Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Der Kläger ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 3.997,35 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (davon S 308,85 Umsatzsteuer und S 600,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger war bei der beklagten Partei seit 18.1.1971 als Arbeiter beschäftigt. Er wurde am 10.2.1982 entlassen. Er behauptet, dies sei ungerechtfertigt geschehen, und begehrt an Kündigungsentschädigung, Abfertigung, aliquotem Urlaubszuschuß und Weihnachtsremuneration sowie Urlaubsentschädigung den der Höhe nach außer Streit stehenden Betrag von insgesamt S 66.419,30 brutto sA. Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, den Kläger gerechtfertigt entlassen zu haben. Er habe dem Oberwerkmeister Rudolf S*** eine Tasche mit Schneidplatten, die dieser kontrollieren wollte, aus der Hand gerissen und sie ihm vor die Füße geworfen. Er habe dabei seinen Vorgesetzten nur knapp verfehlt.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren im zweiten Rechtsgang mit der Begründung statt, daß das Verhalten des Klägers nicht so schwerwiegend gewesen sei, daß es seine fristlose Entlassung rechtfertige.
Das Berufungsgericht verhandelte die Rechtssache gemäß § 25 Abs 1 Z 3 ArbGG von neuem und wies das Klagebegehren ab. Es ging hiebei von folgenden wesentlichen Feststellungen aus:
Der Kläger hatte in der Dreherei zwei Maschinen zu bedienen. Er hatte hiebei Schneidplatten verschiedener Formen und Größen zu verwenden, die üblicherweise in einem vom Betrieb zur Verfügung gestellten Behälter aufbewahrt werden. Der Kläger verwendete aber zur Aufbewahrung eine alte Plastiktasche, was "der beklagten Partei" bekannt war und von ihr geduldet wurde.
Schon vor dem zur Entlassung führenden Vorfall schimpfte der Kläger bei geringfügigen Anlässen, vor allem, wenn seine Arbeitsweise kritisiert wurde, benahm sich unbeherrscht und "haute mit Gegenständen auf". Etwa zwei Monate vor der Entlassung hielt der Einsteller Klaus W*** dem Kläger vor, daß dieser mit einem Kollegen Kaffee getrunken habe. Der Kläger rieb mit einem Metallring gegen Klaus W*** auf. Der Kläger wurde deswegen in Gegenwart des Betriebsratsobmannes abgemahnt und darauf hingewiesen, daß er, wenn er sich in Hinkunft nicht ordentlich verhalte, mit seiner Entlassung rechnen müsse. Oft wurde das eigensinnige und unbeherrschte Verhalten des Klägers toleriert. Man vermied, ihn anzusprechen. Als sich die Unbeherrschtheiten des Klägers mehrten, sagte Werkmeister Klaus B*** zum Oberwerkmeister Rudolf S***, daß man, wenn sich der Kläger weiter so verhalte, etwas unternehmen müsse. Am 9.2.1982 wurde der Kläger gegen Schichtende mit neuen Schneidplatten ausgerüstet. Am 10.2.1982 verlangte der Kläger gleich nach Schichtbeginn von Klaus W*** neue Schneidplatten. W*** hielt dem Kläger vor, daß er am Vortag neue Schneidplatten erhalten habe. Als der Kläger entgegnete, daß er diese bereits verbraucht habe, wies ihn Klaus W*** an, die Maschinen zum Stillstand zu bringen, und begab sich zu Rudolf S***, zu dessen Aufgaben es auch gehörte, Kontrollen zu machen und besonders die richtige Verwendung der Schneidplatten zu prüfen. Rudolf S*** begab sich zum Arbeitsplatz des Klägers, um eine Routinekontrolle durchzuführen. Er nahm die Plastiktasche, in der sich das Werkzeug befand, in die Hand, um nachzuschauen. Der Kläger fuhr auf Rudolf S*** hin, riß ihm die Tasche mit den Worten "Was Du wollen" aus der Hand, rieb mit der Tasche gegen Rudolf S*** auf und warf sie dann unmittelbar vor Rudolf S*** zu Boden, so daß sich ihr Inhalt verstreute. Rudolf S*** hatte den Eindruck, daß ihm der Kläger die Tasche "hinaufhauen" wollte. Der Vorfall konnte von anderen Arbeitern beobachtet werden. Oberwerkmeister Rudolf S*** fühlte sich persönlich bedroht und vor allem vor den anderen Arbeitnehmern bloßgestellt. Er suchte mit dem Kläger das Personalbüro auf und machte dem Leiter der Personalabteilung Rudolf R*** von dem Vorfall Mitteilung. Dieser sprach die fristlose Entlassung des Klägers aus.
