OGH 7Ob568/86

OGH7Ob568/8619.6.1986

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Flick als Vorsitzenden und durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Petrasch sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Wurz, Dr.Warta und Dr.Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Liliane K***, Hausfrau, Wien 12., Altmannsdorferstraße 73, vertreten durch Dr.Kurt Dellisch, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagte Partei Dr.Erich F***, öffentlicher Notar, Klagenfurt, Wienergasse 10, vertreten durch Dr.Giselher Arko, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen S 425.000,-- s.A. infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 3. März 1986, GZ.5 R 23/86-12, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 19. November 1985, GZ.23 Cg 213/85-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 14.171,85 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 1.288,35 USt.) binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Elsa R***, die Tante der Klägerin, verstarb am 8.9.1984. In ihrem am 23.6.1982 beim Beklagten errichteten Testament hatte sie Willi (Wilhelm) R*** zum Universalerben eingesetzt und der Klägerin den gesamten Inhalt ihrer Wohnung und ihren Hausanteil in Triest vermacht. Aufgrund dieses Testamentes wurde der Nachlaß dem Wilhelm R***, der eine unbedingte Erbserklärung abgegeben hatte, eingeantwortet. Zum Nachlaß gehörte unter anderem folgender Inhalt eines Safes bei der Bank für Kärnten und Steiermark: Zwei Sparbücher dieser Bank mit den Kontonummern 800-108 594 und 800-350 107 mit einem Einlagenstand von S 383.074,61 und von S 394.849,94, ein Bargeldbetrag von S 51.650,--, eine Uhr und zwei Ringe im Werte von S 5.000. Die Klägerin vertritt den Standpunkt, daß nach dem Willen der Erblasserin dem Wilhelm R*** nur der Hälfteanteil der Erblasserin an der Liegenschaft EZ 30 KG Klagenfurt mit dem Haus Dr.Palla-Gasse 10 zukommen und er auch mit den gesamten Nachlaßpassiven belastet sein sollte. Das gesamte übrige Vermögen sollte der Klägerin zukommen, sodaß sie auch Anspruch auf die im Safe befindlichen Vermögenswerte habe. Mit gerichtlichem Vergleich vom 18.6.1985, 15 C 651/85 des Bezirksgerichtes Klagenfurt, verpflichtete sich Wilhelm R***, der Klägerin aus dem Safeinhalt die Hälfte des Sparguthabens des Sparbuches Nr.800-350 107 im Betrage von S 197.424,97 die Uhr und die zwei Ringe herauszugeben. Die Klägerin begehrt vom Beklagten die Differenz auf den Wert des Safeinhaltes abzüglich der Erbschaftssteuer aus dem Rechtsgrund des Schadenersatzes. Sie wirft dem Beklagten vor, den Willen der Erblasserin nicht so festgehalten zu haben, daß die Klägerin zur Universalerbin eingesetzt worden sei. Selbst wenn bei Errichtung des Testamentes davon ausgegangen worden sei, daß sich die Sparbücher am Todestag in der Wohnung der Erblasserin befinden, hätte der Beklagte die Erblasserin doch auf das Risiko der Verbringung der Sparbücher und auf die die Klägerin treffende Beweislast für das Vorhandensein der Sparbücher in der Wohnung aufmerksam machen müssen. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Nach seinen Feststellungen fragte die Erblasserin nach dem Tode ihres Ehemannes die Klägerin, was sie hinsichtlich ihres Liegenschaftsanteiles in der Dr.Palla-Gasse letztwillig verfügen soll. Die Klägerin schlug vor, diesen Liegenschaftsanteil den Angehörigen der Familie R***, aus deren Besitz die Liegenschaftshälfte stammte, zu geben. Am 23.6.1983 kam die Erblasserin in die Kanzlei des Beklagten und erklärte ihren Wunsch, worauf der beim Beklagten beschäftigte Dr.B*** entsprechend den Vorstellungen der Erblasserin ein Testament verfaßte. Der Beklagte besprach dann mit der Erblasserin den Inhalt des Testamentes und damit zusammenhängende Fragen. Die vom Beklagten beschriebene Möglichkeit, die Klägerin als Erbin einzusetzen, lehnte die Erblasserin mit der Begründung ab, daß Wilhelm R*** die Liegenschaftshälfte in der Dr.Palla-Gasse bekommen und die Klägerin möglichst wenig belastet sein solle. Beim Inhalt ihrer Wohnung handle es sich um Familienbesitz, den die Klägerin bekommen soll. Die Klägerin wisse ohnehin, was in der Wohnung sei. Außerhalb der Wohnung habe sie nichts. Der Beklagte riet der Erblasserin, eine Aufstellung der wesentlichen Dinge in der Wohnung, insbesondere der Sparbücher mit Kontonummer, dem Testament anzuschließen und erklärte ihr, daß sie über die außerhalb der Wohnung befindlichen Sachen gesondert verfügen soll, wenn diese nicht dem Erben zukommen sollen. Auf die Frage des Beklagten, wer im Falle ihres Todes Zutritt zu ihrer Wohnung habe, erklärte die Erblasserin, daß niemand Zutritt habe, der nicht ohnehin mit der Wohnung etwas zu tun habe. Auf die weitere Frage des Beklagten nach der Möglichkeit, daß etwas aus ihrer Wohnung verbracht werde, antwortete die Erblasserin, "die haben ja eh genug", was der Beklagte als Hinweis auf die Angehörigen der Familie R*** verstand. Zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung hatte die Erblasserin - abgesehen von ihrem Liegenschaftsbesitz - außerhalb ihrer Wohnung kein Vermögen.

