OGH 11Os64/86

OGH11Os64/863.6.1986

Der Oberste Gerichtshof hat am 3.Juni 1986 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, Dr. Kießwetter, Dr. Walenta und Dr. Felzmann als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Steinberger als Schriftführer in der Strafsache gegen Karl N*** wegen des Vergehens der Abgabenhehlerei nach dem § 37 Abs. 1 lit a FinStrG über die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 15.Jänner 1986, GZ 26 Vr 4713/84-17, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Kodek, des Angeklagten Karl N*** und des Verteidigers Dr. Axel Fuith zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen (auch einen unbekämpft gebliebenen Teilfreispruch umfassenden) Urteil wurde der am 18.November (im Urteil unrichtig: 8.Dezember) 1951 geborene Transportunternehmer Karl N*** des Vergehens der Abgabenhehlerei nach dem § 37 Abs. 1 lit a FinStrG schuldig erkannt. Dem Inhalt des Schuldspruchs zufolge brachte er als geschäftsführender Gesellschafter der Firma Karl N*** Ges.m.b.H. in St.Ulrich am Pillersee im Zeitraum von April 1981 bis Februar 1983 in 40 Fällen Sachen ausländischer Herkunft, auf die Eingangsabgaben in der Höhe von 45.229 S entfallen und hinsichtlich welcher anläßlich der Einfuhr in das Zollgebiet von unbekannt gebliebenen Firmenfahrern jeweils ein Schmuggel oder eine Verzollungsumgehung begangen worden war, vorsätzlich an sich.

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer ziffernmäßig auf die Nichtigkeitsgründe der Z 5, 9 lit a und 10 (inhaltlich auch 9 lit b) des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

In der Mängelrüge (Z 5) wendet er sich gegen die erstgerichtlichen Feststellungen zur subjektiven Tatseite, wonach ihm trotz seiner Überlastung der "größte Teil" der eingehenden Rechnungen zur Kenntnis gelangte und er "speziell über Rechnungen auf Grund beanspruchter Leistungen im Ausland in der Regel informiert" war, weil er gerade hier "im Normalfall" durch seine Angestellten (im Urteil zufolge eines offenkundigen Schreibfehlers: Angeklagten), in der Regel Kraftfahrer, verständigt wurde. Im Deliktszeitraum war dem Angeklagten somit bekannt - zumindest hielt er dies ernstlich für möglich und fand sich damit ab -, daß sich bei seinen Geschäftsunterlagen mehrere Rechnungen über im Ausland durchgeführte Reparaturen an Firmenfahrzeugen mit Einbau entsprechender Ersatzteile oder über Wareneinkäufe für die Firma befanden und daß die betroffenen Waren anläßlich der Einfuhr unter Verletzung der zollrechtlichen Bestimmungen von den Kraftfahrern bzw den Betriebsangestellten beim Eintrittszollamt dem Zollverfahren nicht zugeführt worden waren, somit ein Schmuggel oder eine Verzollungsumgehung vorlag (S 71 bis 73 f).

Diese Feststellungen bezeichnet der Beschwerdeführer als "teilweise mit sich selbst im Widerspruch, teilweise unvollständig". Da er im Regelfall über Einkäufe im Ausland informiert wurde, habe er darauf vertrauen können, daß ihm sämtliche Rechnungen vorgelegt wurden; der Grund dafür, daß sich unverzollte Sachen betreffende Rechnungen (unbearbeitet) bei den übrigen Geschäftsunterlagen befanden, liege darin, daß er (der Angeklagte) zur Zeit ihres Eingangs nicht anwesend gewesen sei oder daß er sie übersehen habe. Bei diesem auf einzelne aus dem Zusammenhang gerissene Einlassungspassagen vor dem Zollamt Innsbruck (S 8 verso der Beilagen zu ON 2) gestützten Vorbringen handelt es sich jedoch um den unzulässigen Versuch einer Bekämpfung der Beweiswürdigung des Schöffengerichts, das bei der "Zusammenschau" der Verantwortungen (S 75) auf das Zugeständnis des Angeklagten im Vorverfahren, er habe "vermutet", daß sich in seiner Buchhaltung unverzollte ausländische Reparaturrechnungen befanden, welche über ihn eingegangen seien und die er dann zu einem späteren Zeitpunkt im Wege einer Selbstanzeige verzollt hätte (S 9 der Beilagen zu ON 2), ausdrücklich hinwies. Vor dem Untersuchungsrichter betonte der Beschwerdeführer, daß das Unterbleiben der Verzollung ausländischer Reparaturen auf seine Überlastung (also nicht etwa auf die Unkenntnis der Vorgänge an sich) zurückzuführen sei (S 24, 25). Noch in der Hauptverhandlung, in welcher er sich nur einer fahrlässigen Abgabenhehlerei schuldig bekannte, räumte N*** ein, daß "solche Rechnungen" (über Auslandsreparaturen) ihm zur Kenntnis kamen, ein Teil davon aber wegen Arbeitsüberlastung "durchgeschlüpft" sei, also nicht zur Verzollung gegeben wurde (S 55, 56). Insgesamt lief sohin die vom Gericht in sorgfältiger Beweiswürdigung verwertete Verantwortung des Angeklagten darauf hinaus, daß die ordnungsgemäß über ihn eingelaufenen Rechnungen zufolge seiner Arbeitsüberlastung und nur zum geringen Teil auch wegen seiner vorübergehenden Abwesenheit zunächst unverzollt blieben und von ihm nach Maßgabe seiner zeitlichen Möglichkeiten später bei Durchsicht der Buchhaltung festgestellt und durch Selbstanzeige erledigt werden sollten. Die Schlußfolgerung der Tatrichter, daß der Angeklagte eben wegen seiner Kenntnis von der überwiegenden Mehrheit der eingehenden (nur zum Teil die hier relevanten Auslandsreparaturen betreffenden) Fakturen es zumindest ernstlich für möglich hielt, daß solche Rechnungen unverzollt blieben, entspricht daher den Denkgesetzen und ist widerspruchsfrei.

Eine Undeutlichkeit der Feststellungen will der Beschwerdeführer darin sehen, daß ihnen nicht zu entnehmen sei, ob er von konkreten unverzollten Rechnungen Kenntnis hatte oder (nur) allgemein vermutete, daß sich auch solche bei den Geschäftsunterlagen befanden. Dem entgegen ist jedoch den Urteilsfeststellungen eindeutig die Kenntnis des Angeklagten vom Vorhandensein mehrerer unverzollter Rechnungen, deren Bearbeitung er wegen Arbeitsüberlastung aufgeschoben hatte, zu entnehmen (S 75, 77). Damit steht keineswegs im Widerspruch, daß ihm nach diesen Konstatierungen die Anzahl jener problematischen Rechnungen und der jeweilige Betrag an hinterzogenen Eingangsabgaben nicht bekannt war, bedeutet dies doch nur, daß er die Geschäftsfälle nicht sofort durchrechnete und ihre Zahl nicht fortlaufend in seinem Gedächtnis evident hielt.

Der Sache nach eine Unvollständigkeit behauptet der Beschwerdeführer wegen der seiner Meinung nach unterbliebenen, für die subjektive Tatseite bedeutsamen Würdigung der Selbstanzeige (von fünf von ihm selbst vor der zollamtlichen Einschau bearbeiteten Hinterziehungsfällen), die er vor der Entdeckung der Unregelmäßigkeiten bei der Einschau des Zollamtes, nämlich am 8. März 1983, verfaßte und die nur durch ein Säumnis seines Angestellten zu spät beim Zollamt einlangte. Die vermißte Erörterung findet sich jedoch ohnehin im Urteil, wird doch konstatiert, daß der Auftrag an den betreffenden Angestellten (S***) vom Angeklagten schon im Jahr "1982" erteilt worden war, und (aktengetreu) festgehalten, daß die Selbstanzeige dann erst am 11.März 1983 beim Zollamt Kiefersfelden vorgelegt wurde (S 73). Das Erstgericht bezog daher diesen Umstand bei seinen die subjektive Tatseite betreffenden Feststellungen - der vom Beschwerdeführer vertretenen Ansicht zuwider - ohnedies in den Kreis seiner Erwägungen ein.

Rechtliche Beurteilung

Wenn der Beschwerdeführer die Urteilsfeststellung, daß er über die "betroffenen Waren und Fahrzeuge verfügte, wobei er es zumindest ernstlich für möglich hielt und sich damit abfand, daß er dabei auch über unverzollte Sachen verfügte" (S 74), wegen "Unschlüssigkeit und Aktenwidrigkeit" rügt, weil sich aus dem gesamten Akteninhalt nicht ergebe, daß er über Waren verfügt habe, von denen er wußte, daß sie dem Zollverfahren nicht zugeführt worden waren, bringt er den angezogenen Nichtigkeitsgrund nicht zur gesetzmäßigen Darstellung. Wissentlichkeit wurde nämlich weder vom Erstgericht angenommen noch ist sie auf der subjektiven Tatseite der Abgabenhehlerei erforderlich. Daß aber der Angeklagte es für wahrscheinlich ("ernstlich für möglich") hielt, über Fahrzeuge zu verfügen, in die unverzollte Bestandteile eingebaut worden waren, folgt geradezu zwingend, jedenfalls aber denkrichtig aus der schon erörterten Feststellung, daß er Rechnungen, die solche Geschäftsfälle betrafen, aus Arbeitsüberlastung unbearbeitet ließ und daß er vom Vorgang der Reparatur im Ausland jeweils Kenntnis hatte.

Daß der Beschwerdeführer bereits zu dem Zeitpunkt, als er über das jeweilige Fahrzeug verfügte, von der Hinterziehung von Eingangsabgaben beim Grenzübertritt Kenntnis hatte, brachte das Erstgericht der Sache nach deutlich zum Ausdruck, wenn es feststellte (S 73), daß der Angeklagte "trotz dieser Umstände" (nämlich dem wahrscheinlichen Vorhandensein von noch nicht verzollten Rechnungen) über die betroffenen Waren und Fahrzeuge verfügte, wobei er es zumindest ernstlich für möglich hielt und sich damit abfand, daß er auch über unverzollte Sachen verfügte. Damit wurde klargestellt, daß er vorsätzlich im Sinn des § 8 Abs. 1 FinStrG handelte. Im übrigen wird auf die mangelnde rechtliche Relevanz der Frage, ob der Angeklagte schon bei der jeweils ersten Verfügung vorsätzlich handelte, bei Behandlung der Rechtsrüge noch zurückzukommen sein. Jedenfalls bedurfte es keiner Konstatierung, ab welchem Zeitpunkt der Angeklagte vermutete, daß derartige Reparaturen nicht (der Zollbehörde) angezeigt wurden; ergibt sich doch aus den bereits erörterten Feststellungen, daß dies im gesamten Deliktszeitraum, also von April 1981 bis Februar 1983 - und auch schon in den Jahren 1978 und 1980 (S 79) - der Fall war.

Die entscheidungswesentlichen Feststellungen erweisen sich daher entgegen dem Beschwerdevorbringen als mängelfrei begründet. Soweit der Beschwerdeführer noch in der Mängelrüge, sachlich aber, weil ein prozessuales Verfolgungshindernis behauptend, auf den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z 9 lit b StPO gestützt (EvBl 1975/15) vorbringt, es sei nicht festgestellt, ob für den Zeitraum, "den die strafbare Tat betrifft", eine rechtskräftige endgültige Abgabenfestsetzung vorliege, ist ihm lediglich zu entgegnen, daß der § 55 FinStrG nur in Strafverfahren wegen Hinterziehung oder wegen fahrlässiger Verkürzung der in dieser Gesetzesstelle genannten Abgaben (wozu aber nicht auch Eingangsabgaben gehören) zur Anwendung zu gelangen hat. Die vorliegende Abgabenschuld entstand indes nach den zollrechtlichen Vorschriften, so daß es einer rechtskräftigen Abgabenfestsetzung für den die strafbare Tat betreffenden Zeitraum nicht bedurfte. Die für die Bestimmung des Strafrahmens und für die Bemessung der Wertersatzstrafe erforderlichen Feststellungen traf das Erstgericht im übrigen ohnedies auf Grund des Berichtes des Zollamtes (S 79). Die auf den § 281 Abs. 1 Z 9 lit a und 10 (sachlich nur Z 9 lit a) StPO gestützte Rechtsrüge führt selbst an, daß fahrlässige Abgabenhinterziehung, auch wenn sich die Strafe wegen Rückfalls nach den §§ 41 oder 47 FinStrG richtet (§ 53 Abs. 1 lit a FinStrG in der in diesem Verfahren noch anzuwendenden Fassung vor der Finanzstrafgesetznovelle 1985), von den sich aus dem § 53 Abs. 3 FinStrG ergebenden Ausnahmen abgesehen, nicht gerichtlich strafbar ist. Soweit der Beschwerdeführer eine Beurteilung seiner Tat als fahrlässige Abgabenhehlerei (§ 37 Abs. 3 FinStrG) anstrebt, bestreitet er damit das Vorliegen einer gerichtlich strafbaren Handlung überhaupt.

Sachlich bringt er diesen Nichtigkeitsgrund jedoch insoweit nicht zur gesetzmäßigen Darstellung, als er die Urteilsfeststellung, vorsätzlich gehandelt zu haben, übergeht und in weitwendigen Ausführungen darzulegen sucht, daß in seinem Verhalten nur Fahrlässigkeit zu erblicken sei.

Der Beschwerdeführer irrt aber auch, wenn er meint, daß die - wie dargetan mängelfreien - Urteilsfeststellungen deshalb nicht zur Verurteilung wegen vorsätzlicher Abgabenhehlerei nach dem § 37 Abs. 1 lit a FinStrG hinreichen, weil der Vorsatz bereits zum Zeitpunkt, zu welchem er die jeweils betroffene Sache an sich brachte, hätte vorliegen müssen. Er übersieht dabei nämlich, daß es sich bei dem Finanzvergehen der Abgabenhehlerei um ein Delikt handelt, das durch verschiedene, rechtlich aber gleichwertige Verfügungen über eine Sache, hinsichtlich welcher ein Schmuggel, eine Verzollungsumgehung, eine Verkürzung von Verbrauchssteuern (Branntweinabgaben) oder von Eingangs- oder Ausgangsabgaben begangen wurde, verwirklicht werden kann, sodaß nicht nur die Herbeiführung, sondern auch die Aufrechterhaltung des verpönten Zustandes (= Verheimlichen) strafbar ist (Dorazil-Harbich-Reichel-Kropfitsch, 7. Lfg, E 8 zu § 37 FinStrG). Auch in jenen fünf Fällen, in denen der Beschwerdeführer (erfolglos) versuchte, Straflosigkeit durch Selbstanzeige zu erwirken, blieb es bei der Aufrechterhaltung des gesetzwidrigen Zustandes; Straflosigkeit konnte, was die Beschwerde gar nicht bestreitet, mangels Rechtzeitigkeit der Selbstanzeige (§ 29 FinStrG) nicht eintreten. Da der Beschwerdeführer als Geschäftsführer der Firma N*** Ges.m.b.H. während des gesamten Deliktszeitraumes die rund 30 LKW der Firma einteilte (S 24 in Verbindung mit S 71), sohin bei der Eigenart dieses Geschäftszweiges nicht zu bezweifeln ist, daß er über jedes der von der Abgabenhinterziehung betroffenen Fahrzeuge wiederholt Verfügungen traf, waren dazu nähere Urteilsfeststellungen umsomehr entbehrlich, als sich der Beschwerdeführer im erstinstanzlichen Verfahren auch niemals dahin verantwortete, er hätte bei dem einen oder anderen Objekt der Abgabenhehlerei keine tatbestandliche Handlung verübt. Das Erstgericht konnte vielmehr ohne Rechtsirrtum davon ausgehen, daß der Angeklagte in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer des Transportunternehmens über alle durch Eingangsabgabenhinterziehung zu ihm gelangten Waren in einer Art verfügte, die rechtlich als Abgabenhehlerei zu qualifizieren ist.

Die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war daher - im Einklang mit der Stellungnahme der Generalprokuratur - zu verwerfen.

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