OGH 14Ob91/86

OGH14Ob91/8617.6.1986

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuderna und Dr. Gamerith sowie die Beisitzer Dr. Walter Haindl und Johann Herzog als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Norbert M***, Taxiunternehmer, Hinterbrühl, Gaadnerstraße 58, vertreten durch Dr. Wilhelm Rauch, Rechtsanwalt in Mödling, wider die beklagte Partei Ö*** B***,

vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen Feststellung und Zahlung von S 78.617,-- sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgerichtes in arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten vom 30. Mai 1985, GZ 44 Cg 72/85-53, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeitsgerichtes Wien vom 29. März 1984, GZ 4 Cr 1348/81-42, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 3.558 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin sind weder Barauslagen noch Umsatzsteuer enthalten) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger begehrt die Feststellung des aufrechten Bestandes seines Arbeitsverhältnisses zur beklagten Partei sowie deren Verurteilung zur Zahlung eines Entgeltbetrages von S 78.617 sA für die Zeit vom 1. November 1981 bis 31. Mai 1982. Zur Begründung bringt er vor, er sei von der Disziplinarkammer der Bundesbahndirektion Wien der beklagten Partei verständigt worden, daß die Disziplinarstrafe der Entlassung über ihn verhängt worden sei, weil er ohne Genehmigung der beklagten Partei eine Nebenbeschäftigung als Taxilenker ausgeübt habe. Diese Entlassung sei rechtsunwirksam, weil dieser Vorwurf nicht richtig sei und der Kläger nicht von der beklagten Partei, sondern nur von der Disziplinarkommission über die Entlassung informiert worden sei. Infolge der langen Dauer des Disziplinarverfahrens sei die Entlassung überdies verspätet ausgesprochen worden. Die Anwendung der Disziplinarordnung auf das Arbeitsverhältnis der Parteien sei nicht vereinbart worden. Die Versagung der Genehmigung der Ausübung einer Nebenbeschäftigung sei eine unbillige Härte und sachlich nicht gerechtfertigt.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Die Disziplinarordnung der beklagten Partei sei vereinbarter Bestandteil des Arbeitsvertrages des Klägers. Dieser habe die nicht genehmigte Ausübung des Taxigewerbes selbst nach Einleitung des Disziplinarverfahrens fortgesetzt.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es traf folgende noch wesentliche Feststellungen:

Der Kläger war unkündbarer Beamter der beklagten Partei. Er wurde am 8. November 1967 zunächst als provisorischer Beamter eingestellt. In dem ihm am 17. November 1967 ausgefolgten Einstellungsschreiben ist folgender Satz enthalten: "Auf Ihr nunmehriges Dienstverhältnis finden die Dienstordnung (Dienstpragmatik, Erlaß des k.k. Eisenbahnministeriums vom 7. April 1898, Z 16.366) in ihrer letzten Fassung sowie die sonstigen für die Beamten der ÖBB jeweils geltenden Bestimmungen Anwendung". Die auf das Arbeitsverhältnis anzuwendenden Vorschriften werden dem Bediensteten der b3klagten Partei nicht ausgefolgt; sie sind aber im Nachrichtenblatt der ÖBB veröffentlicht. Der Kläger war als Autobuslenker in Mödling tätig. Er hatte bereits "vor dem Jahr 1979" einen Antrag auf Bewilligung einer Nebenbeschäftigung als Taxilenker gestellt, der jedoch abgelehnt wurde. Ein im Jahr 1977 zum dritten Mal gestellter derartiger Antrag des Klägers wurde anfangs 1978 von der beklagten Partei abgelehnt. Etwa 6 bis 8 Wochen nach dieser Ablehnung wurde der Kläger von seinem Vorgesetzten Otto M***, dem Vorstand der Kraftwagenbetriebsleitung Mödling, erstmals beobachtet, als er ein Taxi lenkte. Otto M*** hatte erst nach der vorerwähnten Ablehnung erstmals festgestellt, daß eine Urkunde über die dem Kläger erteilte Taxikonzession bei den auf der Dienststelle befindlichen Personalpapieren des Klägers lag. Im Zuge der wegen der unerlaubten Ausübung der Nebenbeschäftigung durchgeführten Einvernahme des Klägers teilte Otto M*** diesem mit, daß er mit dem Taxi nicht fahren dürfe. Der Kläger erwiderte, er werde sich um die Verbote nicht kümmern und mit dem Taxi fahren.

