OGH 7Ob25/86

OGH7Ob25/8619.6.1986

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes HonProf. Dr. Petrasch und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta und Dr. Egermann als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Herbert Michael P***, Kaufmann, Bad Fischau, Goldsteinstraße 22, vertreten durch Dr. Wolfgang Waldeck und Dr. Hubert Hasenauer, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei I***, Internationale Unfall- und Schadenversicherungs-AG, Wien 1., Tegetthoffstraße 7, vertreten durch Dr. Manfred Lampelmayer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung (Streitwert S 3,500.000,-- s.A.), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 3.Jänner 1986, GZ 4 R 251/85-20, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 30.April 1985, GZ 10 Cg 208/83-16, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 25.699,65 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 2.118,15 an Umsatzsteuer und S 2.400,-- an Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger stellt das Begehren, es werde festgestellt, daß der von der Beklagten im Schreiben vom 23.11.1983 gegenüber dem Kläger betreffend die Versicherungen Polizze 6/31/22965336 und der Polizze 6/12/22966782 ausgesprochene sofortige Rücktritt unwirksam sei. Er bringt vor, er sei bei der Beklagten bezüglich des Objektes Bad Fischau, Goldsteinstraße 22, seit 15.12.1982 feuer- und haushaltsversichert. Am 6.10.1983 sei an dem versicherten Objekt ein schwerer Brandschaden eingetreten. Der Kläger habe sich um die Versicherungsleistung bei der Beklagten bemüht. Am 25.11.1983 habe der Kläger ein Schreiben der Beklagten vom 23.11.1983 erhalten, worin unter Hinweis auf § 16 VersVG der sofortige Rücktritt vom Vertrag wegen näher angeführter Gründe ausgesprochen worden sei. Diese Gründe lägen nicht vor. Überdies habe der Kläger am 20.10.1983 persönlich direkt gegenüber der Beklagten das Schadenerhebungsprotokoll ausgefüllt, so daß die Monatsfrist des § 20 Abs 1 VersVG am 25.11.1983 bereits abgelaufen gewesen sei. Der Rücktritt sei daher nicht gerechtfertigt. Gemäß § 228 ZPO habe der Kläger ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung, daß der von der Beklagten ausgesprochene Rücktritt unwirksam sei, da er sonst seine Ansprüche aus dem Schadensfall nicht weiter verfolgen könne. Da die Schadenshöhe noch nicht feststehe, sei dem Kläger eine Leistungsklage noch nicht möglich.

Die Beklagte beantragt die Abweisung der Klage und wendet ein, sie habe den Rücktritt vom Vertrag ausgesprochen, weil der Kläger im Antrag auf Feuerversicherung die ausdrückliche Frage, ob er schon einen Brandschaden erlitten habe, wahrheitswidrig mit "nein" beantwortet habe. Der Rücktritt sei nicht verspätet erfolgt. Der zuständige Sachbearbeiter der Beklagten habe erstmals am 24.10.1983 von der Verletzung der Anzeigepflicht Kenntnis erlangt. Die Beklagte fechte den Vertrag überdies wegen arglistiger Täuschung über Gefahrenumstände an.

Das Erstgericht stellte fest, daß die zwischen dem Kläger und der Beklagten abgeschlossenen Versicherungsverträge, nämlich die Wohnungsinhalt- und Haftpflichtversicherung zur Polizze Nr.6/31/22965336 vom 10.12.1982 sowie die Feuerversicherung zur Polizze Nr.6/12/22966782 vom 13.12.1982 ungeachtet der von der Beklagten im Schreiben vom 23.11.1983 gegenüber dem Kläger ausgesprochenen Rücktrittserklärung auch nach dem 23.11.1983 weiter bestanden haben. Es traf unter anderem folgende Feststellungen:

Der Kläger hat die von einem Angestellten der Beklagten, Eduard T***, nur zum Teil ausgefüllten Antragsformulare unterschrieben. In dem vom Kläger bereits unterschriebenen Antrag auf Abschluß einer Feuerversicherung hat Eduard T*** die Frage nach Vorschäden (und auch noch weitere Fragen) mit "nein" beantwortet, obwohl er vom Kläger über zwei Vorschäden informiert worden war.

Am 6.10.1983 kam es zu einem Brand des Wohnhauses des Klägers in Bad Fischau. Am Morgen des nächsten Tages rief der Kläger bei der Landesdirektion der Beklagten in Wiener Neustadt an und erreichte dort Eduard T***, der den Schaden gemeinsam mit dem Disponenten der Beklagten, Helmut H***, besichtigte. Als der Kläger in der Folge die Erledigung des Versicherungsfalles urgierte, kam es am 20.10.1983 zur Aufnahme eines Protokolls mit dem Kläger über den Schadensfall durch die Sekretärin der Beklagten in Wiener Neustadt, L***. Eine in diesem Protokoll enthaltene Frage nach Vorschäden bejahte der Kläger. Der Disponent Helmut H***, der zuständige Sachbearbeiter der Beklagten, nahm auf Grund der Angaben des Klägers in dem Protokoll Einsicht in den Antrag auf Feuerversicherung, erhielt so Kenntnis davon, daß in diesem Antrag die Frage nach Schäden verneint worden war und verlangte am Sonntag, dem 23.11.1983, von Eduard T*** eine Rechtfertigung darüber, wie es zur unrichtigen Beantwortung der Frage nach Vorschäden gekommen sei.

