Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben. Das angefochtene Urteil wird aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Am 25. Oktober 1984 ereignete sich in Salzburg auf der Kreuzung der Sterneckstraße mit der Robinigstraße ein Verkehrsunfall, an dem der Kläger mit seinem PKW Opel Kadett, pol. Kennzeichen S 23.352, und die Beklagte mit ihrem PKW Ford Taunus, pol. Kennzeichen S 205.998, beteiligt waren. Die Beklagte kollidierte beim Einbiegen nach links mit dem entgegenkommenden, seine Fahrtrichtung beibehaltenden PKW des Klägers.
Der Kläger begehrt den Ersatz seines Fahrzeugschadens zuzüglich der Abmeldekosten samt Anhang.
Die Beklagte bestreitet eine Vorrangverletzung. Der Kläger habe bei Grünlicht für seine Fahrtrichtung sein Fahrzeug zum Stillstand gebracht und dadurch auf seinen Vorrang verzichtet. Als die Lichtsignalanlage bereits gelbes Licht gezeigt habe, sei der Kläger plötzlich weitergefahren. Bis zur Höhe der Klagsforderung wendet die Beklagte überdies aufrechnungsweise ihre Forderung auf Ersatz ihres Schadens von 38.100 S ein.
Das Erstgericht sprach aus, daß die Klagsforderung mit 31.300 S zu Recht und die Gegenforderung nicht zu Recht bestehe. Es gab demgemäß dem Klagebegehren samt Anhang statt.
Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil dahin ab, daß es die Klagsforderung nur mit 15.650 S und die Gegenforderung bis zur Höhe der Klagsforderung als zu Recht bestehend erkannte und demgemäß das Klagebegehren abwies. Es erklärte die Revision für nicht zulässig. Gegen die Entscheidung der zweiten Instanz richtet sich die außerordentliche Revision des Klägers mit dem Antrag auf Wiederherstellung des Ersturteils. Hilfsweise stellt der Kläger einen Aufhebungsantrag.
Die Beklagte wendet sich gegen die Zulassung der Revision und beantragt im übrigen, ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die außerordentliche Revision des Klägers ist zulässig und auch berechtigt.
Das Erstgericht traf eingehende Feststellungen über die Unfallsörtlichkeit und stellte dann weiters fest, daß sich die Beklagte vom Bauhaus kommend über die Robinigstraße der Kreuzung näherte, um nach links in die Sterneckstraße einzubiegen. Der Kläger kam aus der Gegenrichtung und wollte auf der Robinigstraße geradeaus weiterfahren. Als er sich der Kreuzung näherte, zeigte die Lichtsignalanlage grünes Licht. Er nahm den aus der Gegenrichtung kommenden, auf die Kreuzung zufahrenden PKW der Beklagten wahr, an dem der linke Blinker eingeschaltet war. Der Kläger fuhr bei Grünlicht in die Kreuzung ein. Die Beklagte bog nach links ab, wodurch es zur Kollision kam. Am PKW des Klägers entstand Totalschaden. Der Zeitwert des Fahrzeuges betrug 34.000 S, der Restwert 3.000 S. Für die Abmeldung des Fahrzeuges mußte der Kläger 300 S aufwenden. Die Reparaturkosten am PKW der Beklagten betrugen 38.000 S.
Im übrigen erklärte das Erstgericht, weitere Feststellungen über den Unfallshergang nicht treffen zu können. Es begründete diese negative Feststellung im wesentlichen damit, daß objektive Anhaltspunkte fehlten und die Zeugen- und Parteienaussagen als Feststellungsgrundlage überwiegend unbrauchbar seien, weil die Angaben einer Prüfung aus technischer Sicht nicht standhielten. Nach der Rechtsansicht des Erstgerichtes gelten auf einer durch eine Lichtsignalanlage geregelten Kreuzung ausschließlich die Regeln des § 38 StVO, nicht aber die Bestimmungen über den Vorrang nach § 19 StVO. Demnach gelte auch nicht § 19 Abs. 8 StVO über den Vorrangverzicht. Auch wenn der Kläger daher tatsächlich sein Fahrzeug zum Stillstand gebracht hätte, würde ein Vorrangverzicht auf seiner Seite nicht vorliegen. Die Beklagte sei daher wartepflichtig gewesen und habe diese Wartepflicht verletzt. Der Nachweis von ein Mitverschulden des Klägers begründenden Umständen sei der Beklagten nicht gelungen.