Im September 1979 beobachtete Otto M*** den Kläger, als er auf dem Taxiplatz neben einem Taxi stand und den Eindruck erweckte, auf Fahrgäste zu warten. Otto M*** vernahm den Kläger darüber und dieser gab zu, damals das Taxigewerbe ausgeübt zu haben. Otto M*** meldete den Vorfall an die vorgesetzte Dienstbehörde weiter. Er beobachtete den Kläger (auch) am 2., 3., 4. und 5. September 1980, wie er mit seinem Taxi am Taxistandplatz des Bahnhofs Mödling jeweils zwischen 14,45 Uhr und 15,45 Uhr in wartenden Taxis eingereiht stand. Otto M*** führte wieder eine Einvernahme des Klägers durch, doch bestritt dieser jetzt eine Ausübung des Taxigewerbes. Am 21. Juli und 26. August 1980 waren über den Kläger rechtskräftige Disziplinarverfügungen wegen der nicht genehmigten nebenberuflichen Tätigkeit als Taxilenker verhängt worden. Am 17. Dezember und 31. Dezember 1980 sowie im Jänner 1981 beobachtete Otto M*** den Kläger wieder bei seiner Tätigkeit als Taxilenker. Am 10. Dezember 1980 teilte der Personaldirektor dem zuständigen Disziplinaranwalt mit, daß der Kläger trotz zweimaliger Bestrafung weiterhin sein Taxigewerbe ausübe; die Voraussetzungen für die Einleitung eines Disziplinarverfahrens seien gegeben. Der Disziplinaranwalt leitete hierauf mit Schreiben vom 17. Dezember 1980 das Disziplinarverfahren gegen den Kläger ein. Dieser wurde davon am 18. Dezember 1980 verständigt. In der Folge wurden weitere Unterlagen über den Kläger gesammelt. Am 20. Mai 1981 wurde der Kläger von dem dafür zuständigen Untersuchungsbeamten, der aus Zeitmangel und weil er auf die Unterlagen noch warten mußte, die Vernehmung nicht früher anordnen konnte, vernommen. Am 23. Juni 1981 verfaßte der Disziplinaranwalt die Anklageschrift, welche der Kläger am 21. Juli 1981 übernahm. Die Disziplinarverhandlung fand am 7. August 1981 in Abwesenheit des Klägers statt. Er wurde mit Erkenntnis vom selben Tag schuldig erkannt, seine Dienstpflichten dadurch verletzt zu haben, daß er am 2., 3., 4. und 5. September 1980 ohne Genehmigung und trotz Untersagung durch die beklagte Partei eine Tätigkeit als Taxilenker ausgeübt habe; er habe dadurch gegen die §§ 18, 21 und 36 der Dienstordnung verstoßen und somit Dienstpflichtverletzungen nach dem § 2 der Disziplinarordnung begangen. Er wurde dafür mit der Disziplinarstrafe der Entlassung bestraft.

Am 3. September 1981 erhob der Kläger gegen dieses Erkenntnis das Rechtsmittel der Berufung. Die Verhandlung vor der Disziplinaroberkommission, welche die Entscheidung der Disziplinarkommission bestätigte, fand am 12. Oktober 1981 statt. Dieses Erkenntnis wurde dem Kläger am 2. November 1981 zugestellt. Keinem Beschäftigten der beklagten Partei wurde eine Nebenbeschäftigung als Taxilenker bewilligt.

Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, der Kläger habe infolge der nicht genehmigten Nebenbeschäftigung gegen den § 36 der Dienstordnung (DO) verstoßen. Die Entlassung sei mit Rücksicht auf die wegen derselben Dienstpflichtverletzung vorangegangenen beiden Disziplinarverfügungen und die Erklärung des Klägers, von der Nebenbeschäftigung nicht abzulassen, gerechtfertigt im Sinne des § 4 der als lex constractus anzuwendenden Disziplinarordnung (DisO). Das Disziplinarverfahren sei innerhalb der sechsmonatigen Verjährungsfrist des § 5 Abs 1 lit a DO (richtig: DisO) eingeleitet worden, sodaß die Entlassung auch nicht verspätet ausgesprochen worden sei. Eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes liege nicht vor, weil die beklagte Partei keinem ihrer Bediensteten eine solche Genehmigung erteilt habe. Die Ablehnung der Bewilligung der Nebenbeschäftigung sei keine unbillige Härte, weil deren Ausübung bei einem Autobuschauffeur eine große zusätzliche Belastung hervorrufe.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es führte das Verfahren gemäß dem § 25 Abs 1 Z 3 ArbGG neu durch, traf die gleichen Feststellungen wie das Erstgericht und billigte dessen rechtliche Beurteilung.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die aus den Gründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Revision des Klägers mit dem Antrag, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Rechtssache an das Erstgericht zurückzuverweisen; hilfsweise wird ein auf Klagsstattgebung gerichteter Abänderungsantrag gestellt. Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