Nach der Auffassung des Erstgerichtes habe der Beklagte keine Belehrungs- und Aufklärungspflicht verletzt. Die Schutzpflicht eines Notars gegenüber letztwillig bedachten Personen gehe nicht so weit, daß letztere auch vor Willensänderungen des Erblassers zu schützen seien.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als Ergebnis einer einwandfreien Beweiswürdigung und teilte auch dessen Rechtsansicht.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revision der Klägerin ist nicht berechtigt.

Grundsätzlich haben Notare alle Geschäfte mit Redlichkeit, Genauigkeit und Fleiß nach den bestehenden Rechtsvorschriften zu versehen. Als Urkundenverfasser haben sie nicht nur die rechtlichen, sondern auch die wirtschaftlichen Auswirkungen zu berücksichtigen (JBl.1975,328; Reischauer in Rummel, ABGB, Rdz 18 zu § 1299). Bei der Testamentserrichtung ergibt sich aus der Art des Rechtsgeschäftes insbesondere die Verpflichtung des Notars, den Willen des Testators zu ermitteln, den Testator über die Errichtung der letztwilligen Verfügung in einer gültigen Form zu beraten und ihn über die rechtlichen und wirtschaftlichen Folgen seiner Anordnung zu belehren (vgl. Altmann, Grenzen der Testamentshilfe in NZ 1949,118 f). Diese Beratungs- und Belehrungspflicht darf aber nicht überspannt werden (vgl. NZ 1971,76; NZ 1970,73; JBl.1966,524) und findet ihre Grenze in der Willensbildung des Testators. Dem Notar kommt es nicht zu, auf die Willensbildung einzuwirken (vgl. Altmann aaO, NZ 1934,17; NZ 1935,79). Eine Verletzung der Sorgfaltspflicht des Notars kann zu einer Schadenersatzpflicht auch gegenüber dem letztwillig Bedachten führen (vgl. GlUNF 330). Im vorliegenden Fall ist die Ansicht der Vorinstanzen zutreffend, daß dem Beklagten ein haftungsbegründender Sorgfaltsverstoß nicht zur Last fällt. Unrichtig ist, daß vom Notariatskandidaten des Beklagten, für den der Beklagte nach § 1313 a ABGB haftet, für die Formulierung des Testierwillens der Erblasserin ein zwar möglicher, aber riskenreicher Weg gewählt wurde, steht doch fest, daß Dr.P*** das Testament entsprechend den Vorstellungen der Erblasserin verfaßte. Es ist daher davon auszugehen, daß die Erbeinsetzung des Wilhelm R*** dem Willen der Erblasserin entsprach. Richtig ist, daß der von der Erblasserin angestrebte wirtschaftliche Erfolg auch dadurch erreicht hätte werden können, daß bei Erbeinsetzung der Klägerin dem Wilhelm R*** die Stellung eines Vermächtnisnehmers eingeräumt worden wäre. Über diese Möglichkeit hat der Beklagte aber die Erblasserin ohnedies belehrt. Der Vorwurf, der Beklagte hätte dem Hinweis der Erblasserin, daß die Klägerin möglichst wenig belastet sein soll, mit einer Belehrung über die Tragung der Kosten der Verlassenschaftsabhandlung begegnen müssen, übersieht, daß der Erblasser der dem direkten Zugriff der Gläubiger ausgesetzte Universalsukzessor des Erblassers ist. Der Vermächtnisnehmer erhält einen direkten Zugriff auf das Nachlaßvermögen und wird, selbst wenn ihm der Erblasser die Bezahlung von Schulden auferlegt, nicht unmittelbar Schuldner der Gläubiger (Ehrenzweig-Kralik, Erbrecht 204 f; Koziol-Welser 7 II 300 f). Mit Rücksicht auf diese unterschiedliche Rechtsstellung des Erben und des Vermächtnisnehmers, die für letzteren weniger belastend ist, und auf die oben dargelegten Grenzen der Aufklärungs- und Belehrungspflicht des Notars konnte sich der Beklagte daher damit begnügen, die Beklagte dahin zu beraten, ein Inventar zu errichten, und sie über die Notwendigkeit einer gesonderten Verfügung bezüglich eventuell außerhalb der Wohnung befindlichen Vermögens zu belehren. Aus diesen Erwägungen mußte es auch hinreichen, wenn der Beklagte der Erblasserin die Folgen der Verbringung von Vermögenswerten aus der Wohnung deutlich machte.

Demgemäß ist daher der Revision ein Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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