Das Berufungsgericht war der Ansicht, daß das Verhalten des Klägers eine grobe Disziplinlosigkeit bilde. Es sei auch ehrverletzend und untergrabe die Autorität des Vorgesetzten. Oberwerkmeister Rudolf S*** habe befürchten müssen, daß der Kläger auch vor einer körperlichen Mißhandlung nicht zurückschrecke. Der Kläger sei bereits zwei Monate vorher wegen eines ähnlich aggressiven Verhaltens abgemahnt worden. Da dies erfolglos geblieben sei, sei seine fristlose Entlassung gerechtfertigt erfolgt. Die gegen das Urteil des Berufungsgerichtes wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision des Klägers ist nicht berechtigt. Der Revisionswerber meint, auch er hätte noch einmal vor dem (erkennenden) Gericht vernommen werden müssen, weil das Berufungsgericht alle von der beklagten Partei beantragten Zeugen neuerlich einvernommen habe. Der Revisionswerber übersieht damit, daß eine unmittelbare Beweisaufnahme vor dem Berufungsgericht nur insofern stattzufinden hat, als sie das Berufungsgericht für erforderlich hält, was eine Frage der Beweiswürdigung ist, oder wenn eine der Parteien dies durch Einsprache gegen die Verlesung verlangt. Der Kläger übersiedelte während des Verfahrens erster Instanz wieder nach Jugoslawien und wurde während des zweiten Rechtsganges dort im Rechtshilfeweg ergänzend vernommen. Eine persönliche Vernehmung des Klägers vor dem Berufungsgericht wurde aber nicht begehrt. Sonstige Verfahrensmängel wurden nicht geltend gemacht.
Rechtliche Beurteilung
Die vom Revisionswerber bei Ausführung der Rechtsrüge geltend gemachten Feststellungsmängel liegen nicht vor. Das Berufungsgericht nahm als erwiesen an, daß der Kläger die Schneidplatten nicht in einem vom Betrieb zur Verfügung gestellten Behälter, sondern in einer - in seiner Verfügungsmacht stehenden - alten Plastiktasche aufbewahrte, was "der beklagten Partei" (gemeint wohl: den Dienstvorgesetzten des Klägers) bekannt war und geduldet wurde. Verwendete aber der Kläger mit Kenntnis und stillschweigender Duldung seiner Vorgesetzten eine offensichtlich ihm gehörende Tasche zur Aufbewahrung der ein Betriebseigentum bildenden Schneidplatten, so stand der beklagten Partei das Recht zu, sich - so wie durch die Überprüfung der von anderen Dienstnehmern verwendeten Behälter -, durch eine Überprüfung der Plastiktasche des Klägers vom Bestand und der Verwendungsfähigkeit der ihm ausgefolgten Schneidplatten zu überzeugen; zu einer solchen Kontrolle hatte die beklagte Partei Anlaß, weil der Kläger erst gegen Schichtende des Vortages mit neuen Schneidplatten ausgestattet worden war und am 10.2.1982 gleich nach Schichtbeginn wiederum neue Platten verlangt hatte. Daß sich in dieser Tasche auch persönliches Eigentum befunden habe, behauptete der Kläger gar nicht. Von einer "Perlustrierung der persönlichen Sachen des Klägers" ohne seine Zustimmung kann daher keine Rede sein. Den Bestand an Schneidplatten durften die Vorgesetzten des Klägers prüfen. Selbst wenn es mit Rücksicht auf ein Eigentum des Klägers an der Plastiktasche noch zu entschuldigen wäre, daß er diese dem Oberwerkmeister aus der Hand riß, stellt das weitere Verhalten des Klägers den Entlassungsgrund des § 82 lit.g GewO 1859 her, weil er dann mit der Tasche gegen den Vorgesetzten "aufrieb", so daß dieser befürchtete, der Kläger werde die Tasche auf ihn werfen, und sie schließlich vor Rudolf S*** derart auf den Boden warf, daß der gesamte Inhalt herausfiel. Dieses aggressive Verhalten stellt eine auch Elemente einer gefährlichen Drohung enthaltende grobe Ehrenbeleidigung eines Vorgesetzten dar. Das Verhalten des Klägers war geeignet, die Autorität des Oberwerkmeisters im Betrieb zu untergraben, da der Vorfall von anderen Arbeitnehmern beobachtet wurde. Da der Kläger zudem wegen eines ähnlichen Vorfalles zwei Monate vorher erfolglos abgemahnt wurde, bildete sein Verhalten ungeachtet seiner langen Betriebszugehörigkeit einen Entlassungsgrund. Die Dienstgeberin durfte sein Verhalten schon deshalb mit dem sofortigen Abbruch der Beziehungen beantworten, um die dem Kläger vorgesetzten Dienstnehmer (Einsteller, Oberwerkmeister) nicht neuerlich solchen Attacken auszusetzen. Eine gerechtfertigte Entrüstung kommt dem Kläger nicht zustatten, weil in der Kontrolle der Schneidplatten an seinem Arbeitsplatz durch Nachschau in einem dem Vorgesetzten bekannten und von ihnen als Aufbewahrungsort geduldeten Behälter kein Vorwurf des Diebstahls oder der Veruntreuung gelegen war. Bloße Nervosität und Unbeherrschtheit sind aber keine Gründe, die den vom Kläger gesetzten Entlassungsgrund entschuldbar machen (Arb. 9111, 9188 ua). Das Berufungsgericht hat somit die Entlassung aus zutreffenden Gründen für gerechtfertigt erachtet.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.
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