Entgegen der Meinung des Revisionswerbers ist eine "Verfristung der Entlassungserklärung" nicht eingetreten. Die den Gegenstand des Disziplinarverfahrens bildenden Verstöße des Klägers gegen das Verbot einer (nicht genehmigten) Nebenbeschäftigung erfolgten Anfang September 1980, und die am 17. Dezember 1980 angeordnete Einleitung des Disziplinarverfahrens wurde dem Kläger am 18. Dezember 1980 mitgeteilt. Die Kenntnisnahme durch den Kläger lag somit innerhalb der für den Eintritt der Verjährung maßgeblichen Sechsmonatsfrist des § 5 Abs 1 lit a DisO. Das Disziplinarverfahren wurde nach den Feststellungen ohne jede sachlich nicht gerechtfertigte Verzögerung durchgeführt, sodaß die Disziplinarstrafe der Entlassung unter keinem Gesichtspunkt verspätet ausgesprochen wurde. Dem Revisionswerber kann aber auch in seiner Auffassung nicht zugestimmt werden, die beklagte Partei sei zur Vornahme der Entlassung nicht berechtigt gewesen. Die Anwendung der "für die Beamten der ÖBB jeweils geltenden Bestimmungen", insbesondere jene der DO, wurde im Dienstvertrag vereinbart, sodaß diese im Nachrichtenblatt der beklagten Partei veröffentlichten Normen als vereinbartes Recht auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung finden (siehe Arb. 9310 mwH). Im übrigen werden auch in rein privatrechtlichen Arbeitsverträgen häufig Verbote einer Nebenbeschäftigung und die Rechtsfolge einer Entlassung für den Fall eines Verstoßes gegen ein solches Verbot vereinbart. Bedenkt man, daß das im Rahmen einer Nebenbeschäftigung erfolgende Lenken eines Taxis durch einen Autobuschauffeur am selben Standort nicht nur eine Konkurrenzierung des Autobusunternehmens bedeutet, sondern überdies gerade in diesem Beruf zu einer sehr erheblichen zusätzlichen Belastung des Bediensteten und damit zu einer Beeinträchtigung der Sicherheit der Fahrgäste führen kann, dann ist in einem solchen Verbot eine unbillige Härte nicht zu erblicken. Die seinerzeitige bloße Vorlage der dem Kläger erteilten Gewerbeberechtigung an die Dienstbehörde rechtfertigt nicht die Annahme, die beklagte Partei habe der Ausübung einer laufenden Tätigkeit im Rahmen dieser Konzession als Nebenbeschäftigung schlüssig zugestimmt, zumal die konkreten Genehmigungsanträge des Klägers immer abgewiesen wurden. Den Revisionsausführungen über das Fehlen der Voraussetzungen einer Schiedsgerichtsvereinbarung im Sinne des § 577 Abs 3 ZPO kommt schon deshalb keine Berechtigung zu, weil die Disziplinarkommissionen der beklagten Partei keine Schiedsgerichte im Sinne der ZPO und die wirksam vereinbarte Dienstordnung und Disziplinarordnung nicht auf einem Schiedsvertrag im Sinne des § 577 ZPO beruhen.

Schließlich bestehen auch gegen die inhaltliche Berechtigung der Entlassung des Klägers keine Bedenken. Unter Bedachtnahme auf die vorher wegen der gleichen Dienstpflichtverletzung über den Kläger verhängten beiden Disziplinarstrafen, die anhaltende Verletzung des Verbotes der Ausübung einer nicht genehmigten Nebenbeschäftigung und die ausdrückliche Erklärung des Klägers, er werde sich an das Verbot nicht halten, war der beklagten Partei eine Weiterbeschäftigung des Klägers nicht zuzumuten, sodaß die Entlassung gerechtfertigt war. Auf weitere Einwendungen kommt der Revisionswerber nicht mehr zurück, sodaß auf die zutreffenden Begründungen des Berufungsgerichts verwiesen werden kann. Dem Klagebegehren fehlt daher die Berechtigung.

Die Kostenentscheidung ist in den §§ 41 und 50 ZPO begründet.

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