kann, wenn er gar nicht gehalten war, eine Prozeßhandlung vorzunehmen, um einem Verfahrensstillstand wirksam zu begegnen. Der Berechtigte ist daher nicht verpflichtet, beim säumigen Prozeßgericht zur Vermeidung der im § 1497 ABGB normierten Rechtsnachteile Anträge zu stellen. Das kann aber nicht dazu führen, daß ein Kläger auf unbegrenzte Zeit im Prozeß untätig bleiben darf. Im allgemeinen kann also eine Partei zwar darauf vertrauen, daß das Gericht seiner Verpflichtung zur zügigen Fortsetzung eines Verfahrens entsprechen werde. Kündigt jedoch der Richter ausdrücklich an, das Verfahren bei nicht rechtzeitigem Erlag des Kostenvorschusses nicht fortzusetzen, so muß der Kläger auch dann von sich aus für den Fortgang des Rechtsstreites sorgen, wenn der Auftrag zur Leistung eines Kostenvorschusses ungesetzlich war (EvBl. 1973/17; EvBl. 1974/196; JBl. 1975, 546; EvBl. 1976/6, 8 Ob 77,78/85, 8 Ob 282/82, 1 Ob 606/85 u.a.).

Im vorliegenden Fall war, wie das Berufungsgericht richtig erkannt hat, einerseits die Auferlegung eines Kostenvorschusses nicht gerechtfertigt und andererseits die vom Erstrichter ausgesprochene Androhung, das Verfahren im Falle des nicht rechtzeitigen Erlages des Vorschusses nicht fortzusetzen, gesetzwidrig. Durch diesen Beschluß war aber der Klägerin eindeutig vor Auge geführt worden, daß sie im Falle des Nichterlages des Kostenvorschusses mit einem Tätigwerden des Gerichtes nicht rechnen könne. Auch aufgrund des Beschlusses des Berufungsgerichtes vom 29.4.1983, 3 R 47/83-25, durfte sie nicht annehmen, daß dem Erstrichter nunmehr das Ungesetzliche seines Vorgehens bewußt und er demnach durch Anberaumung einer Tagsatzung gesetzlich vorgehen werde. Der erwähnte Beschluß des Berufungsgerichtes enthielt nämlich keinerlei Hinweis auf diese Verpflichtung des Erstrichters. Demnach mußte die Klägerin damit rechnen, daß der Erstrichter die von ihm beschlußmäßig ausgesprochene Androhung einer Nichtfortsetzung des Verfahrens wahrmachen werde, dies umso mehr, als der Erstrichter über zwei Jahre nach Zustellung dieses Beschlusses des Berufungsgerichtes keinerlei Verfahrensschritte setzte. Bei dieser Sachlage kann das Unterlassen von Schritten, die auf eine Fortsetzung des Verfahrens abzielten (etwa ein Antrag auf Anberaumung einer Tagsatzung), nur als derart außergewöhnliches Untätigbleiben qualifiziert werden, daß dadurch die Unterbrechungswirkung der Klagseinbringung beseitigt wird. Daran ändert auch nichts der Umstand, daß die Klägerin bereits in ihrem Rekurs gegen den Beschluß des Erstgerichtes, mit dem ihr der Erlag eines Kostenvorschusses aufgetragen worden war, erklärt hatte, sie werde den Vorschuß nicht erlegen. Im Hinblick auf die Ankündigung des Erstrichters, der nicht nur spruchmäßig angedroht hatte, das Verfahren nicht fortzusetzen, sondern diese seine Absicht auch noch ausführlich in seinem Beschluß begründet hatte, konnte die Klägerin nicht damit rechnen, daß der Erstrichter ohne eine Mißbilligung seiner beabsichtigten Vorgangsweise durch eine höhere Instanz von seiner Absicht nur deshalb abgehen werde, weil die Klägerin erklärt hatte, sie werde dem ihr erteilten Auftrag nicht entsprechen. Ein sittenwidriges Vorgehen der Beklagten kann in der Erhebung der Verjährungseinrede nicht erblickt werden, weil es im allgemeinen nicht sittenwidrig ist, wenn eine Partei im Prozeß von einem ihr gesetzlich zustehenden Rechtsinstitut Gebrauch macht. Besondere Umstände, die hier eine andere Beurteilung zuließen, liegen nicht vor. Das Unterlassen eines Betreibens des Verfahrens durch die Klägerin war durch kein Verhalten der Beklagten begründet. Die Beklagte war nicht verpflichtet, die durch die Säumigkeit der Klägerin für diese eingetretenen nachteiligen Folgen entweder durch frühere Stellung eines Fortsetzungsantrages oder durch Unterlassung einer gesetzlich gedeckten Einwendung zu sanieren. Ungeachtet des gesetzwidrigen Verhaltens des Erstrichters erweist sich sohin im Ergebnis seine Sachentscheidung als richtig, weshalb das Urteil des Erstgerichtes wieder herzustellen war (§ 519 Abs.2 ZPO). Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte