OGH 2Ob602/86 (2Ob603/86, 2Ob604/86)

OGH2Ob602/86 (2Ob603/86, 2Ob604/86)17.6.1986

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Melber, Dr. Huber und Dr. Egermann als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Robert K***, ÖBB-Bediensteter, 1130 Wien, Wilhelm Leibl-Gasse 2-4/2/8, vertreten durch Dr. Walter Mardetschläger, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Ruth K***, Hausfrau, 3001 Mauerbach, Gerlachstraße 2, vertreten durch Dr. Wilhelm Huber, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufhebung und Scheidung der Ehe, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 18. Februar 1986, GZ 11 R 268/85-35, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 4. Juli 1985, GZ 19 Cg 119/84-27, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger ist schuldig, der Beklagten die mit S 6.793,05 (darin keine Barauslagen und S 617,55 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Streitteile haben am 20.9.1983 die Ehe geschlossen. Der Ehe entstammen keine Kinder. Beide sind österreichische Staatsbürger. Der letzte gemeinsame gewöhnliche Aufenthalt war Mauerbach. Mit ihrer am 15.2.1984 bei Gericht eingelangten Klage (19 Cg 45/84) begehrte die Ehefrau die Ehescheidung aus dem Alleinverschulden des Ehegatten. Dieser habe bereits einige Tage nach der Eheschließung das Interesse an ihr verloren und sei in seine Junggesellenwohnung gezogen, wo sie "ersichtlich unerwünscht" gewesen sei.

Der Ehegatte erhob vorerst am 6.3.1984 (19 Cg 68/84) Widerklage und beantragte die Scheidung aus dem Alleinverschulden seiner Frau. Sie habe ihn bereits während der Hochzeitsreise beleidigt und vor anderen Personen herabgesetzt; er habe sich mit der Ehewohnung in Mauerbach nicht einverstanden erklärt, weil seine Wohnung zu seinem Arbeitsplatz günstiger gelegen sei. Seine Frau lehne es ab, zu arbeiten, obwohl sie schon mehrfach Gelegenheit gehabt hätte, einer Beschäftigung nachzugehen; überdies treibe sie einen für seine Einkommensverhältnisse zu großen Aufwand.

In der Folge erhob der Ehegatte am 12.4.1984 (19 Cg 119/84) auch eine Klage auf Aufhebung der Ehe. Diese begründete er damit, daß er erst im Zuge des Ehescheidungsverfahrens von den zahlreichen Leiden seiner Frau erfahren habe, die er nicht geheiratet hätte, wenn er diese Leiden vor der Eheschließung gekannt hätte; sie hätte ihm diese verschwiegen.

Hierauf replizierte die Ehegattin, ihr Mann habe diese Leiden gekannt, weil sie bereits vor der Eheschließung längere Zeit in Lebensgemeinschaft gelebt hätten; er sei weder einem Irrtum im Sinn des § 37 EheG erlegen noch habe sie ihn im Sinn des § 38 EheG getäuscht; sein Aufhebungsbegehren sei im Hinblick auf die vor der Eheschließung bestandene Lebensgemeinschaft überdies sittlich nicht gerechtfertigt.

Das Erstgericht verband die beiden Verfahren und führte sie unter dem führenden Akt 19 Cg 119/84 (Aufhebungsklage) fort; der Ehegatte wird daher in der Folge als Kläger, die Ehegattin als Beklagte bezeichnet.

Das Erstgericht wies das Begehren auf Aufhebung ab und sprach die Scheidung der Ehe aus dem Alleinverschulden des Ehemannes aus, wobei es von folgenden wesentlichen Feststellungen ausging:

Die Beklagte lebte zunächst mit dem Bruder des Klägers in dessen Wohnung, wohin der Kläger öfters auf Besuch kam. Als die Beklagte wegen einer Magenblutung ins Krankenhaus mußte und sich der Bruder des Klägers nicht mehr um sie kümmerte, besuchte sie der Kläger im Krankenhaus und nahm anschließend Ende 1982 mit ihr eine Lebensgemeinschaft auf. Die Streitteile wohnten bis zu ihrer Heirat in der Wohnung der Beklagten, die sie vor der Hochzeit als Ehewohnung vereinbart hatten, in Mauerbach. Der Kläger wußte schon vor der Heirat, daß die Beklagte verschiedene Leiden hatte. Von ihrem Hüftleiden (Tumor) wußte die Beklagte vor der Hochzeit selbst noch nichts. Erst anläßlich einer Mandeloperation stellte sich bei einer Röntgenaufnahme (im April 1984) heraus, daß sie einen Knochentumor hatte. Die Beklagte war schon seit 1982 keiner Beschäftigung mehr nachgegangen, da sie wegen ihrer Leiden keine Stelle mehr fand. Sie besprach dies auch mit dem Kläger vor der Heirat und machte ihn darauf aufmerksam, daß sie durch eine Heirat die Sozialversicherung verlieren würde; der Kläger meinte jedoch, das mache nichts. Nach der Hochzeit fuhren die Streitteile gemeinsam nach Israel; diese Reise bezahlte die Beklagte allein. Als sie nach Hause zurückkamen, ließ der Kläger nur die Schmutzwäsche in der Wohnung der Beklagten in Mauerbach, fuhr in seine Junggesellenwohnung und kam nicht mehr zurück. Nach einiger Zeit kam er auf 3 Tage; damals sagte er erstmals, daß ihm der Weg von der Wohnung in Mauerbach zu seiner Dienststelle zu lang sei, zog wieder in seine Wohnung im 13.Bezirk und kümmerte sich nicht mehr um die Beklagte. Auf ihre Vorhalte erklärte er, das interessiere ihn nicht. Die Beklagte versuchte nun, mit ihm in seiner Wohnung zu leben. Der Kläger kam zwar nach der Arbeit nach Hause, ging aber gleich zu seiner Mutter und schlief auch dort. Die Beklagte blieb rund 14 Tage; in dieser Zeit übernachtete der Kläger nur 3-mal in seiner Wohnung. Daraufhin zog die Beklagte wieder in ihre Wohnung nach Mauerbach. Nach einer Aufforderung durch ihren Rechtsanwalt zog der Kläger abermals auf 4 bis 5 Tage in die Wohnung nach Mauerbach, zog aber dann endgültig aus und erklärte, er wolle keinen gemeinsamen Haushalt mehr. Am 12.12.1983 holte er seine Sachen von der Beklagten ab; seitdem sehen sich die Streitteile nur noch vor Gericht. Zur Rechtsfrage führte das Erstgericht aus, die Voraussetzungen der §§ 37 f. ABGB lägen nicht vor, weil dem Kläger die Leiden der Beklagten vor der Eheschließung nicht verborgen geblieben sein konnten und er diese in Kauf genommen habe. Durch seine völlige Interesselosigkeit habe der Kläger schwere Eheverfehlungen im Sinn des § 49 EheG gesetzt, wodurch die Ehe unheilbar zerrüttet worden sei; sie sei daher aus seinem alleinigen Verschulden zu scheiden. Die Berufung des Klägers blieb erfolglos; das Gericht zweiter Instanz erachtete das erstgerichtliche Verfahren für mängelfrei, übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als unbedenklich und stellte aufgrund der Krankengeschichte der Beklagten ergänzend fest, daß bei dieser die ersten Beschwerden infolge des Hüfttumors im April 1984 aufgetreten seien und sie im August 1984 - jedenfalls vorläufig - erfolgreich operiert worden sei. Das Berufungsgericht billigte auch die rechtliche Beurteilung der ersten Instanz und führte aus, nach § 37 Abs 1 EheG könne ein Ehegatte unter anderem die Aufhebung der Ehe begehren, wenn er sich über solche die Person des anderen Ehegatten betreffende Umstände geirrt habe, die ihn bei Kenntnis der Sachlage und bei richtiger Würdigung des Wesens der Ehe von der Eingehung der Ehe abgehalten hätten. Die im § 37 EheG genannten Umstände könnten nur Eigenschaften und Ereignisse sein, die vor der Eheschließung bestanden hätten und die, soweit es Eigenschaften betreffe, von der Eheschließung bis zum Aufhebungsurteil andauern müßten. Sie müßten objektiv, aber auch subjektiv für den Ehegatten zur Zeit der Eheschließung Gewicht gehabt haben. Zu den relevanten Eigenschaften gehörten zum Beispiel auch schwere unheilbare, das Eheleben beeinträchtigende körperliche Krankheiten. Davon abgesehen, daß der Hüftknochentumor der Beklagten noch nicht einmal zur Zeit der Erhebung der Eheaufhebungsklage bekannt gewesen und daher auch das Eheaufhebungsbegehren damals nicht auf diese Krankheit gestützt gewesen sei, sei nicht erwiesen, daß die Beklagte bereits zur Zeit der Eheschließung an dem Hüfttumor gelitten habe oder auch nur die Anlage dazu vorhanden gewesen sei. Aus diesem Grund sei das Eheaufhebungsbegehren jedenfalls abzuweisen gewesen.

Da der Kläger in der Rechtsrüge den zutreffenden Schuldausspruch des Scheidungsurteiles mit keinem Wort bekämpft habe, könne und brauche hierauf nicht weiter eingegangen zu werden; daß das festgestellte Verhalten des Klägers die Feststellung seines Alleinverschuldens rechtfertige und der Beklagten keine Eheverfehlungen vorzuwerfen seien, sei im übrigen unleugbar. Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes wendet sich die Revision des Klägers aus den Anfechtungsgründen nach § 503 Abs 1 Z 2 und 4 ZPO mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne der Stattgebung des Aufhebungsbegehrens, allenfalls der Scheidung der Ehe aus dem Alleinverschulden der Beklagten; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Der Revisionsgrund nach § 503 Abs 1 Z 2 ZPO liegt nicht vor, was nicht weiter zu begründen ist (§ 510 Abs 3 ZPO).