Das Berufungsgericht war der Auffassung, daß es sich bei der Feststellung des Erstgerichtes, der Kläger sei bei Grünlicht für seine Fahrtrichtung in die Kreuzung eingefahren, um eine rechtliche Schlußfolgerung handle (AS 117). Wäre der Kläger tatsächlich bei Grünlicht oder bei grün blinkendem Licht in die Kreuzung eingefahren, wäre ihm der Vorrang zugekommen, auf den er nicht hätte verzichten können. Mangels einer diesbezüglichen Feststellung sei aber davon auszugehen, daß keinem der beiden Lenker ein Verschulden angelastet werden könne, weshalb im Sinne des § 11 EKHG eine Schadensteilung von 1 : 1 gerechtfertigt sei.
Gegen die Beurteilung der Feststellung des Erstgerichtes, der Kläger sei bei Grünlicht für seine Fahrtrichtung in die Kreuzung eingefahren, als rechtliche Schlußfolgerung durch das Berufungsgericht wendet sich die außerordentliche Revision des Klägers.
Die außerordentliche Revision des Klägers ist entgegen der Meinung der Beklagten zulässig, weil der Unterscheidung zwischen Tat- und Rechtsfrage im Interesse der Rechtssicherheit erhebliche Bedeutung zukommt (vgl. Fasching IV 248).
Das Gesetz enthält selbst keine Abgrenzungsregel. Im allgemeinen ist als Lösung der Tatfrage die Beschaffung der konkreten Unterlagen für die Feststellung des tatsächlichen Geschehens und diese Feststellung selbst anzusehen, während die Lösung der Rechtsfrage in der Anwendung der generellen Normen auf den konkreten Einzelfall besteht (Fasching aaO 249). Es kann hier nicht zweifelhaft sein, daß es sich bei der Beurteilung der Frage, bei welcher Lichtstellung der Lichtsignalanlage der Kläger in die Kreuzung eingefahren ist, um die Ermittlung eines zum tatsächlichen Geschehensablauf gehörenden Umstandes handelt. Dem Berufungsgericht ist zuzubilligen, daß ein bestimmter Satz des Ersturteils (AS 89) zur Annahme verleiten könnte, die Urteilsgrundlage hinsichtlich der Stellung der Lichtsignalanlage beim Einfahren des Kläges in die Kreuzung beruhe nicht auf einer Beweiswürdigung des Erstgerichtes, sondern auf der Lösung der Frage der Beweislastverteilung, bei der es sich in der Tat um eine Rechtsfrage handelte (7 Ob 59/82). Die weitere Urteilsbegründung ergibt jedoch zweifelsfrei, daß es sich um eine Tatsachenfeststellung auf Grund der Beweiswürdigung handelt und daß das Erstgericht hier der Aussage des Klägers folgte (vgl. AS 36 und 87). Das Erstgericht ist der Aussage des Klägers nur insoweit nicht gefolgt, als diese einer technischen Nachprüfung durch das Sachverständigengutachten nicht standhielt. Gerade in der Frage der Stellung der Lichtsignalanlage ist aber die Aussage des Klägers (AS 36) mit dem Sachverständigengutachten durchaus vereinbar (vgl. AS 66 f.). Die Auffassung des Berufungsgerichtes, es handle sich bei der fraglichen Feststellung um eine rechtliche Schlußfolgerung, ist jedenfalls abzulehnen. Daraus folgt, daß das Berufungsurteil aufzuheben und dem Berufungsgericht eine neue Entscheidung aufzutragen ist, weil das Berufungsgericht die gegen die Feststellung, der Kläger sei bei Grünlicht in die Kreuzung eingefahren, gerichtete Beweisrüge der Beklagten (AS 100) nicht behandelte (AS 122). Da dieser Feststellung entscheidende Bedeutung zukommt, erübrigt es sich im derzeitigen Verfahrensstadium, auf die Rechtsrüge der Revision einzugehen.
Demgemäß ist der Revision Folge zu geben.
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs. 1 ZPO.
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