OGH 6Ob568/86

OGH6Ob568/865.6.1986

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch, Dr. Schobel, Dr. Riedler und Dr. Schlosser als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am 7. Jänner 1981 verstorbenen Eduard F***, Drogist, zuletzt wohnhaft gewesen in der Hofmannsthalgasse 8/2/18, 1030 Wien, infolge Revisionsrekurses der erbserklärten Erbin Elfriede U***, Engerthstraße 86/25, 1200 Wien, vertreten durch Dr. Konrad Kuderna, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgerichtes vom 16. Jänner 1986, GZ 43 R 741/85-163, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 20. September 1985, GZ 2 A 60/81-154, teilweise bestätigt und teilweise aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Das Erstgericht hat mit seinem Beschluß vom 20. September 1985 das Inventar mit Aktiven von S 2,834.357,42, Passiven von S 997.846,53 und somit einem Reinnachlaß von S 1,836.510,98 zu Gericht angenommen (Punkt 1.), den Pflichtteil des erbl. Sohnes Marc Patrick F*** mit S 811.905,63 festgestellt, hierauf eine Abschlagszahlung von S 154.666,-- angerechnet und den noch aushaftenden Pflichtteil mit S 657.239,63 bemessen, in diesem Umfang den Pflichtteilsausweis genehmigt und die erbserklärte Erbin Elfriede U*** angewiesen, S 657.239,63 binnen drei Wochen nach Rechtskraft dieses Beschlusses auf ein bestimmtes Sparbuch zu überweisen (Punkt 2.), den Testaments- und Vermächtniserfüllungsausweis auf Grund der von Elfriede U*** zum gesamten Nachlaß abgegebenen bedingten Erbserklärung und des Nachweises der Verständigung des Vermächtnisnehmers Josef V*** als erbracht angesehen (Punkt 3.), Elfriede U*** abhandlungsgerichtlich ermächtigt, über im einzelnen angeführte Werte zu verfügen (Punkt 4.), dieselbe angewiesen, die im einzelnen festgestellten Gebühren zu bezahlen (Punkt 5.), die Gebühren des Gerichtskommissärs Dr. Artur B*** mit S 15.532,79 bestimmt (Punkt 6.) und die Anmeldung der im einzelnen angeführten Forderungen zur Kenntnis genommen (Punkt 7.).

Das Gericht zweiter Instanz hob diesen Beschluß in teilweiser Stattgebung des Rekurses des pflichtteilsberechtigten erbl. Sohnes Marc Patrick F*** im Punkt 4. zur Gänze und im Punkt 2. insoweit auf, als ein nicht höherer Pflichtteilsanspruch als S 811.905,63 festgestellt wurde, trug dem Erstgericht in diesem Umfang die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf und bestätigte dessen Beschluß in seinen restlichen Verfügungen. Es führte aus, der Pflichtteilsausweis müsse bei Vorhandensein von pflegebefohlenen Noterben im Verlassenschaftsverfahren erbracht werden. Zwischen Erben und Pflichtteilsberechtigten bestehe zwar keine Rechtsgemeinschaft, der Noterbe nehme jedoch an der Entwicklung des Nachlasses zwischen Erbfall und wirklicher Zuteilung teil. Die während dieses Zeitraumes eintretenden Wertänderungen seien Gewinn und Verlust; die Beteiligung des "Pflichterben" an diesen ersetze den Anspruch auf Zinsen für die fällige Pflichtteilsforderung. Die wirkliche Zuteilung sei der Zeitpunkt der endgültigen Festsetzung dessen, was dem Pflichtteilsberechtigten gebühre. Grundsätzlich seien Streitigkeiten über solche Wertänderungen im Rechtsweg auszutragen, nur beim pflegebefohlenen Noterben habe das Verlassenschaftsgericht die Entwicklung des Nachlasses bis zur wirklichen Zuteilung zu überwachen und notfalls eine neue Schätzung anzuordnen. Das Drogerieunternehmen des Verstorbenen sei mit einem Wert in das Inventar aufgenommen worden, der auf einer Schätzung vom März 1982 basiere. Der Noterbe habe vorgebracht, daß sich das Unternehmen im Zeitpunkt der Schätzung in einer Aufbauphase befunden und nahezu keinen Gewinn abgeworfen habe, nunmehr hingegen nicht unerhebliche Gewinne erzielt würden; diesem Vorbringen sei durch Einholung eines neuerlichen Gutachtens Rechnung zu tragen. Da der Rekurswerber nun einen höheren Pflichtteil begehre, seien die im Punkt 2. getroffenen Anordnungen aufrecht zu erhalten gewesen. Sollte sich ein höherer Pflichtteilsanspruch herausstellen, so müsse dies zufolge der Sicherungsrechte des Minderjährigen zu einer Einschränkung der im Punkt 4. erteilten Verfügungsermächtigung führen; deshalb sei auch diese Verfügung zu beheben gewesen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der erbserklärten Erbin ist unzulässig. Sie bekämpft die rekursgerichtliche Entscheidung nur insoweit, als der erstinstanzliche Beschluß in seinem Punkte 2. nicht zur Gänze aufgehoben und dem Erstgericht die neuerliche Festsetzung des Pflichtteilsanspruches unter Beschränkung auf den einen schon bemessenen Anspruch von S 811.905,63 übersteigenden Betrag aufgetragen wurde. Sie beruft sich - sie selbst hat den erstinstanzlichen Beschluß nicht angefochten - auf den Rekursantrag des Noterben, der auf Aufhebung des gesamten erstgerichtlichen Beschlusses gerichtet gewesen sei, und ferner darauf, daß im Verfahren außer Streitsachen das Verbot der reformatio in peius nicht gelte.

Die Rechtsmittelwerberin übersieht, daß der Noterbe seinem Rekursvorbringen nach lediglich eine Erhöhung des Pflichtteilsanspruches anstrebte und der Rekursantrag demnach so zu verstehen war, wie ihn das Gericht zweiter Instanz auch aufgefaßt hat. Im übrigen wäre der Noterbe in dem Umfang, in welchem das Erstgericht seinen Pflichtteilsanspruch festsetzte, nicht beschwert; seine Rechtsposition kann in diesem Umfang nicht, sondern lediglich dadurch beeinträchtigt sein, daß sein Anspruch vom Erstgericht nicht höher als im angefochtenen Beschluß festgesetzt wurde. Der Noterbe kann im Sinne des § 9 AußStrG nämlich nur insoweit beschwert sein, als er durch die erstinstanzliche Entscheidung eine Verkürzung seiner materiellen Rechte oder eine Beeinträchtigung seiner verfahrensrechtlichen Stellung hinnehmen mußte (5 Ob 510/78; EFSlg. 47.000). Davon kann insoweit, als sein Pflichtteilsanspruch festgesetzt wurde, keine Rede sein. Daraus folgt aber, daß Punkt 2. des erstinstanzlichen Beschlusses in dem vom Rekursgericht bezeichneten Umfang mangels Anfechtung durch die Revisionsrekurswerberin und mangels Anfechtbarkeit seitens des Noterben in (Teil-)Rechtskraft erwachsen ist und daher in diesem Umfang auch schon der Überprüfung durch das Rekursgericht entzogen war. Damit ist aber auch dem Argument der erbserklärten Erbin, im Verfahren außer Streitsachen sei die reformatio in peius zulässig (SZ 47/12 u.v.a.), der Boden entzogen. Denn auch diese findet ihre Grenze in der Rechtskraft der Entscheidung (RZ 1977/110 ua.). Der Revisionsrekurs der erbserklärten Erbin war deshalb als unzulässig zurückzuweisen.

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