OGH 7Ob579/86

OGH7Ob579/8622.5.1986

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden sowie durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr. Petrasch und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta und Dr. Egermann als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M*** M***, vertreten durch Dr. Manfred Denkmayr, Rechtsanwalt in Mauerkirchen, wider die beklagte Partei Maria D***, Pensionistin, Mauerkirchen, Wilhelm-Mayerstraße 14, vertreten durch Dr. Walter Ratt, Rechtsanwalt in Mauerkirchen, wegen Aufkündigung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Kreisgerichtes Ried im Innkreis als Berufungsgerichtes vom 25. Februar 1986, GZ. R 14/86-30, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Mauerkirchen vom 24. Oktober 1985, GZ. C 76/85 -25, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin ist schuldig, der Beklagten die mit 2.719,20 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 247,20 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Beklagte ist Mieterin des der Klägerin allein gehörigen Hauses Mauerkirchen, Wilhelm-Mayerstraße 14. Die Klägerin kündigt unter Anbot von vier Ersatzwohnungen das Mietverhältnis unter Berufung auf § 30 Abs.1 und § 30 Abs.2 Z 11 und 15 Mietrechtsgesetz auf. Sie behauptet, sie habe das Haus im Jahre 1981 zum Zwecke der Errichtung eines öffentlichen Parkplatzes erworben, wobei dieser schon im Verbauungsplan 1979 als Abbruchsobjekt aufscheine. Die Verwendung der Liegenschaft als Parkplatz entspreche im höheren Maße den Interessen der Verwaltung als die gegenwärtige Verwendung. Das Erstgericht hat die Kündigung für rechtswirksam erklärt, wobei es die beabsichtigte Verwendung als öffentlicher Parkplatz als erwiesen annahm. Außerdem traf es Feststellungen über die angebotenen Ersatzwohnungen.

In rechtlicher Hinsicht nahm das Erstgericht das Vorliegen des Kündigungsgrundes nach § 30 Abs.2 Z 11 MRG an.

Das Berufungsgericht hob die Kündigung auf. Es erachtete die Feststellungen bezüglich einer Eignung der angebotenen Ersatzobjekte als nicht ausreichend. Eine Ergänzung des erstgerichtlichen Verfahrens sei jedoch nicht erforderlich, weil keiner der herangezogenen Kündigungsgründe gegeben sei. Im Falle des § 30 Abs.2 Z 11 MRG stünde der beabsichtigte Abbruch der Geltendmachung entgegen, während § 30 Abs.2 Z 15 MRG nur gegeben wäre, wenn an die Stelle des jetzigen Bauwerkes ein anderes Bauwerk gesetzt werden sollte. Die Errichtung eines Parkplatzes erfülle diesen Tatbestand nicht.

Das Berufungsgericht hat ausgesprochen, daß der Wert des Streitgegenstandes 15.000 S übersteigt, nicht jedoch 300.000 S und die Revision für zulässig erklärt.

Rechtliche Beurteilung

Die von der Klägerin gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision ist zwar zulässig, jedoch nicht gerechtfertigt. Entgegen der Auffassung der Revisionsbeantwortung sind im vorliegenden Fall die Voraussetzungen des § 502 Abs.4 Z 1 ZPO gegeben, weil zumindest zu der Bestimmung des § 30 Abs.2 Z 15 MRG noch keine oberstgerichtliche Judikatur vorliegt. Es ist zwar richtig, daß Entscheidungen zu der Bestimmung des § 19 Abs.2 Z 4 a Mietengesetz gefällt worden sind, doch bedarf es im Interesse der Rechtssicherheit einer Klärung der Frage, inwieweit diese Judikatur auch auf die Nachfolgebestimmung des MRG anwendbar ist. Der nunmehrige § 30 Abs.2 Z 11 MRG entspricht, sieht man von der Notwendigkeit einer Ersatzbeschaffung ab, wörtlich dem seinerzeitigen § 19 Abs.2 Z 9 a Mietengesetz. Schon aus diesem Grunde kann zur Auslegung der nunmehrigen Kündigungsbestimmung die Judikatur zu dem seinerzeitigen Kündigungsgrund des Mietengesetzes herangezogen werden. Ein Kündigungsgrund nach dieser Gesetzesstelle ist daher nach wie vor nur gegeben, wenn das bisherige Mietobjekt für Zwecke der Hoheitsverwaltung benötigt wird (MietSlg.30.385, 24.298, 9.679 u.a.). Ein Mietvertrag kann daher gekündigt werden, wenn ein dem Bund, einem Bundesland oder einer Gemeinde gehöriger Mietgegenstand auf eine Art verwendet werden soll, die in höherem Maß den Interessen der Verwaltung dient als die gegenwärtige Verwendung. Mietgegenstand im Sinne dieser Bestimmung ist sowohl nach dem allgemeinen Sprachgebrauch als auch nach der Diktion des Mietengesetzes (nunmehr Mietrechtsgesetz) nicht die Liegenschaft, auf der sich das Gebäude mit gemieteten Wohnungen oder Geschäftsräumen befindet, sondern es sind dies die letzteren selbst. Daß bei einem beabsichtigten Neubau und einem grundlegenden Umbau eines ganzen Hauses alle darin befindlichen Mietgegenstände betroffen werden, ändert nichts daran, daß nicht diese Mietgegenstände anders als bisher verwendet werden sollen, was aber Voraussetzung für das Vorliegen des Kündigungsgrundes wäre (MietSlg.36.441).

Das Berufungsgericht hat also richtig erkannt, daß der genannte Kündigungsgrund dann nicht gegeben ist, wenn der bisherige Mietgegenstand durch Abbruch des Gebäudes zur Gänze beseitigt werden soll. Dies ist aber nach den Behauptungen der Kündigung hier der Fall. Daran kann auch die nunmehrige Behauptung der Revision, zum Kündigungsobjekt gehöre auch ein Garten, nichts ändern. Nicht dieser Garten als solcher ist Gegenstand der Kündigung, sondern ausdrücklich das von der Beklagten benützte Gebäude, das abgetragen werden soll. Von einer Identität des nunmehrigen Mietgegenstandes mit jenem Objekt, das Zwecken der Hoheitsverwaltung dienen soll, kann also keine Rede sein.

Nach § 30 Abs.2 Z 15 MRG ist eine Kündigung berechtigt, wenn ein Miethaus ganz oder in dem Teil, in dem sich der Mietgegenstand befindet, abgetragen oder umgebaut werden soll, mit dem Abbruch (Umbau) die Errichtung eines neuen (geänderten) Baues sichergestellt ist und die Bezirksverwaltungsbehörde auf Antrag des Bauwerbers mit Bescheid erkannt hat, daß der geplante Neubau (Umbau) aus Verkehrsrücksichten, zu Assanierungszwecken, zur Vermehrung der Wohnungen, die zur Beseitigung oder Milderung eines im Ortsgebiet bestehenden quantitativen Wohnungsbedarfes oder eines qualitativen Wohnfehlbestandes geeignet sind, oder aus anderen Gründen im öffentlichen Interesse liegt und dem Mieter Ersatz beschafft wird. Ob ein Parkplatz ein "Bau" im Sinne dieser Bestimmung ist, muß hier nicht erörtert werden, weil die Klägerin das Vorliegen des in § 30 Abs.2 Z 15 MRG genannten Bescheides der Bezirksverwaltungsbehörde nicht einmal behauptet hat. Dieser Bescheid kann durch den Flächenwidmungsplan nicht ersetzt werden, zumal dieser über die in dieser Gesetzesstelle genannten öffentlichen Interessen nichts aussagt und auch von einer anderen Behörde stammt.

Richtig ist, daß die Revisionswerberin die Kündigung auch auf die Generalklausel des § 30 Abs.1 MRG gestützt hat. Diese Generalklausel hat jedoch nicht die Aufgabe, fehlende Merkmale eines Kündigungsgrundes nach § 30 Abs.2 MRG zu ersetzen, sondern dient dazu, die Kündigung wegen vom Gesetz sonst nicht erfaßter, aber an Gewicht den Spezialtatbeständen gleichwertiger Sachverhalte zu ermöglichen (EvBl.1973/201, JBl. 1976, 595 u.a.). Aus dem erforderlichen Vergleich ergibt sich, daß ein Sachverhalt, der einem Spezialtatbestand des § 30 Abs.2 MRG zu unterstellen wäre, für dessen Verwirklichung ihm jedoch ein Merkmal fehlt, nur dann einen wichtigen Kündigungsgrund im Sinne des § 30 Abs.1 MRG darstellen kann, wenn das fehlende Merkmal durch ebenso wichtige zusätzliche Sachverhaltselemente ersetzt wird (Würth in Rummel Rdz 7 zu § 30 MRG, MietSlg. 26.221 u.a.). Im vorliegenden Fall wird das Fehlen des Tatbestandsmerkmales der beabsichtigten Errichtung eines Neubaues, der in § 30 Abs.2 Z 15 MRG gefordert wird, lediglich durch die Behauptung finanzieller Nachteile für die Gemeinde im Falle der Nichtrealisierung ihres Projektes ersetzt. Dies begründet jedoch keinen Umstand, der im Zusammenhang mit dem nicht zu leugnenden öffentlichen Interesse der Klägerin eine den Tatbeständen des § 30 Abs.2 MRG gleichwertigen Umstand begründen könnte. Die bloße, einem Vermieter drohende finanzielle Belastung durch Nichtverwendbarkeit eines Bestandobjektes in seinem Sinne wird vom Gesetzgeber im allgemeinen nicht als Kündigungsgrund anerkannt. Dazu kommt, daß im vorliegenden Fall die Verwendung des Mietobjektes durch die Mieterin nicht schlechthin zu einer finanziellen Mehrbelastung der Klägerin führen, sondern daß die Klägerin nur finanzielle Vorteile verlieren würde, die sie für sich in Anspruch nehmen könnte, falls sie das Bestandobjekt so verwenden kann, wie sie will. Letztlich liegt die Sachlage hier so, wie wenn jemand ein vermietetes Objekt in der Absicht, es für sich günstig zu verwenden, erwirbt, der mit dem Erwerb verbundene erhoffte Vorteil jedoch dann nicht eintritt, wenn es ihm nicht gelingt, den Mietvertrag zur Auflösung zu bringen. Daß derartige Fälle vom Gesetzgeber nicht als Kündigungsgründe in Aussicht genommen worden sind, bedarf wohl keiner näheren Erörterung. Der bloße Nichteintritt wirtschaftlicher Erwartungen ist also kein Umstand, der ein fehlendes Tatbestandsmerkmal eines gesetzlichen Kündigungsgrundes wirksam ersetzen könnte. Das öffentliche Interesse an der Auflösung eines Bestandverhältnisses rechtfertigt für sich allein keine Kündigung, weil es als Tatbestandsmerkmal in speziellen Kündigungstatbeständen neben weiteren Tatbestandsmerkmalen aufscheint (§ 30 Abs.2 Z 11, 15 MRG), demnach für sich allein kein Kündigungsgrund sein kann. Auch ein Kündigungsgrund nach der Generalklausel des § 30 Abs.1 MRG ist also nicht gegeben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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