Er hatte demnach bereits vor dem Wochenende 22./23.10.1983 Kenntnis von dem relevanten Sachverhalt. Der Angestellte der Beklagten Alois J*** übernahm die weitere Behandlung der Sache und verfaßte am 23.11.1983 das Schreiben an den Kläger, Beilage C, in dem die Beklagte wegen der unrichtigen Beantwortung der im Antrag auf Abschluß einer Feuerversicherung gestellten Frage nach Vorschäden den "sofortigen Rücktritt von den Verträgen" aussprach und Leistungsfreiheit geltend machte. Der Kläger hat dieses Schreiben am 25.11.1983 zugestellt erhalten.

In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Erstgericht aus, eine Klage auf Feststellung der Wirksamkeit von Erklärungen einer Vertragspartei sei unzulässig. Aus der Klageerzählung ergebe sich aber, daß die Klage im Ergebnis nicht auf die Feststellung der Unwirksamkeit der Erklärung der Beklagten vom 23.11.1983, sondern auf die Feststellung des Fortbestandes von Vertragsverhältnissen unbeschadet der Erklärung der Beklagten abziele. Der Kläger habe sich in der Formulierung seines Begehrens vergriffen. Das Gericht habe dem Urteilsspruch deshalb eine dem Begehren angepaßte Fassung gegeben. Den Kläger treffe an der unrichtigen Beantwortung der im Feuerversicherungsantrag gestellten Frage nach Vorschäden kein Verschulden, weil Eduard T*** das Vorliegen von Vorschäden bekannt gewesen sei. Die Beklagte habe überdies ihr Rücktrittsrecht verwirkt. Der zuständige Sachbearbeiter der Beklagten habe spätestens am 23.10.1983 davon Kenntnis gehabt, daß die vom Kläger erlittenen Vorschäden im Antrag auf Feuerversicherung nicht erwähnt worden seien. Das Schreiben der Beklagten vom 23.11.1983 hätte dem Kläger daher spätestens an eben diesem Tag zugehen müssen. Es sei ihm jedoch erst am 25.11.1983 zugestellt worden.

Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 300.000 übersteigt. Ein Verstoß des Erstgerichtes gegen die Bestimmungen des § 405 ZPO, wie er von der Beklagten allein geltend gemacht werde, sei nicht gegeben. Gegenstand des Verfahrens sei allein die Frage gewesen, ob die Versicherungsverträge zwischen den Parteien trotz der Rücktrittserklärung der Beklagten weiterbestehen. In diesem Sinn sei das Klagebegehren nicht nur vom Erstgericht, sondern offenbar auch von der Beklagten verstanden worden. Die Beklagte bekämpft das Urteil des Berufungsgerichtes mit Revision aus den Revisionsgründen des § 503 Abs 1 Z 2 und 4 ZPO mit dem Antrag, es im klageabweisenden Sinn abzuändern.

Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die Beklagte macht auch im Revisionsverfahren ausschließlich geltend, die vom Erstgericht vorgenommene Umformulierung des Urteilsspruches verstoße gegen § 405 ZPO. Das vom Kläger gestellte Begehren aber sei nicht zulässig, weil Tatsachen wie die vom Kläger begehrte Unwirksamkeit einer Rücktrittserklärung nicht Gegenstand eines Feststellungsbegehrens sein könnten. Aus dem Klagsvorbringen sei entgegen der Meinung der Vorinstanzen nicht ableitbar, daß der Kläger festgestellt haben wolle, ein mit der Beklagten bestehendes Rechtsverhältnis entfalte weiterhin Gültigkeit. Der Kläger habe nur die Unwirksamkeit des Rücktrittes behauptet.

Ein Verstoß gegen § 405 ZPO begründet nach herrschender Rechtsprechung eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens. Die Revisionsausführungen stellen daher inhaltlich zur Gänze eine Mängelrüge dar und nicht, wie die Beklagte darzulegen versucht, den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung (ÖBl.1978, 146, 7 Ob 673/82 ua). Der Kläger macht damit inhaltlich neuerlich einen Mangel des Verfahrens 1.Instanz geltend, dessen Vorliegen bereits vom Berufungsgericht verneint wurde. Angebliche Mängel des Verfahrens erster Instanz aber, die vom Berufungsgericht nicht als solche anerkannt worden sind, können im Revisionsverfahren nicht mehr geltend gemacht werden (SZ 27/4, JBl 1972,569). Die Revision erweist sich damit als unbegründet, so daß ihr ein Erfolg versagt bleiben mußte.

Die Kostenentscheidung erfolgte nach den §§ 41, 50 ZPO.

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