In der Rechtsrüge führt der Kläger aus, die in § 37 EheG genannten Umstände könnten nur Eigenschaften und Ereignisse sein, die vor der Eheschließung bestanden hätten und die, soweit es Eigenschaften betreffe, von der Eheschließung bis zum Aufhebungsurteil andauern müßten. Das Berufungsgericht habe aber unrichtig auf den Zeitpunkt des Auftretens der Beschwerden der Beklagten infolge des Knochentumors abgestellt und nicht auf den Zeitpunkt des Ausbruches dieser Krankheit, der schon vor der Eheschließung gelegen sei. Bei Kenntnis des Knochentumors hätte der Kläger die Beklagte nicht geheiratet, er hätte die anderen Leiden seiner Gattin zwar in Kauf genommen, nicht aber eine Krebserkrankung. Es wäre Sache der Beklagten gewesen, zu beweisen, daß er sie auch bei Kenntnis des wahren und vollständigen Sachverhaltes geheiratet hätte; ein derartiger Beweis sei ihr nicht gelungen.

Zur Verschuldensfrage an der Scheidung führte der Kläger aus, der Vorwurf der Interesselosigkeit, den das Erstgericht als schwere Eheverfehlung im Sinn des § 49 EheG gewertet habe, treffe jedenfalls beide Streitteile. Eine Eheverfehlung der Beklagten sei darin zu erblicken, daß sie entgegen dem begründeten Wunsch des Klägers diesem nicht mehr in seine Wohnung nach Wien gefolgt sei. Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden.

Was die Bekämpfung des Verschuldensausspruches im Ehescheidungsurteil anlangt, ist der Kläger darauf zu verweisen, daß er in der Rechtsrüge seiner Berufung ausschließlich zur Abweisung des Aufhebungsbegehrens Stellung genommen, hinsichtlich des Ausspruches des Erstgerichtes über das Scheidungsbegehren jedoch keinerlei Ausführungen erstattet hat. Er kann daher die insoweit in der Berufung nicht gesetzmäßig ausgeführte Rechtsrüge im Revisionsverfahren nicht mehr nachtragen. Der nach ständiger Rechtsprechung geltende Grundsatz, daß die rechtliche Beurteilung im Revisionsverfahren nicht mehr bekämpft werden kann, wenn der Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung nicht (gesetzmäßig) ausgeführt wurde, gilt nämlich (partiell) auch dann, wenn das Ersturteil nur in einem bestimmten Punkt (oder aus einem bestimmten selbständigen Rechtsgrund) wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung bekämpft wurde (1 Ob 633/85; 2 Ob 568/78; 6 Ob 150/62 ua.). Dem Obersten Gerichtshof war daher eine Überprüfung des Urteiles des Berufungsgerichtes in diesem Punkte verwehrt.

Der Revision kann aber auch nicht gefolgt werden, soweit sie die Abweisung des Aufhebungsbegehrens bekämpft. Gemäß § 37 Abs 1 EheG kann ein Ehegatte Aufhebung der Ehe begehren, wenn er sich bei der Eheschließung über solche die Person des anderen Ehegatten betreffende Umstände geirrt hat, die ihn bei Kenntnis der Sachlage und bei richtiger Würdigung des Wesens der Ehe vor der Eingehung der Ehe abgehalten hätten. Wie die Revision in Übereinstimmung mit dem Berufungsgericht richtig erkennt, können die in § 37 EheG genannten Umstände nur Eigenschaften und Ereignisse sein, die jedenfalls bereits zum Zeitpunkt der Eheschließung bestanden haben. Das Berufungsgericht hat dargelegt, er sei nicht erwiesen, daß die Beklagte bereits zur Zeit der Eheschließung an dem Hüfttumor gelitten habe oder eine diesbezügliche Anlage bei ihr vorhanden gewesen sei. In der Annahme, daß der Beweis für eine bestimmte Tatsache nicht erbracht wurde, liegt aber eine tatsächliche Feststellung (vgl. RZ 1967, 105 ua.), deren Bekämpfung im Revisionsverfahren nur dann zulässig wäre, wenn sie mit den Gesetzen der Logik unvereinbar wäre, was aber im vorliegenden Fall nicht zutrifft. Soweit der Kläger daher in seinen Revisionsausführungen davon ausgeht, der Hüfttumor der Beklagten habe bereits zum Zeitpunkt der Eheschließung bestanden, weicht er vom festgestellten Sachverhalt ab und bringt in diesem Umfang die Rechtsrüge nicht zur gesetzmäßigen Darstellung. Ausgehend von dem für das Revisionsgericht bindend festgestellten Sachverhalt kann aber in der Auffassung des Berufungsgerichtes, mangels Erbringung des Beweises, daß der Hüfttumor bei der Beklagten bereits im Zeitpunkt der Eheschließung bestanden habe, sei das Aufhebungsbegehren schon aus diesem Grunde nicht gerechtfertigt, keine unrichtige rechtliche Beurteilung erblickt werden.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte